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Dies ist eine Stunde der Prüfung, eine Bewährungsprobe

Published On: 7. August 2022 0:30

Veröffentlicht am 7. August 2022 von LK.

Seit zwei Jahren schreibt der Publizist und Buchautor Milosz Matuschek kritische Kolumnen zum Thema Corona. Mitte August erscheint sein Buch «Wenn’s keiner sagt, sag’s ich». Darin ist eine Sammlung dieser Kolumnen zu finden. Scharfsichtig zeichnet Matuschek nach, wie die unbehagliche Überlagerung von Themen wie Machtkonzentration, Cancel Culture, digitale Überwachung, Mehrfach-Impfungen und Pandemie-Panik zum Verlust von Freiheit, Transparenz und Demokratie führt. In absurden Zeiten zielt Matuscheks Schreiben auf nicht weniger als eine Verteidigung demokratischer Werte und eine Weitung der Welt. Transition News hat mit dem Autor über sein Buch, seine Erfahrungen der letzten zwei Jahre und Ideen für Auswege und Lösungen gesprochen.

Transition-News : Hilft Schreiben, um in der jetzigen Zeit mit den Geschehnissen klarzukommen und Hoffnung zu schöpfen?

Milosz Matuschek: Ja, das mit der Hoffnung ist immer noch eine andere Frage. Schreiben ist meine Profession. Dadurch ist es für mich nicht nur eine innere Aufarbeitung des Geschehenen, sondern eine Tätigkeit, bei der man eine Verantwortung für andere spürt und dafür, sich zu positionieren. Man muss fast ein Lager wählen. Schreiben ist eine Art Verdauungsvorgang des Geschehenen. Als Autor fühle ich mich manchmal wie ein grosser Wal, der alle Informationen, die in der Welt sichtbar und aufnehmbar sind, wie Plankton in sich aufnimmt und dann zu etwas verarbeitet, das einen Sinn ergibt. Es hilft einem selbst schon bei der Orientierung. Das Ergebnis ist nicht immer das, was man sich wünscht, denn die Welt ist im Grunde genommen hässlich. Wenn man als Journalist in den Eingeweiden des aktuellen Zeitgeschehens wühlt, ist das nicht unbedingt angenehm, aber ich bin auch der Überzeugung, dass der Journalismus für die Demokratie ein wesentlicher Bestandteil ist. Wir können nur dann in einer Demokratie sein, wenn wir irgendwie einen Konsens darüber finden, was Realität ausmacht. Da ich mir nicht aussuchen kann, ob sie schön oder weniger schön ist, muss ich mit dem vorlieb nehmen, was da ist. So versuche ich zu spiegeln, was ich sehe und liefere quasi Texte aus meiner subjektiven Sicht, aber mit einem Anspruch darauf, den objektiven Zeitgeist einzufangen.

Weshalb trauen sich nicht mehr Journalisten und Schriftsteller die Sprache als Waffe einzusetzen und überlassen stattdessen das Ruder dem Mainstream?

Sprache als Waffe ist ein schönes Stichwort. Diese Definition stammt von Kurt Tucholsky, einem schneidigen und intelligenten Kolumnisten und Schreiber aus der Weimarer Republik, der für mich auch als Vorbild dient. In diesem Zusammenhang passt die Aussage des Schriftstellers Upton Sinclair: «Man kann einen Menschen nicht dazu bringen, bestimmte Dinge zu sehen, wenn das Gehalt davon abhängt, diese Dinge eben nicht zu sehen.» In den Mainstream-Journalismus kommt man hinein, weil man sich einer bestimmten Richtung auf die Welt zu schauen, eher zugehörig fühlt. Der Weg in den Mainstream ist oft durch eine bestimmte Vorauswahl vorgezeichnet. Man ist quasi schon Teil des Publikums für das man schreiben soll. Ich kann das deswegen sagen, weil ich mich selbst lange Zeit als Mainstream-Journalist gesehen und bestimmte alternative News-Plattformen völlig gemieden habe. Wenn man dann jedoch quasi aus einer Quelle gefüttert wird, dadurch eine Weltsicht bekommt und keinen Anreiz hat, diese Weltsicht in Frage zu stellen, dann gerät man in einen Meinungskorridor. Dieser ist dann auch in Redaktionen präsent und so ergibt sich ein gefühlter Konsens. Wenn ein junger Kollege eine Reportage schreiben will, deren Ergebnis dem Redaktionsleiter nicht gefällt, dann eckt er damit schnell an. Ich denke, es gibt diese unsichtbaren Linien, die jeder verinnerlicht und spürt. Noam Chomsky hat dies mal als «fabrizierten Konsens» bezeichnet.

