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Das Ende der Diplomatie – Ergänzende Information zum Denken an der Spitze Russlands: Lawrow Pressekonferenz

Published On: 4. Oktober 2022 9:45

Der russische Außenminister hat im Anschluss an seine Rede vor der UNO am 24. September eine Pressekonferenz gegeben. Die NachDenkSeiten geben hiermit eine Übersetzung dieser Pressekonferenz zur Kenntnis. Zusammen mit den beiden schon gestern veröffentlichten Dokumenten Pilger und Putin – zwei zur parallelen Lektüre empfohlene Texte (nachdenkseiten.de) gibt dieses Dokument Aufschluss über die Veränderungen des Denkens und Fühlens in Moskau. Bei unseren Politikern und Medien werden diese uns alle betreffenden Veränderungen bisher vor allem oberflächlich und höhnisch kommentiert. Ein paar Beispiele für die Reaktion wichtiger Medien finden Sie nach der Dokumentation der Lawrow-Pressekonferenz. Albrecht Müller.



Noch eine Vorbemerkung, auch als Begründung für unsere Informationsaktivität zu diesem Thema: Zusammenarbeit mit Russland und gegenseitiges Verständnis schwinden, die Konfrontation wächst. Das ist eine gefährliche Entwicklung. Ich erinnere an einen NachDenkSeiten-Beitrag vom 2. Oktober 2018: Tödlicher Wandel durch Konfrontation – Was uns vermutlich ins Haus steht (nachdenkseiten.de)

Das Ende der Diplomatie

Russlands Führung stellt dem Westen ein vernichtendes Zeugnis aus

Sergej Lawrow, Außenminister und Chefdiplomat der russischen Regierung, hat seinen Tonfall gegenüber den westlichen Ländern geändert. „Unseren Partnern“, wie Putin sie früher anzusprechen pflegte, wird nun schonungslos die Wahrheit serviert, während gegenüber freundlichen Ländern weiterhin die Regeln der Diplomatie gelten. Der Westen seinerseits macht sich ein Vergnügen daraus, seine Missachtung gegenüber der russischen Regierung möglichst drastisch zu dokumentieren, von der Verweigerung des Händedruckes über die Ablehnung eines gemeinsamen Gruppenfotos bis hin zum Ausschluss der Russen aus allen möglichen Gremien und Gesprächsformaten. Die im Folgenden leicht gekürzt wiedergegebene Pressekonferenz von Sergej Lawrow fand am 24.9.22 im Anschluss an die 77. Sitzung der UN-Vollversammlung statt, wobei die Themen von Bucha, Russlands Atomwaffendoktrin, Kriegsbeteiligung versus Neutralität, Russophobie, Getreideverschiffung bis hin zu den Ereignissen der Jahre 2014 und 2022 reichen.

Sergej Lawrow: Ich brauche keine Vorrede zu halten. Ich habe unsere Position gerade in einer Rede vor der Vollversammlung deutlich gemacht.

#Reaktion auf die Referenden

Ich möchte stattdessen sofort auf einige Stellungnahmen aus Washington, London, Brüssel und anderen Hauptstädten eingehen, bezüglich der Referenden, die in diesen Tagen in den Volksrepubliken Donezk und Lugansk und den befreiten Gebieten der Oblasten Kherson und Zaporozhye abgehalten werden.

Die Hysterie, deren Zeugen wir sind, spricht Bände. Eine direkte Willensbekundung der Bevölkerung zählt schon lange nicht mehr zu den vom Westen akzeptierten Wegen, Kontrolle über das eine oder andere Gebiet zu erlangen. Ich möchte an das Interview vom August 2021 mit Wladimir Selenskij erinnern, in dem er sagte, dass die Bewohner der Ostukraine keine Menschen seien, sondern „Kreaturen“, und dass diejenigen Bewohner, die sich als Russen betrachten, Russisch sprechen und ihren Kindern und Enkeln eine Zukunft geben wollen, nach Russland auswandern sollten. Es war Wladimir Selenskij, der den Prozess in Gang setzte, welcher das Leben ethnischer Russen in der Ukraine unerträglich machte und letzten Endes zu den Referenden führte, die den Beitritt dieser Gebiete zur russischen Föderation zum Gegenstand haben. Und wie Präsident Wladimir Putin sagte, wir werden die Ergebnisse dieser demokratischen Prozesse gewiss respektieren.

(…)

#Annexion der Krim

Frage: Würden Sie den Standpunkt Ihrer Regierung in Bezug auf den Einsatz nuklearer Waffen erläutern, denn die Kommentare von Präsident Putin, man wolle „alles, was uns zur Verfügung steht“, benutzen, haben doch zu vielen Interpretationen geführt. Und, gilt diese Verteidigung auch für die neuen Territorien, die nach den Referenden vielleicht zu einem Teil Russlands werden?

Lawrow: Wie Sie wissen, sind die als „Cancel Culture“ (deutsch etwa: Annullierungskultur) bezeichneten Methoden sehr in Mode gekommen. Von unseren westlichen Kollegen werden sie nicht nur gegen Länder, Politiker und Personen des öffentlichen Lebens, sondern auch gegen historische Fakten und Ereignisse eingesetzt. So sagten im Jahr 2014 unsere westlichen Kollegen, sie würden die „Annexion“ der Krim niemals akzeptieren, und fragten uns, warum wir das getan hatten. Wir antworteten: „Lasst uns rekapitulieren, wie alles angefangen hat.“ Nämlich mit einem Staatsstreich und sehr vielen Toten.

Die Putschisten kümmerten sich einen Dreck um die Garantien Deutschlands, Frankreichs und Polens. Sie besetzten Regierungsgebäude und jagten den Präsidenten [Janukowitsch]. Sie verfolgten ihn physisch und versuchten, ihn zu fangen.

Das Erste, was die Putschisten sagten, war: Annulliert den regionalen Status der russischen Sprache und schmeißt die Russen raus aus der Krim. Bewaffnete Gruppen wurden in Richtung auf die Halbinsel in Marsch gesetzt, um das dortige Parlament zu stürmen. Erst im Gefolge dieser Vorgänge reagierte man auf der Krim mit der Abhaltung eines Referendums, während die östlichen Regionen der Ukraine sich weigerten, die Ergebnisse des Staatsstreiches anzuerkennen.

