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Die Hasssprache im Mainstream: Menschen sind „Ratten“, „Dünger“, „Schweine“

Published On: 8. November 2022 11:48

Das Ausmaß an medialer und politischer Verrohung nimmt stetig zu, wie einige aktuelle Beispiele zeigen. Wer dachte, die während der medialen Absicherung der Corona-Politik erlebten Entgleisungen seien nicht zu überbieten, sieht sich seit Beginn des Ukrainekrieges eines Besseren belehrt: Während scheinheilig zum Kampf gegen „Desinformation, Hass und Hetze“ vonseiten der Bürger aufgerufen wird, ergehen sich Redakteure und Politiker in mutmaßlich gezielten Tabubrüchen. Diese auf großen und „seriösen“ Bühnen zelebrierten radikalen Ausfälle richten erheblich mehr gesellschaftlichen Schaden an, als es Nutzerkommentare je könnten. Ein Kommentar von Tobias Riegel.



Einige Beispiele für eine zunehmende Verrohung auf großen und „seriösen“ politisch-medialen Bühnen aus der jüngeren Vergangenheit sollen hier erwähnt werden – diese Liste ist subjektiv und unvollständig. Einordnungen der skandalösen Äußerungen folgen weiter unten.

Verschwörerische Ratten“

So hat Nils Dampz vom Südwestdeutschen Rundfunk in einem Kommentar auf „tagesschau.de“ vor einigen Tagen zur Twitter-Übernahme durch Elon Musk Folgendes geschrieben:  

Musk hat auch angekündigt, dass Twitter zum ‘Marktplatz der Debatte’ werden solle. Aber auf seinem ‘Marktplatz’ sollen offenbar auch rassistische oder verschwörerische Ratten aus ihren Löchern kriechen dürfen. Twitter kann nur relevant bleiben, wenn genau diese Ratten – um im Marktplatzbild zu bleiben – in ihre Löcher zurück geprügelt werden.“

Immerhin: Diese skandalöse Formulierung wurde später entfernt, mit der Anmerkung: „Wir bitten um Entschuldigung für die Wortwahl. Es war nie das Ziel, jemanden zu entmenschlichen.“

Röpcke: Tote Russen sind „Dünger“

Auch der Bild-Reporter Julian Röpcke leistete sich kürzlich eine Entgleisung, als er in einem (ebenfalls mittlerweile wieder gelöschten) Tweet behauptete:

Übrigens: die ukrainische Armee hat auch diesen russischen Angriff zurückgeschlagen und Hunderte Russen zu Dünger gemacht. Das ukrainische Volk wird diesen Krieg auch ohne uns gewinnen. Aber dann heult nicht rum, wenn die ganze freie Welt euch Feiglinge und unser Land verachtet.

Mützenich geschieht es doch ganz recht…

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich wurde auf eine problematische Pranger-Liste des ukrainischen „Zentrums zur Bekämpfung von Desinformation“ gesetzt. Doch anstatt diesen Vorfall zu skandalisieren und den Politiker in Schutz zu nehmen, wird in vielen Medien in den letzten Tagen eine ablenkende Begriffsdebatte um den Terminus „Terrorliste“ geführt. Zusätzlich wird der Sozialdemokrat auch noch zum Ziel von Häme, sogar aus der eigenen Partei. Mit dieser Häme verteidigen die Akteure indirekt die Erstellung von ausländischen „Feindeslisten“ auch mit deutschen Politikern. So twitterte etwa Philip Le Butt:

Wie kann es sein, dass ich auf einer Liste mit Leuten, die prorussische Desinformationen verbreiten, gesetzt werde, nur weil ich prorussische Desinformationen verbreite???

Matthias Hauer von der CDU twitterte:

Mützenich erfindet eine angebliche #Terrorliste und seine @spdbt lässt ihm das so durchgehen? Sekundiert von @Ralf_Stegner ? Und wieso gräbt #Muetzenich etwas Monatealtes aus, um sich dann per Lüge zum Opfer zu gerieren? Alles nur, um der #Ukraine weiter zu schaden?

Das muss etwa Fabio De Masi zurechtrücken. Er fordert die eigentlich selbstverständlichen Reaktionen ein:

#Mützenich hat Recht. Die Liste war ein Angriff auf einen Demokraten. Mützenich ist damit auch zur Zielscheibe einer aufgepeitschten Öffentlichkeit gemacht worden. Da braucht es auch klare Ansagen der Koalitionspartner.“

Lumpenpazifisten“, „Secondhand-Kriegsverbrecher“, „Horde“

Auch die Forderung nach einem pauschalen Einreisestopp „für Russen“ (also nach rassistischen Kriterien) vonseiten des neuen ukrainischen Botschafters Olexij Makejew ruft nicht die angemessene Empörung hervor. Hier hat der Vorgänger Andrij Melnyk die Grenzen dessen, was deutsche Medien von ukrainischer Seite als Extremismus definieren, bereits erfolgreich verschoben.

