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Russlands enttäuschte Hoffnungen und vertane Chancen

Published On: 4. November 2022 12:58

Ein Meinungsbeitrag von Bernd Murawski.

Als Wladimir Putin 2001 im Deutschen Bundestag seine von stehenden Ovationen begleitete Rede hielt, hatte wohl niemand erwartet, dass es zwei Jahrzehnte zu einer stärkeren Konfrontation als im Kalten Krieg kommen würde. Offensichtlich wurden das Potenzial und die Bereitschaft der US-Führung unterschätzt, Russland einzudämmen und eine Barriere quer durch Europa zu ziehen. Jene, die sich im Westen für den Erhalt guter Beziehungen mit Russland einsetzten, verloren zunehmend an Einfluss. Dennoch klammerte sich die Kremlführung weiterhin an die Hoffnung, dass die vielfältigen Formen der Kooperation mit den EU-Staaten fortgesetzt würden, zumal sie in beidseitigem Interesse liegen. Erst im letzten Jahr änderte sich die Stimmung in Moskau grundlegend, nachdem die russische Führung jahrelang Vertrauensbrüche und Demütigungen erdulden musste.

Deutschland im Schatten der US-Hegemonie

Noch 2008 gelang es Deutschland und Frankreich, die von den USA angestrebte NATO-Mitgliedschaft der Ukraine und Georgiens zu verhindern. Doch schon zu diesem Zeitpunkt war eine wachsende Distanz der EU-Staatslenker zur Moskauer Führung wahrnehmbar. Angesichts der Tatsache, dass das „alte Europa“ und Russland noch 2003 im Schulterschluss gegen die US-geführte Irak-Invasion opponierten, erscheint dieser Wandel auf den ersten Blick unverständlich.

Die Erklärung liegt in der Erkenntnis der USA, dass ihre globale Führungsrolle ernsthaft gefährdet ist, wenn ein prosperierender Wirtschaftsraum von Lissabon bis Wladiwostok zur Realität wird. Ein deutliches Warnsignal war die Vereinbarung über den Bau der Nordstream-Gaspipeline im Jahr 2005. Fortan wurde der Druck auf die europäischen Bündnispartner verstärkt, wobei das Ziel Washingtons die Isolierung und Schwächung Russlands war. Dies blieb Wladimir Putin nicht verborgen, weshalb er sich auf der Münchener Sicherheitskonferenz 2007 beklagte, dass russische Kooperationsangebote vom Westen zunehmend zurückgewiesen würden.

Dass deutsche Regierungen nahezu bedingungslos der US-Linie folgen, wird in kritischen Publikationen oft mit der beschränkten Souveränität des Landes und dem Einfluss US-amerikanischer Think Tanks erklärt. Der Hauptgrund dürfte aber in wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen liegen. Deutschland gehört zu den Hauptnutznießern der „Pax Americana“, die dem globalen Süden durch finanzielle Knebelung und Drohungen mit der militärischen Karte einen neokolonialen Status aufzwingt. Mit Hilfe der „regelbasierten Ordnung“ kontrollieren die westlichen Führungszentren den internationalen Handel und die Finanzströme und öffnen ihrem Kapital den Zugang zu schwächeren Volkswirtschaften.

Bei der Eroberung von Märkten und der Nutzung globaler Wertschöpfungsketten haben sich deutsche Großkonzerne als besonders erfolgreich erwiesen. In der Folge konnten immense Außenhandelsüberschüsse generiert werden. Im Fahrwasser der aggressiven Außenpolitik des US-Hegemons erlangte Berlin bald eine dominante Position im EU-Machtgefüge, die in den europäischen Hauptstädten allgemein anerkannt bzw. geduldet wird.

Ökonomische Gründe sind gleichfalls maßgebend, wenn Deutschland der amerikanischen Eindämmungsstrategie gegenüber Moskau nicht vorbehaltlos gefolgt ist: Einen zentralen Pfeiler der deutschen Wettbewerbsfähigkeit bildete die preisgünstige und zuverlässige Versorgung mit Energie und anderen Rohstoffen aus Russland. Da die russische Wirtschaft nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion auf westliche Technologien angewiesen war und ein Großteil davon aus Deutschland geliefert wurde, entwickelte sich eine gegenseitige Abhängigkeit.