Wieso war es bei Ihnen anders?

Mein Vorteil lag vielleicht darin, dass ich nie in Redaktionen beheimatet war. Ich war immer ein Einzelkämpfer, immer ein freier Publizist. Im Kern war ich ja Jurist und habe meine juristische Arbeit an der Uni und in Anwaltskanzleien gemacht. Schreiben war zuerst ein Hobby, bevor es zum Beruf wurde. Ich habe diesen Konsens um mich herum schwächer gespürt und bin immer meinem eigenen Urteilsvermögen gefolgt. Das war auch das Ergebnis meiner Ausbildung. Ich habe mich immer darauf verlassen, dass meine Aussagen zumindest vertretbar waren. Letztlich bin ich ja nur eine Einzelstimme unter vielen und meine Texte sind ein Angebot zum Selberdenken, nicht zu blinder Folgsamkeit. Ich will denkende Leser.

Spüren Sie gelegentlich so etwas wie einen Corona-Blues, eine Art Weltschmerz? Was machen Sie dagegen?

Ja, das kommt schon vor. Wenn man sieht, was sich in der Ukraine abspielt, dass Impfnebenwirkungen auftauchen, Hunter Biden Videos mit Crack und Prosituierten veröffentlicht, wenn man die Verwicklungen über Geschäfte mit China und der Ukraine verfolgt und von Energie- und Versorgungsengpässen erfährt, kann sich nur der Eindruck verhärten, dass wir in einer extrem verkommenen Welt leben. Dann stellt sich die philosophische Frage, wie man in einer Welt, der es schlecht geht, glücklich sein kann. Die Berufskrankheit des Journalismus ist irgendwann der Zynismus. Ältere Kollegen denken: «Ich habe jetzt schon alles gehört und mich schockiert nichts mehr.» Die bekommen irgendwann einen Dauerblues. Ich versuche mich davor zu retten, indem ich mich auch den Lösungen zuwende. Ich spüre das auch bei meinen Lesern immer mehr. Ich muss sie nicht überzeugen. Sie sind bereits kritisch und spüren intuitiv, dass vieles schiefläuft. Da muss ich nicht jede Woche einen neuen Schocker bringen. Für mich besteht der grosse Anspruch darin, zu versuchen, Lösungen zu präsentieren und neue Auswege aus dieser Situation zu suchen. Im Journalismus gibt es das eigentlich selten, denn Nachrichtenjournalismus ist das Berichten von aufregenden und aufsehenerregenden, oft schlimmen und negativen Ereignissen und die Einordnung von ihnen. Man könnte sagen, der Journalismus ist auf der dunklen Seite der Macht. Eigentlich gibt es im Journalismus keine helle Seite. Die kennt man gar nicht so. Ich denke aber, wie man in den Wald ruft, so schallt es heraus. Die Leute fragen sich zunehmend, was man tun und wie man sich in dieser Welt positionieren kann, damit das, was gerade an Schlimmem passiert, einen möglichst nicht tangiert. Schreiben sehe ich ja nicht als Therapie, es ist mein Beruf, aber ich denke, für das eigene Seelenleben ist es nicht das Schlechteste, dass man nach dem sucht, was heute möglich und umsetzungsfähig ist. Wirft man einen Blick auf die Geschichte, so stellt man fest, dass es oft dunkle Epochen gab. Nach der Renaissance kam das dunkle Mittelalter, in dem das alte Wissen wieder verloren ging. Es kann sein, dass wir so etwas wieder erleben, aber wir haben in der Geschichte immer wieder ein Wiederaufstehen des Menschen erlebt und eine Hinwendung zum Besseren, zum Edleren. Ich möchte diese Dinge auch bewahren und sehe mich als einen Konservator.

