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Heuchlerische Reaktionen auf Gorbatschows Tod | Von Wolfgang Effenberger

Published On: 8. September 2022 12:00

Ein Kommentar von Wolfgang Effenberger.

Der Tod des 91jährigen Friedensnobelpreisträgers Michail Sergejewitsch Gorbatschow in der Nacht auf den 31. August 2022 löste vor allem im Westen Trauer aus. Gorbatschow war von März 1985 bis August 1991 Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion und von März 1990 bis Dezember 1991 letzter Staatspräsident der Sowjetunion, sein Name ist untrennbar mit der deutschen Wiedervereinigung verbunden.

Schon 1985 war die Sowjetunion nicht zuletzt wegen des ständigen Wettrüstens mit den USA wirtschaftlich angeschlagen. Schnell erkannte Gorbatschow, dass dem Land ohne tiefgreifende Reformen ein unkontrollierter Zusammenbruch drohte. Mit Glasnost (Transparenz) und Perestroika (Umbau) wollte er die Wirtschaft für Privatinitiativen öffnen und die Bevölkerung an politischen Entscheidungsprozessen beteiligen. Am 18. August 1991 wurde Gorbatschow unter mysteriösen Umständen auf der Krim festgesetzt, der Ausnahmezustand verkündet und Schützenpanzer fuhren vor dem Parlamentsgebäude auf.

Das war die Stunde von Boris Jelzin, der erst am 10. Juli 1991als erster Präsident Russlands vereidigt worden war. Theatralisch sprang er auf den vordersten Schützenpanzer, wandte sich mit einem Appell zur Niederschlagung des Putsches an die Bürger Russlands und forderte die Rückkehr Gorbatschows nach Moskau. Drei Tage später war der Spuk vorbei.

Auf der folgenden Pressekonferenz wurde für die Welt die Demütigung Gorbatschows durch Jelzin deutlich. Er war nun der neue starke Mann. Am Abend zuvor hatte er siegessicher die neue weiß-blau-rote russische Fahne auf dem Balkon des Weißen Hauses geschwenkt und damit das Ende der Ära Gorbatschow eingeleitet.1)

Als Gorbatschow am 23. August 1991 vor der Versammlung des Obersten Sowjets sprach, wurde er von Jelzin vor laufender Kamera unterbrochen. Demonstrativ unterzeichnete Jelzin ein Dekret, das in Russland die Kommunistische Partei verbot. Nun gab es die Partei nicht mehr, die Gorbatschow zum Präsidenten der Sowjetunion bestimmt hatte. Fünf Monate später, am 25. Dezember 1991, musste Gorbatschow endgültig abdanken.2)

Unter Jelzin wurde das sowjetische Tafelsilber an den Westen verschleudert. Innerhalb von wenigen Jahren herrschten russische Oligarchen über die lukrativsten Unternehmensbereiche.

Westliche Krokodilstränen

Die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel drückte ihr Beileid aus: „Möge die Erinnerung an seine historische Leistung gerade in diesen schrecklichen Wochen und Monaten des Krieges Russlands gegen die Ukraine ein Innehalten möglich machen.“3)

Merkels Nachfolger Olaf Scholz würdigte den Verstorbenen als mutigen Reformer und Staatsmann. Er habe dazu beigetragen, dass der Eiserne Vorhang verschwunden sei, dass „Demokratie und Freiheit in Europa möglich geworden sind und dass Deutschland vereint werden konnte“. Er sei in einer Zeit gestorben, in der die Demokratie in Russland „gescheitert“ sei. Dort würde nun Präsident Wladimir Putin „neue Gräben in Europa“ ziehen und „einen furchtbaren Krieg“ gegen die Ukraine führen.”4)

Gorbatschow hatte die Sowjetunion als deren letzter Präsident in den Jahren 1985 bis 1991 geführt – dabei setzte er sich für eine Entspannung mit dem Westen ein und machte dadurch unter anderem die Wiedervereinigung Deutschlands möglich.