In den Zentralen deutscher Medien und Parteien wurde jedoch vornehmlich die Schwäche der russischen Seite wahrgenommen. Vor diesem Hintergrund glaubte man es sich leisten zu können, angelsächsischem Druck folgend russische Interessen zu ignorieren und den Kreml bei gegebenen Anlässen zu brüskieren.

Mehr Handlungsspielraum durch Autarkie

Russland verdankte seinen wirtschaftlichen Aufstieg während der ersten Dekade dieses Jahrhunderts zu einem erheblichen Teil den hohen Einnahmen aus dem Export von Öl und anderen Rohstoffen. Gleichwohl wurden die Mittel nicht gezielt zur Stärkung der wirtschaftlichen Autarkie eingesetzt. Stattdessen wurden Konsumgüter importiert und schlüsselfertige Produktionsstätten errichtet, deren Betrieb regelmäßige Wartungsleistungen sowie Vorprodukte und Ersatzteile aus dem Westen erforderte.

Eine Korrektur setzte in Russland nach den Ereignissen 2014 in der Ukraine ein. Einerseits wurde sie durch die Sanktionen und Gegensanktionen erzwungen. Andererseits wollte Moskau dem Westen das Potenzial einer Strangulierung der russischen Wirtschaft nehmen, um mehr politischen Handlungsspielraum zu gewinnen. Die aktuelle nationale Sicherheitsstrategie erhebt die Stärkung der wirtschaftlichen Autarkie zu einer zentralen Aufgabe. Damit einher geht das Bestreben, die Kooperation mit asiatischen Staaten, namentlich genannt werden die Volksrepublik China und Indien, zu intensivieren.

Dass es Moskau in den letzten acht Jahren gelungen ist, externe Abhängigkeiten erheblich zu reduzieren, belegen die begrenzten und überschaubaren Auswirkungen der seit Februar lancierten westlichen Sanktionspakete auf die russische Volkswirtschaft. Derweil hat die deutsche Regierung die in Russland stattgefundene Entwicklung offenbar nicht beachtet und sich weiter in Sicherheit gewiegt. Andernfalls hätte sie darauf verzichtet, die Kremlführung wiederholt – wie zuletzt anlässlich des vermeintlichen Giftanschlags auf Nawalny – zu demütigen. Ebenso hätte sie im aktuellen Ukrainekonflikt eine moderatere Haltung eingenommen.

Insbesondere wäre sie in der Lage gewesen, die Folgen der Sanktionen vorausgesehen. Anstatt dass Russland empfindlich getroffen wurde, erweisen sich die Maßnahmen gegenwärtig als Bumerang und belasten die deutsche Wirtschaft massiv. Für die drohende Unterversorgung mit Erdgas und andere Energieträger ist bis heute keine Lösung gefunden worden, und dabei wird es wohl einige Jahre bleiben.

Enttäuschte Kooperationsbereitschaft

Als die ukrainische Regierung auf Betreiben der USA im Jahr 2014 gestürzt wurde, befand sich die russische Volkswirtschaft in einem weitaus fragileren Zustand als heute. Dies mag erklären, warum die Moskauer Führung trotz vorangegangener westlicher Regime-Chance-Aktivitäten zu jener Zeit bestrebt war, zusammen mit Berlin und Paris an Konfliktlösungen zu arbeiten. Hinzu trat wohl eine gewisse Naivität, die auf den bis dahin guten Beziehungen zu den europäischen Partnern und einer Überschätzung ihrer politischen Handlungsfreiheit beruhte.

Spätestens die im Westen artikulierte Genugtuung über den Regierungssturz durch militante Kräfte des Maidan hätte die Alarmglocken läuten lassen müssen. Schließlich haben Deutschland, Frankreich und Polen als Garantiemächte die Verantwortung übernommen, dass die Vereinbarung zwischen der ukrainischen Regierung und der Opposition für eine Übergangslösung umgesetzt wird.

Trotz dieses Rückschlags war die russische Führung weiterhin willens, mit Deutschland und Frankreich zu kooperieren, obwohl sie dafür eigene Interessen opfern musste. So wurde das erste Minsker Abkommen zu einem Zeitpunkt geschlossen, als die ostukrainischen Separatisten mit Unterstützung russischer Freiwilliger auf dem Vormarsch waren.

