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Der bessere Neustart

Published On: 28. Juli 2022 14:00

Wir stehen vor einem kalten Winter? Gas, Heizöl und Benzin werden unbezahlbar? Die Ressourcen waren schon vor der Ukraine-Krise knapp. Wir leben schon lange als Planeten-Abnutzer auf Pump, und ob diese Praxis energieökonomischer Ignoranz sich politisch oder auf eine andere Art zeigt, ist eigentlich nebensächlich. Dasselbe gilt für den Gesundheitsfaschismus und die stille Zersetzung jeder Hoheit über das eigene Leben und wirklicher Privatheit oder die Dominanz des Raubtier-Kapitalismus, den wir mit dem Großteil unserer Existenz füttern.

Wir wissen, dass unsere eigene wirtschaftliche Existenz am Fortbestand eines schädlichen Systems der Energie- und Rohstoffnutzung hängt. Wir wissen auch, dass Politik und Wirtschaft unheilige Allianzen bilden, die in der Vergangenheit selten das nachhaltige Wohl der Menschen als Hauptinteresse verfolgen. Wir wissen auch, dass diese Machteliten im Schulterschluss mit den Massenmedien manipulative Strategien anwenden, um ihre Ziele zu verfolgen. Diese Phänomene existieren nicht wegen der Macht Weniger, sondern weil diese Wenigen unser Mandat haben. Es gibt sie, weil sie Delegationsträger des Kollektiv(un-)bewusstseins sind.

Wenn wir die Welt und ihre destruktiven Strukturen verstehen wollen, müssen wir zuerst verstehen, wie das Kollektivbewusstsein strukturiert ist.

Warum begegnet uns heute eine Welt, die anscheinend lieber dem Absurden Glauben schenkt? Warum hat der Wahnsinn scheinbar mehr Erfolg als die Freiheit? Geht es im Kern um mehr als um die neuerliche Erscheinung des immer gleichen Phänomens, nämlich des Größenwahns und der Gier des Menschen? Und wie weit ist es her mit der Mündigkeit des Bürgers? Beschränkt sie sich nicht auf das Maß an Informiertheit, welches er vorgefiltert und tendenziös vermittelt bekommt?

„Great Resets“ gab es schon immer, immer waren sie systemlogische Antworten auf gesellschaftliche Umwälzungen: Die Weltkriege dienen hier als Negativbeispiele. Und solche Resets waren immer nur möglich, weil die Masse unkritisch war. So weit, so gut; nur warum ist sie es? Ein bisschen analysieren müssen wir also doch.

Ich wundere mich: Noch immer wehrt sich die Mehrheit, das Destruktive zu erkennen, was unsere gewohnte Normalität — ob die alte oder die neue — mit sich bringt, und ich hoffe, dass Sie, lieber Leser, es erkannt haben. Unsere Art zu leben — gemeint ist die dominante Art des westlichen Menschen — ist zutiefst lebensfeindlich. Grob zusammengefasst könnte die Situation folgendermaßen zusammengefasst werden:

  • Wir sind eine Spezies, die einen Planeten bewohnt, dessen Ökosphäre äußerst zerbrechlich ist, und dessen Strapazieren durch menschliches Verhalten zu seinem Kollaps führen kann.
  • Die Aufteilung des Planeten in Länder und die gewaltsame Neuverteilung dieser Topographien dienen langfristig keinem zeitgemäßen Ziel mehr.
  • Die globalisierte Wirtschaft erzeugt naturgemäß Verlierer, die diesen Status nicht dauerhaft in Kauf nehmen werden.
  • Die weiterwachsende Bevölkerung dieses Planeten korreliert nicht mit seiner aktuellen Wirtschaftsform. Infolgedessen kommt es zu dramatischer Verknappung von Lebensmitteln und fossilen Ressourcen.

Das Generieren von Wohlstand ist im momentanen Modus nur für eine kleine Elite möglich, und das zudem auf Kosten der Mehrheit der Planetenbewohner und des Planeten selbst. Doch warum erkennt die Mehrheit das nicht? Oder warum scheint sie trotz des Wissens darum derart darin gefangen?

Der Trotz ist die Antwort unserer Ich-Konzepte auf unsere Kindheit. Der Trotz hat zweierlei Optionen: Die positive ist das Tabu des Verrats elterlicher Werte, also das unbewusste Festhalten an ihnen, die negative ist die Opposition dagegen.

