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Ausgestoßener der Woche: Bismarck

Published On: 9. Dezember 2022 10:00

Das „Bismarck-Zimmer“ im Auswärtigen Amt gibt es nicht mehr. Es heißt jetzt „Saal der Deutschen Einheit“. Auch das Porträt des Rekord-Reichskanzlers ließ Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) abhängen – wie vor Wochen ein Kreuz in Münster.

Frühere Amtsinhaber hatten Bismarck, den Gründer des Auswärtigen Amtes, als Namensgeber noch akzeptiert. Begründung nun: Man orientiere sich lieber an „der demokratischen Geschichte Deutschlands“. Bisher hatte das Amt noch jedem Herrscher gedient, und man findet offenbar auch nichts dabei, in diesem Raum, der mal Sitzungssaal des SED-Politbüros und damit Schaltzentrale der DDR-Diktatur war, regelmäßig zu tagen.

Der außenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Jürgen Haardt, hält die Umbenennung für „geschichtsvergessen“ und verweist auf Verdienste Bismarcks. Der war allerdings ein Mann, und Bildnisse von Personen dieses Geschlechts fand die damalige Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Michelle Müntefering (SPD), vor ein paar Jahren schon dort überrepräsentiert. Außerdem war Bismarck „ja ein Reichsbürger“, wie Claudio Casula anmerkt. Katholikenunterdrücker sowie Sozialdemokratenverfolger zudem. Und er hatte eine Fistelstimme. Mit einer Rückumbenennung des Zimmers ist wohl erst nach dem nächsten erfolgreichen Monarchistenputsch zu rechnen.

Modischer Kindesmissbrauch

Vor gut drei Wochen hat das französische Modehaus Balenciaga Twitter verlassen, vermutlich wegen dessen Übernahme durch Elon Musk. Dafür ist die Bekleidungsfirma seither großes Thema nicht nur auf dem Kurznachrichtendienst geworden. Eine Werbekampagne für Handtaschen, die wie Teddybären im Bondage-Outfit aussehen, löste eine Welle der Empörung aus. Auf mehreren Fotos der Kampagne waren nämlich Kinder zu sehen, was der Reklame den Vorwurf der Pädosexualität einbrachte. Zu den Accessoires auf einem Motiv einer früheren Aktion gehörte bei vergrößertem Hinsehen ein Dokument, das sich auf ein Urteil des Obersten Gerichtshofs der USA zu Kinderpornographie bezieht.

Infolge des Shitstorms entschuldigte sich Balenciaga, löschte die Reklame und will jetzt für Kinderschutz spenden. Obwohl es in der Vergangenheit schon woke Stimmen gab, denen zufolge auch Kinder „alternative Erfahrungen der Sexualität“ wie zur Schau getragene Fetische sehen sollen, scheint die Ablehnung der Balenciaga-Werbung in großer Einhelligkeit zu erfolgen. Als prominenter Verteidiger des Fashionlabels hat sich bisher nur Rapper Kanye West hervorgetan, der noch im Oktober eine Balenciaga-Show des eröffnen durfte, als er bereits unter Kritik stand und bevor er dann aller Orten wegen antisemitischer Äußerungen gecancelt wurdeauch beim Modehaus ist er inzwischen nicht mehr erwünscht.

Wests Exfrau Kim Kardashian gehört zu den Promis, die sich von Balenciaga distanzieren. Sie will ihren Sponsoringvertrag überdenken. Provokation ist zwar bei dem Unternehmen keine neue Werbetaktik – „mit inszenierten Skandalen“ wird dort schon länger gearbeitet –, jetzt hat es aber womöglich eine rote Linie überschritten. Wer die Marke boykottieren will, muss dann anderswo nach einem „ledernen Müllsack für etwa 1790 Euro“ Ausschau halten.

Reden ist Silber

Vor drei Wochen war hier die Rede davon, dass der libertäre Ökonom Markus Krall mit einigem Wirbel von einer Veranstaltung eines römisch-katholischen Bistums in der Schweiz ausgeladen worden war. Jetzt ist er seine Position als Geschäftsführer der Degussa Goldhandel los, die er seit 2019 innehatte. Er wurde mit sofortiger Wirkung freigestellt. Es liegt nahe, den Grund darin in seiner kontroversen öffentlichen Positionierung zu diversen Themen zu sehen.

