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“Deutschland hat alles im Griff” | Von Rainer Rupp

Published On: 25. November 2022 11:46

Ein Kommentar von Rainer Rupp.

In der Generaldebatte im Bundestag diese Woche hat Bundeskanzler Scholz seine Poker-Qualität bewiesen. Ohne rot zu werden hat er selbstsicher behauptet, „Deutschland hat die Krise im Griff“. Allerdings war er vorsichtig genug, nicht die Worte „Wir haben alles im Griff“ oder die „Bundesregierung hat alles im Griff“ zu benutzen. Denn wenn er sicher gewesen wäre, dass die Ampelkoalition die Krise tatsächlich meistern könnte, hätte er stolz „Wir“ oder die „Bundesregierung“ gesagt und damit die lobenswerten „Verdienste“ der Ampel-Koalition in den Vordergrund gesetzt. Tatsächlich wälzt Scholz mit seiner ungewöhnlichen Formulierung das Risiko des Versagens auf die Allgemeinheit, auf uns alle ab.

Scholz weiß nämlich, dass niemand, – weder die Ampelkoalition noch irgendjemand anders – , die EU, vor allem aber Deutschland, jetzt noch vor der multiplen Super-Krise retten kann, an deren Anfang wir uns erst befinden. Sie besteht aus einem Konglomerat aus akuter Energieknappheit, aus hohen Inflationsraten und sinkenden Reallöhnen, aus der Unterbrechung von Lieferketten und deren langwierigen Umstrukturierung, aus sinkender Wettbewerbsfähigkeit und De-Industrialisierung Deutschlands, aus Handels- und Sanktionskriegen, aus Währungs- und Eurokrise und aus staatlicher und privatwirtschaftlicher Überschuldung. Zudem haben wir steigende Zinsen, die mit zunehmenden Liquiditätsproblemen selbst bei großen Geldhäusern – wie aktuell die Schweizer Crédit Suisse – erneut zu einer Banken- und Immobilienkrise zu führen drohen.

So viele ökonomische Krisen und Unsicherheiten auf einem Haufen hat es seit Generationen nicht mehr gegeben. Sie werden verstärkt durch politische Risiken wie der Krieg in der Ukraine oder durch den drohenden Wiederausbruch von seit langen schwelenden Konflikten, z.B. im Kosovo zwischen Serben und Albanern, im Westjordanland zwischen Israelis und Palästinensern, in Nordost-Syrien zwischen Türken und Kurden, und in Iran durch erneute Kriegsdrohungen aus Israel und den USA. Und all diese Krisen soll die Chaos-Truppe der Ampelregierung meistern, um Schaden vom deutschen Volk abzuwenden?

Was es bedeutet, dies alles in den Griff zu bekommen, lässt sich nur andeutungsweise mit dem Jongleur im Zirkus vergleichen, der jeweils einen Teller auf einem dünnen im Boden implantierten Stab balanciert, die Teller in Drehbewegungen versetzt und sich dann zwischen einem Duzend oder mehr schwankenden Stäben hin und her bewegt, um mit genau kalibrierten Anstößen die Teller weiter in Bewegung zu halten und deren Absturz bei zu langsamen Umdrehungen zu verhindern. Man stelle sich nun vor, wie die Amateure der Ampelkoalition dieser Aufgabe gewachsen wären?

Dabei ist die politische Herausforderung, auch nur eine paar der vorhin aufgezählten Krisen zum Drehen zu bringen und vor dem Absturz zu bewahren, um mehrere Dimensionen größer als das bei den Jongleuren mit ihren Tellern der Fall ist. Deshalb hat erklärt, dass Deutschland – also wir alle – das im Griff haben. Und wenn Deutschland versagt, dann haben wir alle versagt und nicht etwa Scholz oder die Ampelregierung.

