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Krieg in der Ukraine: Es gab und gibt Alternativen

Published On: 4. August 2022 0:02

Veröffentlicht am 4. August 2022 von RL.

Vorbemerkung der Redaktion: Dieser Artikel ist zuerst auf Globalbridge.ch erschienen. Transition News durfte den Text mit freundlicher Genehmigung übernehmen.

Ende letzten Jahres, mitten im politischen und medialen Gerangel um den russischen Truppenaufmarsch vor der Ukraine, meldete sich unerwartet eine Stimme der Vernunft zu Wort. Und sie kam nicht aus dem Lager der «üblichen Verdächtigen».

Am 5. Dezember veröffentlichte eine illustre Gruppe überwiegend konservativer ehemaliger deutscher Generäle, Botschafter und Friedensforscher – darunter der ehemalige Botschafter bei der NATO und in Russland, Ulrich Brandenburg, der Ex-Generalinspekteur der Bundeswehr, Klaus Naumann, und der ehemalige Direktor des Hamburger Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik, Michael Brzoska – einen Appell mit dem unzweideutigen Titel «Raus aus der Eskalationsspirale! Für einen Neuanfang im Verhältnis zu Russland».

Der in militärischer Kürze gehaltene Text kam sofort auf den Punkt: Er konstatierte nüchtern, die Welt drohe in eine Lage zu geraten, in der ein Krieg in den Bereich des Möglichen rücke. Nun müsse umgehend alles dafür getan werden, die Eskalationsspirale zu durchbrechen.

In der Retrospektive wird deutlich, wie richtig die Autoren mit ihrer Warnung gelegen waren. Auch wenn es im Moment blauäugig oder gar utopisch aussehen mag: Es lohnt sich, diesen Appell heute, während Russland nun tatsächlich gegen die Ukraine Krieg führt, unter dem Gesichtspunkt, was davon für eine künftige, irgendwann ja kommende Nachkriegszeit brauchbar wäre, nochmals genauer anzusehen.

Auch russische Sicherheitsinteressen anerkennen

Die prominenten Autoren – die meisten von ihnen haben das Pensionsalter längst überschritten – lassen keinen Zweifel daran, dass sie keine «Russland-, gar Putin-Versteher» sind. Im Gegenteil: Sie kritisieren deutlich die «Drohgebärden Russlands gegenüber der Ukraine und das Imponiergehabe gegenüber NATO-Staaten in Übungen». Sie wollen Deutschland nicht aus der NATO führen oder diese gar abschaffen. Sie wollen aber auch nicht zum hundertsten Male die üblichen Narrative bedienen, sondern pragmatische, lösungsorientierte Wege aufzeigen.

Kurz: Die Ex-Generäle und Diplomaten a.D., die ihre einschlägigen Karrieren überwiegend im ersten Kalten Krieg absolviert hatten, schwingen das scharfe Schwert der immanenten Kritik! Ihre Vorschläge zur «Feuerwehr», das heisst zur unmittelbaren Schadensbegrenzung und schrittweisen Verringerung, stehen auf dem festen Boden der Realpolitik. Was sie für die Scharfmacher in Medien und Politik umso brisanter macht.

Das Papier hebt sich wohltuend von der üblichen Medienhysterie ab, indem es völlig selbstverständlich und ohne dies gross zu betonen auch die russischen Sicherheitsbedürfnisse als gleichberechtigt anerkennt, statt diese, wie bislang üblich, als «Quantité négligeable» reflexartig vom Tisch zu wischen. Die Autoren sind – heute eine immer seltenere Eigenschaft – in der Lage, Perspektivenwechsel vorzunehmen und sich auch mal in die Schuhe ihres jeweiligen Gegenübers zu stellen. Als Profis wissen sie, dass Gespräche immer und namentlich zu Krisenzeiten eine «Conditio sine qua non» sind, die niemals an Bedingungen geknüpft werden dürfen.

Und ihre Vorschläge zum Ausstieg aus der Eskalationsspirale könnten dazu beitragen, in der Nachkriegszeit einen neuen Eisernen Vorhang, diesmal tausend Kilometer weiter östlich, im letzten Moment doch noch zu verhindern – vorausgesetzt, sie würden umgesetzt!

