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„Trennen Sie sich von den Grünen, Kanzler Scholz“

Published On: 2. November 2022 10:45

Deutschland kann und muss ohne die Grünen regiert werden, weil jede Regierung besser ist als eine mit den Grünen. Von Michael W. Alberts

IMAGO / Emmanuele Contini

„Denn ohne die Grünen kann im Augenblick niemand dieses Land regieren.“ Das schreibt fast schon leicht resignativ Wolfgang Herles in seinem wunderbaren Beitrag über eine mögliche Parteigründung durch Sahra Wagenknecht und ihre Erkenntnis, die Grünen seien die gefährlichste Partei im deutschen Parlamentarismus. Der ganze Kommentar ist zum Niederknien – nur der eine Satz steht quer im Weg, sperrig und sonderbar. Er stimmt nicht überein mit den Fakten, nämlich den Zahlenverhältnissen im Bundestag – die Wolfgang Herles natürlich kennt. Er meint den Satz also politisch, aber auch dann ist er nicht zwingend, nicht wirklich überzeugend. Die Lage ist in Wahrheit nicht so alternativlos.

Als erstes sei erinnert: Es gibt keine Mehrheit für Rot-Rot-Grün. Sonst hätten wir mit hoher Wahrscheinlichkeit eine solche Volksfront-Regierung, Scholzens Wahlkampf-Sprüche hin oder her. In anderen Worten gibt es also zahlenmäßig eine Mehrheit „rechts“ der SPD, natürlich unter Einschluss der AfD. Die ist aber tabuisiert, verteufelt – akzeptieren wir mal vorläufig, dass das nicht ginge. Die FDP ist inzwischen dermaßen auf dem Zeitgeist-Trip (Gender-Buschmann!), es würde sie zerreißen und zerlegen, würde sich die Führung einem solchen Schwenk gedanklich annähern.

Dabei würde die FDP auf der liberal-konservativen Seite ein Vielfaches der Wähler (zurück) gewinnen, die sie im linksliberal-grünlichen Spektrum verlieren könnte. Sie würde von der Verlierer- auf die Gewinner-Seite wechseln, denn die gegenwärtige Koalition hat laut Umfragen wohl gar keine Mehrheit mehr hinter sich, und sie hätte vielleicht von vornherein keine errungen, wenn die FDP vor der Wahl ehrlich gesagt hätte, dass sie sich auch einem rotgrünen Kurs anschließen könnte.

Es gibt aber noch eine andere Mehrheits-Option, von der merkwürdigerweise niemand reden will – dabei liegt sie auf der Hand und ist längst eine faktische Normal-Variante der deutschen Politik geworden: eine „große“ Koalition. Wirklich groß wäre sie gar nicht mehr, nachdem die ehemaligen Volksparteien SPD und CDU so abgewirtschaftet haben – zahlenmäßig wie inhaltlich. Immerhin wäre es eine Koalition ohne Grüne, handlungsfähig dank klarer Mehrheit im Parlament mit 403 von 736 Sitzen (knapp 55 Prozent).

Die „Programme“ beider Parteien haben eine große Schnittmenge, Scholz und Merz sind nicht weiter auseinander als Scholz und Merkel. Eine große Koalition könnte die ärgsten Auswüchse der Energiewendekrise beschneiden, also ein (vorläufig vielleicht nur behutsames) Zurück zur Kernenergie sowie zur heimischen Energieförderung durch Fracking (plus Braunkohle) beschließen. Klar, ein Teil des SPD-Funktionärskörpers würde sich dem widersetzen: weil es sein Daseinszweck ist, den Grünen als Steigbügelhalter zu dienen. Andererseits hat man solange harmonisch mit Merkel regiert – ausgerechnet jetzt diese Option kategorisch auszuschließen, wäre offensichtlich absurd.

Helmut Schmidt hat es vorgemacht

Aber selbst wenn auch ein solches vorläufiges Zweckbündnis zur Verhinderung des katastrophalen Niedergangs des Landes nicht zustände käme, vielleicht auch weil Scholz die Liberalen nicht dafür abstrafen will, dass sie ihn zum Kanzler gemacht haben: Es ist dem Bundeskanzler laut Verfassung möglich, seine Regierung von den Vertretern einer Partei, die sich so kindisch verbohrt wie die Grünen der Realität verweigert, zu befreien. Helmut Schmidt hat von der Option vor genau 40 Jahren Gebrauch gemacht, nachdem die FDP unter programmatischer Führung durch den Grafen Lambsdorff „umgefallen“ war. (Historische Ironie: Zum Hintergrund des liberalen Kurswechsels gehört, dass die SPD-Funktionäre ihrem Kanzler die Gefolgschaft bei der Kernkraft verweigert hatten, damals schon der grünen Bewegung hinterher laufend.)

Damals gab es mit der schwarz-gelben Koalition eine klare, parlamentarisch handlungsfähige Alternative, gegen die Helmut Schmidt nur kurz auf Zeit spielen und sozialdemokratische Selbstachtung praktizieren konnte, als dergleichen noch existierte. Würde Olaf Scholz heute den Grünen ein Ultimatum stellen, dem sie sich inhaltlich verweigern, könnte er sie aus seiner Regierung feuern und anschließend Mehrheiten im Bundestag suchen – vor allem mit der Union oder Teilen davon (nach Aufhebung des Fraktionszwangs, der im Kern grundgesetzwidrig ist).