Was raten Sie den Lesern?

Ein Problem ist die Versorgungsfrage. Ich denke gute Lösungen sind Permakultur und der Anbau von Obst und Gemüse, um sich unabhängiger zu machen. Es ist auch gar nicht so schwer, einen kleinen Garten zu bewirtschaften und man braucht auch nicht viel Land, um unabhängig zu sein. Ich rate den Lesern, den Sinn dafür zu schärfen, dass der Strom nicht aus der Steckdose kommt und das Essen nicht aus dem Supermarktregal. Wenn jeder versuchen würde, unabhängiger zu sein, würden wir eine resilientere Gesellschaft sein, die auch ein neues Selbstbewusstsein schöpft. Dies schliesst ein, dass wir nicht abhängig und schwach sind und wir nicht alles glauben müssen, was man uns sagt. Das ist ein Grundgefühl, was zu einer echten Demokratie eigentlich gar nicht passt, aber an das sich viele Leute gewöhnt haben, vor allem in Deutschland. In der Schweiz ist es vielleicht weniger der Fall. Ein weiteres grosses Problem ist die Inflationsfrage, die Entwertung des Geldes. Niemand hinterfragt dieses Geldsystem und niemand versteht es wirklich. Noch nicht einmal Ökonomen wissen teilweise, woher Geld kommt. Es ist ein Kartenhaus, das im Inbegriff ist, zusammenzufallen. Man muss nach Alternativen suchen, um die Früchte der eigenen Arbeit zu sichern und nicht unterzugehen. Die Deutschen haben ja in den 1920er Jahren schlimme Erfahrungen mit der Entwertung von Geld gemacht. Wir können uns heute gar nicht mehr vorstellen, dass die Banknoten mit der Schubkarre von einem Ort zum nächsten transportiert und zum Schluss nur noch dazu benutzt wurden, um die Fugen in Hauswänden dichtzumachen. Ich bin durchaus ein Freund von Bitcoin, weniger von anderen Kryptowährungen, weil ich da auch viel Unsinn sehe. Bitcoin sehe ich als Inflationsschutz, auch wenn es auf dem Markt noch grosse Verwerfungen gibt und Kryptowährungen von Institutionen bekämpft werden. Wer zumindest einen Teil seines Geldes in Form von Bitcoin anlegt, könnte besser aus der Krise herauskommen. Wissen und Technologie in den Händen des Einzelnen ist die beste Versicherung gegen übergriffige Strukturen.

Als ehemaliger Dozent für deutsches Recht kennen Sie sich gut mit den rechtlichen Grundlagen aus: Welche Fehler haben Juristen und das deutsche Rechtssystem während der vergangenen zwei Jahre gemacht?