Wenn wir also über die Dinge reden, die gerade die Gemüter und die Weltgeschichte bewegen, müssen wir tiefer eintauchen. Möglicherweise gibt es eine kollektiv-tiefenpsychologische Dynamik, die sich kaum erfassen lässt. Ich möchte trotzdem versuchen, hier einige Ansatzpunkte liefern.

  • Da ist zum Beispiel die urtümliche Angst, die der Mensch scheinbar „braucht“: Schon immer war jeder Tag in gewissem Maße unsicher: wilde Tiere, fremde Stämme, Unfälle — der Tod war präsent. Mit dem Zusammenwachsen als Nationen schwanden gewisse Bedrohungen, und die Gegenmaßnahme waren immer gewaltigere Kriege. „Memento Mori“ — gedenke deiner Sterblichkeit! — war die Begleitbotschaft. Gegenwärtig sind uns die Bedrohungen ein wenig ausgegangen — bis auf die ökologische Katastrophe, die aber ungreifbar ist und der es deshalb an alltäglicher Haptik zu fehlen scheint. Wir wollen betroffen sein, wir wollen uns auch wehren können. Der „Feind“ muss (an-)greifbar sein. Das kann für die einen das Virus sein, für andere die Querdenker, und wieder andere die Geradeausdenker, und so weiter und so fort.
  • Und hier finden wir die nächste Psychodynamik: die Projektion. Immer wieder wird dem Bösen, welches wir in uns selbst tragen, kein Raum zugestanden. Es ist in uns selbst nie anwesend, sondern in den Taliban, dem Kapitalismus, der Gier der Superreichen, und so fort. Dabei wird übersehen, dass diese Phänomene nicht aus sich selbst heraus existieren, sondern mit unserer Zulassung, unserer Delegation — als Träger des Bösen, also als „Schuldige“ — und unserer indirekten Billigung. Würden wir anerkennen, dass all das Teil eines großen Ganzen ist, würde jeder Unfrieden vermutlich schnell aufhören. Alles geschieht aus dem Feld heraus, welches wir in unserem Kollektivbewusstsein möglich machen. Niemand bringt etwas über uns; die Agenda der Machthabenden und der Initiatoren ist ein Spiegel, der uns unsere wirkliche Mündigkeit vorhält. (Siehe auch mein Artikel zur Natur des „Bösen“)
  • Die nächste Tiefendynamik ist die der Angstbewältigung: Sind wir wirklich „Auswurf“ eines rein mechanischen, kosmischen Zufallsgeschehens, so können wir auf nichts hoffen. Wir werden unweigerlich verschlungen vom großen Unerhörten, dem kosmischen Tanz des Zufalls, dessen wir kurz Zeuge werden durften. Mit der Abschaffung Gottes und seiner Begleitbequemlichkeiten im gegenwärtigen Zeitgeist haben wir uns selbst den Boden entzogen. In unserer Vernunftwerdung hat Angst keinen Platz — und muss durch die Hintertüre kommen und uns wieder an unsere Sterblichkeit erinnern. Das kann sie nicht mehr auf die archaische Weise unserer Vorväter — die technisierte und globalisierte Welt braucht einen adäquaten „Player“: Ein Virus ist dafür perfekt geeignet, denn unser Umgang damit ist ein rein „vernünftiger“. Kontrolle ist das Werkzeug des Verstandes im Umgang mit Angst: Voilà!
  • Ein weiterer Grund ist unsere unbewusste Abhängigkeit von der Vaterfigur. Wir haben uns weder individuell noch kollektiv ausreichend von unseren Vätern emanzipiert. Still versuchen wir immer noch ihre Anerkennung zu erlangen oder definieren uns im Rebellentum gegen deren Werte. Nicht umsonst stehen den monotheistischen Religionen und Regierungen „Männer“ vor, denen man zu gefallen hat, und die belohnen und gegebenenfalls bestrafen — obwohl es ja die Frau ist, welche Leben gibt und gebiert und sich daher eher für die Gottesrolle eignen würde. Bei genauer Introspektion finden wir das in uns selbst. Gerade der Deutsche hat dazu einen starken Hang: „Vater Staat“ ist Versorger — den es nicht zu verraten gilt —, Beschützer und Regelgeber. Erschwerend kam in der Ära Merkel hinzu, dass in diesem Falle „Vater Staat“ durch eine Mutterfigur ergänzt wird. Diese Dynamik verhindert einen allzu kritischen Umgang mit staatlichen Maßnahmen generell. Der Vater ist „gut“, er hat es zu sein. Und wir bleiben Kinder, die hoffen, dass Papa es schon richtet. Kinder, die nicht selbst entscheiden können, was gut für sie ist. Kinder, die brav gehorchen.
  • Ein weiterer zentraler Punkt ist die Schuld. Unsere eigene Existenz auf dieser Erde muss gerechtfertigt werden; ein einfaches Sein als „Planetennutzer“ ist nicht erlaubt. Die „Erbsünde“ peitschte uns durch den Ablasshandel, durch den Kapitalismus — und Kommunismus — und sie ermöglicht den Kadavergehorsam bis heute. Noch immer gibt es also kein Bild vom Menschen, welches ihn wirklich in seine Würde hebt. Unbewusst halten wir an der Idee der Erbsünde fest — und wir wollen endlich befreit werden von dieser Last. Wir versuchen es mit Fleiß und Gehorsam, ohne zu erkennen, dass wir damit niemals die Tretmühle verlassen. Bei dem Versuch, Schuld loszuwerden, verlagern wir sie. „Die Anderen“ sollen sie haben: China, die Superreichen, die Eliten, die Flüchtlinge, die Großindustrie, die Faschisten. Und wir begegnen uns nicht mehr mit Wertschätzung, sondern in einem ewigen Gegeneinander. Wir Menschen behandeln uns schlecht, seit Jahrtausenden. Der Mensch ist des Menschen Wolf; alles Leid geht vom Menschen aus.
  • Als letzten Punkt will ich eine gewisse Unnatürlichkeit des globalisierten Umgangs miteinander nennen. Ich glaube, die Idee einer „geeinten“ Menschheit in wirtschaftlicher und politischer Lesart ist ein Irrtum an sich. Wir können innerhalb weniger Stunden den gesamten Erdball bereisen. Die Kollateralschäden sind weniger ökologischer Art: Kulturelle Identität und Diversität verlieren ihre Ferne und Unverstehbarkeit, ihre Exotik und damit auch ihre Immunität — gemeint ist sowohl die soziale als auch die biologische Immunität. All unsere Stärke liegt nicht mehr hier, zuhause, sondern ist zerstrahlt in eine — scheinbar — tolerante und offene Welt. Schlussendlich ist auch diese physische Nähe aller Länder zueinander erheblich mitverantwortlich für die Ausbreitung von Krankheiten.

