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Brutaler Kampf in Brasilien: Lula gegen Bolsonaro im Endspurt um die Präsidentschaft

Published On: 19. September 2022 10:08

Der seit 2018 regierende rechte Präsident Brasiliens, Jair Messias Bolsonaro, liegt in den letzten Umfragen vor den Präsidentschaftswahlen am 2. Oktober 2022, trotz zuletzt ansteigender Zustimmung, noch immer deutlich hinter dem Linkskandidaten und ehemaligen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva, zurück.

Glaubt man den beiden einflussreichsten Wahlumfrageinstituten des Landes, liegt der Kandidat der linken Arbeiterpartei PT (Partido dos Trabalhadores), der von 2003 bis 2011 Präsident des größten südamerikanischen Landes war bei IPEC mit 46% zu 31% und bei Datafolha mit 45% zu 33% gegenüber Bolsonaro, der diesmal für die rechts­kon­ser­va­tive PL (Partido Liberal) antritt, klar in Führung. Von den weiteren vier Kandidaten liegt Ciro Gomes, derzeit PDT (Partido Democrático Trabalhista) mit 8% bzw. 7% vor den beiden Kandidatinnen Simone Tebet und Soraya Thronicke, die wohl nicht über 5% bzw. 3% hinaus­kommen werden. Ob sich ein Sieg mit der erforderlichen absoluten Mehrheit für Lula schon im ersten Wahlgang ausgeht, obwohl ihm das Antreten von Gomes die dafür notwendigen Stimmen kosten könnte, bleibt rund 14 Tage vor dem Wahlgang ungewiss.

Es scheint also gut für den mittlerweile 76jährigen Lula zu laufen, sicherlich eine persönliche Genugtuung, hatte sich doch nach dem Ende seiner zweiten Amtszeit am 1. Jänner 2011 so ziemlich alles gegen ihn gewandt.

Zuerst musste der ehemalige Gewerkschaftsführer mitansehen, wie seine Nachfolgerin als Präsidentin Brasiliens und Parteigenossin Dilma Vana Rousseff, der Aufgabe als Präsidentin (2011-2016) nicht wirklich gewachsen war und das Lebenswerk des umtriebigen Sozialdemokraten gegen die Wand fuhr.

Im Mai 2016 putschte der mittlerweile inhaftierte damalige Vizepräsident Michael Elias Temer, des Koalitions­partners, der mitte-rechts Partei MDB (Partido do Movimento Democrático Brasileiro), gegen Rousseff. Während seiner Präsidentschaft, die bis zum 31. Dezember 2018 dauerte, forcierte der geschäftsführende Vizepräsident die Wiederannäherung Brasiliens an die USA und koordinierte die Inhaftierung Lulas, der bei den Wahlen 2018 antreten wollte, sodass Lula für 580 Tage hinter Gitter musste (2018-2019). Im März 2021 wurde dann auch noch das Urteil gegen Lula aufgehoben, sodass ihm der Weg zur Kandidatur offenstand, die er dann im Mai auch offiziell verkündete.

Perspektiven für nach der Wahl

Im Gegensatz zu Bolsonaro, der ein deklarierter Fan von Donald Trump ist, vertritt Lula eine weitaus skeptischere Position gegenüber Washington, egal welcher Präsident dort gerade im Weißen Haus sitzt.

Für Trump, und jetzt Biden, gilt Bolsonaro hingegen als Garant im Kampf gegen die lateinamerikanische Linke. Vor allem Venezuela und Kuba sind Washington ein Dorn im Auge, blockieren die beiden Staaten doch seit nunmehr 20 Jahren, die einst unter Bill Clinton konzipierte) Amerikanische Freihandelszone (Free Trade Area of the Americas, FTAA).