Das entspricht auch genau den Vorstellungen der Ampelregierung, wie z.B. die Energiekrise gemeistert werden soll. Da alle Versuche der Ampel fehlgeschlagen sind, ausreichend neue Lieferquellen zu erschließen oder deren Transport zu erschwinglichen Preisen zu sichern, kann eine Energiekrise in diesem Winter nur verhindert werden, wenn die Bevölkerung und der Liebe Gott mitspielen, also wenn:

  • a) Industrie, Verwaltung und Haushalte insgesamt 20 Prozent weniger Energie verbrauchen als im letzten Jahr.
  • b) wenn der Liebe Gott keine Dunkelflauten schickt, also wenig Wind weht und dunkle Wolken die Lichteinstrahlung reduzieren und die Netzeinspeisung von Solar- und Windstrom abfällt.
  • c) wenn der Liebe Gott uns einen warmen Winter schenkt. b

Bei b und c verlässt sich die Ampel in ihrer Energieplanung auf die gütige Hand Gottes und was den Punkt a betrifft, hat sie mit ihren 200 Milliarden Euro umfassenden Subventionsplänen zur Reduzierung der Gas und Strompreise weit unter dem Weltmarktpreis die falschen Anreize gesetzt. Denn die so geschaffenen Preisobergrenzen genügen laut Schätzungen von Energieexperten bei weitem nicht aus, um den Energiekonsum um 20 Prozent zu senken.

Hier steckt die Ampel-Regierung in einer Zwickmühle. Um nicht noch mehr Öl ins Feuer sozialer Unruhen zu gießen, sieht sich die Regierung gezwungen, die diesjährigen Preissteigerungen auf den Energiemärkten um ein Vielfaches des Vorjahrespreises mit Subventionen zu deckeln. Die werden sich auf Hunderte von Milliarden Euro summieren. Andererseits verweisen Marktwirtschaftler darauf, dass diese soziale Maßnahme der Preisdeckelung das Ziel einer Reduktion des Energieverbrauchs um 20 Prozent konterkariert, denn diese Einsparmengen könnten nur durch vielfach höhere Energiepreise erreicht werden.

Aber ohne Einsparungen und ohne die Hilfe Gottes bezüglich der Punke b und c ist es keine Frage des „Ob“, sondern nur noch des „Wann“ die Puffer-Reservespeicher leer sind und die Zukäufe nicht mehr ausreichen, um die Nachfrage zu decken. Spätesten dann wird die Regierung zur Kontingentierung übergehen müssen, indem sie den jeweiligen Verbrauchern nur noch bestimmte Mengen von Gas oder Strom zuweist. In Anbetracht des Chaos im deutschen Verwaltungsapparat während der angeblichen „Corona-Pandemie“, erwartet uns dann das kalte Grauen.

Aber mit diesem Winter wird die deutsche Energiekrise nicht vorbei sein. Selbst Regierungskreise sprechen inzwischen von den bevorstehenden Herausforderungen für den Winter 2023 und für die Jahre danach. Sich selbst von den sicheren, preiswerten und qualitativ hochwertigen russischen Energielieferungen auszuschließen, auf denen ein wichtiger Teil der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie und des deutschen Wohlstands ruhte, war zweifellos ein Jahrhundertfehler der deutschen Politik. Zugleich war das ein großer Erfolg für die Grünen und die Klimasekte, die sich nicht einmal ernsthaft darum bemüht haben, das russische Gas durch andere Quellen zu ersetzen.

Die jüngsten Nachrichten aus den extrem Gas-reichen Land Katar sind da recht aufschlussreich. In Katar wird derzeit die Fußballweltmeisterschaft ausgetragen. Aber die Regierung in Katar wird wegen seiner LGBT+*-Gesetze vom gesamten links-grün versifften politischen Spektrum, samt der Ampel-Regierung, pausenlos verteufelt, während die gleichen Leute die Rassisten und Nazis in der Ukraine kostenlos mit Kriegswaffen versorgen.