Und jetzt fühlen wir uns hilflos, mehr noch, wir müssen Hilflosigkeit erleben. Wir haben keine Kontrolle, und sie ist auch nicht herzustellen. Noch nie in den Millionen von Jahren biologischer Evolution hat es einen Eingriff von Seiten des Menschen gegeben, dem er sein Überleben verdankte. Allerdings hat diese Welt, der wir vollständig entstammen, es selbst meisterhaft geschafft, mit Meteoriteneinschlägen, Polsprüngen, Massensterben, Bakterien, Raumstrahlung und Viren fertig zu werden. Sie konnte immer wieder ein Gleichgewicht herstellen. Hingegen hat jeder Eingriff des Menschen in biologische Vorgänge Ungleichgewichte nicht beseitigt, sondern weiter verschlimmert: Gentechnik, Glyphosat, das Insektizid DDT, Bewässerungssysteme, Staudämme, Mobilität, Geoengineering; jede „Verkünstlichung“ der natürlichen Entwicklung hat mehr Probleme verursacht, als sie zunächst zu lösen vermochte. Immer wurde das Alte „optimiert“ und der Fehler blieb. Stets wurden Abhängigkeiten verstärkt und lokale Vernetzungen und natürlich gewachsene Strukturen zerstört. Die Prämissen stimmten einfach nicht.

Wie soll man nun mit einer Lage umgehen, die offenbar dauerhaft unhaltbar ist? Wie lange könnte man die „Mühle“ noch am Laufen halten, indem man den Eindruck vermittelt, eine progressive und innovative technologische Erneuerung würde uns sanft um den Abgrund herumführen, über dem wir bereits hängen?