Als Jurist bin ich schockiert, dass die Rechtssprechung auf der ganzen Welt wenig evidenzbasiert ist. In Deutschland schauen sich die wenigsten Richter die Daten hinter den Daten an. Sie nehmen die Daten des RKI und die Aussagen von Autoritäten für bare Münze und setzen dies dann in ihrer Rechtssprechung um. Hier sehe ich ein Grundproblem, das sich in diesem ganzen Corona-Komplex eingeschlichen hat. Die statistische Basis ist nicht gegeben. Es herrscht ein grosses Wirrwarr und eine gewollte Unordnung. Vor kurzem erschien in Deutschland der Bericht der Sachverständigen, eines Gremiums, das von der Bundesregierung aufgrund des Infektionsschutzgesetzes selbst eingesetzt werden musste. Der Bundesgesundheitsminister hatte noch versucht, es zu verhindern und zu verzögern. Das Gremium hatte festgestellt, dass es für die Corona-Politik keine Evidenzgrundlage gibt. Um statistisch verwertbare Daten zu haben, braucht man Vergleiche, um zu wissen, wie sich eine Massnahme entwickelt. Es wurden keine Vergleichsmöglichkeiten hergestellt. Ich vermisse diese Gesamtbasis, auf der man überhaupt Recht sprechen kann. Es ist alles losgelöst von einer harten Zahlenbasis. Ab diesem Moment bewegt sich alles in einem luftleeren Raum, auch die Rechtsprechung. Es herrscht zudem ein seltsames Verhältnis zwischen Journalisten und Richtern. Journalisten erwarten von Richtern, dass diese mit einer neuen Perspektive auf die Tatsachen blicken und vielleicht Stellschrauben verändern. Nun sehen wir aber, dass sich die Richter komplett der veröffentlichten Meinung anschliessen und auch unter diesem Angsteindruck stehen, den die Medien verbreitet haben. Gleichzeitig gehen die Richter auch nicht tiefer als die Medien selbst. Heute gibt es eigentlich keine Instanz mehr, die in die Tiefe der Realität vordringt und versucht, einen schonungslosen Blick auf das Ganze zu wagen. Eigentlich wäre dies die Aufgabe der freien Journalisten und der echten Rechtsprechung. Wo es keine Aufarbeitungsinstanz mehr gibt, da ist letztendlich alles in die Hände des einzelnen Bürgers gegeben. Alles, was weder Wissenschaft, Rechtssprechung und Journalismus aufarbeiten, können dann nur die einzelnen Menschen aufarbeiten. Da bleibt vielleicht nur noch die Strasse. Wir erleben eine institutionelle Gesamtenttäuschung. In einer Demokratie ist dieser Umstand extrem problematisch. Wir haben keine Erfahrung damit, wie man mit einer solchen Situation umgehen soll. Bisher war man ja immer vertrauensvoll und hat gedacht, dass die schlimmen Sachen schon aufgearbeitet werden. Das passiert nicht oder vielmehr es passsiert mit einer grossen Verspätung, sodass es nicht mehr relevant ist. Der aktuelle Journalismus geht für mich in Richtung Geschichtswissenschaft. Da brauche ich keinen Journalisten mehr, da reicht mir ein Historiker, der mir zehn Jahre später sagt, was problematisch war. Ich zweifle auch am Verstand der Leute, weil ich denke, dass man doch sieht, was schiefläuft. Man kann sich dem intuitiv nicht gänzlich verschliessen. Ich frage mich, ob etwas mit dem Fühlen der Menschen nicht stimmt oder die Angst so gross ist, dass viele die alte Version des Denkens vorziehen und jegliche Zeichen ignorieren. Ich frage mich, ab wann der Mensch lernt. Wir sehen, dass der Mensch weder durch Wissen noch durch Anschauung lernt. Erst wenn er Schmerz spürt, reagiert er. Es ist verrückt, zu sehen, dass Schmerz im Moment der einzige echte Lehrmeister ist, auf den man sich verlassen kann. Wenn die Menschen nach der Impfung merken, dass sie kaum noch Treppen steigen können, ist es oft schon zu spät.

Wie kann man diese Menschen, die unter dem Angsteindruck stehen, als Journalist erreichen?

Wenn Leute in einer Angstspirale sind, dann erreicht man sie nicht mehr. Der Kopf ist in einer solchen Phase nicht für rationale Argumente zugänglich. Psychologen, die sich mit Massenpsychosen beschäftigen, sagen, dass der einzige Ausweg in einer neuen Massenpsychose besteht. Im Grunde genommen müsste ich die Leute jetzt als Journalist mit einer neuen Angst schockieren, damit sie mehr Angst vor der Impfung oder vor dem Totalitarismus haben als vor Corona. Doch das ist eine Einbahnstrasse, dann ändert sich ja nie etwas. Lieber versuche ich durch meine Zweifel zum Denken anzuregen. Mir ist bewusst, dass das nur in einem begrenzten Rahmen möglich ist. Es bedarf eigener Erweckungserlebnisse. Ich bin überzeugt davon, dass man Menschen von aussen nicht aufwecken kann. Wenn man versucht, mit der Brechstange vorzugehen, hat man nur blinde Follower, die man ja eigentlich nicht will. Es bringt ja nichts, wenn die Leute heute das sagen und morgen das. Diese Erfahrung habe ich in den letzten zwei Jahren auch gemacht. Ich habe das Gefühl, dass alles, was während der letzten 40 oder 50 Jahre in Deutschland zum Konsens gehört hat, über Bord geworfen wurde. Sonst hiess es immer: «Nie wieder Krieg!» oder «Wir müssen aus der Vergangenheit lernen!» oder «Wehret den Anfängen!». Nun heisst es: «Hurra die Anfänge sind da!» Statt «Nie wieder Krieg!» wird gefordert: «Wir müssen schwere Waffen in die Ukraine liefern!» Es hat sich alles komplett umgedreht. Ich frage mich, wieviel von dem, was wir in den letzten Jahren gehört haben, der wirklichen Überzeugung entsprach und wieviel davon nur ein Lippenbekenntnis war. Ich denke, das grössere Problem besteht darin, dass wir zu wenige Leute haben, die eigenständig denken und viele Leute sich Bekenntnissen einfach anschliessen, die eine Zeit lang en vogue sind. Das ist diese Herdenmentalität, die da zum Tragen kommt. Das wahre Problem besteht darin, dass Menschen vor allem im Kollektiv so leicht manipulierbar sind.

