hat-russland-atomwaffen-in-weissrussland-stationiert?

Hat Russland Atomwaffen in Weißrussland stationiert?

Published On: 20. Dezember 2022 17:49

Am 19. Dezember haben sich der russische Präsident Putin und der weißrussische Präsident Lukaschenko getroffen. Auf der gemeinsamen Pressekonferenz gaben sie aufsehenerregende Erklärungen ab.

Russland empfindet die in Europa gelagerten US-Atomwaffen als Bedrohung und fordert seit Jahrzehnten deren Abzug. Die NATO hat jedoch die sogenannte „nukleare Teilhabe“, bei der zum Beispiel die in Deutschland gelagerten US-Atomwaffen im Kriegsfall von Kampfflugzeugen der Bundeswehr abgeworfen werden sollen. Bisher wurden dafür die Tornados genutzt, nun schafft die Bundeswehr dazu die überteuerte amerikanische F-35 zu einem bisher nicht feststehenden Preis an.

Dieser Einsatz von Atomwaffen in Europa wird sogar alljährlich geprobt, denn jedes Jahr im Herbst veranstaltet die NATO das Manöver „Steadfast Noon“ und trainiert die europäischen Streitkräfte (inklusive der Bundeswehr) im Abwurf von US-Atomwaffen. Das war auch in diesem Jahr der Fall, das Manöver fand trotz der brisanten Lage und trotz russischer Proteste dagegen vom 17. bis 30. Oktober statt.

Die „nukleare Teilhabe“ der NATO verstößt übrigens gegen den Atomwaffensperrvertrag, darauf gehe ich am Ende dieses Artikels ein.

Russland will ein atomwaffenfreies Europa

Russland hat von den USA seit Jahrzehnten gefordert, ihre im Ausland gelagerten Atomwaffen in die USA zu bringen und die „nukleare Teilhabe“ zu beenden. Die USA, die anderen daran beteiligten Staaten (inklusive Deutschland) und die NATO haben die russischen Forderungen immer ignoriert. Russland hat unter Putin keine einzige Atombombe außerhalb seines Staatsgebietes stationiert und generell vorgeschlagen, Europa (einschließlich Russland bis zum Ural) zur atomwaffenfreien Zone zu machen. Zuletzt hat Russland diesen Vorschlag in den gegenseitigen Sicherheitsgarantien wiederholt, die Russland den USA und der NATO im Dezember 2021 unterbreitet hat. In dem Vorschlag an die USA hieß es:

Artikel 6: Die Vertragsparteien verpflichten sich, keine landgestützten Kurz- und Mittelstreckenraketen außerhalb ihres Staatsgebiets sowie in Gebieten ihres Staatsgebiets zu stationieren, von denen aus diese Waffen Ziele im Staatsgebiet der anderen Partei angreifen können.´
Artikel 7: Die Vertragsparteien schließen die Stationierung von Kernwaffen außerhalb ihres Hoheitsgebiets aus und bringen solche Waffen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Vertrags bereits außerhalb ihres Hoheitsgebiets stationiert sind, in ihr Hoheitsgebiet zurück. Die Vertragsparteien beseitigen alle bestehenden Infrastrukturen für die Stationierung von Kernwaffen außerhalb ihres Hoheitsgebiets.“

Russland wollte, dass die US-Atomwaffen aus Europa abgezogen werden und hat auch vorgeschlagen, seine eigenen Atomwaffen hinter den Ural zu verlegen, von wo aus taktische Trägersysteme (also Kurz- und Mittelstreckenraketen) keine Ziele in NATO-Staaten mehr erreichen können. Europa wäre, wenn die USA und die NATO zugestimmt hätten, eine atomwaffenfreie Zone geworden.

Aber Washington und Brüssel haben das abgelehnt.

Die russische Reaktion

Im Zuge der Spannungen, die sich nach der Eskalation in der Ukraine auch rund um Weißrussland (der weißrussische Generalstab wirft der NATO offene Kriegsvorbereitungen vor) aufgebaut haben, hat der weißrussische Präsident Lukaschenko den russischen Präsidenten im Juni darum gebeten, weißrussische Kampfflugzeuge umzurüsten, damit sie mit russischen Atomwaffen bestückt werden können. Putin hat dem seinerzeit angesichts der neuen Situation zugestimmt.