Der britische Premierminister Boris Johnson bewunderte den Mut und die Integrität, die Gorbatschow gezeigt hat, „indem er den Kalten Krieg zu einem friedlichen Ende brachte. In einer Zeit von Putins Aggression in der Ukraine sei Gorbatschows unermüdliches Engagement für die Öffnung der sowjetischen Gesellschaft ein Vorbild für uns alle“5). Und für den französischen Präsidenten Emmanuel Macron hat Gorbatschows Engagement für den Frieden die gemeinsame europäische Geschichte verändert.

Die umsichtige Politik von Michael Gorbatschow, Sicherheit für alle Länder zu schaffen, wollte Putin am 15. Dezember 2021 noch einmal aktivieren, als er die USA und die NATO um Sicherheitsgarantien bat. Die Verhandlungen dazu wurden in die Länge gezogen und blieben ergebnislos.

Eine friedliche, vom gegenseitigen Respekt getragene Politik war von den USA nie auch nur Erwägung gezogen worden. Am 2. September 1982 unterzeichnete der Präsident der Vereinigten Staaten, Ronald Reagan, die “National Security Decision Directive 54” (NSDD-54). Mit dieser Direktive wollte Reagan den Sowjetblock destabilisieren, den Warschauer Pakt untergraben und Moskaus Griff auf Osteuropa schwächen:

Mit der Sowjetunion verbündete Regierungen, die vom Sozialismus zurücktraten, liberale Reformen annahmen oder Unabhängigkeit von Moskau zeigten, würden, so versprach Reagan, von amerikanischer Unterstützung profitieren.

„Zu den im NSDD-54 aufgelisteten Anreizen gehörten die Gewährung des “most favoured nation”-Status, Zugang zu amerikanischem Kapital und Krediten, die Mitgliedschaft im Internationalen Währungsfonds (IWF), kultureller und wissenschaftlicher Austausch sowie Besuche auf hoher Ebene.“6)

Reagan und seine Nachfolger hatten nie vor, in Eurasien ein Russland zu dulden, das über eine Regionalmacht hinaus Einfluss ausüben könnte.

Franz Josef Strauß-Preis 2011 an Gorbatschow

Am 10. Dezember 2011 ehrte die Hanns-Seidel-Stiftung Michael Gorbatschow als einen Staatsmann des 20. Jahrhunderts, der das Selbstbestimmungsrecht der Völker anerkannte und sich als Wegbereiter der Wiedervereinigung für Deutschland, für Europa und für den Frieden in der Welt große Verdienste erwarb, mit dem Franz Josef Strauß-Preis.7)

„Sie haben in der früheren Sowjetunion ‚Neues Denken‘ initiiert, das die jahrzehntelange Aufteilung der Welt in zwei hochgerüstete, weltanschaulich entgegengesetzte Blöcke beendet hat!“, so der frühere bayerische Kultusminister Hans Zehetmair und Vorsitzende der Hanns-Seidel-Stiftung.

Während Gorbatschow abrüstete, ging die Aufrüstung des Wertewestens bei gleichzeitiger Unterwanderung (vor allem durch entsprechende Nichtregierungsorganisationen) der ehemaligen Sowjetunion effizient weiter.

In seiner Dankesrede betonte Gorbatschow damals, dass wir uns darüber klar werden müssten,

„dass der Kalte Krieg zu Ende ist. Manche unserer Partner im Westen meinten, er endete mit ihrem „Sieg“. Es scheint mir, dass sie, von dieser falschen Siegeseuphorie befallen, die Fähigkeit zur kritischen Bewertung des eigenen Zustands einbüßten, das gilt besonders für die USA. Dort begannen so Manche, Absichten dahingehend zu hegen, ein neues Imperium in der Welt, eine Situation zu schaffen, in der eine einzige Supermacht die Weltszene beherrscht. Man will Russland in Unruhe und Angst versetzen. Und in Europa scheint man vor Russland immer noch Furcht zu haben.“

Gorbatschow verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass die Sowjetunion nach der Beendigung des Zweiten Weltkriegs keinerlei Pläne hatte, gegen die USA Kriegshandlungen zu beginnen (Im Gegensatz zu den USA in Bezug auf die Sowjetunion) 8). Auch erinnerte Gorbatschow an jene zwei- bzw. dreihundert Militärstützpunkte der USA, die zur Zeit des Kalten Krieges überall in der ganzen Welt verstreut wurden, und er fragte: „Haben sie jemandem auch irgendeinen Nutzen gebracht?“

Dann spielte Gorbatschow auf das Anfang Juli 2010 in Polen von den USA aufgestellte mobile Raketenabwehrsystem gegen Bedrohungen aus dem Iran an.

