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„Babylon Berlin“: Gangster, Gauner und Ganoven

Published On: 6. August 2022 14:18

In wenigen Wochen startet die vierte Staffel von Babylon Berlin auf Sky. Doch wie fing alles an?Unser Rückblick auf Staffel 1. In unserer Geschichtsausgabe „Babylon Berlin“ haben wir die Serie und ihre historischen Hintergründe beleuchtet – und dabei eine Menge Querfront und Subversion aufgetan. Das schmeckt der Produktionsfirma überhaupt nicht – unser Heft will sie verbieten lassen. Noch ist die Ausgabe hier erhältlich

Es wird dunkel im Nachtklub Moka Efti. Auf der Bühne steht Psycho Nikoros, eine Kunstfigur, androgyn, halb Mann, halb Frau, mit aufgeklebtem Menjou-Bärtchen. Ihre dunkle Stimme haucht ein ebenso finsteres Lied: „Zu Asche, zu Staub, / dem Licht geraubt, / doch noch nicht jetzt. / Wunder warten bis zuletzt.“

Man meint, das Schreien der Weltkriegstoten zwischen den Zeilen zu hören. Dazu tanzen die Gäste – die Herren in dunklen Fracks, die Damen in kurzen Charleston-Kleidern – besinnungslos im Lavastrom der Zeit. Da ist sie, die „voluptuous panic“, die lüsterne Panik, mit der der Historiker Mel Gordon die 15 Jahre der Weimarer Republik charakterisierte – zu einer Szene verdichtet. Gesungen wird der Titelsong von einer Frau, Swetlana Sorokina (Severija Janusauskaite), deren Verrat einer Gruppe von Trotzkisten zum Verhängnis werden soll…

Freizügig: Die Haller-Revue im Berliner Admiralspalast. Hier wird die Quadriga nachgestellt. Foto: bpkimages

Schon die erste Staffel von Babylon Berlin besticht durch ihre spannungsreiche Handlung. Doch im Gegensatz zu Kutschers Romanvorlage Der nasse Fisch (2008) ist die Stadt der eigentliche Star. Schon für Alfred Döblin war Berlin ein Lebewesen, das atmet, pulsiert, fiebert, sich in ständiger Bewegung befindet – und dabei so manchen verschluckt.

Adenauers Geheimnis

Erzählt wird ein Fall des Kölner Kommissars Gereon Rath (Volker Bruch). Ein Kriegstrauma trieb ihn in die Morphiumsucht. Wie Privatdetektive im amerikanischen Film noir irrt und stolpert der Antiheld orientierungslos durchs Leben. Nach Berlin ist er in geheimer Mission gekommen: Ein Erpresserring hat einflussreiche Politiker und Beamte heimlich in devoten Posen bei Sado-Maso-Sexspielen gefilmt. Darunter angeblich auch Konrad Adenauer, damals Bürgermeister von Köln.

Bei seinen Ermittlungen verfängt sich Rath in den zahlreichen Netzen des Berliner Untergrunds, darunter putschende Generäle, ein krimineller Ringerverein und russische Migranten, die den Machtkampf zwischen Stalin und Trotzki im Exil fortführen. Nicht einmal engsten Kollegen kann der Kommissar trauen. Trotz allem ist der Kommissar von den Vibrationen, dem düsteren Sog der Stadt fasziniert.

Daran hat auch seine Assistentin Charlotte Ritter (Liv Lisa Fries) hohen Anteil. Die junge Frau arbeitet zunächst als Stenotypistin bei der Polizei, stockt nachts als Kellnerin und Prostituierte im Moka Efti ihr Gehalt auf und betreibt dabei Recherchen auf eigene Faust. Bald knistert es zwischen beiden.

Liv Lisa Fries als Charlotte Richter: Tagsüber Stenotypistin, nachts Liebesdame. Foto: Screenshot Sky

Eigentlich ist Charlotte eine Nebenfigur, doch Liv Lisa Fries gelingt es in der Rolle ihres Lebens, mit Talent, Schönheit und Charisma sämtliche Hauptpersonen an die Wand zu spielen. In Kutschers Roman ist die wilde „Charly“ (in der Serie ruft man sie „Lotte“) Jurastudentin aus der Mittelschicht, in Babylon Berlin gehört sie zum Proletariat: ihre Jobs sind lebensrettend, schützen sie und ihre Familie vor völliger Armut.

Keine Frage: Liv Lisa Fries wäre auch in den 1920er Jahren ein Filmstar geworden. Allzu perfekt verkörpert sie den Typ jener Zeit: Frauen wie ihre Charlotte Ritter beherrschten die Stumm- und frühen Tonfilme. Die Schauspielerin bereitete sich auf die Zeitreise für Babylon Berlin intensiv vor: So führte sie Berlin-Touristen zu den Überbleibseln der Weimarer Republik. Dabei empfand sie eine starke Nähe zu dieser Epoche. Es ist also durchaus passend, dass ihr mit Babylon Berlin der Durchbruch gelang.

