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Gegen die Freiheit?!

Published On: 12. August 2022 16:00

Von Jens Bernhardt.

Aktuell ist gesellschaftlich deutlich erkennbar, dass objektive, valide und reliable Information durch subjektive, lautstark vorgetragene Meinungen von weltanschaulich geprägten Minoritäten substituiert wird. Aber offen geführte Debatten müssen auch in Deutschland wieder möglich sein.

In der molekularen Vorstellungswelt mancher Neurobiologen existiert die menschliche Freiheit nicht. In diesem Sinne ist das Handeln deterministisch und nicht selbstbestimmt.

Der Mensch sei demzufolge eine Box, die auf Reize von außen, also auf seine Sinne, ein bestimmtes Handeln zeige, gleichwohl es abgesehen davon auf molekular-neurophysiologischer Ebene aleatorische (vom Zufall abhängige) Elemente bei Entscheidungen geben kann. Die genauen physikalisch-physiologischen Begründungen sollen an dieser Stelle nicht ausführlicher betrachtet werden.

Kurz: Die Box Mensch verarbeitet externe Reize, nennen wir sie Information, anhand angeborener Grundlagen (sozusagen die „Hardware“): gelernte soziokulturelle Prägung (sozusagen das „Betriebssystem“) und sein erfahrungsbasiertes Verhaltensrepertoire (sozusagen die „Software“). Der gesellschaftliche Begriff der Freiheit basiert jedoch nicht auf diesem deterministischen – und begrenzt aleatorischen – Handeln.

Der Begriff und das Verständnis der Freiheit äußern sich in der Ablehnung, das eigene Verhalten durch andere, in der Regel durch die Gesellschaft, gegen die eigenen Werte, Normen, Wünsche vormundschaftlich gestaltet zu wissen. Daher ist der aktuelle Stand der neurobiologischen Diskussion nicht entscheidend. Der gesellschaftliche Freiheitsbegriff wird hier als Entscheidungsmöglichkeit und -ausübung begriffen. Es handelt sich somit um eine vollständig andere Definition. In diesem gesellschaftlich-philosophischen Sinne ist die Freiheit sehr wohl existent.

Vormundschaftliche Einflussnahme

Die Einflussnahme dieser individuellen Ablehnung durch die gestaltende Gesellschaft erfolgt nun – je nach Gesellschaftsform in unterschiedlichem Ausmaß – durch

– Androhung von physischer Gewalt, evtl. auch durch Einschüchterung nahestehender Personen

– Erzwingen von Verhaltensweisen, die den Einzelnen zum Gegner der eigenen Vorstellungen werden lässt. Der Einzelne wird damit zum Mittäter, dies ist das eigentliche Ziel jeden Gewaltstaates.

– Öffentliche Diskreditierung 

– Einflussnahme auf zugängliche Information

– Einflussnahme auf die Qualität der Information, bzw. Desinformationsmaßnahmen

– Diskreditieren von Information anerkannter Güte (s.u.)

– Substitution von „allgemeiner Meinung“ anstatt individueller Entscheidung, bei der  die qualitative Güte von Information als Handlungsgrundlage fehlt.

Der Begriff der Freiheit ist übrigens zentral in der Resolution 217 A (III) der Generalversammlung der UNO vom 10. Dezember 1948 (Deklaration der Menschenrechte) beschrieben.

Besondere Beachtung verdient der §26(2), in welchem die Bildung mit den Grundfreiheiten verknüpft wird.

Eine Voraussetzung: die Intelligenz

Wie bereits kurz beschrieben, ist die Freiheit als Entscheidungsmöglichkeit und Ausübung der Entscheidung zu sehen. Dies ist aber letztlich nicht hinreichend. 

Um zu entscheiden, benötigt man die wesentliche Erkenntnis, welche Optionen grundsätzlich möglich sind. Erkenntnis ist wiederum von Bedingungen abhängig, die üblicherweise nicht frei gewählt werden können. Daher ist in Gewaltstaaten dieser Umstand ein sehr entscheidender Hebel zur langfristigen Manipulation.

Eine Voraussetzung ist physischer Natur: Die Befähigung zur Einsicht, mithin die Intelligenz.

Zum Beispiel ist es leider nur wenigen Menschen gegeben, sich in die Theorien relativistischer Quantenmechanik einzuarbeiten und sich für die eher eine oder andere Theorieform entscheiden zu können. Intelligenz ist also eine grundlegende Voraussetzung. Nun ist nicht immer völlig klar, was Intelligenz ist. Dieses ist ein Beispiel für fluide Intelligenz, da sie problemlösendes, schließendes Denken erfordert, wobei allerdings schon über die Einteilung eine gewisse Uneinigkeit in der Fachwelt besteht. Eine andere relevante Form ist die sog. kristalline Intelligenz, die vergleichsweise gut messbar ist und im Speichern und Abrufen von Information besteht. Im Wesentlichen handelt es sich hierbei um die Merkmale, die üblicherweise mit Intelligenztests gemessen werden.

Anders als oft angenommen, ist Intelligenz, bzw. das, was wir unter diesem Namen messen können, trainierbar, wenn auch nur in begrenztem Umfang. Aber es ist vergleichbar mit einer Sportart. Jeder kann sich durch Training verbessern, aber einen Weltrekord erzielen eben nur wenige. Es ist dennoch von gesellschaftlicher Relevanz, denn: Auch hier setzt staatliche Manipulation ein. Man denke an die Bildung, die Frauen in zahlreichen Staaten erschwert oder verwehrt wird (z.B. in manchen islamischen Staaten). Ungebildete Menschen sind jedoch leicht manipulierbar.

