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Videos zeigen Schlepperrouten nach Österreich und Italien: Nehammer, Orbán und Vučić für verstärkten Grenzschutz

Published On: 18. November 2022 11:56

Videos aus diesem Herbst zeigen die aktuellen Routen und Methoden der Schlepper von Rumänien und Serbien bis Italien und Österreich. Österreich erwartet dieses Jahr fast 100.000 Asylanträge. Kanzler Nehammer glaubt nicht mehr an ein einheitliches EU-Asylsystem. Internationale Konventionen gehörten auf den Prüfstand.

IMAGO / Xinhua

Aleksandar Vučić (Präsident Serbien), Viktor Orbán (Ministerpräsident Ungarn) und Karl Nehammer (Bundeskanzler Österreich), 03.10.2022, Budapest, Ungarn

Sechzehn Männer entsteigen dem hinteren Bereich eines PKWs mit ausgebauter Hinterbank, nachdem der Schlepper zuvor einige Male zur Vorsicht gemahnt hat. Im Schein einer grellen Lampe kann man ihre Gesichter genau erkennen. Im Hintergrund rauscht eine Autobahn weiter. Unter dem Video steht „Serbia to Italy game finish clints Happy gernal musa“, zu Deutsch: „Serbien nach Italien, Spiel beendet, Flachkarre (?), Gernal Musa zufrieden“, dann eine WhatsApp-Nummer. Gernal Musa heißt auch der Besitzer des Youtube-Profils. Er scheint der Spiritus rector dieser Aktion zu sein, der verantwortliche Schlepper, und wagt doch, seine Mobilnummer öffentlich zu posten.

Die anderen Videos sind ähnlich tituliert. Es heißt: „Romania to Italy“, „Serbia to Austria“, „Romania to Austria“, „Hungry border crossing“ oder auch „Greece to Serbia“. Wie schon aus anderen Fällen bekannt, handelt es sich um Werbematerial für weitere Schleppungen. Insofern hätten Behörden in allen beteiligten Ländern Anlass genug, um gegen die Videos und deren Urheber vorzugehen.

Aufschlussreich ist, dass Routen angegeben sind, die auch durch andere Länder führen müssen: Weder Serbien und Österreich noch Rumänien und Italien haben gemeinsame Grenzen. Schärfere Kontrollen an den zwei bis drei Grenzen, die überschritten werden, hätten die Schlepper eventuell vor ernstere Probleme gestellt und ihr Geschäftsmodell zerstört. Es ist unerfindlich, warum man solche Kontrollen nicht im Kreis der EU- und Schengen-Mitglieder verabredet. Hier wäre auch Handlungsbedarf für konservative Bannerträger wie Viktor Orbán und Giorgia Meloni. Denn Ungarn wird von den Schleppern offenbar ohne große Probleme durchreist, während die Worte „Italien“ und „Österreich“ den sicheren Endpunkt der Reisen bilden.

Auf manchen Videos sieht man auch Frauen und Kinder. Auch einmal einen älteren Herrn. Die Frauen sehen nicht unbedingt glücklich aus.

Von den Nationalitäten her scheint es sich ebenso oft um Inder oder Pakistani zu handeln wie um Arabischsprachige. Daneben sieht man Männer, die im Grünen eine Auszeit vom „Fliehen“ nehmen, während sie auf das nächste Taxi Richtung Österreich warten. Bald wird man sie auf österreichischen und deutschen Ämtern sehen, wo sie um Asyl bitten oder Leistungen des jeweils zuständigen Sozialsystems beantragen.

Die Website exxpress.at, die einige der Videos veröffentlicht hat, berichtet von explodierenden Kosten im österreichischen Asylsystem, für das im kommenden Jahr „mehr als eine Milliarde Euro veranschlagt“ seien. Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs wie der Sicherheitssprecher der FPÖ-Nationalratsfraktion Hannes Amesbauer sinngemäß kritisierte: „Das sind nur die Kosten des Asylwesens im Innenministerium. Die Migrationsbewegung von kulturfremden Menschen aus aller Herren Länder, die hier eigentlich nichts verloren haben, schlägt sich ja zusätzlich auch auf andere Bereiche massiv nieder. Sozialsystem, Bildungswesen und Gesundheitswesen sind beispielsweise stark belastet.“

Die FPÖ will daher endlich Schritte zur „Deattraktivierung Österreichs als Zielland für illegale Wirtschaftsmigranten“ sehen und schlägt konkret die Aussetzung des Asylrechts an österreichischen Grenzen vor, als erste von 23 Maßnahmen. Daneben müsse der Strafrahmen für Schlepperei verschärft werden – auch bezogen auf die eingeschleusten Migranten. Bis Ende September haben fast 72.000 Menschen Asyl in Österreich beantragt. Setzt sich diese Entwicklung fort – und derzeit deutet alles darauf hin –, wird die Zahl der Asylanträge bis Jahresende auf rund 96.000 steigen. Das wären dann mehr als im Jahr 2015 (88.340) und mehr als doppelt so viele wie 2021 (39.930). In anderen Jahren hatte es weniger als 15.000 Asylanträge in Österreich gegeben.