Aber die Analyse unserer westlichen Kollegen beginnt mit diesen Ereignissen auf der Krim. Es blieb uns praktisch nichts anderes übrig, als die aufrichtige Willensäußerung der Krimbewohner zu unterstützen, von denen sich 95 Prozent eindeutig für eine Rückkehr nach Russland ausgesprochen hatten, das seit Jahrhunderten ihre Heimat war.

#Russlands Atomwaffendoktrin

Auch in dem aktuellen Narrativ bezüglich nuklearer Waffen begegnet uns wieder die Cancel Culture. Niemand erinnert sich daran, wie im Februar 2022, noch vor dem Beginn der „speziellen Militäroperation“ (SMO), Wladimir Selenskij in einer seiner Erklärungen sagte (er gab und gibt viele Erklärungen ab), dass Ukraines Verzicht auf nukleare Waffen, im Gefolge des Zerfalls der Sowjetunion, ein großer Fehler gewesen sei.

Er sagte dies mit Blick auf eine mögliche Lösung des Ukrainekonfliktes. Nach dem Beginn der SMO sagte der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian öffentlich, Russland solle daran denken, dass auch Frankreich über Kernwaffen verfügt. Diese Stellungnahme geschah völlig unprovoziert, wir hatten das Thema nicht einmal erwähnt. Es war Wladimir Selenskij, der zuerst davon redete. Und Sie erinnern sich alle, was Liz Truss auf die Frage antwortete, ob sie bereit sei, den Atomknopf zu drücken. (1)

Was Russland betrifft, so haben Präsident Putin und andere Beamte des Kremls bei vielen Gelegenheiten erwähnt, dass wir eine Doktrin haben, die die Grundsätze der staatlichen Politik der russischen Föderation in Bezug auf nukleare Abschreckung festlegt. Es ist ein öffentlich zugängliches Dokument, das alle Fragen in dieser Richtung beantwortet. Ich schlage vor, Sie schauen sich nochmal die Umstände an, unter denen wir nukleare Waffen einsetzen würden, sie sind dort absolut klar dargelegt.

#Neutrales Land oder Kriegspartei?

Frage: In Ihren Bemerkungen bei einer Sitzung des Sicherheitsrates sprachen Sie zum ersten Mal offen davon, dass die westlichen Länder Kriegsparteien im Ukrainekonflikt seien. Heißt das, wir betrachten sie jetzt als potentielle Feinde? Wird sich jetzt die Struktur der Beziehungen zu diesen Ländern ändern? Josep Borrell hat gesagt, dass, bis jetzt, die EU nicht daran denkt, Truppen zu schicken.

Meine zweite Frage bezieht sich auf die von Ihnen erwähnte Doktrin. Demnach, wenn die Referenden Erfolg haben, dann wird Russland berechtigt sein, bei Attacken auf diese Gebiete Atomwaffen einzusetzen. Für diesen Fall sprechen die USA von einem unvermeidlichen – bisher nicht näher spezifizierten – Gegenschlag. Nimmt Moskau solche Drohungen ernst? Entwickelt sich der Ukrainekonflikt zu einem dritten Weltkrieg, wie es der serbische Präsident Aleksandar Vucic befürchtet?

Lawrow: Ich möchte jetzt keine düsteren Prognosen abgeben. Das gesamte Staatsgebiet Russlands, das in der Verfassung festgelegt ist oder noch werden kann, wird sicherlich den vollen Schutz genießen. Wie könnte es auch anders sein? Alle Gesetze, Doktrinen, Konzepte und Strategien der russischen Föderation gelten auf deren ganzem Gebiet.

Von einer Drohung der USA mit einem wie immer gearteten Schlag habe ich nichts gehört. Mir ist bekannt, dass US-Präsident Joe Biden mit „höllischen Sanktionen“ gedroht hat, wenn die Referenden abgehalten und ihre Ergebnisse anerkannt werden. Wenn die USA wirklich Russland mit einem unabwendbaren Schlag bedrohen, möchte ich gerne den Text dazu lesen. Ich wusste nicht, dass die USA und Ukraine ein mit einem derart gefährlichen Automatismus ausgestattetes Bündnis eingegangen sind.

Was die rechtlichen Aspekte der westlichen Beteiligung an diesem Krieg angeht, darüber weiß jeder Bescheid, der die Nachrichten auch nur flüchtig verfolgt. Ganz offen wird die Ukraine mit Waffen vollgepumpt. Selenskij verlangt jeden Tag nach mehr Waffen, von Deutschland oder Israel. Er hat Israel dafür kritisiert, weniger Waffen zu schicken, als die Ukraine angefordert hat, oder sich darauf auszureden, dass es zu wenig Waffen für den eigenen Bedarf hat.

Kiew wird auch mit Satellitenaufklärung unterstützt. Der Westen setzt etwa 70 militärische und 200 private Satelliten zur Unterstützung der ukrainischen Streitkräfte sowie nationalistischer Bataillone ein. Ein ukrainischer Kommandeur hat kürzlich zu dem Thema der US-Waffen auf dem Schlachtfeld bemerkt, dass die Amerikaner ein Vetorecht in Bezug auf die Angriffsziele haben. Was ist das anderes als direkte Kriegsbeteiligung, wenn sie uns mit tödlichen Waffen aufs Korn nehmen und am Kampfgeschehen teilnehmen?

Um zurückzukommen zu dem juristischen Aspekt: Die USA, NATO und die EU sagen, sie seien nicht Konfliktparteien. Das bringt uns zu den Haager Konventionen von 1907. Sie befassen sich mit Gesetzen und Regeln, die für den Landkrieg gelten sollen, und mit dem rechtlichen Status feindlicher Handelsschiffe in dem Augenblick, in dem Feindseligkeiten ausbrechen. Diese Regeln sind nicht aufgehoben worden, sie gelten heute noch.

Sie befassen sich mit den Verpflichtungen neutraler Mächte während Kriegen zu Wasser und zu Lande. In diesen Konventionen gilt die Bezeichnung „neutraler Staat“ nicht nur für Länder, die ihre Neutralität wie die Schweiz für alle Zeiten festgeschrieben haben, sondern für alle Staaten, die in einem bewaffneten Konflikt nicht Partei sind. Ich möchte jeden daran erinnern, dass weder die USA noch Europa sich als Parteien zu den Vorgängen in der Ukraine erklärt haben. Dann sollten sie im Einklang mit Artikel 6 der Seerechtskonvention handeln, der besagt, dass die Lieferung von Kriegsschiffen, Munition oder Kriegsgerät aller Art durch eine neutrale Macht an eine der Kriegsparteien verboten ist.