Bei der Edelmetallfirma ist mit Thorsten Polleit als Chefökonom übrigens ein weiterer namhafter libertärer Wirtschaftswissenschaftler tätig. Der bisherige Eigentümer des Unternehmens, August von Finck junior, der diese politische Ausrichtung unterstützt hatte, starb vergangenes Jahr hochbetagt. Sein Sohn kann nach Einschätzung des Handelsblatts damit nichts anfangen – und möchte vielleicht sogar den ganzen Goldhandel verkaufen.

Abgesang auf Brink

Dass Sänger Bernhard Brink die Schlager des Monats im MDR künftig nicht mehr präsentieren darf, war schon vor einigen Wochen angekündigt worden. Jetzt präsentiert der Sender Brinks Nachfolgerin: Christin Stark ist die junge, blonde Ehefrau des Schlagerstars Matthias Reim, selbst ebenfalls Sängerin, aber ohne Erfahrung als TV-Moderatorin. Der 70-jährige Brink, der gerne weitergemacht hätte, wird im kommenden Januar die Sendung zum letzten Mal moderieren.

Auffällig dabei: Der MDR nennt keinen Grund für den Wechsel nach fünf Jahren. Im Gegenteil, „Brink führte die Sendung zum Erfolg und sorgte regelmäßig bundesweit für tolle Quoten“, heißt es seitens des Senders. Spekuliert wird daher, der Rausschmiss aus dieser Funktion könne mit kritischen öffentlichen Äußerungen Brinks zu tun haben. So etwa über das Gendern oder Corona-Minister Lauterbach. Von Letzterem distanzierte er sich zwar zunächst, ließ aber bei mindestens einem späteren Auftritt seinem Unmut über die Seuchenpolitik wiederum freien Lauf.

Das liebe Vieh

„Seit wann gelten zwei Schauspieler als Experten für Tierwohl und -haltung in landwirtschaftlichen Betrieben?“, fragt RTL News. Gemeint sind Hannes Jaenicke und Sky du Mont, die in der Talkshow 3nach9 von Radio Bremen gegen Viehzucht zu Felde gezogen sind. Jaenicke, Grünen-Mitglied und „Vielflieger gegen den Klimawandel“, hat mehrere Bücher zu Naturfragen mitverfasst und bewirbt aktuell sein Werk Die große Sauerei, wo er sich gegen „industrielle Massentierhaltung“ wendet. Entsprechende Einlassungen seinerseits über vermeintliche Missstände in der deutschen Landwirtschaft sekundierte du Mont in der Talkshow mit Ausführungen über angebliche Kälbertötungen.

Folge: Ein massiver Shitstorm seitens empörter Landwirte. „War bisher manche Meinungsäußerung aus fachlicher Sicht schon schwer zu ertragen“, heißt es von den Freien Bauern, „so handelt es sich hier nur noch um primitive Hetze gegen unseren Berufsstand.“ Nun hat sich Sky du Mont für seinen „Fehler“ entschuldigt, „Fake News“ verbreitet zu haben. Sowohl er als auch Moderatorin Judith Rakers haben zugesagt, einer Einladung auf je einen Bauernhof zu folgen, um sich vor Ort ein Bild zu machen. Der ARD-Sender reagierte relativierend auf die Kritik und kündigte einen – Vorsicht, festschnallen! – „Faktencheck“ zum Thema an.

Achtung, Interview!

Bleiben wir in der Hansestadt. Annabel Oelmann, die Chefin der Verbraucherzentrale Bremen, erfuhr Kritik, nachdem sie dem Ex-Bild-Chefredakteur Julian Reichelt ein Interview zum Thema Energiepreisanstieg gegeben hatte. Das Interview, das Mitte Oktober im Youtube-Kanal Achtung, Reichelt! ausgestrahlt worden war, hatte zu Ärger im Verwaltungsrat der Verbraucherzentrale geführt. Dabei ging es nicht um die Inhalte, sondern lediglich darum, ob es sich gehöre, sich einem solchen Medium überhaupt für ein Gespräch zur Verfügung zu stellen.