Vorausgegangen waren im Mai 2014 Volksabstimmungen in den Oblasten Donezk und Lugansk, in denen sich eine überwältigende Mehrheit der Bürger für eine Abspaltung von Kiew aussprach. Russland hätte zu jener Zeit die Referenden anerkennen und eigenen Truppen entsenden können, um ein Vordringen der großenteils aus ultranationalistischen Bataillonen bestehenden ukrainischen Einheiten zu verhindern. Dies geschah jedoch nicht, woraufhin die Donezker und Lugansker Separatisten bis Ende Juli große Teile der kontrollierten Gebiete aufgeben mussten.

Der Gegenangriff begann im August und hätte wohl zur Rückeroberung des verlorenen Territoriums geführt, wenn der Kreml nicht zuvor einer Verhandlungslösung mit dem Westen zugestimmt hätte. Nach einem späteren Neuaufflammen der Kämpfe, bei denen es auf beiden Seiten kaum Geländegewinne gab, griffen die Garantiemächte erneut ein und drängten Kiew und die Donbass-Führer zur Akzeptanz des Minsk II-Vertragswerks.

Trotz seiner Verhandlungsbereitschaft konnte Russland Sanktionen nicht verhindern, die der Westen nach der Aufnahme der Krim in den russischen Staatsverband verhängte. Dieser Schritt wurde von den politischen Führungen der EU-Staaten als unverzeihlicher Affront empfunden, obwohl sie sechs Jahre zuvor ähnlich handelten, als sie die Sezession des Kosovo unterstützten.

Warum die russische Führung das Sanktionsrisiko einging und sich nicht für den Status eines eingefrorenen Konflikts bei gleichzeitiger Stationierung von „Friedenstruppen“ entschied, dürfte weiterhin Gegenstand von Spekulationen sein. Möglicherweise hoffte der Kreml auf deutsche Unterstützung, was die wiederholte Verwendung des Begriffs „Wiedervereinigung“ und Verweise auf die sowjetische Haltung im Jahr 1990 nahelegen. Dies misslang, dagegen konnte ein propagandistischer Sieg an der Heimatfront errungen werden. Der Anschluss der Krim löste eine Woge des Patriotismus aus, verschaffte dem russischen Präsidenten Sympathiepunkte und erhielt sogar Unterstützung aus dem Kreis westlich-orientierter Oppositioneller.

Außenpolitisch war die Übernahme der Krim durch Russland eher ein Fiasko. Der Vorwurf des Völkerrechtsbruchs und die Nichtanerkennung des neugeschaffenen Status quo durch fast die gesamte Staatengemeinschaft bedeuteten einen herben Rückschlag für die russische Diplomatie.

Ein eingefrorener Konflikt als Alternative

Ob eine alleinige Stationierung russischer Militäreinheiten auf der Krim wie auch im Donbass zu westlichen Sanktionen geführt hätte, ist schwer zu beantworten. Angesichts des gewaltsamen Regierungswechsels und der mangelnden Legitimität der neuen Kiewer Führung hätte der Westen eine Präsenz russischer Truppen wahrscheinlich akzeptiert, wobei diese als vorübergehende Maßnahme zur Entschärfung des Konflikts interpretiert worden wäre. Moskau hätte den Abzug der Militäreinheiten in Aussicht gestellt, nachdem das ukrainische Parlament eine föderale Ordnung mit einer Autonomieregelung für die betroffenen Gebiete verabschiedet und den neutralen Status des Landes bekräftigt hätte.

Dagegen scheiterte der vom Kreml verfolgte Plan, über das Minsker Abkommen im Donbass ein politisches Gegengewicht zu den Kiewer Machthabern zu installieren. Dies hätten sogar die westlichen Garantiemächte zugestanden. Nach der sog. Steinmeier-Formel wäre ein zuvor vom ukrainischen Parlament beschlossener Autonomiestatus in Kraft getreten, nachdem in der Donbass-Region Wahlen abgehalten und deren Ergebnisse von der OSZE bestätigt worden wären. Die ukrainische Regierung lehnte diesen Vorschlag ebenso ab wie andere Initiativen im Rahmen des Normandie-Formats, wobei sie Rückendeckung aus den USA erhielt. Als Berlin und Paris im Dezember letzten Jahres bekanntgaben, nicht mehr auf Verhandlungen zwischen Kiew und den Vertretern der Donbass-Regionen zu bestehen, wie es im Abkommen ausdrücklich vorgesehen war, sah sich die russische Führung ein weiteres Mal verschaukelt.