Uns fehlt derzeit die Demut zu sehen, wer wir als Menschheit sind. Wir werden zurück an unseren Platz müssen, den wir in dieser Welt haben. Und dieser besteht offenbar nicht darin, diese Welt zu beherrschen. Würden wir das einsehen, könnten wir auch groß werden! Ich glaube, der Mensch verkörpert das „Interface“ zwischen der geistigen — „göttlichen“ — und der rein physischen Sphäre. Das im Menschen verkörperte Bewusstsein ist das Auge, mit dem sich die Welt selbst wahrnehmen kann. Im Menschen inkarniert „Gott“. Dieses höchste Bild, der „kosmische Anthropos“, so der Philosoph Jochen Kirchhoff, bindet den Menschen wieder an seine Heimatwelt an. Wir wurden hier nicht abgesetzt — oder ausgesetzt, wie es der britische Schriftsteller Douglas Adams im vierten Band des „Anhalters“ andeutet. Wir sind nicht lediglich Bewohner oder Passagiere; wir sind die Kulmination der Evolution. Möglicherweise „will“ die Evolution weiter, nun durch die bewusst-kreative Schöpfertätigkeit des Menschen. Vertiefend gehe ich dazu hier ein.

Daher: Es kann und darf kein Zurück mehr geben. Wenn ich zurückgehe, kann ich mich nicht neu verhalten. Ich „weiß“ ja dann, wie „es geht“, und schließe echte Kreativität aus.

Das Nichtwissen ist zwangsläufig der einzige Zustand, der wirklich kreativ ist. Und unbewusst und mit den entsprechenden ausführenden Organen an der Spitze manövriert sich die Menschheit genau dort hin.

Ich bin daher davon überzeugt, dass „Maßnahmen“ — und generell alle Handlungen des Menschen — nur dauerhaft in Übereinstimmung mit den kosmischen Gesetzmäßigkeiten funktionieren werden, welche uns hierhergebracht haben — ansonsten wird uns die Evolution entlassen und einen neuen „Versuch“ beginnen. Dieser Planet war einst eine glühende Gesteinskugel, auf welcher bewusstes Leben in unglaublicher Vielfalt entstanden ist. Dieser Vorgang folgte einer gewissen Inhärenz, einer Eigenlogik, einer Intelligenz jenseits unserer Definition, die Abweichungen nur in gewissem Ausmaß tolerierte. Für uns ist der biologische Aspekt dieser Entwicklung teilweise bekannt, andere Aspekte liegen völlig im Dunkeln. Doch halten wir in der Regel nur die von uns messbaren und erkennbaren Aspekte für maßgeblich wirklichkeitsverursachend. Doch werden wir uns auch als dominante Spezies nicht darüber hinwegsetzen können, was jenseits des allgemein zulässigen Erkenntnishorizontes liegt.

Wir verhalten uns wie kleine Kinder im Waffenladen. Wir werden Hilflosigkeit erleben, die uns an einen Punkt der Erkenntnis führen soll, den wir noch nicht erreicht haben. Das wäre dann Bestandteil globaler Entwicklung — natürlich weit entfernt von unserer gewohnten Definition.

Jeder „Great Reset“ kann als Versuch der kosmischen Ur-Ordnung betrachtet werden, in eine universelle Harmonie zurückzufinden.

Verstehen folgt dem Erkennen. Erst in dieser Reihenfolge geschieht Veränderung. Wir haben es auf den Kopf gestellt. Jede kataklysmische Um-Ordnung der Welt ist die Chance auf eine höhere Erkenntnis.

Die gewohnte Normalität ist am Ende: Der Kapitalismus als Fundament unserer Gesellschaft ist nicht länger aufrechtzuerhalten; wir haben Flüchtlinge, Ressourcenverknappung und Umweltzerstörung in nicht mehr zu haltendem Ausmaß, wir haben Luxus, der uns langweilt, und Armut auf der anderen Seite, die uns auffrisst. Es muss etwas geschehen.

Wir haben Menschen als unsere Führer gewählt, die das, was man als „Vernunft“ bezeichnet, zur einzigen wertegebenden Realität erhoben haben — nun haben wir eine Welt, die so unvernünftig ist wie nie zuvor.

