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Bolzplatz versus Arena

Published On: 21. Oktober 2022 12:30

Über Fußball wird viel geredet. Klar, dieses Spiel ist voller Faszination dank der Vielfältigkeit, Unkalkulierbarkeit und im Ursprung genialen Einfachheit. Über das Wesens des Fußballs zu schreiben, geschieht eher selten. So ist die Publikation „Links kickt besser – Der Mythos vom unpolitischen Fussball“ von Klaus-Dieter Stork und Jonas Wollenhaupt, erschienen im Westend-Verlag, umso erfreulicher. Das Duo schwärmt einerseits ehrlich für den ursprünglichen Fußball. Die Autoren belassen es andererseits nicht beim Fan-Sein. Auf 237 Seiten durch Geschichte(n) und Gegenwart des Fußballs analysieren Stork und Wollenhaupt den tatsächlich politischen Kosmos des Spiels und seines Umfelds und lassen final auf den, ihrem Befund nach, rechten Fußball 11 „Torschüsse“ los, es sind 11 Vorschläge für einen besseren Profifußball. Der einfache Fußball braucht an sich keine Reformen. Der Profifußball schon, konstatieren Stork und Wollenhaupt, sie bereichern mit ihrem Buch die in Gang befindlichen Debatten. Und doch … Eine Rezension von Frank Blenz.



Die vielleicht schönste Fan-Episode aus dem Profifußball

Zwei Fußballfans heulten. Die schönste Episodenerzählung des Buches „Links kickt besser – Der Mythos vom unpolitischen Fußball“ gelingt dem Duo, als sie über Tränen berichten. „TOOOOR! 95:28 Minuten, der Fußballgott Fabian Schleusener, der in der ganzen Saison kein Tor geschossen hat, erzielt das 1:3“, schreiben sie über ein Relegationsspiel, dass der FC Nürnberg, die „Glubberer“, tragisch verlor. Sehr nah, herzlich, ehrlich nehmen sie einen mit an das Rundfunkgerät, aus dem das Drama tönte. Zum Weinen, wenn man absteigt. Kopf hoch, nach dem Spiel ist vor dem Spiel.

Die erschütterndste Episode aus dem politischen Fußball

Klaus-Dieter Stork und Jonas Wollenhaupt berichten, dass 1973 der Fußball in Südamerika nach rechts rollte. Pinochet putschte sich in Chile mit Hilfe der USA an die Macht, der gewählte Präsident Allende wurde ermordet. Die Fußball-WM 1974 stand vor der Tür, in der Qualifikation sollte Chile daheim gegen die Sowjetunion spielen. Die Gäste reisten nicht nach Santiago, das Spiel fand dennoch statt, in einem Stadion, das vorher als Freiluftgefängnis, als Folterstätte für 40.000 Gefangene der Putschisten diente. Und viele wurden ermordet. Die FIFA bestand auf der Austragung des Spieles. Chile schoss ohne Gegner nach dem Anpfiff den Ball hin und her schiebend schließlich zum Siegtreffer 1:0 ins leere Tor. Chile spielte bei der WM in der BRD.

Fast ein Nachschlagewerk

Echt vieles rund um den Fußball gibt es von den fleißigen Informationssammlern und Beobachtern Stork und Wollenhaupt zu erfahren, zu staunen, zu empören, zu erschüttern. Dass der BVB Dortmund seinen Namen von einer Brauerei hat, erfuhr ich. Dass es gekaufte Spiele und Meisterschaften auf unserem Fußballplaneten gab und gibt, auch. Dass einst in Südamerika einer der wenigen echten linken Fußballvereine gegründet wurde und der prompt zwei Mal Meister wurde, bringt mich zum Staunen. Die Zeilen über den Fußball im Krieg, über Ausgrenzung von Menschen, die Einnahme des Sports durch Werbung, Militarisierung, Betrug, Bestechung erschüttern. Dass der rechte Fußball die Lizenz zum Gelddrucken ist, ich ahnte es die ganze Zeit, beschreibt das Duo in seinen Ausführungen über TV-Rechte, Prämienzahlungen, Transfererlöse, Werbeeinnahmen. Dass in Deutschland eine Mannschaft zehn Mal hintereinander Meister wurde, das wundert das Duo nicht. Damit meinen sie den aktuellen, und derlei geschah auch schonmal in der ehemaligen DDR, wo ein Team ebenfalls 10 Mal Erster wurde, man frage nicht, wie das möglich war…

