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Ende der EU-Aufsicht über Griechenland – Mitsotakis sieht neue Bewegungsfreiheit

Published On: 24. August 2022 18:19

Premier Kyriakos Mitsotakis nutzte die Nachricht als Weckruf an die Griechen. Ihnen stünden Jahre „des Aufschwungs, der Einheit und des Wohlstands für alle“ bevor. Die Euro-Zone ist über den diversen Rettungspaketen zu einem Club mit garantierter Mitgliedschaft „auf Lebenszeit“ geworden.

IMAGO / Future Image

Griechenlands Premierminister Kyriakos Mitsotakis

Ein Land schlägt eine neue Seite auf. Nach zwölf Jahren finanzpolitischer Kontrolle durch die EU-Troika oder dem, das von ihr geblieben ist, hat Griechenland seine volle finanzpolitische Autonomie zurückgewonnen. Das dürfte der Regierung neue Spielräume verschaffen, wie auch Premier Kyriakos Mitsotakis bemerkte.

Ein sonnengebräunter Mitsotakis sprach von einem „historischen Tag für Griechenland und alle Griechen“. Mit dem 20. August ist die „verstärkte Überwachung“ des griechischen Haushalts durch die EU überwunden. Ein „zwölfjähriger Zyklus“ gehe damit zu Ende, der in Griechenland nach wie vor als nationale Demütigung angesehen wird und den Bürgern des Landes tiefe Einschnitte in Renten und Gehälter einbrachte. Die Wirtschaft des Landes schrumpfte um mehr als 25 Prozent. Junge Menschen verließen scharenweise das Land auf der Suche nach Arbeit.

Begonnen hatte alles mit einem Auftritt des damaligen Premiers Giorgos Papandreou, im Februar 2010. Ausgerechnet auf der Ferieninsel Kastellorizo – am Schnittpunkt von Ägäis und offenem Mittelmeer – posierte der Sozialist vor idyllischer Kulisse, um die EU-Partner um ihre Hilfe bei einer Staatsschuldenkrise zu bitten. Es war einer der seltsamsten Auftritte in der griechischen Politik überhaupt, aber vielleicht ein Wink mit dem Zaunpfahl? Um das winzige Kastellorizo dreht sich heute eine Auseinandersetzung mit der Türkei, bei der es auch um Wirtschaftszonen und Bodenschätze im östlichen Mittelmeer geht.

Es folgten scharfe Einschnitte bei den Staatsausgaben und Steuererhöhungen. Damit kam Griechenland den Forderungen des Internationalen Währungsfonds, der Europäischen Union und der EZB nach und erhielt in der Folge ein erstes Kreditpaket in Höhe von 107 Milliarden Euro. Insgesamt erhielt Griechenland um die 300 Milliarden Euro an Hilfsgeldern, deren Rückzahlungsbedingungen sehr vorteilhaft für das Land sind. Die Kreditpakete entsprechen damit letztlich einem stillen Schuldenschnitt, was natürlich nicht von allen Griechen so gewürdigt wurde. In der griechischen Öffentlichkeit fiel etwa auf, dass Deutschland sogar an den vergebenen Krediten verdiente, weil es Geld zu niedrigeren Zinsen aufnehmen konnte, als es von Griechenland erhielt. Dass das für ein armes Euro-Land wie die Slowakei nicht galt, wurde seltener gesehen.

Zweimal wurde der Versuch eines Referendums unternommen

Dabei wurden die entsprechenden Beschlüsse in Griechenland wie in Deutschland in großer Eile und unter Missachtung verfassungsmäßiger Regeln durch die Parlamente gepaukt. Es war ein erster „Notstand“ – viele sollten unter Angela Merkel folgen –, bei dem keine Zeit für Formalien war. In Deutschland blieb die Beleidigung eines standhaften Parlamentariers (Wolfgang Bosbach) durch Kanzleramtsminister Pofalla in Erinnerung. So versuchte man damals Mehrheiten im Deutschen Bundestag zu organisieren. In Griechenland wurde etwa das erste Memorandum nur mit einfacher Mehrheit angenommen, statt mit Dreifünftelmehrheit wie für bindende internationale Verträge gefordert. Staatsrechtler kritisierten das als Verfassungsbruch.

Anfang November 2011 kündigte Papandreou ein Referendum über die „Modernisierung des Staates“, also die Sparmaßnahmen, an. Das wollten Angela Merkel und Nicolas Sarkozy auf einem EU-Gipfel in Cannes nicht akzeptieren. Gemeinsam machten sie Papandreou klar, dass die Ablehnung der Sparmaßnahmen den Austritt Griechenlands aus dem Euro bedeutet hätte. Die Drohung kehrte noch ein paar Mal zurück, zuletzt aus dem Mund Wolfgang Schäubles. Aber auch seinem Widersacher, dem ultralinken Finanzminister Yanis Varoufakis, wurden ähnliche Absichten unterstellt.

Papandreou jedenfalls kehrte mit leeren Händen zurück und wurde kurze Zeit später zum Rücktritt gedrängt. Es folgte eine Koalitionsregierung unter Beteiligung konservativer und linker Parteien unter Führung des parteilosen Ex-Zentralbank-Chefs Loukas Papadimos ersetzt. Später führte der linke Premier Alexis Tsipras ein ähnliches Referendum durch: Die Griechen lehnten das neue, dritte Memorandum zu 62 Prozent ab. Das Ergebnis blieb allerdings ohne Folgen für seine Politik. Die Sparpolitik ging beständig weiter.