Mit anderen Worten, die USA, die EU und die NATO, die Waffen an Kiew schicken, können nicht als neutrale Mächte betrachtet werden, die nicht in den Konflikt involviert sind. Außerdem sagt eine der Konventionen, dass auf dem Territorium einer neutralen Macht keine Rekrutierungsbüros zur Unterstützung einer der Kriegsparteien eröffnet werden dürfen. Wie sie wissen, haben ukrainische Botschaften und Generalkonsulate in Europa und anderen Ländern auf ihren Webseiten offen Einladungen zur Teilnahme am „heiligen Krieg“ gegen Russland gepostet, dort werden also Söldner rekrutiert.

Westliche Länder, die solche Aktivitäten auf ihrem Territorium dulden, haben die Übereinkunft über neutrale Staaten verletzt und damit gezeigt, dass sie nicht passive Beobachter, sondern direkt in den Konflikt verwickelt sind. Ein Absatz verbietet die Nutzung militärischer Kommunikationseinrichtungen [neutraler Mächte]. Wie ich schon sagte, werden 200 private Satelliten einschließlich Starlink direkt von den Kommandeuren dieses Krieges genutzt. Starlink hat Satelliten und terrestrische Infrastruktur. Durch das Einbringen dieser Ressourcen in den Krieg werden die USA von einer neutralen Macht zur Kriegspartei.

#Vergrößerung des UN-Sicherheitsrates

Frage: Und Sie sagten eben in der UN-Vollversammlung, dass Sie für Brasilien und Indien einen permanenten Status im Sicherheitsrat befürworten. Warum haben Sie Südafrika nicht erwähnt?

Lawrow: Auch das ist wieder ein Beispiel für Cancel Culture. Sie haben nicht vollständig zitiert, was ich gesagt habe. Und ich sagte, dass wir Indien und Brasilien als starke internationale Kräfte betrachten, und als wichtige Kandidaten für einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat, vorausgesetzt, dass auch Afrikas Profil entsprechend gestärkt wird. Der einzige Grund, warum ich Indien und Brasilien erwähnt habe, ist, dass sie sich schon lange selbst nominiert haben, was Südafrika nicht getan hat.

Die Mitgliedsländer der Afrikanischen Union sind dem Ezulwini-Konsens (2) verpflichtet, der seit vielen Jahren als ihr gemeinsamer Standpunkt gilt. Man kann das Thema der Vergrößerung des Sicherheitsrates nicht ohne Berücksichtigung der afrikanischen Interessen behandeln. Ich habe darauf hingewiesen, dass die Vergrößerung des UN-Sicherheitsrates ausschließlich durch Hinzufügung von Repräsentanten aus Asien, Afrika und Lateinamerika geschehen sollte.

Aus mehreren Gründen wäre es lächerlich, weitere westliche Länder aufzunehmen. Abgesehen davon, dass sie alle gegenüber Russland und China feindlich gesonnen sind, kann irgendein westliches Land, wenn es Mitglied des Sicherheitsrates wäre, irgendetwas Neues zu dessen Arbeit beitragen? Nein. Sie richten sich alle nach den Instruktionen der USA, auch Deutschland und Japan, die ihren Wunsch nach ständiger Mitgliedschaft offiziell angemeldet haben. Achten Sie nur darauf, was diese sagen und tun.

Selbst wenn man die politischen Positionen beiseitelässt, ist es doch so, dass sechs der fünfzehn Mitglieder des Sicherheitsrates den Westen repräsentieren. Im nächsten Jahr werden es sieben sein, wenn Japan dazustößt. Wie sie wissen, unterscheidet sich seine Politik in nichts von der der USA und der NATO.

#Autoritäre Züge der EU

Frage: Lassen Sie mich ein paar Parallelen ziehen. Einerseits hat die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, tatsächlich offen Italien mit Konsequenzen für den Fall gedroht, dass die Ergebnisse der dortigen Wahlen unvorteilhaft für Brüssel ausfallen. Andererseits, die Referenden im Donbass. Von dem Augenblick ihrer Ankündigung an nannten alle Politiker aus Europa und Übersee diese Referenden illegitim und wetteiferten darin, sie in ein schlechtes Licht zu rücken. Das ist die Haltung, die man gegenüber der freien Willensäußerung des Volkes einnimmt. Was ist das für eine Vorgehensweise? Wie soll man darauf reagieren?

Lawrow: Das ist Arroganz, das Gefühl, es sei einem alles erlaubt, das Gefühl der eigenen Überlegenheit und des Exzeptionalismus (3). Als ob sie die einzigen wären, die sich Urteile erlauben können. Der Kommentar von Ursula von der Leyen zu den Wahlen in Italien war bezeichnend. Ich kenne keinen EU-Führer, der so tief gesunken ist, solche Drohungen auszusprechen. Die EU wird im Grunde zu einer autoritären, erstarrten, diktatorischen Institution.

Jedes Jahr haben wir viele bilaterale Gespräche am Rande der Vollversammlung. Und dieses Jahr, wie die Jahre davor, hatten wir ein Treffen mit dem Präsidenten von Zypern geplant, Herrn Nicos Anastasiades. Auf seinen Wunsch nahmen wir dieses Treffen in unseren Zeitplan auf zu einem für ihn günstigen Termin. Die Zeitpläne Russlands und Zyperns wurden veröffentlicht. Eine Stunde vor dem Treffen teilten die Protokollbeamten von Herrn Anastasiades unseren Leuten mit, dass die EU ihm nicht erlauben werde, sich mit mir zu treffen. Ich glaube, das ist kein Geheimnis mehr. Schließlich gab das Büro des Präsidenten in Nicosia bekannt, das Treffen sei abgesagt wegen der Notwendigkeit, gewisse EU-Regelungen einzuhalten.

