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Rotchina gegen das freie Taiwan

Published On: 6. August 2022 16:36

Deutschland darf die taiwanischen Demokraten nicht weiter ausgrenzen und verraten. Es geht um die Freiheit und das Leben von 23 Millionen Menschen in Taiwan. Ein 24. Februar in Ostasien muss verhindert werden. Der Preis für einen Angriffskrieg muss erhöht und die Abschreckung der aggressiven Kommunisten in Peking verstärkt werden.

Plötzlich gibt es sie bei uns – vermeintliche Taiwan-Versteher in Politik und Medien. Politiker, die noch nie einen Fuß auf taiwanischen Boden setzten, erklären uns, was die Taiwaner und vor allem die USA zu tun und zu lassen hätten. Dass etwa der Zeitpunkt der Reise von Nancy Pelosi falsch gewesen sei. Welcher Termin Peking wohl je gepasst hätte? Es äußern sich auch Medienvertreter und Besserwisser mit akademischen Titeln, die sich mit Sicherheitspolitik rund um Taiwan nie beschäftigt hatten. Das wurde selbst dem sozialdemokratischen Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth, zuviel. Er twitterte: „Bin irritiert über die Kommentierung des Pelosi-Besuchs in Taiwan. Wir dürfen uns nicht die Narrative autoritärer Regime zu eigen machen.“ Das sei bei Russland falsch und auch bei China. Roth: „Ein diplomatischer Besuch ist kein Grund für eine militärische Reaktion! Das Säbelrasseln ging von Peking aus.“

Die Gewaltdrohungen Pekings gegenüber Taiwan sind dabei völkerrechtswidrig. Keinen einzigen Tag wurde Taiwan jemals von der kommunistischen Volksrepublik regiert. Es ist auch nicht deren „abtrünnige Provinz“, wie deutsche Journalisten häufig falsch formulieren. Taiwan hat im Unterschied zu Festlandchina eine frei gewählte Regierung. Es hat eigene Streitkräfte und unterhält offizielle diplomatische Beziehungen mit dreizehn Staaten, auch mit dem Vatikan. Selbst wenn man Taiwan nicht als Staat anerkennt, ist es mindestens ein „stabilisiertes de-facto-Regime“, gegenüber dem auch das Gewaltverbot der UN-Charta gilt.

Das freilich ignorieren die Machthaber in Peking, die sich auch in Hongkong nicht um internationales Recht scherten und in Xinjiang völkermörderisch gegen die Uiguren vorgehen. Seit langem planen sie auch die gewaltsame Eroberung Taiwans. Mit ihrer massiven Rüstung haben sie längst eine gefährliche Lage für die Insel geschaffen, die nur rund 180 Kilometer vom Festland entfernt liegt.

Tatsächlich ist es auch fraglich, ob und wie die USA Taiwan im Falle eines Angriffs noch wirksam zur Hilfe eilen könnten. Denn China hat große Fortschritte gemacht bei seinem Bestreben, die US-Streitkräfte im Westpazifik auf Abstand zu halten. Von Sicherheitsexperten wurden schon oft militärische Szenarien durchgespielt, darunter eine Blockade Taiwans durch China.

Das Außenministerium in Taipeh erklärte jetzt zur aktuellen Lage: „Am 4. August feuerte China mehrere ballistische Raketen in die Gewässer nordöstlich und südwestlich von Taiwan ab, was die nationale Sicherheit Taiwans bedroht, die regionalen Spannungen verschärft und den regulären internationalen Verkehr und Handel beeinträchtigt.“ Man verurteile die chinesische Regierung „aufs Schärfste dafür, dass sie dem Beispiel Nordkoreas folgt und vorsätzlich Testraketen in Gewässer in der Nähe anderer Länder abschießt“. Das taiwanische Außenministerium forderte die „internationale Gemeinschaft auf, Chinas militärische Nötigung gegenüber Taiwan zu verurteilen“. Es appellierte „an die Länder rund um den Globus, sich weiterhin für das demokratische Taiwan einzusetzen, um gemeinsam die Werte von Freiheit und Demokratie zu schützen, die auf Regeln basierende internationale Ordnung aufrechtzuerhalten und einen freien und offenen Indo-Pazifik zu gewährleisten.“

Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen erklärte: „Wir verurteilen das Vorgehen Pekings aufs Schärfste.“ Und: „Ich möchte betonen, dass wir Konflikte nicht eskalieren“. Aber man werde die nationale Sicherheit sowie Demokratie und Freiheit entschlossen verteidigen. Auf Twitter schrieb sie am 5. August: „Unsere Regierung und unser Militär überwachen Chinas Militärübungen und Informationskrieg genau und sind bereit zu reagieren, wenn es notwendig ist. Ich fordere die internationale Gemeinschaft auf, das demokratische Taiwan zu unterstützen und jede Eskalation der regionalen Sicherheitslage zu stoppen.“

Der Vorsitzende der deutsch-taiwanischen Parlamentariergruppe im Bundestag, Klaus-Peter Willsch (ganz rechts) bei einer Kundgebung mit Taiwanern in Berlin zugunsten eines Beobachtungsstatus Taiwans in der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Foto: M. Leh

Der Taiwan-Kenner und Vorsitzende der Deutsch-Taiwanischen Parlamentariergruppe (Freundeskreis Berlin-Taipei) im Bundestag, Klaus-Peter Willsch (CDU), betonte: „Die aggressive Reaktion des kommunistischen Regimes in Peking auf einen völlig legitimen Besuch unter Partnern verurteile ich aufs Schärfste! Wir erkennen derzeit vor der eigenen Haustüre, welche Folgen All- und Großmachtphantasien diktatorischer Regime für Frieden und Freiheit der Bevölkerungen angrenzender Staaten zur Folge haben können.“

Taiwan sei ein „Leuchtturm für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Freiheit.“ Darauf könnten die Menschen in Taiwan zurecht stolz sein. „Sie leben in Freiheit. Sie arbeiten hart für Ihren Wohlstand. Die Früchte sind eine stabile Demokratie und eine Wirtschaftskraft, von der andere noch lange nur träumen können“, so Willsch. Taiwan sei der „Beweis, dass auch Chinesen Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Freiheit können.“ Die deutsche Politik gegenüber Taiwan und „vor allem auch gegenüber Rotchina braucht mehr Bekennermut zugunsten des Partners und demokratischen Rechtsstaates Taiwan“, erklärte der hessische Bundestagsabgeordnete.

Nur eine scheinbare Änderung der US-Strategie

Bereits im letzten Jahr hatte Willsch zum auslegungsfähigen Begriff „Ein-China-Politik“ erläutert: „Die Ein-China-Politik wird uns nicht von der Volksrepublik auferlegt. 2ielmehr ist es ,unsere´ Ein-China-Politik. Diese sollten wir interpretieren, wie wir es möchten.“

Der taiwanische Außenminister Joseph Wu konnte letztes Jahr Brüssel, Prag und Pressburg besuchen. Um Deutschland muss er jedoch einen Bogen machen. Zu den faktischen Einreiseverboten für führende Repräsentanten Taiwans in Deutschland erklärte Willsch:

„Alle taiwanischen Bürger genießen ausnahmslos Visafreiheit. Es gibt aber diplomatische Gepflogenheiten. Die Einreise eines Spitzenpolitikers wird angemeldet. Das ist ganz normal. Leider hat unsere Bundesregierung dann immer deutlich gemacht, dass eine Einreise nicht erwünscht ist. Daraus ergibt sich de facto ein Verbot.“ Er, Willsch, habe dazu auch vor ein paar Jahren die Bundesregierung in der Fragestunde des Bundestages befragt. „Ich wollte wissen, wer genau und warum nicht einreisen darf. Die Antwort war, dass es kein Einreiseverbot gebe. Es gibt eine Absprache unter den Mitgliedstaaten der EU, an die sich die einzelnen Regierungen mehr oder weniger gebunden fühlen. Gerade Tschechien geht sehr weit, was ich persönlich sehr begrüße.“

