Vorhersagen von Sozialwissenschaftlern sind eher fragwürdig

Vorhersagen von Sozialwissenschaftlern sind eher fragwürdig

Veröffentlicht am 17. Oktober 2022 von LK.

Bei den Prognosen von Sozialwissenschaftlern ist Vorsicht geboten. Das Medienportal Daily Sceptic macht darauf aufmerksam, dass nun eine Studie gezeigt habe, dass auch Sozialwissenschaftler keine besseren Vorhersagen treffen können als einfache Modelle. Bei der Studie handelt es sich um eine Vorabveröffentlichung, die Fachkollegen erst noch prüfen müssen.

Der Wissenschaftler Dillon Bowen hat Daten aus mehreren früheren Studien zusammengetragen, in denen «Experten» gebeten worden waren, die Auswirkungen verschiedener Massnahmen auf das Verhalten der Menschen vorherzusagen. In der ersten Studie sollten 90 «Experten» vorhersagen, wie wirksam 53 verschiedene Anreize sein würden, um Fitnessstudiobesucher dazu zu bringen, häufiger zu trainieren. Zu diesen Anreizen gehörten Dinge wie die Bereitstellung eines kostenlosen Hörbuchs und ein Bonus für die Rückkehr nach verpassten Trainingseinheiten.

In der zweiten Studie sollten 24 «Experten» vorhersagen, wie wirksam 22 SMS-Nachrichten sein würden, um Walmart-Kunden zu einer Grippeimpfung zu bewegen. Nach Angaben von Daily Sceptic umfassten diese Massnahmen Dinge wie eine einfache Erinnerung und einen Witz über die Grippe. In der dritten Studie sollten 237 «Experten» vorhersagen, wie wirksam die von zwei staatlichen Nudge-Einheiten durchgeführten Interventionen das Verhalten der Bürger verändern würden. Diese Massnahmen umfassten Gebiete wie Gesundheitsfürsorge, staatliche Leistungen und gesellschaftliches Engagement.

Nudge (engl. für Stups oder Schubs, hier im Sinne von Denkanstoss) ist ein Begriff der Verhaltensökonomik, der durch den Wirtschaftswissenschaftler Richard Thaler und den Rechtswissenschaftler Cass Sunstein und deren Buch «Nudge: Improving Decisions About Health, Wealth, and Happiness» (deutscher Titel Nudge: Wie man kluge Entscheidungen anstösst) von 2008, geprägt wurde: Unter einem Nudge verstehen die Autoren eine Methode, das Verhalten von Menschen zu beeinflussen, ohne dabei auf Verbote und Gebote zurückgreifen oder ökonomische Anreize verändern zu müssen. Seit dieser Veröffentlichung findet der Begriff auch in anderen Gebieten Anwendung, etwa der Marketing-Kommunikation.

Für alle drei Studien verglich Bowen die Vorhersagen der «Experten» mit einem Nullmodell, das besagte, dass keine der Massnahmen funktionieren würde, das heisst dass keine der Massnahmen das Verhalten der Probanden in statistisch signifikantem Masse verändern würde. Bemerkenswerterweise stellte er fest, dass in allen drei Fällen das Nullmodell besser abschnitt als die «Experten».

Mit anderen Worten: Die «Experten» überschätzten die Auswirkungen der Massnahmen so sehr, dass sie genauer gewesen wären, wenn sie für jede einzelne Massnahme einfach auf «keine Wirkung» getippt hätten. Oder anders ausgedrückt: Die Auswirkungen der Interventionen lagen im Allgemeinen näher bei null als bei den Vorhersagen der «Experten».

Verhaltensinterventionen werden von Regierungen und anderen Stellen häufig eingesetzt, um auf eine subtile Art und Weise das Verhalten von Menschen zu beeinflussen, ohne sie zu zwingen, schreibt Daily Sceptic. Doch die Praktiker überschätzten immer wieder, wie gut diese Massnahmen funktionieren.

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