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Über „Faktenchecker”, die uns die Dystopie „1984” erklären wollen

Published On: 24. Oktober 2022 8:51

… und selbst dabei zu dystopischen Erscheinungen werden. Jagd auf Orwell. Nicht erst mit dem kindlichen „Doppel-Wumms“ eines alternden Olaf Scholz, der geradezu Orwell’schen Ankündigung, man verteidige die Freiheit in der Ukraine, die vor 20 Jahren Afghanistan hieß („Die Sicherheit Deutschlands wird auch am Hindukusch verteidigt“, Verteidigungsminister Peter Struck 2002), dem „Krieg gegen das Virus“ (Macron), der nun in einen „Krieg gegen Putin“ (Gesundheitsminister Karl Lauterbach) überführt wird, scheint man der Dystopie „1984“ von George Orwell Schritt für Schritt, Wort für Wort zu folgen. Von Wolf Wetzel.



Wann hat „1984“ angefangen?

Bereits ein Jahr nach Ende des Zweiten Weltkrieges hatte George Orwell damit begonnen, die wohl berühmteste Dystopie, „1984“, zu schreiben – eine schreckliche Vision von einem Frieden. Ganz offensichtlich traute George Orwell diesem Frieden nicht, auch nicht den „Siegermächten“.

In Orwells Roman „1984“ hat der Krieg nicht aufgehört. Die Welt ist in drei Machtblöcke aufgeteilt und was sich in einem dieser Machtblöcke, in Ozeanien, abspielt, ist Gegenstand seines Romans. Im Gegensatz zum allgegenwärtigen, omnipräsenten Faschismus ist die politische Klasse in Ozeanien kaum sichtbar. Man erahnt sie, in Gestalt des „Großen Bruders“ (Big Brother). Ähnlich diffus ist die Zustimmung zu dieser Herrschaftsordnung. Eindeutig und allgegenwärtig ist nur die Angst. Eine gut begründete Angst, denn es gibt eine „Gedankenpolizei“, die alles zu überwachen versucht, selbst die Mitglieder der „Partei“. Dabei wird diese nicht nur aktiv, wenn sich jemand mit Handlungen strafbar macht. In Ozeanien sind auch Gedanken strafbar, die sich in dem Wunsch ausdrücken, gegen das Regime zu opponieren. Dazu gehört auch die als Straftat verfolgte Absicht, sich der allgegenwärtigen Überwachung entziehen zu wollen.

Das Regime bedient sich modernster Technik. Überall, im öffentlichen Raum, in jeder Wohnung, befinden sich Teleschirme, offene und verdeckte Überwachungskameras, die jedes noch so intime Ereignis festhalten und auswerten. Der Schutz der Privatsphäre ist vollkommen aufgehoben, das Leben in Ozeanien hat sich in ein lückenloses Panoptikum verwandelt. Daraus machen die Herrschenden auch keinen Hehl: Überall prangern große Plakate, die Jeden und Jede wissen lassen: „Big Brother is watching you“. Während im Inneren die Angst regiert, wird außerhalb Ozeaniens unentwegt Krieg geführt. Ein Krieg jedoch, der nicht mehr als Krieg propagiert wird, sondern als enduring Friedensmission: „Krieg ist Frieden“. Dabei bleibt offen, ob die Kriege auf eine reale Bedrohung antworten oder vor allem dem inneren Zusammenhalt der Ordnung dienen, einen permanenten Ausnahmezustand generieren und rechtfertigen sollen.

In „1984“ kommen auch Menschen vor, die sich gegen dieses totalitäre Regime auflehnen. Es sind nicht viele und die meisten müssen im Untergrund leben. Doch dieser Widerstand ist erfolglos. Am Beispiel der Hauptfigur Winston Smith wird das Scheitern in all seinen Etappen beschrieben: Er ist Mitglied der „Partei“ und bekommt im Laufe dieser Kollaboration immer mehr Zweifel an seinem Tun. Er nimmt Kontakt zum Untergrund auf, gerät dabei an einen Spitzel des Systems und wird wenig später festgenommen und gefoltert. Am Ende zahlreicher Torturen gibt er noch das Letzte preis, woran er sich klammerte, seine Liebe zu einer Frau namens Julia. „Brainwashed“, also geheilt, wird er entlassen und trifft zufällig Julia in einem Café. Selbst körperlich und seelisch gebrochen offenbart sie ihm, dass auch sie ein Glied in der Kette des Verrats und des Sich-selbst-Verratens ist. Seine Verhaftung erfolgte aufgrund ihrer Denunziation.

Viel düsterer und aussichtsloser kann man sich die Parole dieses Regimes „Widerstand ist zwecklos“ nicht ausmalen.

Orwell in besten Händen

Ich hatte folgenden Post auf „meiner“ Facebook-Seite geteilt:

Dieses Zitat wurde von Facebook alsbald entdeckt, verdeckt und mit dem Hinweis versehen:

„Fehlinformationen“

In diesem Fall saugen sich dpa-Cleaner folgende Begründung aus den Fingern:

„George Orwell wird oft zitiert, um vor dem Totalitarismus zu warnen. Teils werden dem britischen Schriftsteller aber auch Aussprüche mit aktuellem Bezug untergeschoben.