Lula selbst forcierte seit 2006 die Aufnahme Venezuelas in den Gemeinsamen Markt des Südens (Mercado Comum do Sul, Mercosul), dessen Mitgliedschaft unter Temers „Präsidentschaft“ 2016 suspendiert wurde. Unter seiner und Chávez Ägide wurde 2008 die Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR) gegründet, die den Integrationsprozess Südamerikas (ohne den USA und Kanada) ernsthaft in Gang brachte (mit dem Ziel einer gemeinsamen Währung, gemeinsamer Reisepässe sowie einem gemeinsamen Parlament) und sich den Kampf gegen „Ungleichheit, soziale Ausgrenzung, Hunger, Armut und Unsicherheit“ auf seine Fahnen heftete.

Mit der rechten Wende in Südamerika zerfiel das Bündnis und die die Rückkehr zum neoliberalen Washington Consensus konnte weitgehend wieder hergestellt werden. In der Ablehnung des von den US-Denkfabriken konzipierten, sowie von Weltbank und IWF propagierten Wirtschaftsprogramms treffen sich jedoch die ideologisch verfeindeten Kandidaten Lula und Bolsonaro. Beide sehen die Zukunft Brasiliens auch weiterhin in der BRICS, die unter dem Eindruck der aggressiven Politik Washingtons gegen China und Russland in den letzten 3-4 Jahren an Gewicht gewann.

Lula lud 2010 die Staatschefs von China, Russland, Indien und Südafrika in die brasilianische Hauptstadt ein, Bolsonaro wiederholte diese Einladung 2019, wenn auch deutlich weniger enthusiastisch als Lula neun Jahre zuvor, was jedoch hauptsächlich mit den schweren politischen Krisen in Bolivien (Putsch gegen den linken Präsidenten E. Morales) und Venezuela (Unterstützung des Gegenpräsidenten Guiado durch Bolsonaro) zu tun hatte, die ihn in eine Zwickmühle mit Putin und Xi Jinping brachten.

Beim Treffen der BRICS im Juni 2022 hingegen klang Bolsonaro schon ganz anders, vermied jede Kritik am Einmarsch Russlands in der Ukraine, verurteilte die Sanktionen des „Westens“ und unterstützte lautstark die in Aussicht gestellte Erweiterung der BRICS durch den US Erzfeind Iran und Argentinien.

In die selbe Kerbe hatte Lula bereits im Mai 2022 kurz nach der Erklärung für seine Präsidentschaftskandidatur geschlagen, als er meinte Wolodymyr Selensky trüge nicht weniger Schuld an diesem Krieg als Russlands Präsident Putin. Auf den außenpolitischen Kurs Brasiliens dürfte der Wahlausgang somit keinen Einfluss nehmen, es sei den es gelänge den USA noch ein ähnlicher Coup wie 2008 in Honduras, 2012 in Paraguay, 2016 in Brasilien oder 2019 in Bolivien, wo durch eine provozierte „Unregierbarkeit“ des Landes letztlich US-Marionetten zum Zug kamen.

Ganz unrealistisch scheint dies nicht, kokettiert Bolsonaro doch (wie einst sein guter Freund D. Trump, der ihn auch offiziell unterstützt) mit der Anfechtung der Wahlen aufgrund zu „erwartender“ Wahlunregelmäßigkeiten aufgrund des elektronischen Wahlsystems, was einen Streit zwischen dem Obersten Wahlgericht (STE) und Teilen der US freundlichen brasilianischen Streitkräfte ausgelöst hat. Es scheint als hätten sich beide Institutionen bereits in eine Lage manövriert, in der es schwierig ist, ohne Gesichtsverlust oder Schaden für die Gewaltenteilung im Staat herauszukommen. Ein Hauch von Militärputsch liegt also in der Luft.

Bild von Gleidiçon Rodrigues auf Pixabay

Die in diesem Artikel geäußerten Ansichten spiegeln nicht unbedingt die Ansichten der fixen Autoren von TKP wieder.

Dr. Christian Cwik, Center for Inter-American Studies / Centro de Estudios Interamericanos, Zentralsekretär der Vereinigung lateinamerikanischer und karibischer Historiker (ADHILAC), Profesor de Historia Colonial Latinoamericana (UBV, Caracas, Venezuela)


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