Über die skandalöse Verleihung des „Friedenspreises“ des deutschen Buchhandels an einen ukrainischen Extremisten haben die NachDenkSeiten kürzlich berichtet. Der Preisträger bezeichnet in seinem prämierten Buch die Russen als „Horde“, „Verbrecher“, „Tiere“, „Unrat“, „Barbaren“ und „Schweine“. Die NachDenkSeiten dazu:

Es ist aber etwas völlig anderes, ob man sprachliche Entgleisungen wegen schlimmer Erlebnisse des Autors gerade noch nachvollziehen kann – oder ob man diese teils rassistischen Entgleisungen dann auf einer großen Bühne auszeichnet.“

Am Rande erwähnt seien noch eher irrelevante Akteure wie Wolf Biermann oder Sascha Lobo – Biermann stach mit seinem Verdikt von den „Secondhand-Kriegsverbrechern“ hervor und Lobo erging sich einst über „Lumpen-Pazifisten“.

Wem die Argumente fehlen, der greift zur Diffamierung

In diesem Text wird sich selbstverständlich nicht über inhaltlichen Gegenwind beschwert – Kritik, auch scharfe inhaltliche Kritik, müssen alle aushalten, auch Kritiker der Regierungspolitik. Hier soll aber die Ebene thematisiert werden, die beschritten wird, wenn die inhaltlichen Argumente fehlen, wie das etwa beim aktuellen Wirtschaftskrieg und den nicht zu rechtfertigenden Waffenlieferungen in ein Kriegsgebiet der Fall ist: Für diese Politik haben die Bundesregierung und ihre flankierenden Journalisten keine Argumente – diese Politik richtet sich gegen die eigenen Bürger, sie verkürzt nicht den Krieg und sie lindert nicht das Leid der Ukrainer: Die Gleichung „Gegen die Sanktionspolitik=Gegen die Ukraine“ ist politischer Betrug. Darum wird das Mittel der verrohten Diffamierung genutzt.

Diese auch auf großen und „seriösen“ Bühnen zelebrierten „offiziellen“ Ausfälle richten durch den gesellschaftlichen „Leuchtturm-Charakter“, den sich große Medien oder auch Kulturinstitutionen selber zuschreiben, erheblich mehr gesellschaftlichen Schaden an, als es Nutzerkommentare je könnten. Darum müssten an diese in Kanälen der Massenkommunikation und der offiziellen Politik geäußerten Standpunkte eigentlich auch strengere Maßstäbe angelegt werden als an Bürgerkommentare in Sozialen Medien – doch das Gegenteil ist der Fall: Während kritische YouTube-Kanäle oft sehr schnell gelöscht werden, kommen große Medien manchmal eher durch mit ihren verrohten Aussagen. Zusätzlich aufreizend ist es, wenn in den gleichen Medien „Hass und Hetze“ durch die Bürger beklagt werden: Denn wo haben sich die Bürger denn diese sprachlichen Enthemmungen abgeschaut?

Es kann nicht geleugnet werden, dass es bedenkliche sprachliche Auswüchse auch in der Bürgerkommunikation und auch in den Kommentaren Sozialer Medien gibt. Diese Auswüchse müssen bekämpft werden. Dafür gibt es aber Instrumente: Die Tatbestände „persönliche Beleidigung“ oder „Volksverhetzung“ können juristisch verfolgt werden – die in den vergangenen Jahren zusätzlich etablierte Zensur durch private Internetkonzerne ist aber scharf abzulehnen – bei Monopolen ist diese Berufung auf ein „Hausrecht“ zur Löschung auch juristisch fragwürdig.

Verschobene Grenzen der Verrohung

Die aktuelle sprachliche, mediale und politische Verrohung ist nicht neu – aber seit der Propaganda rund um die Coronapolitik hat sie ganz neue Ausmaße angenommen. Ich weiß nicht, ob es vor drei Jahren möglich gewesen wäre, dass ein Studiopublikum der kürzlich getätigten Aussage applaudiert, das Andersdenkende „geprügelt“ gehören.

In der Zeit der Meinungsmache zur Coronapolitik haben sich die Grenzen der Diffamierung, die sich große Medien und Politiker selber „erlauben“, nochmal verschoben. Gleichzeitig wird Kritikern eben jene „Hetze“ unterstellt. Auf diese verschobenen Grenzen wird seit dem Ukrainekrieg skrupellos aufgebaut. Der gesellschaftliche Schaden, den eine solche sprachliche Verrohung auch jenseits der aktuellen Politik langfristig anrichtet, wird von den Verantwortlichen in Kauf genommen.

Titelbild: Kastoluza / Shutterstock

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