Diese Einseitigkeit lässt alles Menschliche verkrüppeln: Intuition, Spontanität, Träume. Alles hat sich einer vereinheitlichten „Vernunft“ unterzuordnen, nur die Logik darf „Recht“ haben.

Warum? Weil wir glauben wollen, was wir glauben. Menschen entscheiden sich für das Irrationale, weil uns die „Heile Welt“, die wir verstehen und überschauen können, wichtiger und sicherer ist als das Ungewisse und Bedrohliche. Wir brauchen ein Objekt, das wir verantwortlich machen können für die Misere. Wir brauchen etwas, was „schuld“ ist, wir lieben die Sicherheit von Erklärungen. Und der Glaube steht höher als reflektierte Einsicht — auch das sollten wir wissen. Der gegenwärtige Glaube macht sich scheinbar unsichtbar: Er glaubt nämlich, den Glauben im religiösen Sinne überwunden zu haben. Doch wie ist es wirklich? Wann gibt ein Mensch seine Überzeugungen zugunsten neuer Erkenntnisse auf? Offenbar nicht, wenn diese tatsächlich offensichtlich sind oder überwiegen, sondern wenn er sich dazu bewusst entscheidet. Bis dahin gilt in ihm der alte Glaube. Und dieser Glaube ist seine Welterklärung, sein „Richtig“. Es gäbe sonst keine einzige Sekte auf dieser Welt!

Alles ist Glaube; die innere Überzeugung, wie die Wirklichkeit außerhalb von mir beschaffen ist, welches ihre Regeln sind, was daher zu erwarten und zu tun ist. Noch nie folgte dieser Glaube einer neutralen „objektiven“ Wirklichkeit. Und auch das wissen wir. Menschliche Wirklichkeit ist Glauben — auch wenn er im Mantel der Wissenschaft oder Politik daherkommt. Das Wissen von gestern ist überholt — warum sollte das „Wissen“ von heute nun endlich der „Wahrheit“ entsprechen? Wir gehen uns andauernd selbst auf den Leim. Und immer deuten wir auf die Welt „da draußen“, um dort Schuldige und Verursacher zu finden.

Doch finden wir uns immer selbst vor. Wie bei einem Prisma zeigt das große Ganze die Gestalt des Kleinen: Alles ist fraktal und das, was gerade geschieht, ist das Abbild einer inneren Wahrheit und seiner Teile. Dort sind Täuschung und die Angst statt Verantwortung und Verbundenheit.

Wenn Liebe, Freude und Vertrauen in den meisten Menschen herrschen, werden wir eine Welt voller Liebe, Freude und Vertrauen vorfinden. In einer solchen Welt würden sich keine lebensfeindlichen Strukturen entwickeln können.

Fragen wir weiter. Was ist „Natur“? Das ist — gemessen am Verhalten der gegenwärtigen Gesellschaft — etwas „da draußen“, etwas, was man — gemäß dem Gebot Gottes an Adams Adresse — „unterwerfen“ muss. Wir selbst scheinen auf dieser Welt eher Passagiere zu sein. Der Mensch hat sich nach dem „Sündenfall“ vom Gesamtorganismus ERDE gelöst, er hat sein Bewusstsein über das des Tieres erhoben. Nun hat er vergessen, wo er herkommt — und welche Verantwortung er trägt. Sein Größenwahn drängt ihn weiter, ins All, in den Cyborg, er will nun auch die Ewigkeit beherrschen. Damit haben wir die Welt zu einem bedrohlichen Ort gemacht. Sie ist keine Heimat mehr, sondern eine Gefahr. Das Bedrohliche hat etwas Martialisches, etwas Unausweichliches: Da ist die scheinbare Abhängigkeit von einem Finanzsystem, was sich unserer Regulierung längst entzogen hat, und von einer Energieversorgung, die nicht aus der Fülle kommt, sondern aus der fragilen Übereinkunft kriegslüsterner Machtinhaber, da sind Maschinen, die lärmend und stinkend jede Stille zerstören und sich durch Mutter Erde fressen, derzeit fühlen wir uns bedroht von einem Virus oder seiner Kur, je nach Überzeugung — die Zerstörung ist überall und systeminhärent.

