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Scholz und der Schein-Ausschuss: Unter Freunden

Published On: 19. August 2022 11:03

Der Hamburger Untersuchungsausschuss, der Olaf Scholz im Cum-Ex-Skandal vernehmen soll, ist ein SPD-Klassentreffen: Der Kanzler wird von Freunden befragt.

IMAGO/IPON

Man könnte es für ein Lustspiel halten: Da steht das Regierungsoberhaupt des mächtigen europäischen Landes vor einer Untersuchungskommission, die eingesetzt wurde, weil er in einen Bankenskandal über Millionen Euro Steuergeld verwickelt ist; aber Richter, Kläger und Zeugen sind allesamt Freunde, Bekannte und mutmaßliche Helfer des Betrugs. Es ist die moderne Fortsetzung von Kleists „Der zerbrochne Krug“, aber ohne Happy End.

Die Liste der Schlüsselfiguren im Untersuchungsausschuss um den Hamburger Cum-Ex-Skandal ist an Zufällen reich. Im Rampenlicht steht der Präsident der Veranstaltung. Der Ausschussvorsitzende Mathias Petersen ist nicht nur ein Parteigenosse von Olaf Scholz. Er galt früher zwar als interner Rivale von Olaf Scholz. Doch auch Petersen ist zumindest indirekt in den Warburg-Skandal verstrickt. Denn die von der Warburg-Bank angenommenen Parteispenden mussten 2017 vom geschäftsführenden Landesvorstand geprüft und genehmigt werden – dem Petersen damals angehörte.

Die Hamburger SPD hatte damals Parteispenden von 45.000 Euro erhalten. Allein 38.000 Euro gingen an Johannes Kahrs, damals Chef des mächtigen Kreisverbandes Hamburg-Mitte. Im September fanden Ermittler über 200.000 Euro Bargeld in seinem Bankschließfach – Herkunft unbekannt. Milan Pein, damals Obmann, erklärte auch im Namen Petersens, man sei bei einem der drei Termine nicht anwesend gewesen, als der Vorstand über eine Spende von 7.500 Euro entschied. An den anderen beiden Terminen hätten sie teilgenommen. Diese Spenden seien damals als „unbedenklich“ eingestuft und angenommen worden.

Die Opposition kritisierte bereits im Oktober 2021, dass die Spenden „keineswegs“ unbedenklich, sondern im Zuge der Warburg-Affäre geflossen seien. Linke und CDU verlangten mehr Transparenz, die AfD sprach von Befangenheit.

Richtigen Zündstoff bekommt die Sache zusätzlich durch eine weitere Personalie, die der Cicero in den Blick genommen hat: Carsten Ernst. Er ist stellvertretender Leiter des Arbeitsstabes und steht unter Verdacht, „ein U-Boot im Dienste des Hauptverdächtigen zu sein oder mindestens in einem Interessenkonflikt zu stehen“, so das Magazin.

Der Arbeitsstab als zentrales Leitorgan, das für Zeugen, Unterlagen und Sitzungsvorbereitung (inklusive Fragen zur Zeugenvernehmung) zuständig ist, wird um einen Kopf bereichert, der eng mit Olaf Scholz verknüpft ist. Denn Ernst war seit 2004 im Bundesfinanzministerium tätig – und unterstand Wolfgang Schmid, der Scholz als politischen Weggefährten begleitet. Damals als Staatssekretär im BMF, heute als Chef des Bundeskanzleramtes. Die Opposition erfährt über diese Verstrickungen – nichts. Und als sie davon erfährt und sich beschwert, gibt sich wiederum die SPD empört.

Pikant: Ernst war im BMF eine Zeitlang im Bereich Informationsfreiheitsgesetz (IFG) tätig. „Dort war er in eine Gesetzesänderung eingebunden, die die Transparenz in der Cum-Ex-Aufklärung stark einschränkt“, schreibt Ulrich Thiele im Cicero. „Zusammengefasst: Scholz’ einstiger Fachmann für Geheimhaltungsfragen, der an einer Erschwerung der Cum-Ex-Aufklärung mitgefeilt hat, soll die Cum-Ex-Verstrickung seines Ex-Chefs aufklären.“ Das ist eigentlich eine Bombe, die jeden Untersuchungsausschuss ad absurdum führen sollte.

Doch nicht in Deutschland. Der Schein-Ausschuss soll alle Zweifel ausräumen. Scholz wird sich wieder an nichts erinnern, der Ausschuss sich auch nicht darum bemühen, die Angelegenheit aufzuklären. Die Daltons befragen sich vor dem Gericht selbst, und der Bürger steht als Rantanplan daneben und bewundert die Kontrollmechanismen der Demokratie.

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