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Exklusiv: Endverbleibsvereinbarung für deutsche Waffen in der Ukraine ermöglicht Einsatz gegen Ziele in Russland

Published On: 13. September 2022 9:00

Ein den NachDenkSeiten exklusiv vorliegendes Schreiben des Bundesministeriums der Verteidigung, welche als „VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH“ eingestuft war, birgt enormes Eskalationspotenzial. Denn aus der Antwort auf eine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko wird deutlich, dass die mit der Ukraine geschlossene Endverbleibvereinbarung, im Gegensatz zu den USA, keinen Passus enthält, der den Einsatz z.B. deutsche Panzerhaubitzen gegen Ziele innerhalb der völkerrechtlichen Grenzen der Russischen Föderation untersagt. Ebenso wenig wird die Weitergabe deutscher Waffensysteme an rechtsextreme Kampfverbände wie das Asow-Regiment verboten. Von Florian Warweg



Bereits im Juni hatte Andrej Hunko, Mitglied des Bundestages und Europapolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE, die Bundesregierung nach vertraglichen Zusicherungen über die Verwendung und den Verbleib der an die Ukraine gelieferten Waffen gefragt:

„Hat sich die Bundesregierung von der Ukraine vertragliche Zusicherungen über die Verwendung und den Verbleib der an die Ukraine gelieferten Waffen geben lassen, die den Ausschluss der Weitergabe an rechtsextreme Kampfverbände wie das Asov-Bataillon beinhalten, und falls ja, beinhalten die Absprachen mit der ukrainischen Regierung Aussagen zu möglichen Angriffen mit deutschen Waffen auf Ziele auf dem Territorium der Russischen Föderation, wie zum Beispiel den von Wiktor Andrusiw, Berater des ukrainischen Innenministers, ins Spiel gebrachte Vorschlag, die russische Stadt Belgorod unter Beschuss zu nehmen?“

Verzögerungstaktik des Verteidigungsministeriums

Das Bundesverteidigungsministerium bat jedoch ganze drei Mal, so schildert es Andrej Hunko gegenüber den NachDenkSeiten, „mit teilweise abenteuerlichen Begründungen wie Krankheit der Ministerin“ um eine Fristverlängerung und lieferte die Antwort selbst danach erst auf vielfache Nachfrage und mit großer Verzögerung. Diese erneute Verzögerung wurde mit einem angeblichen „technischen Fehler bei der Versendung der Antwort“ begründet.

Als die Antwort dann nach mehreren Wochen endlich vorlag, beinhaltete sie zwar sehr aufschlussreiche Zitate aus der mit der Ukraine abgeschlossenen Endverbleibsvereinbarung in Bezug auf Waffenlieferungen durch die Bundeswehr, allerdings versehen mit dem Vermerk: VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH. Diese Einstufung verhindert eine Weitergabe der Information an die Öffentlichkeit. Begründung? Dies sei „im vorliegenden Fall im Hinblick auf das Staatswohl erforderlich”, denn “eine zur Veröffentlichung bestimmte Antwort der Bundesregierung auf diese Frage würde Rückschlüsse auf das militärische Informationsbild zulassen”.

Der Bundestagsabgeordnete Hunko legte daraufhin beim Bundesverteidigungsministerium Beschwerde gegen die Einstufung „VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH ein und bekam nach anderthalb Monaten Wartezeit tatsächlich eine Antwort. Die Einstufung wurde aufgehoben. Es gilt in parlamentarischen Kreisen als äußerst selten, dass die Bundesregierung grundsätzlich irgendwelche Inhalte aus Endverbleibsvereinbarung teilt, geschweige denn daraus so umfassend zitiert wie im vorliegenden Fall.

Deutsche Waffenlieferungen: Weder Weitergabe an rechtsradikale Kampfverbände noch Angriffe auf Russland untersagt

Der Inhalt der Antwort des Verteidigungsministeriums hat es in sich: Denn die den NachDenkSeiten nun exklusiv vorliegende Endverbrauchserklärung erweist sich als extrem unpräzise. Nach Bewertung von durch die NachDenkSeiten konsultierten Experten, werden darin „Angriffe auf militärische Ziele auf der Krim oder gar auf Waffen-Nachschub-Konvois auf russischem und belarussischem Gebiet nicht ausgeschlossen, denn diese wären mit den dort erwähnten Punkten Landesverteidigung und geltendes Völkerrecht durchaus in Einklang zu bringen.“

Ähnlich fällt auch die Einschätzung vom Fragesteller Andrej Hunko aus. Gegenüber den NachDenkSeiten erklärt der europapolitische Sprecher der Fraktion DIE LINKE im Bundestag:

„Die vage Endverbleiberklärung hat enormes Eskalationspotential für diesen Krieg. Selbstverständlich hat die Ukraine als angegriffener Staat jedes Recht sich zu verteidigen. Der Vorgang zeigt jedoch, wie heikel die Waffenhilfe des Westens ist. Anstatt alle Kraft auf diplomatische Initiativen für eine Verhandlungslösung und eine Beendigung des Krieges zu konzentrieren, will die Bundesregierung einen militärischen Sieg gegen Russland herbeiführen. Dabei nimmt sie sogar in Kauf, dass mit deutschen Waffen russisches Territorium angegriffen wird. Dieses Eingreifen kann jederzeit eskalieren und den Krieg ausweiten. Eine direkte militärische Konfrontation zwischen NATO-Staaten und Russland könnte der Beginn eines neuen Weltkrieges sein. Statt derart mit dem Feuer zu spielen, wäre es Verpflichtung der Bundesregierung dieses Szenario abzuwenden.“