Nehammer: Rechtstexte verändern, um Handlungsfähigkeit zurückzugewinnen

Derweil ist Bundeskanzler Karl Nehammer zusammen mit dem ungarischen Premier Viktor Orbán nach Belgrad gereist, um zusammen mit Präsident Aleksandar Vučić eine Absichtserklärung für stärkeren Grenzschutz zwischen den drei Ländern zu besprechen. Orbán sagte laut Kronenzeitung: „Wir sollten klarmachen, dass unsere Grenzen nicht zu überqueren sind.“ Nehammer hält das gemeinsame Asylsystem der EU für gescheitert und sieht die Zeit für „neue Formen der Partnerschaften“ zwischen Einzelstaaten gekommen. Insbesondere will er dem „Asyl à la carte“ ein Ende machen. Schutz müsse im nächstmöglichen Land gesucht werden. Konkret will Nehammer den EU-Außengrenzschutz stärken, auch durch ein neues Frontex-Mandat, außerdem Asylverfahren an der Grenze ermöglichen und mehr Rückführungsabkommen mit Herkunftsländern abschließen.

Auch die Diskussion über die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und die Genfer Flüchtlingskonvention will Nehammer sehr breit führen: „Wir müssen Rechtsmaterien verändern, um die Handlungsfähigkeit des Staates wieder herzustellen.“ SPÖ-Vertreter erwiderten, mit solchen Initiativen wolle der Kanzler nur vom eigenen Versagen ablenken. Auf der anderen Seite sagen die österreichischen Sozialdemokraten aber auch deutlich genug, worin sie ein „Gelingen“ der österreichischen Asylpolitik sähen – jedenfalls nicht im Rückschnitt der Privilegien für Asylbewerber: Die EMRK dürfe nicht in Frage gestellt werden. Außerdem soll eine Veränderung des Rechtstextes im Europarat unrealistisch sein.

Für den Moment scheint das zu stimmen. Österreich entsendet 70 Polizisten an die serbisch-ungarische Grenze und weitere 100 an die serbisch-nordmazedonische Grenze. Auch Flugzeuge zur Abschiebung von Migranten will Österreich bereitstellen. So betreibt man eher Mikromanagement, während für Schlepper und Geschleppte klar bleibt, dass „Österreich“ das erlösende Wort ist und wahlweise durch „Italien“, „Deutschland“ ersetzt werden kann.

Post-Halloween: Innenminister Karner will nach Syrien und Afghanistan abschieben

Nach den jüngsten Randalen zu Halloween hatte Integrationsministerin Susanne Raab gesagt, dass Integration in solchen Fällen „nicht die richtige Möglichkeit“ sei. In Linz und Salzburg hatten fast 150 junge Männer mit umgebauten Feuerwerkskörpern randaliert und sich Straßenschlachten mit der Polizei geliefert. Die weit überwiegende Mehrheit der Täter waren Asylbewerber und meist außereuropäische Zuwanderer. Innenminister Gerald Karner gelobte, die „Härte des Gesetzes“ auszuschöpfen. Alle Aufenthaltstitel von Nicht-EU-Ausländern sollen geprüft werden. Sogar nach Syrien und Afghanistan will der ÖVP-Politiker angeblich lieber heute als morgen abschieben. 28 Syrer und 14 Afghanen waren unter den Angreifern auf die öffentliche Ordnung. Aber auch der Weg dahin dürfte weit sein und von EU-Paragraphen – gleich Pollern – blockiert. Man wird sehen, was an der neuen ÖVP-Regierungsrhetorik „Placebostrategie“ oder gleich nur Schauspielerei ist, wie die oppositionelle FPÖ sogleich vermutete.

Der erste Poller werden freilich die Grünen in der Wiener Regierung sein, die ihre ablehnende Haltung in Sachen Abschiebungen nach den Halloween-Randalen schon deutlich gemacht haben: „Abschiebungen ins Kriegsland Syrien und zu den Taliban nach Afghanistan sind faktisch und aus rechtlichen Gründen nicht möglich. Aufgrund der dort drohenden Menschenrechtsverletzungen würde das sowohl gegen die Regeln der österreichischen Bundesverfassung als auch gegen EU-Regeln verstoßen. Das wird auch von allen Gerichten so gesehen.“

Das entspricht freilich nur dem trägen Konsens der westlichen Demokratien, dem zudem bereits von britischen, dänischen und schwedischen Länderberichten widersprochen wird. Die Ansichten von Syrien und – möglicherweise – von Afghanistan beruhen häufig eher auf Klischees denn auf echter Sach- und Landeskunde.

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