#Die Diskriminierung Russlands

Noch drei weitere Länder (davon zwei aus der EU und ein NATO-Land) wollten sich mit mir treffen. Sie baten darum, diese Treffen privat abzuhalten, ohne auch nur zu publizieren, dass sie stattfanden. Ich war einverstanden. Wir weisen keine Kontaktgesuche zurück. Wir werden auch immer jedes Format akzeptieren, das für unsere Partner angenehm ist. Nachdem sie unsere Reaktion erhalten hatten, verschwanden sie vom Radar und wir haben später nichts mehr von ihnen gehört.

Der französische Präsident Emmanuel Macron sagte in seinen Bemerkungen: „Dies ist nicht die Zeit für Krieg, es ist nicht die Zeit für eine Abrechnung mit dem Westen, oder für eine Konfrontation des Westens mit dem Osten.“ Wir haben nie den Westen gegen den Osten ausgespielt. Sondern, urplötzlich, hat der Westen erklärt, mit uns nicht zusammenarbeiten zu wollen. Macron sagt: „Es ist jetzt die Zeit für unsere souveränen, gleichberechtigten Staaten, bei der Lösung der gemeinsamen Herausforderungen zusammenzuarbeiten.“ Dies sind hervorragende Worte. Aber es gibt ein illustrierendes Beispiel. Die ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates (4) haben in New York und, folglich, in ihren Hauptstädten ein Rotationssystem für Koordinierungsaufgaben geschaffen. Am 1. Januar übernimmt ein Land die Koordinierungsaufgaben drei Monate lang, die nächsten drei Monate ist das nächste Land an der Reihe. Jetzt, im September, hat Russland diese Koordinatorrolle der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates inne.

Bei jeder UN-Vollversammlung hält nun das koordinierende Land ein Treffen der Minister der fünf ständigen Mitglieder mit dem Generalsekretär ab. Auch wir, weil wir höflich sind, haben den entsprechenden Vorschlag unterbreitet. Die Chinesen sagten zu. Die Angelsachsen sagten, sie würden mit uns nicht reden. Urteilen Sie selbst.

Was ist das Ziel des Westens? Man kann nicht anbieten, zu vermitteln (wie das einzelne Parteien tun), und gleichzeitig alle Kontakte abblocken. Das ist derart infam, schon vom Standpunkt des elementarsten menschlichen Anstandes. Wir vermeiden niemals irgendwelche Kontakte. Alles ist zusammengebrochen und wird weiterhin ruiniert, insbesondere von Washington, London (aktiver) und Brüssel.

Frage: Und, zum Thema der Referenden?

Lawrow: Sie haben praktisch schon alles dazu gesagt. Es wird mit zweierlei Maß gemessen. Wir erinnern uns noch daran, wie der Westen für den Kosovo gewisse Ausnahmen von den internationalen Regeln geltend zu machen versuchte. Dann sagte der Internationale Gerichtshof [in Den Haag], das ist überhaupt keine Ausnahme. Nach dem Kosovo wurde proklamiert, dass jeder Teil jedes Landes selbst über seine Zukunft bestimmen kann, ohne die zentralen Instanzen fragen zu müssen. Es geht nach dem Prinzip „my way or the highway“ (Deutsch etwa: Wir machen das so, wie ich will, oder gar nicht). Ich befolge gewisse Prinzipien, wenn sie für mich von Vorteil sind. Aber wenn nicht, dann mache ich etwas ganz Anderes.

#„Langes Spiel“ in der Ukraine

Frage: Sie erwähnten die Beteiligung westlicher Länder an dem Konflikt. Wir wissen, dass der größte Waffenhändler hier die USA sind, die mehrere Waffenpakete für die Ukraine genehmigt haben. Sogar im US-Außenministerium sagt man, die Politiker wollten nun das „lange Spiel“ spielen. Was ist Ihrer Meinung nach die Absicht der USA, und ist Russland bereit, mit den USA ein „langes Spiel“ in der Ukraine zu spielen?

Lawrow: Das ukrainische „Spiel“ ist schon seit langem im Gange. Ich erinnere nur an 2003, als in der Ukraine eine Wahl bevorstand. Westliche Politiker, Beamte, Außenminister, vor allem Belgiens Louis Michel, erklärten unverblümt, die Ukrainer sollten sich in der Wahl für eine Seite entscheiden – Russland oder Europa. Diese Entweder-oder-Mentalität, diese Philosophie ist bis heute nicht verschwunden. Jetzt nehmen überall in Europa russophobe Tendenzen überhand.

Die Europäer und Amerikaner wollen die ganze Welt in ihre infamen Pläne hineinziehen. Sehen Sie sich ihre Aktionen an. Von einem Tag auf den anderen fingen sie an, alles Russische zu verbannen und in ihren Ländern die Russophobie zu fördern.

All das zeigt, dass es sich um Rassismus handelt, der, wie man sieht, mitnichten verschwunden ist. Kein latenter, sondern ein offenkundiger, unverhohlener Rassismus. Er wird von oben verordnet. Es fing an mit den Slogans, die Ukraine solle sich für eine Seite entscheiden. Ein paar Jahre später gab es wieder eine Wahl. Der Gewinner war nicht der vom Westen gewünschte Kandidat.

Und alles wurde getan, um ein großes Geschrei und Geheule auszulösen und gewisse unterwürfige Funktionsträger dazu zu bringen, das Verfassungsgericht zu involvieren, das die Verfassung verteidigen soll. Es entschied sich für eine dritte Wahlrunde, von der nichts in der Verfassung steht. Und dann wählten sie den von den USA gewünschten Kandidaten.

Im Dezember 2013 wurde ein abgehörtes Telefongespräch veröffentlicht, zwischen der stellvertretenden Außenministerin Victoria Nuland und dem US-Botschafter in der Ukraine, Geoffrey Pyatt, der ihr berichtete, welche Politiker für die neue Regierung in Stellung gebracht werden sollten, obwohl es noch mehr als ein Jahr bis zu den Wahlen war.

So ließen sie die Möglichkeit eines nicht turnusgemäßen Machtwechsels zu. Victoria Nuland nannte zwei Namen, die sie glaubte in den ukrainischen Führungsstab aufnehmen zu müssen. Geoffrey Pyatt entgegnete, dass einer der beiden nicht von der EU gewünscht sei. Und wissen Sie, was sie ihm antwortete? „Scheiß auf die EU“. Das ist der herrschende Geist. Das ist die Wahrheit. Der Geist ist derselbe wie heute.

