wirtschaftspolitik-von-eu-und-usa:-mit-vollgas-gegen-die-wandWirtschaftspolitik von EU und USA: Mit Vollgas gegen die Wand
oesterreichs-aussenminister:-klares-nein-zu-erweiterung-der-sanktionen-im-energiebereichÖsterreichs Außenminister: Klares Nein zu Erweiterung der Sanktionen im Energiebereich
russlands-teilmobilisierung,-die-abstimmungen-in-der-ostukraine-und-die-vermutlichen-folgen

Russlands Teilmobilisierung, die Abstimmungen in der Ostukraine und die vermutlichen Folgen

Published On: 23. September 2022 6:57

Vladimir Putins Ankündigung, 300.000 Reservisten an die Front zu schicken und in den nächsten Tagen Volksabstimmungen in der Ostukraine durchführen zu lassen zeigen der Ukraine – und dem Westen – klare Grenzen auf.

In Europas Osten überschlagen sich in den letzten Tagen die Ereignisse. Da fanden zunächst die beiden Offensiven der Kiewer Regierungstruppen statt: dem (weitgehend) gescheiterten Angriff in Richtung Cherson im Süden Ende August folgte alsbald – und wie zwischenzeitlich bekannt wurde entgegen den Empfehlungen der US-Berater – eine zweite Offensive östlich von Charkow.

Ukrainische Angriffe vor der Teilmobilisierung

Die Vorbereitungen für den zweiten Vorstoß waren den russischen Militärs gewiss nicht verborgen geblieben, weswegen sich die westlichen Medien zwar in (Vor- und Schaden-) Freude überschlugen und den vielfach bevorstehenden Kollaps von Putins Truppen prophezeiten. Zweifelsfrei sind die ukrainischen Truppen, vielfach unterstützt durch ausländische Truppenteile, weit vorgestoßen, von einem „Durchbruch“ oder gar einem strategischen Erfolg zu sprechen ist zweifelsfrei übertrieben.

Diese Einschätzung geht auch aus einer Vielzahl der in westlichen Leitmedien erschienenen Kommentare und Berichte hervor, wie etwa die Meinung von Mark T. Kimmit, 2008/09 immerhin US-Vizeverteidigungsminister für politisch-militärische Angelegenheiten unter George W. Bush, im Wall Street Journal (1. Sept. 2022), der einen „Durchbruch [nahe Cherson für] unwahrscheinlich“ hielt und zudem „logistische Probleme“ einräumte, die alsbald einen Wandel der US-Politik nach sich ziehen könnten.

Die Lage östlich von Charkow betreffend, befand auch der i.R. befindliche US-Oberst Daniel L. Davis – übrigens ähnlich wie Oberst Markus Reisner vom österreichischen Bundesheer am 14. Sept. 2022 –, dass „der Krieg in der Ukraine…noch lange nicht zu Ende“ ist. Im Gegenteil, die beiden ukrainischen Operationen hätten

Wohl die Mehrzahl der verfügbaren offensiven Mittel verbraucht, hohe Verluste erlitten und werden gewiss einige Zeit brauchen, um die Angriffe wieder aufzunehmen.

Putins Rede, Verteidigungsminister Shoigus Informationen

In seiner am 21. Sept. 2022 gehaltenen Rede verkündetete Vladimir Putin die „Teilmobilisierung“ von rund 300.000 Reservisten. Diese Truppenteile, allesamt Soldaten, die kürzlich gedient hatten, werden nun in den nächsten Wochen ausgerüstet, verlegt und stehen voraussichtlich in einigen Wochen in voller Stärke einsatzbereit Gewehr bei Fuß. Es steht gewiss außer Zweifel, dass diese Truppenkörper alsbald im Konflikt eingesetzt werden.

Beachtenswert an der Rede Putins ist sicherlich, dass er eingestand, dass die bis anhin eingesetzten Kräfte es nicht vermögen, die „über 1.000 Kilometer lange Frontlinie“ in ihrer Gesamtheit abzuschirmen. Wiederholt ist es in den letzten Wochen zu Angriffen auf russisches Territorium gekommen, was ein Grund für die Teilmobilisierung sei.

