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Sie lassen mich nicht alleine

Published On: 14. August 2022 11:00

„Olaf Scholz hat Ihnen und den anderen Bürgern versprochen, dass die SPD Sie nicht allein lässt. Deshalb bin ich hier!“, erklärte er sich. Ja, daran erinnerte ich mich. Dass die SPD niemanden allein lassen wollte. Und jetzt stand dieser Typ in meinem Badezimmer.

Ich war eben aus der Dusche raus und hatte ein Handtuch um meine Körpermitte geschlungen. Gerade fingerte ich in dem Schrank unter dem Waschbecken nach meiner Zahnbürste, als ich hinter mir ein Räuspern hörte. Ein mittelgroßer Mann mittleren Alters in einem mittelgrauen Anzug, roter Krawatte, rechteckiger Brille und Stirnglatze stand hinter mir und machte noch einmal vernehmlich „Hermpf“.

Ich erinnere mich, dass ich mehr verärgert als überrascht war, einen mir unbekannten Herren in einem faden Anzug in meinem Badezimmer zu sehen. „Wer sind Sie denn und wie kommen Sie hier herein?“, wollte ich von ihm wissen. Der Mann zog eine Stoppuhr und einen Notizblock aus der Tasche: „Fünf Minuten lau geduscht und in der Dusche keine Zähne geputzt. Haben Sie in der Dusche uriniert?“, gab er mir ungerührt zurück, augenscheinlich unwillig, meine Frage zu beantworten. „Was? Nein, ich benutze die Toilette“, erwiderte ich, von seiner strengen Ruhe überrumpelt. „Nicht in der Dusche uriniert“, murmelte er vor sich hin und machte sich eine Notiz auf seinem Block. „Ich wüsste nicht, was Sie das angeht, Herr… äh…“, fuhr ich ihn, vielleicht eine Nuance zu streng, an. 

„Löhmann“, stellte er sich endlich vor, „Alexander Löhmann. Mit Ö. Nicht OE.“. Und, um seine Wichtigkeit und seine Rolle zu betonen: „Ich bin von der SPD!“ „Sie sind von der SPD? Schön für Sie. Und was machen Sie hier? In meinem Badezimmer?“, wollte ich wissen. „Ich löse das Versprechen unseres gemeinsamen Bundeskanzlers, Herrn Dr. Olaf Scholz ein“, gab er Auskunft. „Was? Der ist doch gar kein Doktor!“, korrigierte ich ihn. „Das spielt keine Rolle, versprochen ist versprochen!“, sagte er. Ich hatte während unseres kleinen Dialogs meine Zahnbürste gefunden und putzte mir bei laufendem Wasserhahn die Zähne. „Putzt bei laufendem Wasserhahn die Zähne“, murmelte Herr Löhmann von der SPD, während er in seinem Notizbuch kritzelte. „Drei Minuten“, fügte er nach einem Blick auf seine antike Stoppuhr hinzu. Ich hatte meine Morgentoilette beendet und setzte mich, immer noch lediglich behandtucht, auf den Deckel der Toilette. „Sagen Sie, Herr Löhlein von der SPD, nur, damit ich es verstehe, warum stehen Sie morgens um halb neun in meinem Badezimmer und machen sich Notizen?“ „Löhmann“, korrigierte er mich, „ich bin hier, weil unser gemeinsamer Kanzler…“, er holte tief und ehrfürchtig Luft, „…OLAF SCHOLZ es Ihnen versprochen hat!“

„Das hätten Sie sich überlegen müssen, bevor Sie SPD wählen“

„Olaf Scholz hat mir versprochen, dass Sie mich in meinem Badezimmer bei der Morgentoilette besuchen?“, vergewisserte ich mich. „Nun werden Sie nicht albern“, sagte Genösse Löhmann, „das hat er Ihnen natürlich NICHT versprochen!“ „Eben! Was also wollen Sie dann hier?“ „Olaf Scholz hat Ihnen und den anderen Bürgern versprochen, dass die SPD Sie nicht allein lässt. Deshalb bin ich hier!“, erklärte er sich. Ja, daran erinnerte ich mich. Dass die SPD niemanden allein lassen wollte. „Nehmen Sie es bitte nicht persönlich, Herr Löhmann, ich bin aber sehr gerne allein“, stellte ich fest, „zumal morgens im Badezimmer.“ „Das hätten Sie sich vorher überlegen müssen, bevor Sie SPD wählen“, gab Herr Löhmann etwas eingeschnappt zurück, „jetzt bin ich nun einmal da!“ „Aber ich habe doch gar nicht SPD gewählt“, wehrte ich mich. „Das wiederum ist Ihr Problem. Die Mehrheit der Wählenden hat SPD gewählt“, stellte Herr Löhmann fest. „Hat sie nicht. Rund dreißig Prozent haben gar nicht gewählt! Und der Rest hat alles Mögliche gewählt, sogar die FDP!“, klärte ich ihn auf. „Und welche stärkste Partei von denen stellt den Bundeskanzler? AHA – sehen Sie!“, trumpfte er auf. 