2016 wurde der Containerhafen von Piräus zu 51 Prozent an das chinesische Staatsunternehmen COSCO verpachtet, zunächst für eine Dauer von 35 Jahren. 14 griechische Regionalflughäfen gingen an die deutsche Fraport AG. Schon zuvor traf die griechischen Hausbesitzer eine Grundbesitzsteuer, die weithin als „Kopfsteuer“ gescholten wurde, wie Christen sie unter der Osmanenherrschaft zu zahlen hatten. Einschneidender waren Erhöhungen der Mehrwertsteuer und sinkende Löhne. In Folge der Verarmung vieler Griechen führte die Syriza-Regierung später eine elementare Arbeitslosenhilfe ein, die es zuvor nicht gegeben hatte.

Die Einschnitte ließen den Schuldenstand zunächst steigen

Fraglich bleibt, ob diese Politik der Einschnitte und Belastungen das „griechische Problem“ wirklich gelöst hat, ob sie es lösen konnte. Haushaltsdisziplin zu fordern, war richtig. Aber die Schulden sind geblieben. Durch das Schrumpfen der griechischen Wirtschaft stieg die Schuldenquote auch während der „Rettung“ des Landes durch die EU-Partner weiter. 2020 lag sie bei über 200 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Inzwischen ist dieser Prozentsatz gefallen, was auch dem starken Wirtschaftswachstum zu verdanken sein dürfte, das die Regierung Mitsotakis binnen zweier Regierungsjahre entfalten konnte.

Sicher war aber ein grundlegendes Umsteuern des griechischen Staatsschiffs nötig – und es bleibt nötig. Über dreißig Jahre, praktisch seit dem Beitritt zur EG am 1. Januar 1981, hatte sich das Land von günstigen Krediten abhängig gemacht, die ihm allein aufgrund seiner Mitgliedschaft im europäischen Club zuflossen. Die Folge war ein explodierender Apparat an Beamten und sonstigen Staatsdienern. Bald jede Familie hoffte, zumindest eines ihrer Kinder so unterbringen zu können, als Lehrer oder Kindergärtnerin oder in einem der zahlreichen Bürojobs ohne Anwesenheitspflicht.

Dass das nicht gut gehen konnte, war klar – zumal, wenn zugleich die reale Wirtschaft immer stärker geschrumpft oder aufgrund von Abgaben und Vorgaben ins nahe Ausland – nach Nordmazedonien und Bulgarien – getrieben wurde.

Heute kann kein Euro-Land mehr bankrott gehen

Nun sieht Mitsotakis, der derzeit wegen eines Abhörskandals an linken Politikern und Journalisten in der Kritik steht, die Zeit der politischen Spaltung überwunden und neue Möglichkeiten „des Aufschwungs, der Einheit und des Wohlstands für alle“ am Horizont aufziehen. Unter die Opfer zählt er auch die Toten, die bei einem Brandanschlag auf eine Athener Bankfiliale ums Leben kamen. Die Sparpolitik hat die politischen Gräben im Land zeitweise tiefer werden lassen. Erstmals kam die rechtsradikale Partei Chrisi Avgi (Goldene Morgenröte) ins Parlament. Die Nea Dimokratia nahm rechtskonservative Protestformationen auf, um diesem Trend zu entgegnen. Auch die linksradikale Syriza verdankt ihren Aufstieg an die Futtertröge der Macht der Staatsschuldenkrise. Der Abhörskandal, in den Mitsotakis durch engste Vertraute verwoben ist, zeigt, dass das politische Klima im Land noch immer angespannt ist.

Zu Ende gehen damit auch die „Memoranden“ genannten Vereinbarungen mit den Anführern der Euro-Gruppe, in denen den Griechen die diversen Sparmaßnahmen abverlangt wurden. Laut EU-Finanzkommissar Paolo Gentiloni vom sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) konnte Griechenland in den letzten Jahren „den größeren Teil“ seiner politischen Bindungen einlösen. Dank der erbrachten Opfer und des Durchhaltewillens des griechischen Volks sowie der Entschiedenheit der Regierung schließe das Land heute „ein schwieriges Kapitel seiner langen und stolzen Geschichte“.

Von größerer Bedeutung ist zuletzt, was in der Euro-Zone wirklich und über Griechenland hinaus in den letzten Jahren passierte: Im Anschluss an die Rettungsaktion zugunsten Griechenlands – beziehungsweise zugunsten der risikobereiten Gläubiger, die dem Land Geld geliehen hatten – wurde das gesamte EZB-System so umgestaltet, dass praktisch keines der Mitgliedsländer mehr pleite gehen kann. Von diesem neuen Gelddrucksystem profitiert natürlich auch Griechenland. Insofern ist es nicht verwunderlich, wenn Mitsotakis nun eine Zeit neuer „Bewegungsfreiheit in unseren ökonomischen Entscheidungen“ anbrechen sieht. Sie wird auch durch die Ankaufprogramme der EZB finanziert, die langfristig alle Euro-Bürger ärmer machen.

Kommissionschefin Ursula von der Leyen zögerte nicht, Griechenland den immerwährenden Beistand der EU anzukündigen – eine Twitter-Botschaft, die auch Kyriakos Mitsotakis in einem seltenen Retweet teilte.

Dabei muss man dem konservativen Premier zugutehalten, dass er wirtschaftspolitisch sinnvoll agiert, auch wenn man an finanziellen Blockbustern wie der Pandemie-Politik durchaus zweifeln kann und sollte. Von Anfang an war Mitsotakis bemüht, die wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit Griechenlands wiederherzustellen, und hat dazu Steuersenkungen für den Mittelstand, aber auch für Rentner und Berufstätige beschlossen. Auch den „brain drain“, den das Land infolge der Staatsschuldenkrise erlitt, als erneut Zehntausende junge Griechen ins Ausland auswanderten, um eine Arbeit zu finden, mit der sie sich ein Leben aufbauen konnten, hofft man so umzukehren.

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