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Die EU will dem ländlichen Raum an den Kragen

Published On: 10. August 2022 6:00

Deutschland hat sich gegenüber der EU verpflichtet, Städte unter dem Vorwand der Nachhaltigkeit mit umfassender digitaler Überwachung und Regulierung auszustatten. Die EU hat auch schon einen ähnlichen Plan für ländliche Gebiete parat.

Als Stadtmensch denke ich ja manchmal, dass das Landleben zumindest insofern dem Stadtleben vorzuziehen sein könnte, als auf dem Land die Smart City Charta nicht greift: Diese vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit herausgegebene Charta unterstützt unter anderem die Verwirklichung der globalen Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 der Vereinten Nationen und gibt einen Fahrplan für die digitale Transformation von Städten vor. Dabei geht es allerdings nicht etwa nur um effektivere Verwaltungsstrukturen, sondern vor allem auch um umfassende Datenerhebungen, die ungeahnte Möglichkeiten zur Kontrolle und Überwachung der Bürger eröffnen würden, wobei Klimaneutralität bis zum Jahr 2030 als zu erreichendes Ziel vorgegeben ist.

Lässt sich dieser Agenda also vielleicht auf dem Land entkommen? Pustekuchen! Auch für die ländlichen Regionen existieren nämlich längst ähnlich ausgerichtete Programme der EU, die unter dem Stichwort „Rural Pact“ zu finden sind. So lud etwa die Europäische Kommission vom 15. bis 16. Juni dieses Jahres zu einer „Rural Pact high-level“-Konferenz in Brüssel ein, auf der eine langfristige Vision für die ländlichen Gebiete der EU („Long-term Vision for the EU’s Rural Areas“) bis zum Jahr 2040 sowie ein „Rural Action Plan“ verabschiedet wurden, die beide auf der Webseite der Europäischen Kommission abrufbar sind. Hier werden ländliche Regionen als „aktive Akteure des grünen und digitalen Wandels in der EU“ definiert.

EU-Kommissar für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung Janusz Wojciechowski wird folgendermaßen zitiert:

„Ländliche Gebiete sind heute für die EU von entscheidender Bedeutung, denn sie produzieren unsere Lebensmittel, bewahren unser Erbe und schützen unsere Landschaften. Ihnen kommt eine Schlüsselrolle beim grünen und digitalen Wandel zu. Wir müssen diesen ländlichen Gemeinden jedoch die richtigen Instrumente an die Hand geben, damit sie die künftigen Chancen voll nutzen und die aktuellen Herausforderungen bewältigen können. Die Long-Term Vision for Rural Areas ist ein erster Schritt zur Transformation des ländlichen Raums. Die neue Common Agricultural Policy (CAP) wird zur Verwirklichung dieser Vision beitragen, indem sie eine intelligente, resiliente und diversifizierte Landwirtschaft fördert, den Umwelt- und Klimaschutz unterstützt und das sozioökonomische Gefüge der ländlichen Gebiete stärkt. Wir werden dafür sorgen, dass der EU-Aktionsplan für den ländlichen Raum eine nachhaltige Entwicklung unserer ländlichen Gebiete ermöglicht.“

Im Sinne einer von der EU definierten grünen Digitalisierung

Und auch auf der deutschsprachigen Seite der Europäischen Kommission steht wörtlich: Ländliche Gebiete spielen

„eine aktive Rolle in der ökologischen und digitalen Transformation der EU. Die Umsetzung der Ambitionen der EU im Bereich Digitales für 2030 kann mehr Möglichkeiten für die nachhaltige Entwicklung ländlicher Gebiete über die Land- und Forstwirtschaft hinaus eröffnen, und zwar indem sie neue Wachstumsperspektiven für das verarbeitende Gewerbe und insbesondere die Dienstleistungen schafft und zu einer verbesserten geografischen Verteilung von Dienstleistungen und Industrie beiträgt. Die langfristige Vision für die ländlichen Gebiete der EU geht die genannten Herausforderungen und Probleme an. Sie baut auf den sich aus dem ökologischen und digitalen Wandel der EU ergebenden Chancen und den Lehren aus der COVID-19-Pandemie auf und weist Wege zur Verbesserung der Lebensqualität, zur Verwirklichung einer ausgewogenen territorialen Entwicklung und zur Förderung des Wirtschaftswachstums“.

Demnach sollen auch ländliche Gebiete im Sinne einer von der EU definierten grünen Digitalisierung transformiert werden. Brisant ist diese Transformation nicht zuletzt deshalb, weil sie eng mit dem Themenfeld Ernährung und Landwirtschaft verbunden ist. Was hat es also mit der von Wojciechowski erwähnten Common Agricultural Policy (CAP) auf sich? Die deutsche Bezeichnung dafür lautet „Gemeinsame Agrarpolitik“ (GAP) und wird auf der Webseite des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft wie folgt erläutert:

„Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) gehört zu den wichtigsten Aufgabenfeldern europäischer Politik. Sie zählt daher zu den am stärksten vergemeinschafteten Politikbereichen der EU. Zentrale Vorgaben und die damit verbundene Finanzierung von Maßnahmen erfolgen auf EU-Ebene. Dem Wandel der Lebensverhältnisse in Europa wurde die GAP immer wieder angepasst. Hintergrund war und ist das Interesse der EU-Mitgliedstaaten, eine gemeinsame Politik für einen Sektor zu gestalten, der die Nahrungsmittelversorgung sichert, der eine wesentliche Rolle bei der Nutzung und Erhaltung der natürlichen Ressourcen und bei der wirtschaftlichen Entwicklung der ländlichen Räume spielt.“

„Die sieben Öko-Regelungen“

Weiter wird ausgeführt: „Alle EU-Mitgliedstaaten müssen für die neue GAP-Förderperiode ab 2023 erstmals einen Nationalen Strategieplan für die 1. und die 2. Säule der GAP  entwickeln – auf Basis der geltenden GAP-Strategieplan-Verordnung der EU.“ Dabei umfasst der GAP-Strategieplan für Deutschland in der Periode 2023 bis 2027 EU-Fördermittel im Umfang von rund 30 Milliarden Euro. Förderschwerpunkte setzt der Strategieplan im Umwelt- und Klimaschutz. Mit der ersten Säule sind Direktzahlungen an Landwirte gemeint, mit der zweiten Säule gezielte Förderprogramme für die nachhaltige und umweltschonende Bewirtschaftung. Maßgeblich für die erste Säule werden ab 2023 die sogenannten „sieben Öko-Regelungen“ sein, wozu unter anderem die Bereitstellung von „nichtproduktiven Flächen auf Ackerland und Dauerkulturen sowie Altgrasstreifen und -flächen auf Dauergrünland“ zählt. 

Als vierte Regelung ist beispielsweise formuliert:

„Extensivierung des gesamten Dauergrünlandes des Betriebes: Im Gesamtbetrieb ist jährlich durchschnittlich ein Viehbesatz von mindestens 0,3 und höchstens 1,4 raufutterfressenden Großvieheinheiten (RGV) je Hektar förderfähiges Dauergrünland einzuhalten. Die Verwendung von Dünger einschließlich Wirtschaftsdüngern ist nur in dem Umfang erlaubt, der dem Dunganfall von höchstens 1,4 RGV je Hektar förderfähigem Dauergrünland entspricht.“

In Zeiten drohender Nahrungsmittelknappheit stellt sich allerdings die Frage, ob nicht-produktive Flächen und die Einschränkung der Verwendung von Dünger tatsächlich sinnvolle Maßnahmen darstellen. Im Nachbarland Niederlande würden die neuen Umweltauflagen, die die dortige Regierung im sogenannten „Stickstoff-Plan“ beschlossen hat, immerhin dazu führen, dass etwa 30 Prozent der Viehhalter ihren Betrieb aufgeben müssten, um die Forderung, den Stickstoff-Ausstoß bis 2030 um 50 Prozent zu reduzieren, zu erfüllen.

Strategieplan der deutschen Regierung

Doch die Mühlen der EU mahlen unnachgiebig, und so hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft den Entwurf seines GAP-Strategieplans pflichtbewusst am 21. Februar 2022 bei der Europäischen Kommission zur Genehmigung eingereicht. Am 20. Mai antwortete die EU-Kommission mit Anmerkungen zur weiteren Verbesserung des Planentwurfs an Deutschland, woraufhin Deutschland am 9. Juni eine Kurzstellungnahme zu den Kernelementen des Anmerkungsschreibens abgegeben hat. Der 1799 Seiten umfassende deutsche Strategieplan, der von 2023 bis 2027 gelten soll, kann hier eingesehen werden. Die Anmerkungen der EU-Kommission zählen immerhin 50 Seiten und sind hier downloadbar.

Die deutsche Kurzstellungnahme vom 9. Juni liest sich dann geradezu unterwürfig. In ihr heißt es etwa:

„Die konstruktiven Anmerkungen der Europäischen Kommission bestärken das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) darin, den eingeschlagenen Weg der Transformation hin zu einem nachhaltigen und krisenfesten Agrar- und Ernährungssystem in attraktiven ländlichen Räumen konsequent weiter zu verfolgen. Die Kommission hebt beispielsweise positiv den strategischen Ansatz des deutschen Strategieplans hervor, nachdem die Herausforderungen und Chancen für die Landwirtschaft und den ländlichen Raum berücksichtigt werden und daraus Prioritäten für den Strategieplan in Kombination mit nationalen Rechtsetzungs- und Finanzierungsinstrumenten abgeleitet werden. Zudem stimmen wir mit der Kommission überein, dass es gerade bei den umwelt- und klimabezogenen Zielen weiteres Entwicklungspotenzial im GAP-Strategieplan gibt.“ Selbsterklärtes Ziel des BMEL ist es, dass der geänderte GAP-Strategieplan bis Herbst 2022 durch die Europäische Kommission genehmigt werden kann.