Indem der Kreml am 21. Februar dieses Jahres die Unabhängigkeit der Volksrepubliken Donezk und Lugansk in ihren Oblast-Grenzen anerkannte, bedeutete dies eine Interpretation der nicht kontrollierten Teilgebiete als illegal von Kiew besetzt. Die drei Tage später begonnene „militärische Spezialoperation“ erhielt hierdurch ihre Berechtigung, sie war nach dem Abschluss von Beistandspakten eine logische Konsequenz.

Hätte sich das gesamte Territorium seit 2014 unter der Herrschaft der Donbass-Führungen befunden und wäre dort russisches Militär stationiert gewesen, hätte es keines Eroberungskriegs bedurft. Es gäbe nicht einmal einen Grund, den Status eines eingefrorenen Konflikts zu ändern. Denn kaum wäre die Kiewer Führung das Risiko eingegangen, die russischen „Friedenstruppen“ anzugreifen, da sie mit einem ähnlichen Gegenschlag wie Georgien im Jahr 2008 rechnen musste, inklusive der Anerkennung der staatlichen Unabhängigkeit der betroffenen Regionen. Hätte die Kiewer Führung alle Verbindungen gekappt, die Zahlung von Renten und Sozialleistungen eingestellt sowie die Ausstellung von Pässen und anderen Dokumenten verweigert, wie es in der Realität geschehen ist, würden die Gebiete heute wie Teile Russlands behandelt werden und wären ihre Bewohner russischen Bürgern faktisch gleichgestellt.

Keine schnelle Verhandlungslösung

Bei einer nachträglichen Betrachtung der im Februar dieses Jahres begonnenen Militäroperation Russlands erscheinen einige Maßnahmen plausibel und andere unverständlich. Das zu Beginn aufgebaute Drohszenario mit der Ausschaltung der Luftverteidigung und dem „Marsch auf Kiew“ verfolgte offenbar das Ziel, der ukrainischen Regierung die Ausweglosigkeit der eigenen Lage zu demonstrieren. Dies schien dem Kreml auch zu gelingen, wie der Verlauf der Verhandlungen bis Ende März zeigte. Die westliche Intervention unter britischer und US-amerikanischer Führerschaft hat diesen Plan jedoch vereitelt.

In den Folgemonaten hoffte die russische Seite wohl weiter auf eine Verhandlungslösung, weshalb sie sich mit dem Beschuss ziviler Objekte weitgehend zurückhielt. Dass die Lage angesichts der ukrainischen Mobilisierungen und der westlichen Waffenlieferungen nach dem Sommer brenzlig werden würde, war jedoch abzusehen. Wenn sich jetzt anlässlich der russischen Teilmobilmachung 70.000 Freiwillige gemeldet haben, stellt sich die Frage, weshalb zumindest diese Reserve nicht früher einberufen wurde.

Offenkundig bedurfte es einer propagandistischen Vorbereitung an der Heimatfront, was zu Beginn der Militäraktion zu wenig Beachtung fand. Vermutlich mussten auch ausländische Partner von der bevorstehenden Eskalation des Konflikts in Kenntnis gesetzt bzw. deren Zustimmung eingeholt werden. Der geeignete Ort dafür war der SOZ-Kongress in Samarkand vor eineinhalb Monaten, auf dem die Staatsführer wichtiger Länder persönlich anwesend waren.

Die Verzögerungen führten zu einem schmerzlichen Verlust von Territorien, darunter auch solchen, die im Anschluss an die Referenden zu russischem Staatsgebiet erklärt worden waren. Dies warf ein schlechtes Bild auf die russische Militärführung, was schließlich zu personellen Konsequenzen führte. Die an der Front erlittenen Rückschläge erhöhen zweifellos die künftigen Herausforderungen. Zum einen dürfte eine Wiedereinnahme der verlorenen Gebiete kaum ohne größere Zerstörungen zu bewerkstelligen sein, zum anderen wird sie zusätzliche Opfer unter den Militärangehörigen sowie Verluste an Kriegsmaterial fordern.