Wie erging es Ihnen während der Lockdowns? Haben Sie weiterhin geschrieben? Welche Gefühle kamen in dieser Zeit in Ihnen hoch?

Ich habe die ganze Zeit über geschrieben. Im März 2020 wussten wir alle noch nicht, was das Coronavirus ist. Kurz davor hatte ich noch das Gefühl, dass die Pandemie von der Politik heruntergespielt wird. Zunächst hiess es ja auch, es sei nicht dramatisch und man könne weiterhin die Flughäfen offenlassen. Ich habe damals meine Eltern angerufen und ihnen erklärt, dass die Politik zwar sage, man brauche keine Masken, wenn man aber auf China und Amerika schaue, sei offensichtlich, dass sich dort etwas zu verbreiten scheine. Ich habe ihnen geraten, zu Hause zu bleiben. Als der Lockdown kam, fand ich es auch noch relativ nachvollziehbar. Ich dachte, das sei zwei Wochen lang notwendig, um die Kurve zu verflachen. Ich wurde erst stutzig, als ich gesehen habe, dass all das sichtbar von China ausgeht und die WHO es mehr oder weniger unbesehen übernimmt und die Empfehlungen weitergibt. Bislang galten Quarantänen ja nur für kranke Menschen und Verdachtsfälle. Plötzlich sollte sich die Menschheit selber isolieren, aber auch da hat es bei mir noch relativ lange gedauert, bis ich wirklich gemerkt habe, dass da viel mehr schiefläuft als sichtbar ist. Richtig kritisch wurde ich dann im September 2020. Zu dem Zeitpunkt wurde Corona auch zu meinem Hauptthema. Beim zweiten Lockdown 2020 wurde mir dann schon klar, dass es in eine halbkriminelle Richtung geht. Schon damals habe ich nach Freiheitssphären gesucht und versucht, mich zu positionieren, weil ich gespürt habe, dass diese Massnahmen nicht aufhören werden. Zumindest wird die Politik versuchen, das möglichst lange auszuwalzen, denn es ging ja nicht um den Gesundheitsschutz sondern darum, Kontrollmechanismen zu errichten und die Menschen einzuschüchtern. Dabei ist es geblieben.

Auf Ihrer Website steht, Sie schreiben, um Antworten auf offene Fragen zu finden. Wie sieht es bei dem Thema «Pandemie» aus? Finden Sie Antworten auf Ihre Fragen?

Die Suche hört ja nicht auf. Inzwischen verfestigt sich ein Bild von dem Ganzen, weil sich bestimmte Muster wiederholen. Wir merken ja, dass das bisherige Narrativ langsam kippt. Nehmen wir das Beispiel Impf-Kampagne: Monatelang hiess es, die Impfstoffe seien nebenwirkungsfrei und nun wurde bekannt, dass eine von 5000 Dosen und bei vierfach Geimpften eine Dosis von 1250 zu schweren Nebenwirkungen führen. Das ganze Impf-Narrativ ist im Grunde obsolet, aber trotzdem ändert sich nichts in der Politik. Selbst wenn einen die Realität einholt, ändert sich nichts. Daran sieht man, dass es nicht um evidenzbasierte sondern um ideologische Politik geht. Dasselbe gilt auch für den Ursprung des Virus und das Thema Intensivbettenbelegung. Bei allen Themen sehen wir, dass es nicht so sehr um die Tatsachen als vielmehr darum geht, diese Pandemie sichtbar moralisch aufrechtzuerhalten. Das ist die «Neue Normalität», die uns übergestülpt wird. Der Mensch muss eigentlich in der Falschheit leben, um richtig weiterleben zu können. Das sind Erfahrungen, die uns Dissidenten aus Russland, Tschechien oder Polen aus der kommunistischen Zeit berichtet haben. Der Mensch hat jedoch nie aus der Geschichte gelernt. Das ist leider die Erfahrung, die wir machen müssen.