Schritte aus der Eskalationsspirale

Der Westen, so schreiben sie, dürfe der Eskalation nicht tatenlos zusehen oder diese stillschweigend billigen – oder, so müsste man heute ergänzen, gar noch mehr Benzin ins Feuer giessen. Er solle vielmehr «aktiv auf Russland zugehen und auf eine Deeskalation der Situation hinwirken». Im einzelnen schlagen sie vor:

  • Einberufung einer hochrangigen Konferenz mit dem Ziel einer Revitalisierung der europäischen Sicherheitsarchitektur auf der Grundlage der fortbestehenden Gültigkeit der Helsinki-Schlussakte von 1975, der Charta von Paris 1990 und der Budapester Vereinbarung von 1994, und zwar ohne Vorbedingungen und in unterschiedlichen Formaten. Ein ganz ähnlicher Vorschlag wurde unlängst, am 18. Mai, von der italienischen Regierung vorgelegt.
  • Solange diese Konferenz tage, solle auf beiden Seiten auf jede militärische Eskalation verzichtet und beiderseits der Grenze zwischen der Russischen Föderation und ihren westlichen Nachbarn keine weiteren Truppen und Infrastruktur stationiert werden. Zugleich plädieren die Autoren für die vollständige wechselseitige Transparenz bei Militärmanövern.
  • Der NATO-Russland-Dialog – er liegt nicht erst seit dem 24. Februar in Trümmern – solle ohne Konditionen auf politischer und militärischer Ebene wiederbelebt werden. Dazu zähle auch ein Neuansatz für die europäische Rüstungskontrolle, da mittlerweile sämtliche wesentlichen Verträge für die europäische Sicherheit gekündigt seien. Umso wichtiger seien alle Massnahmen zur Schaffung von mehr Transparenz und zur Förderung des Vertrauens.
  • Schliesslich solle «trotz der derzeitigen Lage» – wie gesagt: der Appell stammt von Anfang Dezember 2021; die Vorschläge sind damit aber keineswegs obsolet – als Anreiz für Russland, zu einer kooperativen Politik gegenüber dem Westen zurückzukehren, über weitergehende wirtschaftliche Kooperationsangebote nachgedacht werden. Es sollten Win-Win-Situationen geschaffen werden, um die derzeitige Blockade zu überwinden. «Dazu gehört die Anerkennung der Sicherheitsinteressen beider Seiten. Mit Rücksicht darauf sollte in Fragen der künftigen Mitgliedschaften in NATO, EU und CSTO für die Dauer der Konferenz ein Freeze vereinbart werden.» Gemeint sind hier natürlich vor allem Georgien und die Ukraine – und heute, so wäre zu ergänzen, auch Schweden und Finnland.

Es ging den Autoren also darum, die Logik der Eskalation zu durchbrechen, die aktuelle Situation zu entschärfen und einen Freiraum zu schaffen, in dem Kontakte wieder geknüpft und, wenn es positiv laufen sollte, erste vertrauensbildende Massnahmen initiiert werden könnten.

Was wäre die Alternative?

Soweit die Vorschläge der ehemaligen Generäle und Botschafter, die – es sei nochmals daran erinnert – aus der Vorkriegszeit stammen. Und es liegt nahe, sie als «überholt und aus der Zeit gefallen» reflexartig vom Tisch zu wischen.

Man mache sich dann aber auch in aller Schärfe und illusionslos bewusst, was für die kommenden Jahrzehnte die Alternative wäre: Eine erneute tiefe Spaltung des europäischen Kontinents samt Neuauflage des konventionellen und atomaren Wettrüstens mit immer zielgenaueren Trägersystemen bei immer kürzeren Vorwarnzeiten, kurz: ein Kalter Krieg 2.0, der angesichts der höchst instabilen geopolitischen Rahmenbedingungen und der Tatsache, dass sich kaum noch ein relevanter Akteur an Regeln hält, erheblich gefährlicher sein wird als der erste.

Den «Worst Case» mag man sich nicht ausmalen! Wäre es angesichts dieser Perspektive nicht sinnvoller, alle Schritte, die den Weg zu einer neuen Entspannungspolitik ebnen könnten, nochmals sorgfältig zu prüfen?

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Leo Ensel ist Trainer für interkulturelle Kommunikation und Konfliktforscher. Er ist spezialisiert auf den postsowjetischen Raum. Schon seine Dissertation an der Carl-von-Ossietzky-Universität in Oldenburg galt dem Thema Ost-West-Konflikt.

Der folgende Artikel ist der 6. einer 7-teiligen Serie.

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