Ein weiterer von den NachDenkSeiten konsultierter Militärexperte, der durch zahlreiche Tätigkeiten für die OSZE auch mit den entsprechenden völkerrechtlichen Aspekten vertraut ist, erklärte diesbezüglich mit der Bitte anonym zu bleiben:

„Nach meinem Verständnis, kann sich die Ukraine auf Artikel 51 der UN-Charta berufen und damit grundsätzlich alles machen, was sie als Selbstverteidigung ansieht, also auch Operationen mit von Deutschland gelieferten Waffen gegen militärische Einrichtungen auf dem Territorium Russlands, wenn die mit der Bundesrepublik geschlossene Endverbleibsvereinbarung diesbezüglich keine Einschränkungen vornimmt.“

Ähnlich argumentiert auch der von den NachDenkSeiten hierzu angefragte Völkerrechtsexperte Prof Dr. Norman Paech:

„Da die Krim völkerrechtlich immer noch zur Ukraine gehört, ist der Einsatz des Vereinbarungsgegenstandes auf der Krim durchaus möglich. Zum Einsatz gegen Waffentransporte aus der Russischen Föderation und Belarus wäre auch das begründbar als so genannte präventive Selbstverteidigung nach Art. 51 UNO Charta. Um beides zu unterbinden, müsste die Bundesregierung die Vereinbarung nachbessern.“

Damit die NachDenkSeiten-Leser sich selbst ein Bild machen könnten, dokumentieren wir die mit der Ukraine geschlossene Endverbleibsvereinbarung im Wortlaut:

„Der Vereinbarungsgegenstand darf von der ukrainischen Seite ausschließlich für Maß- nahmen zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit, des Krisenmanagements, der Landesverteidigung, für die Teilnahme an regionalen oder kollektiven Vereinbarungen und für Aktivitäten, die mit der Charta der Vereinten Nationen in Einklang stehen, genutzt wer- den. Er darf nur gemäß der einschlägigen Normen des geltenden Völkerrechts, insbesondere des humanitären Völkerrechts, der Menschenrechtsnormen und des Flüchtlingsrechts verwendet werden.

Ohne vorherige schriftliche Einwilligung der deutschen Seite ist die ukrainische Seite nicht zu einer Änderung der Nutzung des Vereinbarungsgegenstands berechtigt. Die Ukraine ist verpflichtet, diesen Vereinbarungsgegenstand weder zeitweise noch dauerhaft, in Teilen oder im Ganzen oder im eingebauten Zustand wieder auszuführen oder Drittstaaten oder Dritten im Land des endgültigen Bestimmungsorts zu überlassen oder anderweitig zu übereignen. Der Vereinbarungsgegenstand kann jedoch zu Ausbildungszwecken, Reparaturzwecken, für Instandhaltungsarbeiten und/oder Upgrades zeitweise an Vertragspartner weitergegeben werden.

Im Hinblick auf die Endnutzung der im Rahmen dieser Vereinbarungen bereitgestellten Gegenstände hat die Bundesrepublik Deutschland das Recht, auf Antrag, jederzeit Inspektionen vor Ort durchzuführen.“

Fazit

Eine wie dargelegt so unpräzise Endverbleibsvereinbarung birgt enormes Eskalationspotenzial in einer bereits hochangespannten Beziehung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Russischen Föderation. Die Bundesregierung liefert nicht nur schwere Offensivwaffen wie die Panzerhaubitze 2000 ohne deren Nutzung explizit auf den Einsatz innerhalb der Ukraine zu beschränken, sie macht auch keinerlei Einschränkungen was die Weitergabe deutscher Waffen an rechtsradikale Kampfverbände wie Asow angeht. Erschwerend kommt hinzu, dass sie auf deutschem Boden auch ukrainischen Soldaten ausbilden lässt.

Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages kommt in einer völkerrechtlichen Einschätzung unter dem Titel „Rechtsfragen der militärischen Unterstützung der Ukraine durch NATO-Staaten zwischen Neutralität und Konfliktteilnahme“ zu dem Schluss, dass man durch die reine Lieferung von Waffen im Rahmen der Unterstützung einer Kriegspartei nicht zur Kriegspartei wird, dies sich aber ändere, sobald ein Land beginnt, auf seinem eigenen Territorium Soldaten einer der Kriegsparteien an den Waffen auszubilden, die man zur Unterstützung in das Land der betreffenden Kriegspartei liefert:

„Bei Unterstützungsleistungen auf der Grundlage von non-belligerency bleibt der Umfang von Waffenlieferungen, aber auch die Frage, ob es sich dabei um „offensive“ oder „defensive“ Waffen handelt, rechtlich unerheblich. Erst wenn neben der Belieferung mit Waffen auch die Einweisung der Konfliktpartei bzw. Ausbildung an solchen Waffen in Rede stünde, würde man den gesicherten Bereich der Nichtkriegsführung verlassen.“

Die Bundesregierung spielt hier ohne Not mit der Gefahr einer weiteren militärischen und auch „diplomatischen“ Eskalation mit der Russischen Föderation. Was hat die Bundesregierung daran gehindert, ähnlich wie im Falle der USA kolportiert, zumindest den Einsatz der gelieferten schweren deutschen Waffensysteme wie Panzerhaubitze 2000 auf Ziele in Russland explizit zu untersagen?

Titelbild: flickr – Attribution 2.0 Generic (CC BY 2.0)

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