Die problematische Übernahme der südlichen Oblaste

Bislang wenig problematisiert wurde der Anschluss der Oblaste Cherson und Saporoschje an die russische Föderation. Dass gerade diese Gebiete erobert wurden, lässt sich nicht damit begründen, dass der mit Russland sympathisierende Bevölkerungsteil dort besonders groß wäre. Wie frühere Wahlergebnisse und der Anteil der russisch-sprachigen Bürger zeigen, wären Odessa und Charkow weitaus bessere „Kandidaten“ gewesen.

Eine militärische Übernahme der südlichen Oblaste gelang in der Frühphase der Kämpfe recht schnell. Danach sah sich die russische Verwaltung mit dem Dilemma konfrontiert, dass kooperationsbereite Bürger Angst hatten, als Kollaborateure gebrandmarkt und bedroht zu werden, wenn die Gebiete an die Ukraine zurückgegeben würden. Die Situation änderte sich erst im Sommer, als Russland Referenden ankündigte und hoffte, dass sie positiv ausfallen würden. Mit dem wiederholten Beschuss ziviler Objekte hat die ukrainische Armee dazu einen ungewollten Beitrag geleistet.

Ein wichtiges Ziel des Vormarsches in der Oblast Cherson war die Beseitigung eines Damms, mit dem die ukrainische Führung jahrelang die Bewässerung der Krim verhindert hatte. Da die Unterbrechung der Wasserversorgung nach gängigen Interpretationen eine international geächtete Rechtsverletzung darstellt, wäre eine Zerstörung der Barriere durch russische Raketen bereits zum Zeitpunkt ihrer Fertigstellung angemessen gewesen. Auch hätte der Kreml drohen können, die Gaslieferungen an die Ukraine zu unterbrechen, wenn sich Kiew einer Vereinbarung über die Nutzung des Krimkanals widersetzt.

Als weiteres Argument für die Eroberung der südlichen Oblaste wird die Notwenigkeit einer Landverbindung zur Krim vorgebracht. Nach Fertigstellung der Krim-Brücke scheint die Versorgung der Halbinsel jedoch weitgehend gesichert zu sein. Der aktuelle Sabotagefall zeigt, dass die Konstruktion recht stabil ist, was wiederholt geäußerte Sorgen einer Zerstörung des Bauwerks durch Artilleriebeschuss dämpft. Zudem ist die maximale Reichweite der Raketen, die das ukrainische Militär aus westlichen Arsenalen erhalten hat, mit etwa 150 km zu gering. Dagegen reicht die Entfernung für Schläge gegen Transportverbindungen durch die Oblaste Saporoschje und Cherson.

Vermeidbare Todesopfer und Zerstörungen

Mehrfach wurde die Frage aufgeworfen, ob Todesopfer und Zerstörungen ziviler Einrichtungen im geschehenen Umfang notwendig waren. Zumal das Ziel Russlands, die angegliederten Regionen von ukrainischen Truppen zu befreien, noch in weiter Ferne liegt. Doch selbst nach Bewältigung dieser Aufgabe dürfte kaum Ruhe an der Front einkehren. Die ukrainischen Raketen- und Drohnenangriffe wie auch Sabotageakte werden wahrscheinlich weitergehen. Ebenso ist unklar, wie eine Neutralisierung der Ukraine, d.h. der Verzicht auf NATO-Mitgliedschaft und Stationierung von NATO-Militäreinheiten, erreicht werden soll.

Hier hätte sich eine Alternative angeboten, die zu weit weniger zivilen Opfern und Zerstörungen geführt und die Ukraine bald an den Verhandlungstisch gezwungen hätte. Nach der Vernichtung der ukrainischen Raketenabwehr, die zu Beginn der Militäroperation erfolgte, hätte Russland eine Vielzahl von Objekten bedrohen sollen, die für das Funktionieren des Staates unerlässlich sind. Dazu gehören wichtige Produktionsanlagen, Transportwege und andere Infrastruktureinrichtungen sowie Verwaltungs- und Entscheidungszentren. Mögliche Ziele wären Flughafenterminals, Bahnhöfe, Hafenanlagen, wichtige Straßenabschnitte und Brücken, Produktionsstätten und Lagerhäuser sowie Regierungs- und Verwaltungseinrichtungen.