Könnte Friedrich Merz dann seine Stunde gekommen sehen und würde es dann doch noch zu „Jamaika“ kommen? Theoretisch ja, politisch-plausibel nein. Denn wenn selbst der rote Olaf Scholz die Grünen als Regierungskraft für nicht mehr tolerabel erklärt, wo will sich Friedrich Merz im gesäßpolitischen Spektrum positionieren? Noch links von Scholz? Das dürfte selbst die gemerkelte CDU nicht mitmachen, ohne endgültig zu implodieren und spätestens bei der nächsten Wahl zur Restgröße zu schrumpfen.

Wäre eine Scholz-Lindner-Minderheitsregierung – vielleicht nur zur Überbrückung bis zu vorgezogenen Neuwahlen – eine Gefahr für die Stabilität des Landes? Nein, denn erstens kann eine Regierung sehr vieles tun, ohne das Parlament fragen zu müssen – das ist ja sogar ihre eigentliche Aufgabe; dass die Regierung heute praktisch vollständig die Gesetzgebung kontrolliert, ist nicht Sinn der Gewaltenteilung. Zweitens gibt es in Deutschland ohnehin zu viel „Big Government“ zu Lasten des bürgerlichen Individuums; eine Atempause vom aktivistischen Regulierungswahn wäre wohltuend.

Drittens wäre Gesetzgebung ja weiterhin möglich, aber eben per offener Debatte im Parlament mit dem Werben um Zustimmung für dringliche Korrekturen an einem Kurs, der inzwischen selbst für „linksliberale“ Teile des Bürgertums als verhängnisvoll erkennbar sein müsste. Natürlich würden auch solche Debatten und mögliche Verabredungen nicht idealtypisch im Plenum des Bundestags stattfinden, sondern hinter den Kulissen. Das Parlament würde trotzdem ein Stück seiner Würde zurückgewinnen, nicht mehr nur abnicken, was ein Koalitionsausschuss im Kanzleramt ausgekungelt hat.

Deutschland statt Jamaika?

Die ganze Misere, in der Deutschland steckt, wäre damit natürlich nicht behoben. Aber im Moment wäre es schon ein großer Erfolg, Deutschland vor dem Abgrund zu bewahren, Zeit zu gewinnen, eine Neuorientierung einzuleiten. Entscheidend wäre allerdings, dass in den rot-gelb-schwarzen Parteien, die jahrelang dem grünen Zeitgeist gefolgt sind, tiefere inhaltliche Einsicht Platz greift und dass man sich traut, gegen diesen Zeitgeist offensiv zu werden, ihn zumindest „kritisch zu hinterfragen“ (wie Linke früher immer gefordert haben). Sie müssten Rückgrat zeigen auch gegen die grün durchdrungene Medienmeute; den Bürgern ehrlich und selbstkritisch erklären, warum es der ernsthaften Kurskorrektur bedarf.

Vielleicht hält Wolfgang Herles genau das für illusorisch, und mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit mag es das sogar sein – dann wäre sein Satz am Ende doch richtig. Aber dann wäre auch Deutschland praktisch am Ende. Dieses mögliche Resultat muss verhindert werden, auf jeden Fall – weshalb jede Regierung besser ist als eine mit den Grünen. Die Partei der Alt-Maoisten und Klima-Proto-Terroristen hat bewiesen, dass sie nicht lernfähig ist, auch nicht lernwillig; diese Typen können und wollen keinen Patriotismus – nicht mal, nachdem sie in ihren plüschigen Regierungsämtern angekommen sind.

Die alternativen Optionen sind real; wenn man die mit der AfD ausschließt, bleiben immer noch zwei: „große“ Koalition oder Minderheitsregierung – in beiden Fällen behält die SPD das Kanzleramt, im letzten Fall wäre es quasi eine informelle „Deutschland-Koalition“: Rot-Gelb mit Schwarz als parlamentarischem Verbündeten. Oder man nimmt Schwarz offiziell hinzu, dann ist es eine „echte“ Deutschland-Koalition und damit eine vierte Option: natürlich nur auf Zeit, um das Land vor dem Abgrund zu retten und alle etablierten Parteien jenseits der Grünen in die Pflicht zu nehmen.

Deutschland ist in einer Wohlstands-bedrohenden Notlage, offensichtlich. Wenn jetzt keine ungewohnten Wege erlaubt sind, wann denn sonst? Die Entscheidung liegt maßgeblich beim Kanzler. Er könnte vieles wiedergutmachen und historische Weichen stellen. Man darf die Hoffnung nicht aufgeben; auch vermeintlich mediokre Gestalten können an einer historischen Herausforderung wachsen: Helmut Kohl (jahrelang als pfälzisch-provinzielle „Birne“ verspottet) hat so die Deutsche Einheit gesichert, Gerhard Schröder (auch nur ein Ex-Juso-Chef …) hat mit der „Agenda 2010“ tatsächlich für längere Zeit dem Wohlstand in Deutschland eine tragfähige Grundlage verschafft (von der Merkel gelebt und die sie gleichzeitig mutwillig unterminiert hat).

Deutschland kann und muss ohne die Grünen regiert werden. Es gibt immer Alternativen, wie vorstehend praktikabel beschrieben. Merkel ist Geschichte, ihre Politik – der „Alternativlosigkeit“ – leider noch nicht. Olaf Scholz muss sich entscheiden, ob er als peinlicher Sachwalter einer gescheiterten „Transformation“ enden will oder ob womöglich doch ein kluger und mutiger Staatsmann irgendwo in ihm verborgen ist. Sonst wäre allerdings Sahra Wagenknecht die bessere Kanzlerin, bei weitem.


Michael W. Alberts, Gastautor mit langjähriger Berufserfahrung in verschiedenen Feldern der Politikberatung

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