Gemeinsame Pressekonferenz von Außenminister Joseph Wu und Nicola Beer MdEP im Außenministerium in Taipeh. Foto: M. Leh

Im Juli konnte ich als Journalist die Vizepräsidentin des Europäischen Parlamentes, Nicola Beer (FDP), auf ihrem Taiwan-Besuch begleiten. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz von Beer und Joseph Wu im Außenministerium erklärte ich in einer Frage an den Außenminister, dass dieser erfreulicherweise letztes Jahr habe Brüssel, Prag und Bratislava besuchen können. Dass aber bezüglich Deutschland offensichtlich weiter ein „de facto-Bann“ bestehe. Ob er, Wu, wenn er zum Beispiel eine Einladung von einer deutschen Universität oder einer Institution wie der Friedrich-Naumann- Stiftung zu einem Vortrag in Deutschland oder einer Diskussionsveranstaltung erhielte, diese gerne annehmen würde? Und ob er etwas näher erläutern könne, wie es zu seinen Besuchen in Prag und der Slowakei gekommen sei?

Seemanöver und Teilblockade

Wu antwortete: „Seit ich Außenminister bin, war es mir nicht möglich, Deutschland zu besuchen. Nicht weil ich das nicht gewollt hätte, sondern weil ein solcher Besuch das Einverständnis beider Seiten brauchte. Wenn es mir die deutsche Regierung erlaubte und mich eine Institution in Deutschland einlüde, zum Beispiel eine Rede zu halten oder an anderen Veranstaltungen teilzunehmen, wäre ich natürlich sehr glücklich.“ Diese Frage müsse zwischen den beiden Regierungen abgestimmt werden. Deshalb könne er jetzt nichts Genaueres dazu sagen.

Was seine Visiten in Brüssel, Prag oder Bratislava betreffe, antwortete Wu weiter, so gehöre zum Hintergrund, dass „immer mehr europäische Länder die Differenzen zwischen Demokratien und Autoritarismus verstehen.“ Europäische Länder, die eine sehr harte autoritäre und kommunistische Herrschaft vor 1989 erlebten hätten, verstünden den Kampf des demokratischen Taiwan und unterstützten es deshalb, wie etwa auch die baltischen Staaten. „Wir schätzen das sehr und haben so eine natürliche Affinität,“ erklärte Wu. Der Besuch in Prag, Bratislava und anderen europäischen Hauptstädten sei „wundervoll“ für ihn gewesen, sagte der taiwanische Außenminister. Wenn die Europäer ihm und anderen hohen Beamten erlaubten, dass ihnen „direkt zugehört“ werden könne, werde dies zu mehr Verständnis für Taiwan führen.

Vizeparlamentspräsidentin Nicola Beer und Präsidentin Tsai Ing-wen im Gespräch im Präsidentenpalast in Taipeh. Foto: Presidential Office, Taiwan

Nicola Beer war in Taiwan herzlich von Präsidentin Tsai Ing-wen, Premierminister Su Tseng-chang, Außenminister Wu, dem Vizepräsidenten des Parlamentes, Tsai Chi-chang, weiteren Abgeordneten, sowie dem Minister für Festlandsangelegenheiten, Chiu Tai-San, und Digitalministerin Audrey Tang empfangen worden. Tsai Ing-wen nannte Beer im Präsidentenpalast eine „gute Freundin Taiwans“, die sich seit langem für Taiwan einsetze. Seit Januar 2021 habe das Europäische Parlament 20 Entschließungen zur Unterstützung Taiwans verabschiedet. „Ich hoffe“, sagte Präsidentin Tsai, „dass Taiwan und die EU eine noch engere Partnerschaft aufbauen und die Fortschritte in Richtung eines bilateralen Investitionsabkommens beschleunigen können“. Im vergangenen Jahr hätten die taiwanischen Investitionen in Europa einen Rekordwert erreicht.