Deutschland, Frankreich und Polen ließen ihre Außenminister Garantien unterzeichnen, dass eine Regierung der nationalen Einheit gebildet werde, die Neuwahlen in fünf bis sechs Monaten vorbereiten solle. In diesen Wahlen hätte sicherlich die Opposition gewonnen.

Anstatt diese Vereinbarung zu respektieren, oder wenigstens die Autorität der europäischen Länder, die ihre Reputation aufs Spiel gesetzt hatten, besetzten sie am folgenden Morgen (ohne noch lange zu warten) das Regierungsgebäude und verkündeten der Menge, dass sie ihnen gratulieren könnten, dass sie eine „Regierung der Sieger“ (und nicht: der nationalen Einheit) gebildet hätten. Das ist ein großer Unterschied. Ich habe viele solche Beispiele gesehen.

Die Tatsache, dass die USA die gegenwärtige Situation in der Ukraine als Maßstab sieht, um ihre Chancen auf eine Fortsetzung der Hegemonie zu testen, ist für mich offenkundig. Sie haben ihre aggressiven gescheiterten Abenteuer in Jugoslawien, im Irak, in Libyen ausgetragen, sie invadierten in Syrien, ohne das geringste Recht darauf zu haben, und in Afghanistan. Sie erklärten Gebiete, die mehr als 10.000 Meilen von ihren eigenen Küsten entfernt sind, zu Interessengebieten und richteten überall Verwüstungen an, um im „turbulenten Wasser“ den amerikanischen „Fisch zu fangen“. Und gleichzeitig betrieben sie die NATO-Osterweiterung.

#Das aggressive Verteidigungsbündnis

NATO ist ein „Verteidigungsbündnis“. Als es die Sowjetunion und den Warschauer Pakt noch gab, und die Berliner Mauer (aus Beton sowie imaginär zwischen beiden Blöcken), haben sie sich natürlich nur selbst verteidigt, wie sie glaubten, gegen die „aggressive“ Sowjetunion und den Warschauer Pakt.

Aber dann gab es beides nicht mehr, und nun verteidigen sie sich Hunderte oder Tausende Kilometer von dieser Linie entfernt, wie jedem klar war.

Sie beschlossen einfach, sich von nun an hier zu verteidigen. Sie verkündeten, die NATO sei nun, als Verteidigungsbündnis, verantwortlich für die Sicherheit im Indo-Pazifik. Das wird ihre nächste Verteidigungslinie sein, das südchinesische Meer. Da habe ich nicht den geringsten Zweifel. Ich habe das heute in meiner Rede vor der Vollversammlung erläutert.

Ich werde mich nicht auf Spekulationen einlassen, wie lange dieser Zustand andauern wird. An Präsident Putin wurde dieselbe Frage gerichtet. Er antwortete, dass wir am Erreichen der verkündeten Ziele arbeiten.

Frage: Wir haben die russische Erklärung für die Invasion in die Ukraine gehört. Aber wie soll das Endspiel aussehen? Besteht es darin, die Regierung in Kiew zu stürzen? Und unter wie viel chinesischen Druck, den Krieg zu beenden, gerät Russland?

Lawrow: Die Ziele der Operation hat Präsident Putin am 24. Februar 2022 verkündet.

#Russophobie

Stellen Sie sich eine Sekunde lang Folgendes vor: Irland verbietet die englische Sprache an Schulen, als Amtssprache, im Kino. Oder Belgien macht dasselbe mit der französischen Sprache, oder Finnland mit der schwedischen Sprache. Können Sie sich so etwas vorstellen? Ich nicht. Aber es würde sofort einen Aufschrei geben, einen Skandal und Aktivitäten – da habe ich nicht den geringsten Zweifel – um Derartiges zu verhindern.

Aber im Fall der Ukraine hat die Politik der Eliminierung alles Russischen, die dort seit vielen Jahren im Gange ist, in keinem westlichen Medium irgendwelche Beachtung gefunden, und auch nicht außerhalb der Medien.

Wir haben diese Fälle präsentiert und eine Reaktion gefordert bei der OSZE, beim Europarat, bei der UN, bei der NATO über die russische Vertretung, die damals noch existierte, und bei der EU. Ergebnis? Nichts. Ganz wie damals seit dem Ende der Sowjetunion, als wir darauf bestanden, dass die EU gegen die Diskriminierung von Russen in Lettland und Estland einschreitet, und uns keinerlei Beachtung zuteil wurde. Wir sind zu der Überzeugung gelangt, dass unsere westlichen Nachbarn rassistische Instinkte gegenüber Russland, als Land wie als Nation, haben. Wenn Sie irgendetwas anführen können, das gegen die Diskriminierung von Russen in Estland, Lettland und der Ukraine spricht, wo alles gesetzlich verboten wurde, dann können wir natürlich gerne darüber diskutieren.

Sie sprechen von Aggression. Von Annexion. Das können Sie natürlich. Meine Antwort ist sehr einfach: Versuchen Sie nicht, die Sache von ihrem Büro aus oder von New York aus zu beurteilen. Fahren Sie in die Krim und sprechen dort mit den Leuten. Kein Mensch macht das, mit Ausnahme einiger tapferer Politiker, die aber nicht zur Elite des Systems zählen. Reisen Sie in den Osten. War irgendjemand von Ihnen im Donbass während der acht Kriegsjahre, in denen Tag für Tag gegen die Minsker Abkommen verstoßen wurde? Offenbar nicht.

Das russische Fernsehen hat über die Situation auf der Donbass-Seite der Kontaktlinie (5) berichtet. Über das tägliche Leben der Menschen und die Schäden an der zivilen Infrastruktur, über das Töten der friedlichen Bevölkerung wurde täglich berichtet. Und wir haben uns gefragt, warum westliche Journalisten auf der ukrainischen Seite der Kontaktlinie nicht genauso verfahren. Weil auf der ukrainischen Seite die einzigen Schäden von erwidertem Artilleriefeuer verursacht wurden. Und die würde man sofort sehen.

Ich verstehe, dass Sie eine Frage stellen wollen, nach der Sie dann schreiben können, dass ich sie nicht beantworten konnte. Gerade hat unser chinesischer Freund nach dem militärischen Endspiel und dem Ziel der Operation gefragt. Sie sollten Putin öfter und sorgfältiger lesen. Er hat alles dazu am 24. Februar gesagt.