Ein symbiotisches Aufeinander-Bezogen-Sein mit unserer Mitwelt gelingt uns nur in Ausnahmefällen. Aber wie sonst soll Harmonie auf einem Planeten möglich sein, wenn nicht genau das selbstverständlich wird?

Unsere Gleichgültigkeit ist mitverantwortlich für die bestehende „Krise“. Täglich haben wir uns dem Leid in der Welt medial ausgesetzt, der Ungerechtigkeit und der Profitgier, deren Nutznießer wir in unserer Komfortzone waren. Täglich haben wir sie um der eigenen Bequemlichkeit willen gefüttert — mit unserem Konsum und unserer Arbeitsleistung. Wir tolerieren Gewalt und legitimieren sie als Unterhaltung in unserem Alltag.

Wir haben die Macht, eine Welt zu gestalten, die Macht, sie auf Erbarmen und Mitgefühl zu stellen — aber auch die Macht, sie den Mächtigsten zu überlassen. Wir haben immer die Macht, uns in Sensationslust zu baden, uns machtlos zu fühlen, uns dem zu unterwerfen, was wir als Sachzwang verstehen. Wir haben immer die Freiheit, zu hinterfragen, was uns aufoktroyiert wird.

Allerdings können wir genauso gut aus diesem ewigen Spiel unseres Egos, des kleinen, sterblichen und auf sich bezogenen Teils unserer Identität, aufwachen, ehrlich werden zu uns und in unseren Beziehungen. Wir polemisieren an virtuellen Stammtischen und ersehnen die Katastrophe oder ein Wunder herbei. Aber die „neue Realität“ wird uns mit uns selbst konfrontieren, jeden Einzelnen von uns. Jeder wird gezwungen sein, Anteil zu nehmen: an den Folgen seiner eigenen Ethik. Das Kollektiv wird auf den Einzelnen zurückgeworfen werden.

Schmerz ist unser Lehrer seit Jahrhunderten. Wir erschaffen immer wieder aufs Neue globale Krisen, die zerstören, was wir lieben. Dann fühlen wir, dann werden wir bewusst und können das Leben wieder würdigen — bis uns diese Fähigkeit wieder abhandenkommt, bis sie verdrängt wird.

Der religiöse Begriff der Erlösung spielt eine große Rolle dabei: Die Idee der Erlösung beinhaltet unsere Ahnung, unvollständig zu sein als Mensch, so wie wir jetzt sind. Wenn wir verstehen, dass alles unsere eigene Schöpfung ist, deren Ergebnisse jeweils auf uns zurückfallen, können wir uns selbst „erlösen“: Wir können uns immer nachhaltig verhalten, wir kreieren eine Ethik von innen heraus, die alle Gesetze überflüssig macht, denn wir erkennen, wer wir sind: Teil einer Welt, die ausschließlich durch Kooperation existiert, die aufeinander bezogen ist und sich daher selbst nie schadet. Das wäre umfassende Liebe. Es wäre eine Haltung, die Besitz und Status überflüssig macht, weil die eigene Existenz nicht gerechtfertigt werden muss. Wir würden uns gegenseitig mit Achtung und Respekt begegnen, und unserer Heimat und ihrer Organe ebenso. Das Förderliche für das große Ganze wäre handlungsleitend, nicht an erster Stelle unser persönlicher Vorteil.

Wir würden die bestehenden Harmonien nicht stören wollen, sondern uns einfügen. Von hier aus könnten wir eine Welt des Überflusses kreieren, die keine Verlierer kennt. Ein Great Reset ist überlebenswichtig.

Allerdings: kein geplanter. Lebendigkeit ist bei genauem Hinsehen das Gegenteil von Planung. Wir sind nicht geplant hier. Wir sind als bewusste und liebende Wesen mit einem brillanten Verstand emergentes Ergebnis der Selbstwerdung des Kosmos — griechisch: „Alles“ —, also Gottes. Evolutionsgeschichtlich sind wir sehr junge Wesen — die jüngsten überhaupt hier. Inzwischen haben wir vielleicht genug Erfahrung gesammelt, wie wir diese Brillanz im Dienste des großen Ganzen einsetzen und eine wundervolle Welt für alle — „Alles“ — erschaffen können.


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