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Das andere «Wort zum Sonntag» oder: Brav traditionell geht nicht länger

Published On: 27. November 2022 1:11

Veröffentlicht am 27. November 2022 von LM.

Die Erschütterungen und Fragen der unmittelbaren Nachkriegszeit weisen auf zeitlose Fundamente. Beispielhaft dafür sind die «Fünf Reden», mit denen sich der Redakteur der neugegründeten ZEIT, Ernst Friedländer, Anfang 1947 an die «Deutsche Jugend» wandte: «an die Trotzenden», «an die Skrupellosen», «an die Müden», «an die Traditionsgebundenen» und «an die Suchenden». – Ich zitiere im Folgenden aus der Vierten Rede.

Was ist das alles? Feigheit, mangelnde Zivilcourage, Opportunismus – das sind unzureichende Bezeichnungen, denn jede von ihnen drückt nur eine Teilwahrheit aus. Und es geht auch nicht allein um den äusseren Widerstand gegen allmächtigen Terror, um mangelndes Heldentum. Helden treten niemals massenweise auf. Die inneren Widerstände, die Konflikte des Gewissens, waren zu schwach, und das ist viel bedeutsamer.

Gerade die Eliten, die Menschen und Kreise von Menschen, die es besser wussten und besser wissen mussten, sind nicht unbedingt genug gegen das Verhängnis gewesen, weil sie nicht unbedingt genug für etwas waren.

Sie hatten keinen wirklich heiligen, um jeden Preis zu verteidigenden Bestand. Nur wer zutiefst überzeugt ist, steht bereit zu zeugen. Und nur wenn viele bereit sind, entsteht die innere Kraft, die vor keiner äusseren Macht zurückweicht.

Wie aber die Dinge bei uns lagen, hat es nur einsame und vereinzelte Märtyrer gegeben, die von den meisten nicht für Helden, sondern im Grunde für Toren gehalten wurden. Es hat keine Bestände gegeben an überlieferten deutschen Werten, an Traditionen, für die auch nur die Eliten in spontaner Parallelität zu zeugen willens waren.

Wie wenig überraschend waren die Ausflüchte in Wort und Tat! Unpolitisch darf man sein, wenn sich die Politik von einer stabilen Mitte um Nuancen, aber nicht mehr als das, entfernen kann. Aber wenn unter dem Namen der Politik das Unmenschliche gelehrt, verherrlicht und praktisch betrieben wird, dann kann niemand, der irgendwie an der Kultur seines Landes Anteil nimmt oder gar mitwirkt, kühl erklären: ‹Für Politik interessiere ich mich nicht.›

Er könnte genauso gut sein Interesse am Unmenschlichen bestreiten und damit natürlich zugleich an dem hiervon auf äusserste bedrohten Menschlichen. Wer sich aber am Menschlichen desinteressiert, der hat die Kultur selbst preisgegeben und im Stich gelassen (…). Nein, es durfte keine vorgeblich unpolitische halbe oder ganze Neutralität geben gegenüber dem Unheil, nicht seitens der Kirchen, nicht seitens der Universitäten oder Schriftsteller, Lehrer und Künstler. (…)

In Wahrheit hätte ein einziger rechtzeitiger allgemeiner Streik der Anständigen, die etwas konnten, den Nationalsozialismus radikal lahmgelegt. (…) das Nichtmachen der anderen hätte ihn in seiner ganzen Hilflosigkeit entlarvt und frühzeitig zum Scheitern gebracht.

Aber leider begann man, gestützt auf Ausreden, mit kleinen Zugeständnissen, wurde dann zu immer grösseren gezwungen, bis in der letzte Stadium hinein, als niemand mehr von dem rasenden Schnellzug abzuspringen wagte. (…)

Es darf für Euch keine eitle Selbstzufriedenheit geben, wie sie Eure Väter und Großväter kannten, kein Vertrauen in mehr oder minder fertige ‹Errungenschaften› aller Art, keinen billigen Fortschrittsglauben. Seitdem der Nationalsozialmus möglich geworden ist, ist nichts mehr unmöglich. Grösste und allgemeine Unsicherheit liegt über Deutschland. (…)

Ganz Deutschland und jedem von Euch ist ein Neues aufgegeben, unter Verwendung alter Bestände, ohne Zweifel, aber zukünftig durch und durch.

Es genügt nicht, dass ihr – gemessen an anderen – brav seid. Die Bravheit setzt das Bewährte und für alle Zwecke Ausreichende voraus, den sicheren Maßstab (…). Wir aber müssen alle unsere Maßstäbe überprüfen. (…) Und weder die künstlerische und wissenschaftliche Kultur noch die von den Kirchen gelehrte Religion können für sich eine Ausnahme beanspruchen. Deutschland ist aufgewühlt wie nie zuvor, und da darf niemand bei der Vergangenheit in Pension gehen. (….)

Die Bravheit ist heute – bei allem sonstigen Fleiss – eine Trägheit des Herzens. Und nur den herzensträgsten, besonders unter den Jungen, kann es geschehen, dass sie von der tiefen leidenden Unruhe der Zeit und von ihrem Ruf nicht erreicht werden. Ihr dürft euch diesem Ruf nicht entziehen. Auch Ihr werdet suchen müssen.

Kurz gefasst:

«Ihr seid das Salz der Erde. Wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit soll man salzen? Es ist zu nichts mehr nütze, als dass man es wegschüttet und lässt es von den Leuten zertreten. – Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein.»
Jesus nach der Bergpredigt, Matthäus 5,13.14

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Wort zum Sonntag vom 20. Nov.: Der ewige Zug nach Mehr

Lothar Mack war als Gemeindepfarrer und bei verschiedenen Hilfswerken und Redaktionen tätig. Sein kritischer Blick auf Kirche und Zeitgeschehen hat ihn in die Selbständigkeit geführt. Er sammelt und ermutigt Gleichgesinnte über Artikel und Begegnungen und ruft auch an Kundgebungen zu eigenständigem gläubigem Denken auf.

Telegram-Kanal: @StimmeundWort
Website: www.stimme-und-wort.ch

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