Nach den deutschen Sanktionen gegen Russland war auch die Bundesregierung in Katar vorstellig geworden und hatte sich um Lieferungen von LNG -Flüssiggas bemüht. Aber Katar wollte langfristig bindende Verträge und eine deutsche Beteiligung bei den Investitionen, um neue Gas-Quellen zu erschließen und Verflüssigungsanlagen zu bauen. Das sollte eine Art Garantie für die langfristige Bindung und Abnahme durch Deutschland sein. Doch darauf wollte sich das grüne Bundesministerium für Wirtschaft nicht einlassen. Denn die Grünen wollen ja so schnell wie möglich auch aus dem Gas aussteigen, um das Klima zu retten, weshalb das deutsche Industrieland kaputt gemacht werden muss. Dabei ist dem Bundeswirtschaftsminister Habeck die Zukunft der deutschen Industriearbeiter genauso egal wie – laut eigener Aussage – der Frau Baerbock die Wünsche der eigenen Wählerschaft. Zugleich jedoch legt die Baerbock größten Wert darauf, ihre ukrainischen Fans und anti-Russland Kriegstreiber auf keinen Fall zu enttäuschen.

Nun kam in den letzten Tagen die Meldung, dass Habeck mit seinen Versuchen, Gas aus Katar zu beziehen endgültig gescheitert ist, denn das Gastland der Fußballweltmeisterschaft hat langfristigen LNG-Vertrag mit China unterzeichnet. Katar gehört zu den fünf wichtigsten Gasproduzenten der Welt und beutet derzeit das weltgrößte Erdgasfeld “North Field” im Persischen Golf aus. Das Lieferabkommen mit China sieht den Export von verflüssigtem Erdgas (LNG) im Umfang von 108 Millionen Tonnen über 27 Jahre vor.

Zwar hatte Wirtschaftsminister Robert Habeck bei seinem Besuch in Doha im März eine Energiepartnerschaft mit Katar vereinbart. Aber bei den ununterbrochenen Angriffen deutscher Politiker und Medien gegen die regierende Elite in Katar wegen „Menschenrechtsverletzungen“, konnte auch nichts anderes erwartet werden. Zuletzt hatte Wirtschaftsminister Habeck noch erklärt, die Idee einer Fußballweltmeisterschaft in Katar sei “bekloppt” gewesen.

Das Fazit laut westlicher Energieexperten lautet, dass es auf dem Weltmarkt keinen Ersatz für russisches Gas gibt. Wer kein russisches Gas will, muss in den intensiven preissteigernden Wettbewerb um Flüssiggas einsteigen, der sich auch auf die knappen Transportkapazitäten mit LNG-Spezialschiffe ausgeweitet hat. Die Frachtkosten pro Tag für einen mittleren LNG-Tanker sind von 14.000 Dollar/Tag im letzten Jahr auf 400.000 Dollar pro Tag aktuell gestiegen. Das alles sieht keineswegs danach aus, als ob Deutschland die Energie-Krise im Griff hat.

Aber wie oben erwähnt gibt es noch viele weiter Krisen, mit denen wir derzeit konfrontiert sind. Weder die Ampel-Koalition noch die Opposition aus Linken und CDU/CSU haben dafür auch nur einen Ansatz von einer Lösung. Frieden mit Russland und Beendigung der anti-russischen Selbstmord-Sanktionen wären schon ein erster Schritt in Richtung einer Lösung, wenigstens einiger der oben genannten Probleme. Aber von allen deutschen Parteien mit mehr als 5 Prozent der Wählerstimmen ist es nur die AFD, die vernünftigerweise einen Schritt auf Russland fordert und dafür sofort denunziert und in die Nähe von Faschisten gerückt wird.

Ohne Frieden wird mit dem einsetzenden Winter die Lage in der Ukraine für die Bevölkerung immer schwieriger und konfrontiert auch Deutschland mit der Gefahr einer alles überwältigenden Flüchtlingskrise, gegen die die „Wir- schaffen-das-Krise“ von 2015 ein Sommerspaziergang war.