Ich war geschlagen. „In Ordnung, Herr Löhmann. Sie wollen mich also nicht allein lassen…“ „So ist es“, unterbrach er mich kopfnickend. „…Sie sollen mich nicht kopfnickend unterbrechen. Ich bin aber sehr gerne allein und ich sehe auch keinen Sinn darin, dass Sie jetzt hier mit ihrem fadenscheinigen Anzug mit Stoppuhr und Klemmbrett in meinem Badezimmer stehen. Ich möchte, dass Sie gehen, Herr Löhmann! Jetzt! Sofort!“ „Wollen Sie nicht herausfinden, was ich extrapoliert habe?“, fragte er mit dem Anflug eines Lächelns. „Eigentlich nicht, aber wenn Sie nun schon einmal da sind…“, gab ich, halb interessiert, zurück. „Also: Sie haben fünf Minuten geduscht, ohne zu urinieren und sich dabei die Zähne zu putzen“, stellte er fest. „Das ist korrekt“, bestätigte ich. „Das bedeutet…“, hob Herr Löhmann bedeutungsschwanger an, „…dass Sie durch die Trennung dieser drei Akte insgesamt 6,5 Liter Wasser verschwendet haben. Wasser, das den Ärmsten der Armen fehlt, das der Welt fehlt, das dem Klimaschutz fehlt. Da müssen Sie sich nicht wundern, wenn die Heiz- und Wasserkosten nach oben gehen. Gottseidank bin ich ja jetzt da, um Sie auf Ihre Einsparmöglichkeiten hinzuweisen. „Aber das geht Sie einen Scheißdreck an“, insistierte ich. „Jetzt nicht mehr“, insistierte er zurück. „Aber so seid Ihr Bürger: Erst SPD wählen…“ „Aber, wie gesagt, ich habe doch gar nicht…“ „…unterbrechen Sie mich nicht! Erst SPD wählen, sich dann beschweren, dass alles teurer wird, und wenn wir dann unsere Versprechen einlösen und Sie nicht allein lassen, dann ist das Gemaule plötzlich groß. Dabei tun wir ja alles, um Ihnen Einsparmöglichkeiten aufzuzeigen! Meinen Sie, mir macht das Spaß, Ihnen beim Duschen zuzusehen?“, setzte er, immer noch etwas beleidigt, hinzu. 

„Hätten Sie mir dann nicht wenigstens eine junge hübsche Juso-Frau schicken können, die mit mir gemeinsam duscht, um Wasser zu sparen?“, schlug ich ihm vor. Herr Löhmann seufzte, murmelte „Sexist“ und machte sich eine weitere Notiz. „Soll ich das mit Ihrer Frau klären oder wollen Sie? Die Juso-Frauen sind außerdem bei den ganzen CSUlern untergekommen. Nachwuchswerbung!“, erklärte er. Ich ging an den Schrank mit der Unterwäsche und fischte mir einen Slip heraus, den ich, wie im Schwimmbad, unter dem Badetuch schamhaft nach oben zog. Ich bin Jungfrau im Tierkreis. „Herr Löhmann“, sagte ich und meine Ungehaltenheit war mir wohl anzumerken, „was machen wir jetzt? Wollen Sie mich jetzt auf Schritt und Abtritt begleiten, um meine Körperflüssigkeiten und meinen Wasserverbrauch zu protokollieren? Wie lange soll das gehen?“ Herr Löhmann lächte, wie ich meine, eine Spur zu breit: „Sie machen sich jetzt Ihr Frühstück und ich protokolliere, was Sie da essen und wie viel Sie verbrauchen!“ „Aber ich WILL Sie ja gar nicht an meiner Seite. Ich WILL allein sein. Machen Sie Steuerreformen, Mietendeckel, Entlastungsprogramme, liefern Sie Tierpanzer mit Blasrohren in die Ukraine und machen Sie krumme Geschäfte mit öffentlich-rechtlichen Anstalten, sozialen Organisationen, Gewerkschaften und Privatbanken. Gendern Sie und lassen Sie Männer in Frauenkleidern Verteidigungsministerin werden. Fliegen Sie mit dem Heli in den Urlaub. Gönnen Sie sich! Richtig fett! Hauen Sie rein, dass es kracht. Aber LASSEN SIE MICH IN RUHE! ICH WILL ALLEIN SEIN!“ 

Herr Löhmann lächelte immer noch. Jetzt aber diabolisch. „Sie können mich loswerden“, sagte er, „wenn Sie der SPD beitreten. Dann müssen SIE jemanden nicht allein lassen!“ 

Und so unterschrieb ich widerwillig einen Mitgliedsantrag bei der SPD. Morgen bin ich bei Frau Sauer, Rentnerin, am Mittwoch habe ich Herrn Eberhardt, einen pensionierten Lehrer, und am Donnerstag die ausgemergelte Silke vom Tattoo-Studio. Schön wird das nicht. Aber ich kann wieder ohne Herrn Löhmann duschen. SPD – wir lassen Sie nicht allein. 

(Weitere alleingelassene Artikel des Autors unter www.politticker.de)  

Von Thilo Schneider ist in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.

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