Oelmann bedaure, zitiert Radio Bremen eine interne Verlautbarung des Verwaltungsrats, „dass ihr Interview zu politischen Diskussionen geführt habe. Aus diesem Grund würde sie dieses Interview aus heutiger Sicht nicht mehr geben“. Diese Distanzierung genügte der Verwaltungsratsvorsitzenden Stephanie Dehne, ehemals für die SPD in der Bremer Bürgerschaft, nicht. Dehne kritisierte die „Stimmungmache [sic!]“ in Reichelts „rechtspopulistischem Format“. Sie cancelte sich daraufhin selbst, indem sie aus Protest von ihrem Amt zurücktrat. Auch der Bremer DGB-Funktionär Ernesto Harder (einst SPD-Vorsitzender in Bonn) forderte eine „klare Abgrenzung zu Rechtspopulisten“.

Aus fürs RBB-Verhör

Ebenfalls sich selbst gecancelt hat der Comedian und TV-Moderator Kurt Krömer. Nach Problemen bei der jüngsten Folge seiner Talkshow Chez Krömer ließen er und der Sender RBB verlautbaren, dass es sich dabei auch um die letzte Ausgabe der Sendung handelt. Diese wird mit sofortiger Wirkung eingestellt. Von seinem Gast Faisal Kawusi war er offenbar genervt, nachdem er seinerseits bekannt ruppig mit ihm umgesprungen war und hatte am Ende der Folge seinen Zuschauern mitgeteilt, dass er das Sendekonzept überdenken wolle. Chez Krömer war als eine Art Verhör jeweils eines Gastes aufgebaut, siehe zum Beispiel kürzlich die Folge mit dem eben erwähnten Julian Reichelt.

Im Falle Kawusis ging es um Vorwürfe sexistischer, rassistischer Kommentare und geklauter Gags. Deswegen war der afghanischstämmige Comedian in der Vergangenheit bereits gecancelt worden. Der aus Neukölln stammende Krömer wiederum hatte schon 2019, in der zweiten Staffel der Sendung, Unbehagen an deren Konzept geäußert, nachdem Gast Erika Steinbach ihm Paroli geboten hatte. Die Konstruktionsschwäche von Chez Krömer lag darin, dass Produzent Friedrich Küppersbusch (in den 1990er Jahren Moderator von Zak und Privatfernsehen beim WDR) einen Komiker vorschickte, um politisch krawallige Interviews zu führen.

Was sich bei Hofe nicht geziemt

Lady Susan Hussey hat ihre Funktion als ehrenamtliche Hofdame des britischen Königshauses niedergelegt. Die 83-jährige Taufpatin des Thronfolgers hatte eine Besucherin eines Empfangs im Buckingham-Palast, die schwarze Aktivistin Ngozi Fulani, mit insistierenden Fragen über ihre Herkunft genervt – möglicherweise, weil Fulani Elemente afrikanischer Stammestracht trug. Fulani, deren Eltern einst aus der Karibik nach Großbritannien gekommen waren, machte den Vorfall öffentlich. Der Palast entschuldigte sich für die „inakzeptablen“ Kommentare der Betreffenden (ohne sie namentlich zu nennen) und wies darauf hin, dass für das Personal Vorgaben in Sachen „Diversität und Inklusion“ gelten.

Böse Wörter

Fairytale of New York“, ein etwas anderes Weihnachtslied der Band The Pogues, erregt wegen einzelner Formulierungen seines Textes Anstoß. In einem lyrischen Dialog tauchen die Wörter Slut (Schlampe) und Faggot (Schwuchtel) auf, wobei Letzteres im Kontext des Songs (und womöglich generell in einer irischen Slang-Bedeutung) sich nicht auf einen Homosexuellen bezieht. Ein erster Zensurversuch der BBC kam vor 15 Jahren noch schlecht an, nach diversen Beschwerden in den letzten Jahren sind die britischen Staats-Radiosender der Reihe nach eingeknickt. Welches Vokabulars sich ein besoffener Ire in New York – und um einen solchen dreht sich das Lied – stattdessen befleißigen soll, muss offen bleiben.