Am 19. Dezember haben sich Putin und Lukaschenko in Minsk getroffen und offensichtlich wurde das umgesetzt. Die Weigerung des Westens, in Europa atomar abzurüsten, hat die russische (und weißrussische) Gegenreaktion hervorgerufen. Putin sagte bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Lukaschenko nach dem Treffen:

„Ich erinner daran, dass im Rahmen der konsequenten Umsetzung der gemeinsamen Militärdoktrin Russlands und Weißrusslands eine gemeinsame militärische Planung stattfindet und eine russisch-weißrussische Militärgruppe funktioniert. Derzeit führen wir auf weißrussischem Gebiet Übungen zur Integration der Verbände und militärischen Einheiten unserer Länder durch. Ein gemeinsames Luftabwehrsystem wurde eingerichtet und ist in Bereitschaft. (…) Ich denke, es ist möglich, die Vorschläge des weißrussischen Präsidenten zur Ausbildung der Besatzungen von Kampfflugzeugen der weißrussischen Armee, die bereits für den möglichen Einsatz von luftgestützter Munition mit Spezialsprengköpfen umgerüstet wurden, weiter umzusetzen. Ich möchte betonen, dass diese Form der Zusammenarbeit nicht unsere Erfindung ist. Die USA beispielsweise führen seit Jahrzehnten ähnliche Aktivitäten mit ihren Verbündeten innerhalb des NATO-Bündnisses durch.“

Man muss kein Experte sein, um zu verstehen, was Putin mit „Spezialsprengköpfen“ meint, denn gemeint sind Atomwaffen. Dass Russland nicht darüber begeistert ist, Atomwaffen in Weißrussland zu stationieren, sondern sich aufgrund des Verhaltens des Westens dazu gezwungen sieht, merkt man daran, dass Russland trotz der „nuklearen Teilhabe“ der NATO mit diesem Schritt so viele Jahre gewartet hat und dass Putin dazu gesagt hat:

„Ich möchte betonen, dass diese Form der Zusammenarbeit nicht unsere Erfindung ist. Die USA beispielsweise führen seit Jahrzehnten ähnliche Aktivitäten mit ihren Verbündeten innerhalb des NATO-Bündnisses durch.“

Russland hat bis zuletzt an der Einhaltung des Atomwaffensperrvertrages festgehalten, obwohl der Westen den Vertrag zu keinem Zeitpunkt eingehalten hat, wie wir gleich noch sehen werden.

Modernste russische Waffen in Weißrussland

Der weißrussische Präsident Lukaschenko hat zu dem Thema noch hinzugefügt:

„Heute haben wir die S-400, die Sie an Weißrussland übergeben haben, und vor allem die Iskander, die Sie uns vor sechs Monaten ebenfalls versprochen haben, in den Kampfbereitschaft gebracht.“

Die S-400 ist das derzeit weltweit modernste Luftabwehrsystem. Diese hochmoderne russische Luftabwehr schützt nun den weißrussischen Luftraum.

Noch wichtiger ist der Hinweis auf die Iskander, denn das ist ein mobiles Raketensystem, das sowohl ballistische Kurzstreckenraketen als auch Marschflugkörper, beide mit einer Reichweite von bis zu 500 Kilometern, transportieren und starten kann. Diese Raketen können auch Atomwaffen tragen, womit sich die Frage stellt, ob die nach Weißrussland gelieferten Iskander mit Atomwaffen bestückt sind. Das wäre eine nicht überraschende Reaktion auf die Stationierung der „US-Raketenabwehr“ in Polen, bei der es sich in Wahrheit nicht um eine Raketenabwehr, sondern um ein offensives System handelt, das Russland mit Atomwaffen angreifen kann, Details dazu finden Sie hier.

Modernisierung der US-Atombomben in Europa

Es ist faszinierend, wie hartnäckig und konsequent deutsche „Qualitätsmedien“ verschweigen, dass die USA gerade mit Hochdruck ihre in Deutschland und Europa stationierten Atombomben modernisieren. Bei diesen Bomben handelt es sich um den Typ B61, die durch die neuen Atombomben vom Typ B61-12 ersetzt werden sollen. Das ist nichts Neues, neu ist nur, dass die USA diesen Prozess beschleunigt haben und bis Ende des Jahres abschließen wollen.