Die betroffenen Objekte würden öffentlich bekannt gemacht, damit sich die potenziell Betroffenen in Sicherheit begeben können. Bei einer Angriffsoperation würden indes nur ein paar davon oder sogar nur eins zerstört. Dennoch ist anzunehmen, dass die Bürger alle gefährdeten Orte meiden. Bereits ein Risiko von 1:1000 erscheint zu hoch, um sich an einen Platz zu begeben, der als nächster von russischen Raketen getroffen werden könnte. Landstraßen, Bahnhöfe und Flughafenterminals würden sich leeren, Beschäftigte in bedrohten Betrieben und Dienststellen würden nicht zur Arbeit erscheinen.

Um den psychologischen Effekt zu verstärken, könnten die zu zerstörenden Objekte mithilfe eines geheimen Zufallsalgorithmus ermittelt werden. Mit einem weiteren Algorithmus würde der Zeitabstand zur vorherigen Aktion bestimmt, der zwischen ein und sieben Tagen liegen könnte. Als Zufallsfaktor könnte beispielsweise die alphabetische Position des drittletzten Buchstabens auf der zweiten Seite einer australischen Zeitung vom gleichen Tag dienen. Nach zehn Angriffsaktionen würde der Algorithmus veröffentlicht, um zu beweisen, dass die Auswahl zufällig und nicht nach dem Ermessen der Militärführung erfolgte. Gleichzeitig würde die Objektliste aufgefüllt und ein neuer Algorithmus kreiert.

Auf diese Weise ließe sich mit einer begrenzten Anzahl von Angriffen eine maximale Wirkung erzielen. Russland könnte seinen waffentechnischen Vorsprung nutzen, den es durch die Entwicklung von Hyperschallraketen erlangt hat. Zugleich müssten die Front gehalten, der Einsatz weitreichender Angriffswaffen durch die ukrainische Seite unterbunden und die russische Luftabwehr gestärkt werden.

Wünschenswerte Orientierung auf Referenden

Verlangt werden sollte nicht ein bedingungsloser Rückzug der ukrainischen Armee, sondern die Durchführung einer Volksbefragung unter UN-Aufsicht. Auch sollte Russland seine Bereitschaft erklären, die bereits durchgeführten Referenden unter Anwesenheit von UN-Beobachtern zu wiederholen. Beide Konfliktparteien müssten sich im Voraus verpflichten, den Willen der Bürger zu respektieren und ihr Militär im Fall eines negativen Votums abzuziehen. Ein solches Verfahren entspricht tendenziell dem im Westen zurückgewiesenen Vorschlag von Elon Musk.

Im Donbass dürfte eine Mehrheit der Bürger Kiew den Rücken kehren wollen. Da in der Oblast Donezk nur etwa 30 Prozent der Bevölkerung im ukrainisch kontrollierten Teil leben, ist eine absolute Mehrheit der Stimmen auf Bezirksebene bereits durch das frühere Votum gesichert. Komplizierter ist die Lage in der Oblast Saporoschje, da sich auf beide Seiten der Konfliktlinie ein etwa gleich großer Bevölkerungsteil befindet. Angesichts der russischen Bombardements in den letzten Wochen Zeit erscheint es durchaus möglich, dass sich die nördliche Hälfte mit der Oblast-Hauptstadt für einen Verbleib in der Ukraine ausspricht. Dies sollte Moskau ebenso respektieren wie Kiew die Angliederung des südlichen Teils an Russland.

Eine häufig geäußerte Kritik an der „militärischen Sonderoperation“ betrifft die Unklarheit über die russischen Ziele. Begriffe wie „Entmilitarisierung“ und „Entnazifizierung“ haben für Verwirrung gesorgt und Anlass zu Spekulationen und Unterstellungen gegeben. Im Grunde genommen stützen sich die Forderungen des Kremls ausnahmelos auf frühere Vereinbarungen sowie auf elementare Rechte, über die ein allgemeiner Konsens besteht. Zum einen geht es um die „Unteilbarkeit der Sicherheit“, die in der Charta von Paris 1990 verankert ist, Russland aber bislang nicht zugestanden wurde. Zum anderen sollen die prorussischen Oblaste die Möglichkeit erhalten, sich mittels Referenden vom ukrainischen Staatsverband abzuspalten. Nach acht Jahren Bürgerkrieg und drastischen Maßnahmen gegen die russische Sprache und Kultur dürfte das Vertrauen in die Kiewer Führung irreparabel zerstört sein.

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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.

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Bildquelle: Harold Escalona / Shutterstock.com

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