Jenseits aufsehenerregender Ausführungen – etwa auf die „teilweise moderneren Waffensysteme“ Russlands sei in jedem Fall auf die vielfachen Hinweise Putins verwiesen, dass Kiew „durch die USA und Großbritannien ferngesteuert“ werde. Jenseits der völkerrechtlichen Implikationen seien an dieser Stelle in jedem Fall auf die Konsequenzen der – aller Voraussicht nach positiv für Russland ausgehenden Referenden in den Regionen Donetsk, Lugansk, Cherson und Saporoschje hingewiesen:

Sollten diese Oblaste in wenigen Tagen Teil Russlands sein, so würde der Kreml in jedem Fall jegliche Angriffe auf diese Regionen – wie etwa den seitens der Ukraine fortgesetzten Beschuss von Donetsk vor einigen Tagen [und auch heute] – als Kriegsgrund erachten.

Nach Putin meldete sich auf Verteidigungsminister Shoigu zu Wort, der auf die außerordentlich hohen Verluste der Kiewer Truppen hinwies: russischen Verlusten von 5,937 Gefallenen stünden, so die russische Nachrichtenagentur TASS, mehr als das Zehnfache (61,207 Gefallene) sowie rund 40,000 Verwundetete gegenüber. Wieweit diese Angaben stimmen mögen, ist zwar zum aktuellen Zeitpunkt nicht verifizierbar, es sei jedoch darauf verwiesen, dass diese Verluste, wenn ansatzweise der Wahrheit entsprechend, rund die Hälfte der ukrainischen Streitkräfte ausmachen würden.

Die Bedeutung der Teilmobilisierung

Nach der Übernahme der Krim vor über acht Jahren wandten sich mehrere ukrainische Regionen an Moskau mit ähnlichen Ansinnen, was der Kreml jedoch abgelehnt hatte. Letztlich waren es „nur“ die beiden Volksrepubliken Donetsk und Lugansk, die sich einigermaßen gegen die ukrainischen Truppen und die Asow-Formationen behaupten konnten.

Seit Ende Februar 2022 sieht die Situation aber zunehmend anders aus, und die in den nächsten Tagen stattfindenden Abstimmungen werden wohl ähnliche Ergebnisse wie auf der Krim zeigen.

Dies legt in erster Linie nahe, dass der Kreml den strategischen Fehler von 2014 zu revidieren sucht. Die Grenzen Russlands werden sich in den nächsten Tagen wohl verschieben, und es steht zu erwarten, je nach Verlauf der Kämpfe der nächsten Monate, dass gegebenenfalls weitere Regionen „die Seite wechseln“ werden.

Die russischen Teilmobilisierung schafft in jedem Fall ausreichend Kapazitäten, um zukünftige Attacken der Kiewer Truppen zurückzuschlagen.

Darüber hinaus steht die Frage im Raum, wie weit Kiew und seine westlichen Verbündeten den Fluss von Geldern, Waffen und Kriegsmaterial sowie weiterer Ausbildung ukrainischer Truppen angesichts der fortschreitenden Jahreszeit aufrecht erhalten können. Vom (innen-) politischen Willen angesichts der zunehmenden Energiekrise ganz zu schweigen.

Völkerrechtlich bewegen sich die EU- und NATO-Staaten seit geraumer Zeit auf dünnem Eis, wie auch ein entsprechendes Gutachten des Bundestages aus letztem März einräumte (Hervorhebungen im Original; S. 7-8):

Das Eingreifen mit eigenen Streitkräften, d.h. die unmittelbare Beteiligung an den Konflikthandlungen mit militärischer „Man-Power“, machen einen unterstützenden Staat zweifelsohne zur kriegsführenden Konfliktpartei („co-belligerent“)…

Grauzonen eröffnen stets Möglichkeiten für rechtlich unterschiedliche Interpretationen und Bewertungen durch alle Beteiligten – auch hinsichtlich der Frage, ob eine Konfliktbeteiligung (durch Drittintervention) vorliegt oder nicht.

Russland hat hier jegliche Ambiguität ausgeräumt, wie Putin in seiner bereits zitierten Rede klarstellte:

Im Falle einer Bedrohung der territorialen Integrität unseres Landes und zur Verteidigung Russlands und unseres Volkes werden wir mit Sicherheit von allen uns zur Verfügung stehenden Waffensystemen Gebrauch machen. Dies ist kein Bluff.

Die Abstimmungen in Donetsk, Lugansk, Cherson und Saporoschje

Jenseits aller möglichen Fragen von Legitimität und Völkerrecht, die bevorstehende Vereinigung der vier Regionen Donetsk, Lugansk, Cherson und Saporoschje legt in jeden Fall nahe, dass diese Fragen für Russland geklärt sind.