Wer den Suchbegriff „B61-12“ googelt, der findet darüber auf Deutsch lediglich in alternativen Medien Artikel, die Mainstreammedien verschweigen das komplett. Unwissenheit kann nicht der Grund sein, denn in den USA wird darüber ausführlich berichtet. Der Grund ist ganz offensichtlich, dass die Menschen in Deutschland davon nichts erfahren sollen.

Die USA haben etwa 100 Atombomben dieser Typen in Europa stationiert, die in Büchel (Deutschland), Kleine Brogel (Belgien), Volkel (Niederlande), Ghedi, Aviano (Italien) und İncirlik (Türkei) lagern. Die B61-12 können mit den bisher dafür vorgesehenen Kampfjets an ihr Einsatzziel geflogen werden.

Der Atomwaffensperrvertrag

Wie eingangs versprochen, kommen wir nun zum Atomwaffensperrvertrag. In dem Vertrag ist geregelt, dass die Atommächte ihre Atomwaffen nicht an Nicht-Atommächte weitergeben, und es ist darin geregelt, dass Nicht-Atommächte keine Anstrengungen unternehmen, über Atomwaffen zu verfügen. In den Artikeln 1 und 2 des Atomwaffensperrvertrages heißt es ganz deutlich und unmissverständlich:

„Artikel I
Jeder Kernwaffenstaat, der Vertragspartei ist, verpflichtet sich, Kernwaffen und sonstige Kernsprengkörper oder die Verfügungsgewalt darüber an niemanden unmittelbar oder mittelbar weiterzugeben und einen Nichtkernwaffenstaat weder zu unterstützen noch zu ermutigen noch zu veranlassen, Kernwaffen oder sonstige Kernsprengkörper herzustellen oder sonstwie zu erwerben oder die Verfügungsgewalt darüber zu erlangen.
Artikel II
Jeder Nichtkernwaffenstaat, der Vertragspartei ist, verpflichtet sich, Kernwaffen oder sonstige Kernsprengkörper oder die Verfügungsgewalt darüber von niemandem unmittelbar oder mittelbar anzunehmen, Kernwaffen oder sonstige Kernsprengkörper weder herzustellen noch sonstwie zu erwerben und keine Unterstützung zur Herstellung von Kernwaffen oder sonstigen Kernsprengkörpern zu suchen oder anzunehmen.“

In der NATO gibt es aber trotzdem sogenannte „nukleare Teilhabe“, nach der zum Beispiel Kampfflugzeuge der Bundeswehr mit US-Atomwaffen bewaffnet werden können und diese im Kriegsfall auch einsetzen sollen. Das ist ein klarer Verstoß gegen den Atomwaffensperrvertrag, denn wenn die USA ihre in Deutschland gelagerten Atomwaffen im Kriegsfall an die Bundeswehr weitergeben, verstoßen die USA gegen den Atomwaffensperrvertrag. Und wenn die Bundeswehr sie annimmt und an ihre Flugzeuge hängt, verstößt Deutschland gegen den Atomwaffensperrvertrag. Wenn es um das Thema der nuklearen Teilhabe geht, verschweigen westliche Medien diesen Bruch dieses so wichtigen internationalen Vertrages konsequent.

Dass Russland, nachdem es gegen diesen Vertragsbruch der NATO jahrzehntelang nur protestiert hat, nun beschlossen hat, es der NATO gleichzutun und die weißrussische Luftwaffe im Abwurf von russischen Atomwaffen auszubilden, zeigt, wie besorgt Russland wegen der aggressiven Politik des Westens ist.

So weit hätte es nicht kommen brauchen, denn der Westen hätte sich nur bereit erklären müssen, mit Russland über die im Dezember vorgeschlagenen gegenseitigen Sicherheitsgarantien zu verhandeln. Dazu war der Westen bekanntlich nicht bereit und die gefährlichen Folgen erleben wir gerade.