Eine weitere Voraussetzung: die Information selbst

– Nur eine zur Verfügung stehende Information kann z.B. für kristalline Intelligenz sinnvoll genutzt werden.

– Weiterhin ist es notwendig, dass diese Information zutreffend ist, denn sonst führt die Entscheidung auf einer Basis unzutreffender Information zu einer Entscheidung, die nicht den wünschenswerten, eigenen Zielvorstellungen, Werten und Normen entspricht. Zutreffende Information ist objektiv, valide und reliabel. Diese Gütekriterien gerade im Hinblick auf die Reproduzierbarkeit sind anerkannte Grundsätze in der Wissenschaft.

Aktuell ist gesellschaftlich deutlich erkennbar, dass objektive, valide und reliable Information durch subjektive, lautstark vorgetragene Meinungen von weltanschaulich geprägten Minoritäten substituiert wird. Grundsätzlich erkannt hatte dieses Phänomen schon Ludwig Erhard in seinem Buch „Soziale Marktwirtschaft – Ordnung der Zukunft – Manifest 1972“, dass eine Gesellschaft wie die unsere sehr anfällig für kleine, lautstarke und öffentlichkeitswirksame Gruppen ist. Leider wirken hier viele Medien eben nicht als Korrektiv, sondern häufig als Verstärker dieses Missstands.

Zur Realisierung der Gütekriterien

Sehr anfällig für Subjektivität ist z.B. die Rechtswissenschaft, die leider bis heute nicht befriedigend an der Realisierung der Gütekriterien arbeitet, so schwer dies auch in diesem Fachgebiet sein mag.

Allerdings zeigen sich in anderen Fachgebieten, die erkennbar Überschneidungen zur Rechtswissenschaft besitzen, starke Bemühungen, an der Güte von Aussagen zu arbeiten: In der Ökonomie hat die Ökonometrie und die experimentelle Ökonomie Einzug gehalten, mit erstaunlichen Erkenntnissen. Mehrere Nobelpreise sind gerade in diesem Bereich in den letzten Jahren vergeben worden.

In der Medizin war das „autistisch-undisziplinierte Denken“ (Bleuler) bis in die 80er Jahre des letzten Jahrhunderts geradezu typisch, garniert mit viel Latein und wenig Validität. Großer Einfluss kam durch die Internationalisierung, maßgeblich zunächst durch die amerikanische FDA im Arzneimittelbereich, in Deutschland dann mit der 2. Novelle des Arzneimittelgesetzes (AMG) und der Verpflichtung mit statistischen Methoden, objektive, valide und reproduzierbare Aussagen zu Arzneimitteln zu generieren. Es folgte die sog. evidenzbasierte Medizin für die gesamte Medizin, deren weitere Entwicklung noch lange nicht absehbar ist. Die aktuellen Skurrilitäten bei der Datenerhebung zum Verlauf der Pandemie, zur Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen, insbesondere zur Impfung und auch der damit verbundenen Risiken, sind zumindest wenig verheißungsvoll.

Auf dem Weg in die selbstverschuldete Unmündigkeit

Wenn nun in einer Gesellschaft die allgemeine Bildung allen gesellschaftlichen Gruppen offensteht, die Informationen hochwertig sind und die Informationen frei und reichlich diesen gesellschaftlichen Gruppen zur Verfügung stehen, dann wird deutlich, dass die Anzahl an Entscheidungsmöglichkeiten ein Abbild der Freiheit einer Gesellschaft ist.

Dies ist kongruent zu Judith N. Shiklars Vermeidung des Summum Malum: ohne Furcht so viele Entscheidungen fällen zu können, wie es mit der gleichen Freiheit eines jeden anderen Menschen vereinbar ist. Debatten sollten grundsätzlich ein Spiegel dieser Freiheit sein. Darum ist derzeit offenkundig recht schlecht bestellt.

Im Ergebnis ist es z.B. nicht Aufgabe einer freien Gesellschaft, Entscheidungen, die in anderen, ebenfalls freien Gesellschaften gefällt wurden, zu diskreditieren. Öffentlich-rechtliche Medien eines Staates sollten auch die andere Sicht der Dinge darstellen, kommentarlos und wertfrei, insbesondere zur Initialisierung einer Debatte. „Audiatur et altera pars“ eben. Alles Übrige sollte Angelegenheit der Bürger sein.

Dies ist aber nicht der Fall. Leider betrifft dieses Defizit aktuell außerordentlich viele Themen, u.a.:

– die CO2-Klimasensitivität und das damit verbundene 1,5°C-Klimaziel

– das „Für und Wider“ kerntechnischer Anlagen

– die wirklichen Konsequenzen unserer „Energiewende“

– für oder gegen Impfungen (insbesondere, wenn diese keine sterile Immunität erzeugt)

– die Gender-Debatten: Wie viele Geschlechter gibt es?

– die Gerechtigkeitsfrage: Chancengerechtigkeit vs. Verteilungsgerechtigkeit

Offen geführte Debatten müssen auch in Deutschland wieder möglich sein. Wir sind da auf keinem guten Weg, selbst wenn ein Präsident uns wissen ließ: „Wir leben im besten Deutschland, das es jemals gegeben hat”. Einer unser wirklich Großen, Immanuel Kant, würde uns vermutlich vielmehr auf dem Weg in die selbstverschuldete Unmündigkeit sehen. 

Jens Bernhardt hat Physik in Köln und Medizin in Berlin studiert.

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