Frau Beer rühmte die „pulsierende, lebendige Demokratie“ in Taiwan, die erhalten bleiben müsse. Sie sagte auch bereits im Juli in Taipeh insbesondere vor dem Hintergrund ständiger Verletzungen der Luftverteidigungszone Taiwans durch chinesische Kampfflieger: „Wir fordern die Volksrepublik China auf, von ihren Drohgebärden Abstand zu nehmen.“ Nach ihrem Treffen mit Premierminister Su Tseng-chang betonte Beer: „Es darf keinen 24. Februar in Asien geben.“ Und: „Es reicht nicht, dass Europa hinterher bedauert, es muss frühzeitig auf der Bildfläche stehen.“

Premierminister Su Tseng-chang überreicht auch Autor Michael Leh ein Präsent und Erinnerungsfoto an die Gespräche. Foto: gov.tw

Bei den Gesprächen Beers in Taipeh kam auch immer wieder der Krieg Putins gegen die Ukraine zur Sprache. Der Angriffskrieg wird in Taiwan genau verfolgt, und zwar auch hinsichtlich der militärischen Details. Präsidentin Tsai ist bestrebt, die Verteidigungsfähigkeit Taiwans zu erhöhen. Sie hatte vor kurzem das jährliche taiwanische Militärmanöver „Han Kuang“, bei dem die Abwehr einer chinesischen Invasion trainiert wird, erstmalig auch an Bord einer Fregatte der Chenggong-Klasse vor der Küste Nordosttaiwans beobachtet.

Willkommensgrüße an die deutsche Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments auf der elektronischen Anzeigetafel im Parlament in Taipeh. Foto: Leh

Nicola Beer lud ihren Amtskollegen, Vizeparlamentspräsident Tsai Chi-chang, nach Brüssel ein, auch im Namen von EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola. Beer ist als Vizeparlamentspräsidentin auch dafür zuständig, Metsola in Asien zu vertreten. In Taiwan traf sie mit mehreren Politikern zusammen, die auch Nancy Pelosi traf. Außerdem auch den früher in China inhaftierten Wing-Kee Lam, den Gründer des Causeway Bay-Buchgeschäfts aus Hongkong, das seit 2019 in Taiwan beheimatet ist. 20 000 bis 30 000 Hongkonger sollen inzwischen in Taiwan Schutz gefunden haben. Beer besichtigte unter anderem das taiwanische Unternehmen Macronix International, das hochspezialisierte Chips und Speichermedien herstellt.

Nicola Beer im Gespräch mit Wing-Kee Lam aus Hongkong in seinem Causeway Book-Geschäft, das jetzt in Taipeh beheimatet ist

In Deutschland erklärte Beer am 3. August in einem Interview mit dem Südwestrundfunk (SWR), sie wünsche sich, dass hochrangige taiwanische Politiker auch nach Deutschland eingeladen würden. Außenminister Wu, der Nancy Pelosi am Flughafen in Taipeh abgeholt habe, sei bereits zu Gesprächen in Brüssel gewesen. „Ich würde mich freuen“, erklärte die Vizepräsidentin des Europaparlamentes im SWR, „wenn Annalena Baerbock als unsere Außenministerin Herrn Wu nach Berlin einlädt.“ Beer erklärte auch: „Wir können nicht immer nur sagen, dass wir eine werteorientierte Politik führen und die Werte hochhalten, aber nachher nicht reagieren, wenn diese Werte bedroht werden.“


Michael Leh ist freier Journalist in Berlin und Mitglied im Vorstand der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM). Seit 2002 hat er Taiwan wiederholt besucht und begleitete auch als Journalist die Vizepräsidentin des Europaparlamentes Nicola Beer (FDP) bei ihrem dreitägigen Besuch im Juli 2022 in Taipeh.

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