In den letzten Wochen hat Russlands seine Kriegsführung in der Ukraine verändert und nimmt jetzt weniger Rücksicht auf die Infrastruktur des Landes. Vorrang hat derzeit die Zerstörung des ukrainischen Elektrizitätsnetzes, um so die Logistik des ukrainischen Militärs lahmzulegen. Fast 90 Prozent des ukrainischen Eisenbahnverkehrts wird mit Elektroloks abgewickelt. Wegen der unterschiedlichen Spurweite des Schienennetzes der Ukraine können die Elektroloks nicht durch Diesellok aus dem Westen ersetzt werden.

Daher gilt in der Ukraine jetzt: Ohne Elektrizität kaum Nachschub von Waffen und Munition, einschließlich westlicher Lieferungen, für die Front im Donbass. Inzwischen ist das noch vor einem Monat integrierte Stromnetz der Ukraine weitgehend zerstört. Zwischen 40 und 50 Prozent der Haushalte haben keinen Strom mehr, oder nur noch sporadisch. Aber ohne Strom funktionieren weder die Trinkwasserpumpen noch die Gasheizungen und in den vielen Hochhäusern der Städte stehen auch die Aufzüge still.

Für die Menschen in der Westukraine ist das ein schwerer Schock. Im Gegensatz zu der Bevölkerung in den seit 2014 von der ukrainischen Armee beschossenen Donbass-Regionen erlebt jetzt die Bevölkerung in der Westukraine seit einigen Wochen zum ersten Mal hautnah die Auswirkungen des Krieges. Millionen Familien sind betroffen, ohne Strom, Gas und Wasser, vor allem in den großen Städten und dort in den Hochhäusern.

Übrigens die russischen Angriffe auf die Infrastruktur der Ukraine sind eine Reaktion auf die kontinuierlichen ukrainischen Angriffe auf Zivilisten und zivile Infrastruktur in russischem Gebieten in Belgorod, aber auch auf die Donbass-Regionen Luhansk und Donezk, wo es jeden Tag tote Zivilisten gibt, wovon westliche Qualitätsmedien natürlich nichts berichten.

Moskau hatte wiederholt Kiew gewarnt, dass es auf Dauer keine Angriffe auf Russland Infrastruktur hinnehmen werde. Aber Kiew hatte diese Angriffe jedes Mal weiter ausgedehnt. Irgendwann war dann die russische Geduld zu Ende und mit der Ernennung des neuen russischen Oberkommandeurs für die Front in der Ukraine begann die systematische Zerstörung des ukrainischen Stromnetzes, das wegen seiner militärischen Nutzung kein rein ziviles Ziel ist.

Aktuell hat sich die Lage in der Ukraine so verschlechtert, dass die Regierung in Kiew die Stadtbewohner aufgefordert hat, für den Winter in kleine Dörfer aufs Land zu ziehen. Das ist Irrsinn. Erstens hat bei weitem nicht jeder Verwandte auf dem Land, wo er unterkommen könnte. Zweitens ist es allein aus logistischer Sicht unmöglich, in den ländlichen Regionen in der gegenwärtigen Situation zusätzliche Millionen von Menschen mit Nahrung, Medikamenten und Wärme zu versorgen. Das wissen auch die Ukrainer und sie haben wahrscheinlich die Aufforderung der Regierung richtig verstanden, sich in Richtung Westen aufzumachen.

Nur eine rasche und ehrliche Verhandlungs- und Kompromissbereitschaft der Selenski-Regierung in Kiew mit Russland könnte die sonst unausweichliche Katastrophe noch verhindern, auf die die Ukraine zusteuert. Zugleich wird eine riesige Flüchtlingswelle von 3 bis 5 Millionen Menschen auf die EU und vor allem auf Deutschland zurollen. Aber anders als 2015 ist Deutschland heute selbst wirtschaftlich und finanziell gebeutelt. Zudem sind an eine Million Ukrainer bereits in Deutschland und viele Städte und Regionen haben keine Kapazitäten mehr, um noch mehr Menschen aufzunehmen. Aber keine Angst, Scholz wird uns sicher sagen, dass Deutschland auch das im Griff hat.

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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Bildquelle: shutterstock / photocosmos1

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