Seitens der TASS gab es weitere Informationen, die die Motivation – Verzweiflung – der Bewohner des Donbass wohl beflügeln: mit bis zu 15 Jahre Haft droht die Kiewer Regierung den Einwohnern von Donetsk, Lugansk, Cherson und Saporoschje, wenn diese an den Abstimmungen teilnehmen.

Da neben dem weiter anhaltenden Beschuss durch Kiewer Truppen – auch in Lugansk – neben der Teilnahme an den Abstimmungen auch die Annahme humanitärer Hilfe durch Russland mit Freiheitsstrafen bedroht werden, „treibt Kiew die Menschen weiter in die Arme Russlands“, erachtet auch Thomas Röper die Situation recht eindeutig.

Weitere aktuelle Hinweise zu den heute beginnenden Abstimmungen finden Sie u.a. hier.

Die Bedeutung der aktuellen Ereignisse: Versuch einer Einschätzung

„Sobald die Regionen Donetsk, Lugansk, Cherson und Saporoschje Teil Russlands sind, bedeutet dies ‚Schachmatt‘“, so Paolo Raffone, Direktor der Brüsseler Geopolitik-Denkfabrik Council for Inclusive Capitalism (CIPI), wie der neuseeländische Daily Telegraph heute (22. Sept. 2022) berichtet.

Jegliche weitere Angriffe auf diese Territorien, so Raffone, stellen zweifelsfrei einen Kriegsgrund für Russland dar.

Betreffend die Möglichkeiten der Ukraine und ihrer westlichen Unterstützer, das Blatt militärisch noch zu wenden – falls dies je eine realistische Option war (was durchaus bezweifelt werden darf) – so schließt sich dieses Zeitfenster aus zwei Gründen rasch innert der nächsten Wochen.

Zum einen wird die Truppenstärke auf russischer Seite in absehbarer Zeit zunehmen; aufgrund der bisher erlittenen – wiewohl gewissen Zweifeln hinsichtlich der tatsächlichen Zahlen – Verluste Kiews scheint es nahezu ausgeschlossen, dass sich die militärische Lage unter den gegebenen Bedingungen signifikant ändern wird (kann).

Andererseits stellt die fortgeschrittene Jahreszeit – und die bevorstehende Schlammperiode (russ. Rasputiza bzw. ukrain. Bezdorizhzhia) – die militärischen Operationen beider Seiten vor erhebliche Probleme. Dies wiederum ist aufgrund der aktuellen Diskussionen über die Lieferung schwerer Panzer (Leopard 2 bzw. Abrams) an die Ukraine nicht „nur“ ein politisches, sondern auch ein nicht unerhebliches logistisches Problem. Wie National Interest etwa vor einem Jahr festhielt, sind die Straßen und v.a. Brücken Osteuropas vielfach ungeeignet, die oft weit über 60 Tonnen wiegenden Kampfpanzer zu tragen…

Hinsichtlicht der Abstimmungen werden die fortgesetzten Gräueltaten der Kiewer Truppen gegen die Bevölkerung der Ostukraine gewiss eher die (pro-) russischen Positionen verstärken.

Es steht zu hoffen, dass die Folgen der mutmaßlichen Eingliederung von Donetsk, Lugansk, Cherson und Saporoschje auch als solche seitens der Entscheidungsträger in Washington, London und Brüssel eingeschätzt werden.

Der fortgesetzte Beschuss von Regionen, die Russland als sein eigenes Territorium betrachte, wird – wie Vladimir Putin auch unmissverständlich ausführte – in jeden Fall verheerende Folgen haben.

Bild Alexei Kondratievich Savrasov artist QS:P170,Q353008, Savrasov rasputitsa, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons

Unsere Arbeit ist spendenfinanziert – wir bitten um Unterstützung.

Folge uns auf Telegram und GETTR


Wirtschaftspolitik von EU und USA: Mit Vollgas gegen die Wand

Orbán fordert Ende der Sanktionen – EU will achtes Paket

Categories: Peter F. MayerTags: , , , Daily Views: 1Total Views: 21
wirtschaftspolitik-von-eu-und-usa:-mit-vollgas-gegen-die-wandWirtschaftspolitik von EU und USA: Mit Vollgas gegen die Wand
oesterreichs-aussenminister:-klares-nein-zu-erweiterung-der-sanktionen-im-energiebereichÖsterreichs Außenminister: Klares Nein zu Erweiterung der Sanktionen im Energiebereich