Frage: Und was ist mit China, mit chinesischem Druck, den Krieg zu beenden? Ihr Präsident sagte letzte Woche, dass Präsident Xi gegenüber Putin seiner Besorgnis über den Krieg Ausdruck verliehen habe.

Lawrow: Sprach er von „chinesischem Druck“?

Frage: Er sprach von „Besorgnis“. Setzt Sie das nicht unter Druck?

Lawrow: Sie fragten, wie wir uns unter chinesischem Druck fühlten. Sie können Ihren Lesern, Hörern, Zuschauern sagen, ich hätte die Beantwortung der Frage vermieden. Oder wollen Sie geltend machen, Sie verstünden kein Russisch? Höchste Zeit, es zu lernen.

#Getreide und Dünger für Afrika

Frage: Sie hatten zahlreiche Treffen mit Ihren Kollegen in Afrika am Rande dieser UN-Vollversammlung. Haben Sie auch die Lage bezüglich der Exporte von ukrainischem Getreide und russischem Dünger von europäischen Häfen aus erörtert, die die westlichen Länder sich weigern, an andere Länder weiterzugeben, einschließlich der armen Länder? Haben sich in Ihren Gesprächen mit unseren afrikanischen Freunden neue Wege oder Richtungen ergeben? Wie verlief Ihr heutiger Dialog?

Lawrow: Ja, wir haben mit vielen unserer afrikanischen Kollegen gesprochen. Dabei ging es in erster Linie um bilaterale Beziehungen. Mit jedem afrikanischen Land ist unser Handels- und Investitionsvolumen stetig gewachsen, auch wenn die absoluten Zahlen noch weit hinter denen europäischer und chinesischer Unternehmen liegen. Aber die Zukunft sieht vielversprechend aus. Es gibt viele Projekte und Pläne. Wir bereiten ein großes Paket mit Vereinbarungen für den zweiten Russland-Afrika-Gipfel vor, den wir Mitte 2023 abhalten wollen.

Natürlich ist Ernährungssicherheit für alle ein Thema. Jeder unterstützt die Bemühungen, die von der EU, London und Washington errichteten Hindernisse für den Export von russischem Dünger und Getreide zu eliminieren. Alle begrüßten das Vereinbarungspaket, das am 22. Juli dieses Jahres auf Initiative des UN-Generalsekretärs Antonio Guterres in Istanbul abgeschlossen wurde. Es zwang Selenskij, die ukrainischen Häfen endlich zu entminen, was er sich seit März zu tun geweigert hatte, als Russland und die Türkei ihm vorschlugen, die von ihm als Geiseln gehaltenen Schiffe durchzulassen, im Tausch gegen Moskaus und Ankaras Sicherheitsgarantien für die internationalen Gewässer bis hin zum Bosporus.

Am 22. Juli wurde dieser Vertrag angenommen und das Getreide freigegeben. Aber nur ein Bruchteil gelangte zu den ärmsten Nationen auf der Liste des Welternährungsprogramms, so dass letztlich nur Burkina Faso und ein weiteres Land davon profitierten. Wir machten die Europäer darauf aufmerksam, dass fast die Hälfte des Getreides an sie geliefert wurde, und sie sagten uns, sie würden das Getreide später an afrikanische Länder weiterleiten. Dieses Schema ist mehr oder weniger immer noch in Kraft.

Was nun den russischen Teil dieser Vereinbarung angeht, so unterliegen weder Getreide noch Dünger den US- und EU-Sanktionen. Aber dafür gibt es andere Hindernisse, einschließlich einer Verbannung russischer Schiffe aus europäischen Häfen, sowie ausländischer Schiffe aus russischen Häfen. Mit Sanktionen belegt wurde die russische Bank für Landwirtschaft, die als größte Bank dieser Branche den Löwenanteil aller Handelsabschlüsse mit Dünger und Lebensmitteln abwickelt.

Infolge der vielen vom Westen ausgesprochenen Drohungen haben sich die Versicherungsprämien für russische Schiffe vervierfacht. In dem Teil der Vereinbarung vom 22.7., der sich auf russisches Getreide bezieht, versprach der UN-Generalsekretär Guterres, die EU und USA dazu zu bewegen, diese Hürden zu beseitigen. Ich traf ihn am 22. September und er bestätigte, es gebe noch viel in dieser Richtung zu tun. Er gab öffentlich zu, es gebe noch Hindernisse, doch es seien einige Versprechungen gemacht worden.

Das sind alles Entscheidungen jener hegemonialen Kräfte, die versuchen, ihre Verantwortung auf uns abzuwälzen. Als die USA den Irak, Afghanistan und Libyen jahrelang bombardierten, und jetzt Syrien, während auch im Jemen Krieg herrscht, wurde dadurch keine Hungersnot ausgelöst. Und die Wirkung auf die Märkte? Überhaupt keine. Damals waren es die „Generäle“, die im Gefühl der Überlegenheit ohne Rechenschaftspflicht schwelgten.

Diesmal gibt es jemanden, der dieselben Amerikaner daran hindert, sich an unserer Grenze zu postieren, unsere Kultur und Sprache zu zerstören und die Russen zu vertreiben. Das ist der große Unterschied. Diesmal antworteten sie mit Sanktionen in bisher nie dagewesenem Ausmaß, ohne Rücksicht darauf, ob Entwicklungsländer von den Aktionen der USA und ihrer Satelliten in Mitleidenschaft gezogen werden, wie es jetzt der Fall ist.

(…)

Russisches Getreide hat auf den Weltmärkten einen viel größeren Anteil als ukrainisches Getreide. Ich habe noch nicht erwähnt, dass 300.000 Tonnen unseres Düngers in diversen europäischen Häfen festgehalten werden. Vor sechs Wochen gaben wir bekannt, dass unsere Unternehmen bereit sind, auf die Rechte an diesem Dünger zu verzichten, damit er schnell an die Entwicklungsländer geschickt werden kann, die ihn brauchen.

Viele Leute wollen ihn haben. (6) Die EU hat jetzt sechs Wochen lang nachgedacht und kommt zu keiner Entscheidung. Der Dünger gehört uns nicht mehr, sondern der EU. Sie sollten ihn den Ländern überlassen, die auf der Liste des UN-Ernährungsprogramms stehen.