Begeisterung und Kritik

Die Autoren wecken die Urbegeisterung aus Kindertagen auf, als stünde ich auf einem Bolzplatz. Ich empöre mich als Erwachsener, den Autoren beipflichtend, wie die Profit-Orientierung im Leistungssport vorangeschritten ist, wie diese kalte, durchgestylte Profifußball-Welt sich rückwärts gewandt vor uns Tag für Tag medial ausbreitet (ja, so penetrant wie wahr: man kann jeden Tag im TV Spiele der Profis, der Idole sehen – zunehmend kostenpflichtig) und dass das Thema „überkommerzialisierter Profifußball“ gesellschaftlich überaus relevant ist. Klaus-Dieter Stork und Jonas Wollenhaupt nehme ich ab, dass sie dem Fußballsport sehr verbunden sind und die Übergriffigkeiten des Business und der politischen Einflussnahme aus Gründen der Macht und Eitelkeit und Gier verurteilen und ablehnen. Überaus engagiert und detailreich agieren sie, wortreich Doppelpass auf Doppelpass spielend über die Verbindungen Sport und Politik. Sie lassen Geschichte üppig aufleben, sie ziehen Vergleiche des einfachen, linken Kickens mit dem reklame-überfrachteten Geschehen in den Flutlicht-VIP-Lounge-Fankurven-Rasenheizungs-Arenen der Welt. Es wird ein Dilemma offenbar bei aller Begeisertung für die Fußballwurzeln: Allein Bolzplatz-Fußball ist auch nicht das Gelbe vom Ei. Denn schließlich mögen ja die meisten Fußballfreunde die bekannten Vereine und Spieler, die damit Geld verdienen. Viel Geld. Das Maß des Ausmaßes an Anmaßung indes stört zunehmend die meisten Fans.

Das Autorenduo lobt auch mal die Profis. Zum Beispiel die vom SC Freiburg, als „kleiner Klub“ unter den Großen trotz geringeren Budgets als die Konkurrenz viel aus den Kader „herausholend“. Sowohl in ihrer Spezialdisziplin Soziologie als auch in ihrer Passion, den Fußball als solchen zu lieben, huldigen Stork und Wollenhaupt der Einfachheit des Kickens, Bolzens, Dattelns und kritisieren im Konter die Hatz nach dem großen Reibach und den Einfluss mächtiger ideologischer Foulspieler. Auch, wie die Großen im Geschäft den Kleinen die Talente „wegkaufen“.

Links? Rechts? Was ist links? Was rechts?

Die Fragen kommen auf, als mir die Behauptung „Links kickt besser“ entgegenflattert. Besser? Dass die Gegenseite zu „links“ „rechts“ sein muss, okay – doch ist es im Fußball wie im Leben nicht komplizierter? Eigentlich nicht, ich lasse mich darauf ein, dass links Klasse ist und dass rechts gegen links andauernd Foulspiel begeht. Wenn Kicken auf dem Bolzplatz oder einer schlichten Wiese in Freude und unbekümmerter Hingabe das bessere, also das linke Bolzen ist, dann stimmt das, stelle ich fest. Das millionschwere Kicken in Stadien, die wie Ufos aussehen, hingegen wohl rechts. Die Wiege des Sports, Leichtigkeit, proletarische Bodenhaftung, das soziale, empathische Linke sind im Hightech-Flutlicht verschwunden, außer, so Stork und Wollenhaupt, wenn ein Maradona oder Messi sich den Ball schnappen, nicht mehr hergeben, dribbeln und treffen, als wären sie wie einst auf ihrem Bolzplatz. Stork und Wollenhaupt schieben bei mir eine innere Debatte an. Linker Fußball wird vom Autorenduo in der Geschichte als Teil des Protests der kleinen Leute gezeigt und die Kraft des Bolzens drückt sich aus in den Straßenspielen, die einst so heftig waren, dass man von Fairplay nicht sprechen konnte. Rechts hingegen erweist sich im Profitfußball, im Hinhalten des Frauenfußballs über viele Jahre in der Nische, belächelt und lange gar verboten. Ich komme zur Erkenntnis: Was soziale Teilhabe einschränkt, mächtige Teilhaber mächtiger macht, den Status quo Etablierter etablierter, das ist schlicht rechts, Fußball für Eliten, für spielende Millionäre, die in Wertetabellen ihren Marktwert einsehen können, so als wären sie seltene Spezies. Das alles ist rechts. Links – das bedeutet schlicht: einfach Fußball spielen.

