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Bayreuth war nie so wertvoll wie heute

Published On: 14. August 2022 14:00

Von Andreas Rühl.

Bei der Inszenierung der Tetralogie „Der Ring des Nibelungen“ in Bayreuth durch das Team rund um den Regisseur Valentin Schwarz handelt es sich meines Erachtens – kurz gesagt – um einen richtungsweisenden Befreiungsschlag, der mitunter geniale Züge annimmt, jedenfalls aber endlich Schluss macht mit dem Versuch, dem „Ring“ Richard Wagners eine einheitliche „Aussage“ überzustülpen, ihn weltanschaulich nachgerade zu vergewaltigen und für ideologische Zwecke zu missbrauchen.

Schwarz ist eine Inszenierung des über 15 Stunden langen Mammutwerks gelungen, die vor allem eines war: nie langweilig, geistreich und witzig, aber auch anrührend und tief bewegend. Ich habe diese 15 Stunden sozusagen auf der Stuhlkante hockend verbracht. Mich nicht zu langweilen ist Schwarz also geglückt (keine leichte Aufgabe, da ich mich mit dem „Ring“ seit über 35 Jahren recht intensiv beschäftige). Und dies, obwohl die musikalischen Darbietungen, bei allem Eifer der Beteiligten, aber unter den widrigen Umständen auch verständlich, nur selten das „Top-Niveau“ erreichten, das man in Bayreuth zu Recht erwartet und damit nicht als „Trost“ fungieren konnten, der über eine misslungene Regie hinwegtäuscht (Richard Wagners „Tristan und Isolde“ beispielsweise wäre ohne Thielemann und die übrigen vorzüglichen Künstler ganz unerträglich gewesen).

Wer die Rezensionen zu den einzelnen Musikdramen der Tetralogie mitverfolgt hat (und als Besucher einer Premiere, die eine Woche dauert, macht man das natürlich), konnte schnell bemerken, dass die „schreibende Zunft“ vor dem ersten Vorhang bereits beschlossen hatte, dem „jungen“ Regisseur und seinem Team (Schwarz wurde unter anderem von Konrad Kuhn als erfahrenem Dramaturgen unterstützt, außerdem ist er mit seinen 33 Jahren bereits drei Jahre älter als Wagner bei der Uraufführung vom „Fliegenden Holländer“) nicht die geringste Chance zu geben und ihn niederzuschreiben.

Wie hinlänglich bekannt, trat dann ein Resonanzeffekt zwischen „der Kritik“ und „dem Publikum“ (dito: „Klimakatastrophe“, „Putins Krieg“, „Corona“) auf. Anders gesagt: „Die“ Kritik hat den angeblichen „Buhsturm“, den Bayreuth angeblich „so noch nie erlebt hat“, selbst mit erzeugt. Es gab auch durchaus Kluges und Richtiges aus der einen oder anderen Journalistenfeder zu lesen, nur ging das ebenso unter im Geschrei der Verrissfanatiker wie die zahlreichen „Bravos!“ für das Regieteam und der wohlwollende Applaus von (nach meiner Schätzung beim Umschauen im Zuschauerraum) mindestens 80 bis 90 Prozent des Publikums nach dem Ende der „Götterdämmerung“.

Ohne „Haltungsfragen“ oder „Weltrettungsphantasien“

Warum hatte es die Inszenierung so schwer bei der Presse und einigen Krawallmachern? Nun, die Antwort ist simpel: Nicht, weil sie sich vom „Mythos“ des „Rings“ gelöst hat, sondern weil Schwarz und Kuhn konsequent darauf setzen, eine moderne Geschichte zu erzählen, ohne das Publikum mit „Haltungsfragen“ oder „Weltrettungsphantasien“ zu belästigen und zu drangsalieren. Wenn beispielsweise Gunther im 1. Akt „Götterdämmerung“ Brunhilde vergewaltigt, ist dies eben nicht als eine Anklage gegen „toxische“ Männlichkeit inszeniert oder auch nur deutbar, sondern ganz einfach eine Vergewaltigung einer (übrigens trotz eines angeblich „allmächtigen“ Rings) wehrlosen Frau.

Die „Reichen“ sind gewiss fast durchweg Stinkstiefel, aber nicht, weil „die Regie“ das so sieht, sondern weil Wagner das so wollte. Die „Armen“ sind übrigens auch Stinkstiefel (und Sozialbetrüger) in dieser Inszenierung und damit um keinen Deut besser. Es fehlt somit jede Sozialutopie (was die linken Schreiberlinge offenbar besonders empört) und eine Kapitalismuskritik im „Ring“ herausdeuten zu können bleibt gänzlich und allein dem (mündigen) Betrachter überlassen.

Das ist der größte Gewinn dieser Inszenierung: Dieser „Ring“ beendet keinen „Mythos“, sondern wiederbelebt ihn. Hier gilt‘s neben der Kunst eben auch der Freiheit. Denn dieselben Freiheiten, die sich die Regie nimmt (etwa wenn „der Ring“ als Requisit je nach Funktion mal durch ein Kind dargestellt wird oder durch einen Schlagring), hat auch der Rezipient. Dazu gehört natürlich auch, die Inszenierung als solche abzulehnen. Nicht dazu gehört allerdings in einer bürgerlichen Welt, sich unflätig, herablassend, borniert und grobianisch gegenüber Künstlern zu verhalten, ganz gleich, ob sie vor einem Fußballspiel die Nationalhymne singen oder Filmchen gegen Coronamaßnahmen drehen oder einen „Ring“ in Bayreuth inszenieren.

Letztlich haben sich die Buhschreier selbst ausgebuht und im Übrigen als Verblendete und Ewiggestrige entlarvt, nur weil ein moderner Mythos (die „Heilung“ des „Antisemitismus“ Wagners durch eine marxistische/feuerbachianische „Weltfabeldeutung“ des „Rings“) endlich abgetreten und untergegangen ist. Ich hoffe sehr, dieser „Mythos“ kommt so nie wieder auf eine Bühne. Bayreuth, das steht fest, war nie so wertvoll wie heute, nicht wegen, sondern trotz der derzeitigen Festspielleitung.

Lesen Sie auch die Rezension Georg Etscheits zum Thema: Bayreuth: Ende eines Mythos.

Andreas Rühl ist 55 Jahre alt und arbeitet als Rechtsanwalt. Seit über 35 Jahren beschäftigt er sich mit dem Werk Richard Wagners. Er hat mehrmals die Bayreuther Festspiele besucht und fast alle Neueinstudierungen der letzten Jahre live oder als Videoübertragung gesehen.

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