Sie haben einige Jahre in Paris gelebt und kennen sich daher recht gut mit Frankreich aus. Wie stark ist die Widerstandsbewegung in Frankreich?

Ich habe immer noch viele Freunde in Frankreich, die mir berichtet haben. Es ist dort ganz ähnlich wie in Deutschland verlaufen. Schnell gab es einen Kreis von Experten, die als sakrosankt galten und ein paar dissidentische Experten wie den Professor Didier Raoult in Marseille. Die meisten Medien haben zwar mitgemacht, aber Françe Soir hat sich beispielsweise als kritische Plattform profiliert. Ausser ein paar Ausreissern macht die grosse Mehrheit mit. Es gibt eine Protestbewegung, die sich aus den Erfahrungen der Gelbwesten in einen Corona-Widerstand umleitet. Viele Leute schauen ja immer auf Frankreich und sagen, dass die Revolution immer von Frankreich ausgehen müsse, da die Menschen dort viel aktiver und schneller auf der Strasse seien. Das stimmt zwar teilweise, aber bisher haben wir dort nicht den Durchbruch erlebt. Es zeigt eben auch, dass man nicht auf andere schauen sollte, sondern machen sollte, was man sich selbst wünscht, anstatt diese Aufgaben an andere zu delegieren, die mutiger oder zuständiger sein sollen. Es gibt keine feste Zuständigkeit für Widerstand. Jeder kann den Ruf fühlen, das zu tun, was notwendig ist, damit es so nicht weitergeht.

Nun zu Ihrem Buch: «Wenn’s keiner sagt, sag ich’s. Darin sind Ihre Kolumnen zu Themen wie Machtkonzentration, Cancel Culture, digitale Überwachung, Mehrfach-Impfungen und Pandemie-Panik zu finden. Nach welchen Kriterien haben Sie die Kolumnen ausgewählt? Was erwartet den Leser?

Ich habe versucht, die besten Kolumnen der letzten zwei Jahre zusammenzufassen. Damals habe ich einfach drauflosgeschrieben, ohne zu ahnen, dass diese Kolumnen in Buchform erscheinen werden. Deshalb sind da auch ganz unterschiedliche Texte zu finden. Ich versuche, in diesem Buch nicht nur ein Corona-Tagebuch zu bringen, sondern es sind tatsächlich Texte, die einen Eindruck vom aktuellen Zustand der Welt vermitteln können. Darunter gibt es Texte zu Assange, zur Pressefreiheit. Es ist ja auch ein Merkmal unserer Zeit, wenn der bekannteste Enthüllungsjournalist im Gefängnis sitzt und ihm die Hände gebunden sind und der Mund verklebt ist. Auch das Thema Cancel Culture kommt vor. Dieses hat mich im September 2020 sehr umgetrieben. Wir haben erlebt, dass es zunächst eine normale Cancel Culture gab, sprich missliebige Menschen von Podien zu verbannen oder auszuladen und durch Diffamierung oder Kontaktschuld mundtot zu machen. Wer das Buch liest, sieht die Welt wie durch ein Brennglas. Mir ist beim Redigieren des Buches aufgefallen, dass eine Reihe der sichtbaren Ereignissen in eine bestimmte Richtung führt, und zwar einen Abbau von Bürgerrechten in ungeheurem Masse, teils sogar den freiwilligen Abbau dieser Rechte und eine Folgsamkeit der Menschen. Ein Teil der Texte beschäftigt sich jedoch auch mit Lösungsmöglichkeiten, die Mut machen. Wie wird man kritisch? Wie sieht intelligenter Widerstand aus? Es ist ein Mix geworden aus Themen wie Cancel Culture, kulturellen Veränderungen und seismografisch sichtbaren Veränderungen sowie dem Corona-Komplex als Kernthema und Möglichkeiten, wie man da raus kommt. Sich selbst organisieren und Vernetzung ist wichtig. Die Tätigkeit der Stunde ist Vernetzung. Grosse Vorbilder sind für mich engagierte, dissidentische Schreiber wie etwa Vaclav Havel oder Solschenizyn. Der polnische Nobelpreisträger für Literatur, Czeslaw Milosz, hat beschrieben, wie sich die Leute im Sozialismus angepasst haben. Es gibt viele Vorbilder, von denen man zehren kann und die einem schon die Lösungen präsentiert haben. Das sind Menschen, die man heute nicht mehr hört, die man aber bis vor ein paar Jahren in dieser Gesellschaft als Helden verehrt hat. Heute gehören sie wohl zu den Schwurblern.