(…)

Wir waren Ende März 2022, ohne Vermittler, mit den Eckpunkten der Einigung einverstanden, die die ukrainische Delegation selbst formuliert hatte. Wir akzeptierten diese ohne jede Änderung. Am Tag danach fingen sie an, Änderungsanträge zu stellen. Sie stritten das ab, es sei anders gewesen.

#Die Toten von Bucha und Izium

Dann kam die Provokation (7) in Bucha. Als die russischen Truppen sich von dort in einer Geste des guten Willens zurückzogen, kehrte der Bürgermeister zurück in die Stadt. Zwei Tage lang war er im Fernsehen zu sehen und berichtete über die Normalisierung des Lebens dort. Am dritten Tag zeigten sie dann eine breite Straße mit Leichen. Die Vorstellung, dass der Bürgermeister mit seinem Team zwei Tage in der Stadt verbringt und die Leichen auf der Hauptstraße erst am dritten Tag entdeckt, ist einfach lächerlich.

Ich würde mich freuen, wenn Sie Folgendes an die Ukrainer und ihre Freunde weiterleiten könnten. Wir fragen seit Monaten an, weil jeder auf einer gründlichen Untersuchung der Vorgänge in Bucha bestand, uns die Namen der Leute zu geben, deren Leichen im Fernsehen und Internet gezeigt wurden. Die Antwort ist Schweigen.

Ich brachte dies auf der Sitzung des UN-Sicherheitsrates zur Sprache und bat Herrn Generalsekretär Antonio Guterres unter vier Augen, dort nachzuhaken. Wie kann man das verstehen? Sie machten einen Skandal daraus und nahmen ihn zum Anlass für ein weiteres Paket antirussischer Sanktionen, und forderten eine Untersuchung. Der erste Schritt einer Untersuchung ist doch, mindestens die Identität der Leute festzustellen, die dort angeblich von der russischen Armee brutal ermordet wurden.

Jetzt vor kurzem gab es einen Fall in der Stadt Izium, mit Berichten über Massengräber „gefolterter“ ukrainischer Bewohner. Sie zeigten einen Friedhof, zweifellos mit Gräbern, aber nicht mit Massengräbern. Auf jedem Grab war ein christlich orthodoxes Kreuz. Es waren Leute begraben. Die Ukrainer fingen an, sie auszugraben. Einige ausländische Journalisten wollten hingehen und selber nachsehen. Die ukrainische Führung ließ das nicht zu, und jetzt schreibt keiner mehr über Izium. Bitte beachten Sie Folgendes: Jetzt ist eine Zeit, in der die Leute begierig auf Sensationsmeldungen sind, aber die Verantwortung derjenigen, die solche Meldungen ohne gründlichen Faktencheck verbreiten, erhöht sich unter den jetzt herrschenden Umständen auf ein Vielfaches.

#Gesprächsbereitschaft

Frage: Sie haben ausführlich über die Einmischung der NATO gesprochen. Sehen Sie am Ende dieses Krieges (ob Sie es Krieg nennen oder nicht, es scheint einer zu sein) irgendwelche Gespräche mit den USA, die für Russland zu mehr Sicherheit führt vor dem, was Sie als Übergriffe der NATO bezeichnen?

Lawrow: Ich habe heute schon darüber gesprochen, und ich wiederhole es noch einmal. Wir sind für Gespräche offen. Wenn solche Vorschläge kommen, sind wir dazu bereit. Wenn unsere Partner ein inoffizielles Gespräch wünschen, von dem niemand weiß, ist das OK. Reden ist immer besser als nicht zu reden. Aber in der Situation, wie sie heute ist, wird Russland nicht den ersten Schritt machen.

Im Jahr 2014 wurde alles zerstört, nachdem die EU alle Kontakte abbrach und die umfangreiche Architektur unserer Beziehungen annullierte. Wir ließen sie wissen, dass wir jederzeit bereit sind, wenn sie etwas zu besprechen haben. Ob wir auch darüber sprechen wollen, wird sich zeigen. Doch als wir die zukünftige Sicherheitsarchitektur Europas besprechen wollten, warf die NATO fast das ganze Personal unserer NATO-Vertretung hinaus, bis auf 8 Leute, zu denen auch ein Fahrer und andere Hilfskräfte gehörten. Das ist einfach nicht seriös. Wir schlossen das Büro, oder beendeten jedenfalls unsere Arbeit dort.

In diesen letzten Tagen habe ich allen möglichen Vermittlern, die ihre Dienste anboten (und das waren etliche) gesagt: Hört euch Wladimir Selenskij an. Er sagte, die Ukraine wird Russland besiegen, alle Territorien befreien, und dass sein Friedensplan keinen Neutralitätsstatus vorsieht. Das ist ein Hinweis darauf, dass sein Land NATO-Mitglied werden soll.

(…)

Wie gesagt, wenn sie reden wollen, hören wir uns das an. Wir nehmen nicht selbst Kontakt auf. Wir haben unsere Lektion gelernt. Sie sind absolut nicht vertrauenswürdig, und selbstsüchtig bis auf die Knochen. Sie stellen sich und ihre Interessen immer an die erste Stelle und suchen oder bewahren keinen Interessenausgleich.

Journalisten von Reuters und ein deutscher Journalist haben mir Fragen gestellt, und aus der Art dieser Fragen, aus ihrer Wortwahl wurde klar, dass die westlichen Eliten an der Dämonisierung Russlands festhalten wollen. Die Fragen zeigten kein Interesse an dem, was Sie jetzt gefragt haben, nämlich, ob Dialog möglich ist. Ob sie das Gespräch suchen, werden wir sehen.

Frage: Diese Woche haben wir viele Staatschefs reden hören, die alle ein Ende des Ukrainekrieges forderten, der globale Auswirkungen hat. Und wir hörten Militärexperten sagen, dass keine Seite ein Interesse an Verhandlungen hat, weil beide Seiten glauben, militärisch gewinnen zu können. Wie würden Sie auf die beiden Ansichten antworten?

Lawrow: Das habe ich schon beantwortet, aber ich tue es nochmal. Kurz nach dem Beginn unserer SMO schlug die ukrainische Seite vor, Gespräche zu führen, um einen Weg zu einer Einigung zu finden. Wir waren einverstanden. Darauf folgten mehrere Gesprächsrunden, erst in Belarus und später online.