In den „Allgemeinen Informationen zum GAP-Strategieplan Deutschland ab 2023“ des Infodiensts Landwirtschaft – Ernährung – Ländlicher Raum des Ministeriums für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg fällt denn auch unverhohlen der Begriff „Green Deal“. Das liest sich dann so:

„Unter der sogenannten ‚Grünen Architektur‘ werden in der künftigen GAP neue Instrumente für eine Erweiterung und Verbesserung des bisherigen Systems im Sinne des Green Deals der EU in den Bereichen Umwelt-, Klima- und Biodiversitätsschutz eingeführt: Die erweiterte Konditionalität setzt sich aus den bisherigen Greening-Anforderungen und der Cross-Compliance zusammen. Mit dieser erweiterten Konditionalität werden die Direktzahlungen und die Förder- und Ausgleichszahlungen künftig an zum Teil weiter entwickelte Anforderungen geknüpft. Die erweiterte Konditionalität bestimmt die Grundvoraussetzungen, die die Landwirtinnen und Landwirte erfüllen müssen, wenn sie Direktzahlungen oder flächen- und tierbezogene Zahlungen der 2. Säule beantragen, und umfasst neun Standards für die Erhaltung von Flächen in gutem landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand (GLÖZ), sowie elf Rechtsakte zu den Grundanforderungen an die Betriebsführung (GAB).“

Europa soll der erste klimaneutrale Kontinent werden

Und: „Die Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUKM) der 2. Säule der GAP dienen übergeordneten Zielen wie dem Erhalt von Ökosystemen oder der Ressourceneffizienz und unterstützen den Green Deal mit der Farm to Fork-Strategie und der Biodiversitätsstrategie 2030. Alle EU-Mitgliedstaaten müssen AUKM anbieten und dafür mindestens 30 Prozent ihres Budgets für die ländliche Entwicklung (ELER-Mittel) aufwenden. Außerdem wird mit der Umschichtung von Mitteln aus der 1. Säule der Mittelrahmen in der 2. Säule gestärkt. In Deutschland steigen die Mittel aus der Umschichtung von zehn Prozent im Jahr 2023 auf 15 Prozent im Jahr 2027.“

Hier ist auch direkt die Webseite der Europäischen Kommission zum Green Deal verlinkt, auf der der Anspruch formuliert ist, dass Europa der erste klimaneutrale Kontinent werden soll.

Auf der Webseite der Bundesregierung wiederum ist in einem Beitrag vom 22. Februar dieses Jahres zum GAP zu lesen:

„Der Nationale Strategieplan zeigt auf, wie Deutschland ab 2023 die Ziele der europäischen Agrarreform erreichen will. Mit der GAP-Reform sollen der Beitrag der Landwirtschaft zu den Umwelt- und Klimazielen der EU gestärkt, kleinere landwirtschaftliche Betriebe gezielter unterstützt und den Mitgliedstaaten mehr Flexibilität zur Anpassung der Maßnahmen an die lokalen Gegebenheiten eingeräumt werden. Für Deutschland stehen von 2023 bis 2027 rund 30 Milliarden Euro an Fördermitteln bereit. ‚Das Förderspektrum wirkt sich auf den Lebensbereich von etwa 40 Millionen Menschen in den ländlichen Räumen aus und ist im Landwirtschaftssektor für rund 300.000 antragstellende Betriebe relevant‘, betonte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir anlässlich des [sic!] Einreichung des GAP-Strategieplanes bei der EU-Kommission. Der Bundeslandwirtschaftsminister stellte heraus: ‚Von den 30 Milliarden Euro geht jeder zweite Euro in den Klima-, Umwelt- und Artenschutz.‘ Auch wurde das Ziel, [sic!] 30 Prozent Ökolandbau bis 2030 verankert.“ 

Zu guter Letzt dürfen nun noch die Grußworte von Ursula von der Leyen anlässlich der Brüsseler „Rural Pact high-level“-Konferenz nicht fehlen, die sogar auf Twitter unter den Hashtags „RuralPact“ und „FoodSecurity“ veröffentlicht wurden. In ihrer Videobotschaft erwähnte UvdL nicht nur die weltweite Ernährungskrise, die durch Putin ausgelöst worden sei, und versprach jede erdenkliche Hilfe für ukrainische Landwirte, sondern sie wies auch auf den grünen und digitalen Wandel („green and digital transition“) hin, der für die ländlichen Gebiete anstehe. So führte sie intelligente Dörfer („smart villages“) an, die derzeit die Landschaft („countryside“) Europas transformieren.

Den „Rural Pact“ bezeichnete sie als ein Abkommen, durch das die Transformation vorangetrieben werde („a pact to drive the transformation“), und sie sprach von einer Rural-Pact-Community aus über 1.000 Organisationen und Einzelpersonen europaweit. Dies sei jedoch erst der Anfang. UvdL lädt alle ländlichen Interessenträger („rural stakeholders“) ein, dem Pakt beizutreten. Denn jetzt sei die Zeit, zusammenzukommen ‒ Landwirte und Unternehmer, Ökologen und Technologen, jung und alt ‒ und die Zukunft des ländlichen Lebens in Europa zu gestalten.

Fazit: Ob Smart Cities oder Rural Areas: Es gibt kein Entrinnen aus den regulierungswütigen Klauen der EU und ihrem Green Deal. Weder auf dem Land noch in der Stadt.

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