Zwischenrufe und Pfiffe

Die Autoren Stork und Wollenhaupt aus dem Bundesland Hessen sind keine Ostdeutsche, sie hatten darum sicher nicht die Absicht, im viele Daten Erfassen in die Bredouille zu geraten, auch noch die Historie des früheren und des jetzigen Ostfußballs umfangreich einzuflechten. So wurde aus ihrem Buch eines, in dem der Osten vorkommt, ich hätte gern mehr Oststorys gelesen und auch den jetzigen Zustand beschrieben. Das Duo widmet sich hingegen kennermäßig dem westgeprägten Bundesligageschehen. Im Profisport der Bundesrepublik verhält es sich aktuell so, dass nach 32 Jahren Einheit der Osten weiter am Katzentisch verharrt. Von 48 Profiteams in drei Profi-Ligen kicken gerade mal acht Mannschaften aus dem Osten im bezahlten Fußball. Hertha BSC ist nicht mitgerechnet als ehemalige Westberliner Adresse. Dass der Verein RB Leipzig ins kritische Visier gerät, obwohl in der Messestadt in Sachsen nicht anders Geld mit Profifußball verdient wird wie in Bayern oder Hessen – diese Gleichstellung, die Wiedervereinigung, Einigkeit eben auch in der Betrachtung – es hätte dem Buch gut getan. Und im Elf-Punkt-Programm kommt die „Ostproblematik“ ebenfalls nicht wirklich vor.

Elf Punkte, kein Golden Goal, Kritik

Vor ihrem Goldenen Tor, dem angekündigten „Golden Goal“ für einen besseren Fußball, schreibt das Duo: „Wir machen deutlich, dass es eine linke Geschichte und eine linke Ästhetik des Fußballs gibt, die der gegenwärtigen Fußballwelt widersteht“, so Stork und Wollenhaupt. Und: Es brauche nur einen Ball, Rucksäcke (als Tore dienend), um Fußball zu spielen, ergänzen sie. Wie bei einem Fußballteam zählt sich auch die Inhaltsangabe des Buches: 11 Kapitel. Freundlichen Beifall zolle ich, da ich lese, dass der Fußball doch nicht in England erfunden wurde, das bisher als Mutterland und Ursprungsland des Kickens beworben wurde. Mir schwante schon vorher, das Spiel muss viele, viele Jahre vorher auf den Weg gebracht worden sein. Griechen, Römer, Chinesen werden genannt. Dass beim chinesischen Kaiserlichen Militär vor über 2.000 Jahren die Kugel rollte und bei anderen Eroberern die freie Zeit eben auch mit der Jagd nach einem runden Etwas viel Freude auslöste, das ist eine Freude bis heute. Und ja, Stork und Wollenhaupt belegen, dass die Widerstände gegen die gegenwärtige Fußballwelt zunehmen, bei Fans, in den Vereinen, bei den Konsumenten, in der Gesellschaft, alle spüren – ein „Weiter so!“ geht schief.

Beinah Pfiffe, keine Buhrufe

Die Erläuterungen zum Plan von Stork und Wollenhaupt für wichtige Reformen gehen Remis aus. Zunächst heißt es: „Der wahre, schöne und gute Fußball ist links. Auf und neben dem Platz. Und wir haben einen Matchplan.“ Dann liest sich das Punkteprogramm ohne Biss und mit viel Erhalt der alten Strukturen. Ein Pfeifen wage ich bei textlichen Passagen im Gendermodus. Die Sprachverrenkung versus dem maskulinen Generikum lässt die Macher des Buches bei mir mehrfach ins Abseits laufen. Zu Buhrufen kommt es nicht, der Autoren Zeilen geraten stets fair und sportlich. Der Spruch lautet, nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Also auch nach der Diskussion auf zu neuen Diskussionen.

Und schließlich fällt mir eine Anregung als möglicher Punkt 12 vielleicht zu der Frage ein, warum die Bundesliga wie ein Flickenteppich Punktspieltage austrägt. Dies zu behandeln, ist wichtig, denn die Praxis führt zu einer permanenten Wettbewerbsverzerrung. Seit vielen Jahren. Beispiel: Gerade hat Dauermeister Bayern 5:0 gegen Freiburg gewonnen – an einem Sonntagabend. Tabellenführer Union hat auch gewonnen gegen Dortmund mit 3:2. An einem Samstag vor dem Bayernsonntag. Rechne ich mir aus, wie genau, analytisch und clever die Experten der Vereine wie Bayern Zahlen, Konstellationen behandeln und auswerten, liegt es doch selbst für einen Nichtfußballfan auf der Hand, dass wie im genannten Beispiel Bayern auf das Ergebnis eines Mitbewerbers um den Titel reagieren kann. In einer Sportart, in der es nicht um Millimeter, aber um Punkte und Torverhältnisse geht, wurden Meisterschaften und Abstiege schon öfter mit feinen Unterschieden besiegelt. Derlei kommt zustande, wenn ein Team kalkulieren kann und am Ende besser dasteht als der Kontrahent. Die Viertage-Punktspiel-Terminierungen sind unfair und lediglich einem Grund geschuldet: Mehr Geld durch TV-Einnahmen.

So lautet also Forderung 12, die die Autoren in ihre Liste eintragen müssten: Samstag 15.30 Uhr neun Spiele und damit faire Gleichzeitigkeit der Ereignisse. Beim 100-Meter-Lauf laufen sie ja auch alle gleichzeitig los, oder? Gut, gehen wir bissel zocken auf dem Bolzplatz…

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