Die Ukrainer konnten ihre Vorschläge nicht erklären. Am 29. März gab es dann ein Treffen in Istanbul, bei dem sie ein Dokument mit Eckpunkten für eine Einigung vorlegten. Wir akzeptierten es, ohne einen Punkt zu ändern. Wir schrieben diese Vereinbarungen auf und schickten es an die Ukraine.

#Bucha beendete alle Gespräche

Und dann kam Bucha, wovon ich schon gesprochen habe. Wir warten immer noch auf die Namen der Opfer und wir werden weiter darauf bestehen. Und dann sagten die Amerikaner den Ukrainern, sie sollten keinerlei Vereinbarungen mit Russland akzeptieren, sondern mehr Siege auf dem Schlachtfeld gewinnen.

Josep Borrell, der Chefdiplomat der EU, der diplomatisch agieren sollte, sagte, der Krieg müsse mit einem ukrainischen Sieg auf dem Schlachtfeld enden. Früher orientierte man sich an Boris Johnson, jetzt an Liz Truss. Sie alle sagen ungefähr das Gleiche, die NATO und alle anderen, nämlich dass die Krim zurückerobert werden müsse.

Über welche Gespräche kann man in dieser Situation sprechen? Bei unserem letzten Kontakt mit den Ukrainern haben wir ihr Eckpunktepapier akzeptiert. Aber dann sind sie auf einen völlig anderen Pfad eingeschwenkt. Nehmen Sie Wladimir Selenskij, der hier am 21. September sagte, dass es keine Kompromisse geben werde. Dass ihr Frieden der Krieg ist und so weiter. Ich weiß nicht, was es da zu besprechen gibt.

Ein Vermittlerteam einer respektierten internationalen regionalen Organisation, mit denen ich mich hier getroffen habe, wollte weiterreisen nach Kiew und fragte, welche Botschaft wir ihnen mitgeben wollten. Ich antwortete, die Ukrainer wüssten über alles Bescheid, ich hätte ihnen alles gesagt und sie selbst hätten die Gespräche abgebrochen.

Im Sommer wurde Präsident Putin gefragt, warum die Russen nicht verhandeln wollten. Er antwortete, dass wir nichts gegen Gespräche haben, aber dass diejenigen, die nicht reden wollten, wissen sollten, dass, je länger sie warteten, desto schwieriger die Verhandlungen sein würden. Wir haben immer wieder guten Willen gezeigt, aber die andere Seite ist nicht bereit, das Gleiche zu tun.

Ich fragte die Vermittler, die nach Kiew weiterreisen wollten, ob sie ihre Vermittlungsabsichten mit den Amerikanern abstimmen würden. Das ließ sie erstarren, und sie sagten, dass sie nur ein Mandat für Gespräche zwischen Russland und der Ukraine hätten.

Warum nur? Das ergibt keinen Sinn. Kann nicht jeder vernünftige Mensch sehen, dass die Ukraine unter Kontrolle der USA steht, und, in wachsendem Maße, unter der Kontrolle Londons? Jeder weiß das. Journalisten aus Europa, Großbritannien und den USA fragen, warum wir nicht offen für Kontakte sind. Aber die haben sie selbst verhindert.

Ich habe ihnen berichtet, wie die EU dem zypriotischen Präsidenten jedes Gespräch mit mir verbot. Ein Repräsentant eines ständigen Mitglieds des Sicherheitsrates und ein Repräsentant eines anderen respektierten Landes haben schüchtern, ja verstohlen um ein geheimes Treffen mit mir gebeten. Ich hieß sie willkommen. Darauf verschwanden sie einfach vom Radar. Das Gleiche geschah mit einem anderen Premierminister. Also, stellen Sie nicht uns als die Drückeberger dar.

Anmerkungen des Übersetzers:

  • Die neue Premierministerin des UK, Liz Truss, wurde nach ihrer Nominierung in einem Fernsehstudio interviewt. Ob es ihr nicht, wie ihm selbst, den Magen umdrehe, fragte der Interviewer, wenn sie den Atomknopf drücken müsse, um die sichere gegenseitige Vernichtung auszulösen. Truss antwortete, dies sei eine wichtige Aufgabe der Premierministerin, sie sei bereit dazu. Das Publikum im Studio applaudierte. youtube.com/watch?v=CM8evVhzHPI
  • Der Ezulwini-Konsens ist ein 2005 von der Afrikanischen Union beschlossenes Positionspapier, das eine Repräsentation Afrikas im UN-Sicherheitsrat anstrebt. Es ist nach dem Tagungsort, dem Ezulwinital im damaligen Swaziland, benannt.
  • Der Begriff des Exzeptionalismus ist eigentlich für die USA reserviert, für die dort weitverbreitete, quasireligiöse Überzeugung, man sei allen anderen Nationen und Völkern überlegen und zur Herrschaft über sie bestimmt, samt den daraus abgeleiteten Sonderrechten und -befugnissen. Lawrow überträgt ihn hier auf die Europäer, die aus seiner Sicht von ähnlichem Geiste beseelt sind.
  • Die fünf ständigen Mitgliedsländer des UN-Sicherheitsrates sind die USA, Russland, China, England und Frankreich. Außerdem gibt es im Sicherheitsrat 10 Sitze für „nichtständige“ Mitglieder, die nach einem Rotationsschema besetzt werden.
  • Die „Kontaktlinie“ im Donbass ist eine Waffenstillstandslinie, die in den Kämpfen seit 2014 entstanden ist. Sie umschließt ein kleines Kerngebiet der beiden Oblasten Lugansk und Donezk.
  • Infolge der Gasknappheit ist Dünger auch für die Europäer zum heißbegehrten Gut geworden, denn bei seiner Herstellung wird viel Erdgas verbraucht.
  • Mit „Provokation“ meint Lawrow eine False-Flag-Inszenierung, bei der eine Gräueltat begangen oder simuliert wird, um sie der anderen Seite (hier: Russland) anzuhängen.

Link auf die Originaldatei: mid.ru/en/foreign_policy/news/1831220/

Nachtrag: Typische Reaktionen westlicher Medien auf die Rede von Putin vom 30.9.2022

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