Sind Journalisten, die für etablierte Medien arbeiten, noch zu Diskussionen mit Ihnen über das Thema Corona bereit?

Es gibt solche und solche. Fruchtbare Diskussionen habe ich in den letzten zwei Jahren nicht erlebt, es war eher ein Aufeinandertreffen, ein Clash. Auch da gibt es das ganze Spektrum, und zwar diejenigen, die einem ganz klar sagen, dass man spinnt. Sie argumentieren, sie hätten alle Drosten-Podcasts gehört und seien gut informiert. Ich hatte während der letzten zwei Jahre nie Kontakt mit einem Journalisten, der gesagt hat, diese Informationen seien falsch und weltfremd. Keiner der Journalistenkollegen hat mich gebeten, mit ihm die Fakten zu vergleichen. Andere sagen einem wiederum, sie fänden es gut, was man macht, könnten selbst aber nicht so schreiben, da sie unter dem Radar ihrer Redaktion fliegen müssten. Ich frage mich dann, ob das eine Rechtfertigung für Feigheit ist und mir derjenige damit erklären will, warum er Mitläufer ist. Wer nicht von Anfang an kritisch war, den machen die Umstände kritisch. Ich denke, man muss in dieser Pandemiephase die Grenzen selbst erfahren, um zu merken, was schiefläuft. Es reicht nicht, wenn man nur in die Daten schaut, sondern man muss spüren, was einem widerfährt, wenn man sich kritisch positioniert. Rosa Luxemburg hat ja bereits gesagt, dass nur diejenigen die Ketten spüren, an ihnen rütteln.

Was ist für Sie der Ausweg aus diesem vermeintlich punktuellen Ausnahmezustand, der zu einem permanenten zu werden droht?

Die Situation, in die wir nun hineinkommen, gab es in der Geschichte schon öfter. Es gibt einen Weg hinaus, der nicht immer leicht zu sehen ist. Für mich liegt er darin, sich vom Virtuellen abzuwenden und sich wieder dem Analogen zuzuwenden, mehr Vernetzung, mehr Nachbarschaft, mehr Graswurzeldenken von unten nach oben. Man sollte versuchen, sich möglichst auf vielen Gebieten selbst zu organisieren und einen realitätsbezogenen, schonungslosen Blick zu bewahren auf das, was um einen herum passiert. Die Menschen sollten mit einem wachen Blick durch die Welt gehen, sich nicht zum willfährigen Roboter machen lassen und all der Technokratisierung das Menschliche entgegensetzen. Dies ist jetzt eine Stunde der Prüfung, eine Bewährungsprobe.

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Foto: Enno Kapitza

Milosz Matuschek, geboren 1980 im polnischen Bytom, ist Jurist und Publizist. Studium der Rechts- und Sozialwissenschaften in München, Paris, Regensburg und Berlin. Rechtsvergleichende Promotion im Strafrecht und der Rechtsphilosophie. Autor mehrerer Bücher und zahlreicher Beiträge für überwiegend deutschsprachige Medien wie Neue Zürcher Zeitung, F.A.Z, SZ, Welt und Cicero Online.

Sein Buch «Wenn’s keiner sagt, sag ich’s» kann unter diesem Link bestellt werden.

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