„Anfangs war ich der Ansicht, dass unsere Politiker in Russland auf die europäische Raketenabwehr und deren geplante Stationierung in Europa übermäßig scharf reagieren. Nun frage ich mich heute immer wieder nach dem Sinn des ganzen Vorhabens. Denn es sieht danach aus, dass das Raketenabwehrsystem der USA als ein Verteidigungsschild gegen Russland angedacht worden sei. Alles Gegenteilige mutet nur als Geschwafel und Rauchschleier zur Verdeckung der Wahrheit an. Die russische Regierung hat schließlich erklärt: „Wir stationieren auch entsprechende Verteidigungs- und Abwehrmittel, und wir sind bereit, Waffen einzusetzen, die unsere Sicherheit gewährleisten.“ Und was heißt das unterm Strich? Das heißt, dass die Möglichkeit eines neuen Krieges nicht auszuschließen sei. Stehen Russland und die USA einander feindlich gegenüber, wird die ganze Sache über den Rahmen eines lokalen Konflikts unausweichlich hinauswachsen.“9)

Wie recht sollte Gorbatschow behalten!

Das sogenannte „Wertebündnis“ war zu keiner Zeit an einem „gemeinsame Haus Europa“, in dem es für alle Platz geben sollte, interessiert. Es ging darum, die NATO weiter an die Grenzen Russlands vorzuschieben, mit der Ukraine als Rammbock.

Gorbatschow nun als Gegenmodell zu Putin zu feiern, ist eine dreiste Verdrehung der geschichtlichen Tatsachen.

Und manche Westpolitiker verwenden ihre Beileidskundgebungen sogar als Plattform für direkte oder indirekte Angriffe auf Putin. Dabei haben sich sowohl Gorbatschow als auch Putin im Sinne des Friedens eine Menge gefallen lassen.

Um in der jetzigen Situation einen Weg des Friedens zu beschreiten, sollten wir endlich das unheilvolle Narrativ „Hier die Guten, dort die Bösen“ in den Mülleimer der Geschichte werfen.

Quellen Und Anmerkungen:

1) Ekkehart Kuhn: Die Friedensformel Ein politisches Märchen. Norderstedt 2021, S.57

2) https://www.mdr.de/geschichte/gorbatschow-augustputsch-historisch-100.html

3) https://www.hna.de/politik/michail-gorbatschow-tod-tot-beerdigung-sanktionen-einreiseverbot-reaktionen-news-zr-91757593.html

4) Ebd.

5) Ebd.

6) https://alphahistory.com/coldwar/reagan-policy-soviet-bloc-nations-1982/

7) https://www.hss.de/news/detail/michail-gorbatschow-erhaelt-franz-josef-strauss-preis-2011-news180/

8) Nur 8 Monate nach der Gründung verabschiedeten die USA den Kriegsplan „Dropshot“, in dem es heißt:

„Am oder um den 1. Januar 1957 ist den Vereinigten Staaten durch einen Aggressionsakt der UdSSR und/oder ihrer Satelliten ein Krieg aufgezwungen worden.“

300 Atombomben und 29.000 hochexplosive Bomben sollten auf 200 Ziele in 100 russischen Städten abgeworfen werden, um 85 Prozent der industriellen Kapazität der Sowjetunion mit einem einzigen Schlag zu vernichten.

9) https://www.hss.de/fileadmin/user_upload/HSS/Dokumente/111210_RM_Gorbatschow.pdf

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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Bildquelle: mark reinstein/ shutterstock

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