In vielen EU-Staaten wird der Wetterumschwung und baldige Herbstbeginn von einer gewissen Unsicherheit hinsichtlich der Energieversorgung begleitet. Eine Besorgnis ist in sozialen Netzwerken zu spüren. Ein Sharepic mit einem angeblichen Zitat des englischen Schriftstellers George Orwell soll die aktuellen Ereignisse widerspiegeln. Auf der Grafik steht: ‚Wir müssen Energie sparen, für den Krieg, der dem Frieden dient. Der Strom wird jetzt abgeschaltet.‘ Handelt es sich um ein authentisches Zitat?

Bewertung

Das Zitat ist nicht belegt und kann Orwell nicht zugeschrieben werden. Zwar stammt es aus der deutschen Synchronisation des Films ‚1984‘, allerdings ist es nicht in der Romanvorlage zu finden.

Fakten

Ab und an wird gemeinsam mit dem Zitat ein Filmausschnitt geteilt. Dabei handelt es sich um eine Verfilmung von Orwells Roman ‚1984‘ aus dem Jahr 1956.

Dort heißt es in der englischen Version:

‚It is now 22:30 hours. Power must be conserved for our victory effort. All lights will be extinguished. Good night comrade, tomorrow your work for the party must be better than today. Remember, even in your sleep, big brother is watching you. Big brother is watching you.‘

In der deutschen Version wurde es etwas abgeändert und entspricht dem Zitat auf dem Sharepic.

In Orwells Roman geht es darum, dass die Menschheit in der Zukunft von totalitären Überwachungsstaaten beherrscht und kontrolliert wird. Darin findet sich das Zitat jedoch nicht. Suchmaschinen finden weder in Deutsch noch in Englisch passende Treffer. Im ‚Orwell Archive‘ sind ebenfalls keine derartigen Textstellen dokumentiert.

Auch in der Originalfassung von ‚1984‘ kommen die Sätze nicht vor, sie sind also ein Produkt der Verfilmung. Der Film von Regisseur Michael Anderson weicht in einigen Aspekten von der Textvorlage ab.“ (Stand: 21.9.2022)

Der Krieg in Europa als „Wetterumschwung“

Das dpa-Cleanerteam versteht auf jeden Fall etwas von Orwell, vom wording, das bei Orwell im „Krieg ist Frieden“ gipfelt. Leben wir nicht in Vor-/Kriegszeiten? Ist die Angst vor einem Dritten Weltkrieg krankhaft?

Das dpa-Cleanerteam führt uns in seine ganz eigen/artig/e Welt:

In vielen EU-Staaten wird der Wetterumschwung und baldige Herbstbeginn von einer gewissen Unsicherheit hinsichtlich der Energieversorgung begleitet. Eine Besorgnis ist in sozialen Netzwerken zu spüren.“

Ehrlich? Echt? Ach so, es geht seit Wochen um einen „Wetterumschwung“, um einen „baldigen Herbstbeginn“, der von einer „gewissen Unsicherheit … begleitet“ wird. Geht’s noch entstellter?

Dieselben tippen sich die Finger wund, um uns darüber aufzuklären, dass die Filmversion von „1984“ von der Romanvorlage abweicht. Habt ihr sie noch alle?

Dieselben dpa-Cleaner, die sich im „International Fact-Checking Network“ um die Echtheit der Fakten sorgen, verbreiten im Hauptberuf als dpa-Mitarbeiter Behauptungen, die zum Himmel stinken – ohne im Traum daran zu denken, diese „Nachrichten“ als Fehlinformationen zu markieren und zu bewerten.

Und ich unterscheide da nicht zwischen Uiguren in China, ich unterscheide da nicht zwischen Ukrainerinnen oder verfolgten russischen Journalisten und Menschenrechtsverteidigern, zwischen Jesiden oder Kurden. Das ist doch die Stärke der Menschenrechte. Unteilbarkeit – egal an welchem Fleckchen der Welt man lebt.“ (Annalena Baerbock, Bundesaußenministerin, B90/Grüne 01.06.2022)

Wenn wir es zulassen, dass ein großes Land ein kleineres Land tyrannisiert, dann gibt es kein Halten mehr, dann kommt es zur Freiwildjagd. Nicht nur in Europa, sondern in der ganzen Welt. Und die Auswirkungen werden auch hier und weltweit zu spüren sein.” (Annalena Bearbock, 2022)

Es gibt einen Berg solcher Äußerungen, für deren Verbreitung genau jene dpa-Büros sorgen und zwar auf eine Weise, die George Orwell in „1984“ so beschrieben hat:

Und wenn alle anderen die von der Partei verbreitete Lüge glaubten – wenn alle Aufzeichnungen gleich lauteten -, dann ging die Lüge in die Geschichte ein und wurde Wahrheit.“

Weniger romanhaft kann man es auch so auf den Punkt bringen:

Die Journalisten waren gleichsam Soldaten in dem Sinne, dass sie der Öffentlichkeit erklären mussten, warum dieser Krieg wichtig ist. Es gehörte zu meinen Aufgaben, sie zu munitionieren, die Lauterkeit unserer Kriegsmotive und unserer Aktionen zu zeigen.“

Dieses Zitat ist nicht aus „1984“, sondern stammt vom ehemaligen NATO-Sprecher Jamie Shea, als er die Aufgabe der „freien Presse“ beim Angriffskrieg gegen die ehemalige Bundesrepublik Jugoslawien 1999 festlegte.

Titelbild: Emily Masi/shutterstock.com

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