Māori-Kulturrevolution

Ausgestoßen wird in Neuseeland zunehmend die Wissenschaft als universelles Vorgehen und Erbe. Im Schulunterricht soll jetzt das Mātauranga Māori, das überlieferte „Wissen“ der Maori, als gleichwertig gelehrt werden. Die Maori gelten als Eingeborene, sind aber selbst Nachfahren von (polynesischen) Siedlern, die im 14. Jahrhundert nach Neuseeland eingewandert sind. Das Anpreisen der Weisheit solcher Volksstämme gehört zum woken und sogenannten postkolonialen Repertoire.

Im naturwissenschaftlichen Unterricht für 13-Jährige gilt einem Lehrplan-Vorschlag des Bildungsministeriums zufolge Wissenschaft nun als „westlich“ und soll auf Augenhöhe mit Māori-Mythen, -Aberglauben und -Erfahrungswissen behandelt werden. Ein Lehrer, der sich aktuell darüber beklagt, bleibt vorsichtshalber anonym, da er um seine beruflichen Aussichten fürchtet.

Not Wellcome

Die große britische Pharma-Stiftung Wellcome Trust hat die Dauerausstellung „Medicine Man“ in ihrem Londoner Medizinmuseum zum Ende des letzten Monats geschlossen. Nach 15 Jahren kam man zu dem Schluss, dass die medizinhistorische Schau „Behinderte, Schwarze, Eingeborene und People of Colour exotisiert, marginalisiert und ausgebeutet“ sowie auf „rassistischen, sexistischen und behindertenfeindlichen Theorien“ basiert habe. Joanna Williams kritisiert in Spiked diesen Akt der Selbstvandalisierung des Museums. Das verantwortliche Stiftungspersonal urteile arrogant über die Vergangenheit und erkenne den Wert der eigenen Ausstellung nicht.

Schwarzer Bildschirm

Der namhafte Hollywood-Regisseur Tim Burton (Batman, Edward mit den Scherenhänden, Planet der Affen, …) sieht sich Rassismus-Vorwürfen ausgesetzt. Ein paar Twitterer nahmen an seiner neuen Netflix-Serie Wednesday Anstoß. Einige unsympathische Rollen seien mit Schwarzen besetzt, und dass die Figur des schwarzen Bürgermeisters in der Serie zugleich als Eigentümer eines Freizeitparks namens „Pilgrim World“ fungiert, wurde wegen der Assoziation mit „kolonisierenden“ weißen Einwanderern ebenfalls als problematisch angesehen.

Auf die Bitte der New York Post um eine Reaktion teilte Burtons Agent mit, er werde derlei „alberne“ Anfragen gar nicht erst an den Regisseur weiterleiten. In der Vergangenheit habe Burton, so ein Vorwurf, zu wenige Rollen mit Schwarzen besetzt. Dies konterte er vor ein paar Jahren mit dem Hinweis, er hätte sich in seiner Jugend auch nicht beschwert, dass in Blaxploitation-Filmen zu wenige Weiße vorgekommen wären. Von politischer Korrektheit in Sachen „diverser“ Besetzungen zeigte er sich wenig begeistert.

Burtons Ex-Frau, die Schauspielerin Helena Bonham Carter, äußerte sich jüngst ebenfalls recht robust zu verwandten Fragen. „Man kann Menschen nicht verbieten. Ich hasse Cancel Culture.“ Sie nahm Joanne K. Rowling gegen „eine Art Hexenjagd“ in Schutz, der die Harry-Potter-Autorin wegen ihrer „transfeindlichen“ Position ausgesetzt ist. Man brauche doch nicht, so Bonham Carter, „in allem einer Meinung sein – das wäre verrückt und langweilig“.

Und so endet der allwöchentliche Überblick des Cancelns, Framens, Empörens, Strafens, Umerziehens, Ausstoßens, Zensierens, Entlassens, Einschüchterns, Moralisierens, Politisierens, Umwälzens und Kulturkämpfens. Bis nächste Woche!

Ein Archiv der Cancel Culture in Deutschland mit Personenregister finden Sie unter www.cancelculture.de. Um auch weniger prominente Betroffene aufnehmen zu können, sind die Betreiber der Webseite auf Hinweise angewiesen. Schreiben Sie ihnen gerne unter [email protected].

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