Pornos und Proleten

In Folge vier der ersten Staffel eilt Gereon Rath in die Geyer-Kopierwerke, deren Gebäude noch heute in Neukölln stehen. Der Kommissar sucht dort das Negativ des Adenauer-Films – und stürzt dabei in eine Testvorführung von Der blaue Engel (1929) mit Marlene Dietrich, einem der frühesten UFA-Tonfilme. Der Wandel vom Stumm- zum Tonfilm war ökonomisch wie kulturell von herausragender Bedeutung.

Ein weiteres Detail der Filmgeschichte, wenn auch des Undergrounds, thematisiert die erste Folge von Staffel 1: Die Polizei stürmt ein illegales Pornofilm-Atelier und beschlagnahmt dort gelagertes Material. Allerdings liefern die Beamten die Spulen nicht bei der Dienststelle ab, sondern verkaufen sie auf dem Schwarzmarkt. Tatsächlich war die Produktion und der Vertrieb solcher „Dirty Movies“ in jenen Jahren offiziell verboten, und doch war der Output extrem hoch. Stadtchronistin Susanne Everett konstatierte in den 1970er Jahren: Im Berlin der Zwanziger gab es mehr und härtere Sexfilme als heute auf der 42nd Street in New York.

Volker Bruch als Kommissar Gereon Rath in „Babylon Berlin“. Foto: Pressebild X FILME CREATIVE POOL GMBH

Die Regisseure von Babylon Berlin haben mit Filmzitaten nicht gespart. Bereits die erste Einstellung ist ein solches – und zwar eins zu eins: Eine schwarze Kreisblende öffnet sich (ein Verfahren aus der Stummfilmzeit) und zeigt einen Zug beim Durchfahren einer Waldgegend. Aufgenommen ist die Szene aus der Vogelperspektive, wobei die Lok auf die Kamera zufährt. Der Zug kommt aus Leningrad kommt und hat Berlin zum Ziel. Seine Fracht ist illegal: Giftgas und Gold.

Unort des Nihilismus

Auch in Fritz Langs Dr. Mabuse, der Spieler (1921) öffnet sich zu Beginn eine schwarze Kreisblende und zeigt, wie Eisenbahnwaggons durch bewaldetes Terrain fahren. Ebenfalls aus der Vogelperspektive, auch hier fährt der Zug auf die Kamera zu. In ihm werden Wertpapiere transportiert und kurz darauf gestohlen. Dieser formale Brückenbau zu Dr. Mabuse ist nicht zufällig. In den Gereon-Rath-Romanen von Volker Kutscher, die Babylon Berlin als Vorlage dienten, gibt es einen Dr. Johann Marlow, der als „Dr. M.“ bezeichnet wird.

Das Kürzel ist natürlich eine Anspielung auf jene zwei Streifen, in denen Lang die Weimarer Republik dokumentiert hatte: neben Dr. Mabuse der Spieler der Kriminalfilm M – Eine Stadt sucht einen Mörder (1931) mit Peter Lorre in der Hauptrolle. Langs Mabuse kümmert sich, anders als die Ganoven in Babylon Berlin, allerdings wenig um die eigene Bereicherung.

Anders als in der Serie dargestellt, gab es im Keller des echten Mokka Efti keine Prostitution. Foto: X FILME CREATIVE POOL GMBH

Ziel seiner Verbrechen ist die pure Lust am Willen zur Macht und – im Streifen von 1933 – die Etablierung einer, so der Untertitel, „Herrschaft des Verbrechens“, die die Menschen nonstop in Panik versetzt und dem Nihilismus Vorschub leistet. Diese aktive Verneinung alles Bestehenden, aller Werte und Normen zeigt sich im Gegenwartskino am deutlichsten in der Figur des Jokers in der gleichnamigen Verfilmung von Todd Phillips aus dem Jahr 2019. Insofern ist Dr. Mabuse kein deutscher Al Capone, er macht aus Berlin kein „Chicago an der Spree“ (Walther Rathenau), sondern versucht, die Stadt in einen Unort des Nihilismus zu verwandeln.

Vielleicht wirkte der Name Dr. M. den Babylon-Berlin-Regisseuren zu artifiziell, sodass der Gangsterboss in der Serie nicht auftaucht. Stattdessen heißt der auf ihm basierende Charakter schlicht: Der Armenier (Misel Ma-ticevic). Dieser Großkriminelle betreibt das Moka Efti und ein Luxus-Restaurant, in dem sich die Ganoven die Klinke in die Hand geben.

Seine genauen Motive sind nicht bekannt, er hat aber die Finger in quasi allen großen Kriminalfällen, in denen Gereon Rath fortan ermitteln soll. Auch hier wieder eine Parallele zu Lang: Wie in dessen erstem Mabuse-Film wird der Armenier durch einen rauschgiftsüchtigen Mitarbeiter verpfiffen – weil die Polizei die erlösende Spritze von der Denunziation abhängig macht.

Verboten gut: Man will COMPACT-Geschichte „Babylon Berlin – Historische Hintergründe der großen Kultserie“ aus dem Verkehr ziehen. Besorgen Sie sich schnell noch ein Heft – oder gleich mehrere Exemplare, damit sie diese auch dann noch verteilen und verschenken können, wenn wir es nicht mehr dürfen. Die Ausgabe ist hier erhältlich.

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