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Kritischem Journalisten drohen in Lettland 20 Jahre Haft

Published On: 7. Januar 2023 13:48

In Lettland wurde der Chefredakteur von Sputnik Litauen verhaftet. Ihm drohen bis zu 20 Jahre Haft. Das geht sogar der Europäischen Journalistenföderation zu weit und sie hat protestiert.

Die EU steht angeblich für Presse- und Meinungsfreiheit und die baltischen Staaten sind bekanntlich EU-Mitglieder. Aber mit der Pressefreiheit haben die baltischen Staaten ein Problem, das nicht erst seit der russischen Intervention in der Ukraine besteht. Obwohl es dort sehr große russische Minderheiten gibt, wurden russisch-sprachige Medien dort schon lange vor dem 24. Februar 2022 unter Druck gesetzt und verboten.

Nur ein Beispiel: Estland hat 2019 abgefangen, gegen die russische Nachrichtenagentur Sputnik vorzugehen, was Ende Dezember 2019 darin gipfelte, dass Estland allen Journalisten, die für Sputnik Estland gearbeitet haben, ultimativ aufgefordert hat, bis zum 1. Januar 2020 zu kündigen, ansonsten würden Strafverfahren gegen sie eingeleitet.

Als Argumentation wurde herangezogen, dass der Chef der russischen staatlichen Medienholding „Russia Today“, Dimitri Kiselyev, auf der Sanktionsliste der EU steht. Und wer für jemanden arbeitet, der auf der Sanktionsliste steht, verstößt gegen EU-Sanktionen und das kann demnach eine Straftat sein. Die estnische Polizei hat am 18. Dezember 2019 angekündigt, Strafverfahren gegen jeden Journalisten von Sputnik in Estland zu eröffnen, der nicht bis zum 1. Januar 2020 gekündigt hat.

Man stelle sich das einmal umgekehrt vor: Russland würde Sanktionen gegen den Chefredakteur der ARD-Nachrichtenredaktion verhängen und dann den Mitarbeitern des ARD-Büros in Moskau mit Strafverfahren drohen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Wochen kündigen. Das ist schlicht unvorstellbar, die deutschen Medien würden Zeter und Mordio schreien. Aber als Estland das mit russischen Medien gemacht hat, haben die deutschen „Qualitätsmedien“ nicht einmal darüber berichtet.

Das war nur ein Beispiel, die Liste der Repressionen gegen russische oder russisch-sprachige Journalisten im Baltikum ist lang.

Chefredakteur von Sputnik Litauen verhaftet

Marat Kassem, lettischer Staatsbürger und Chefredakteur von Sputnik Litauen, wurde am 5. Januar verhaftet. Nach Angaben seiner Anwältin werden Kassem Spionage und Umgehung von EU-Sanktionen gegen Russland zur Last gelegt, wobei sie bisher keine Akteneinsicht bekommen hat. Wogegen genau er wie verstoßen haben soll, bleibt ein Mysterium. Bekannt ist nur, dass dem Journalisten bis zu 20 Jahre Gefängnis drohen.

Die Europäische Journalistenföderation (EJF) steht nicht in dem Verdacht, pro-russisch zu sein, vielmehr die EJF ein Europäischer Gewerkschaftsverband mit Sitz in Brüssel, sie ist die europäische Regionalstruktur der Internationalen Journalisten-Föderation und vertritt 320.000 Journalisten in 70 Mitgliedsorganisationen in 44 Ländern. Deutsche Mitglieder der EJF sind die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) von ver.di und der Deutsche Journalisten-Verband.

Die offensichtlich willkürliche Verhaftung von Kassem ist sogar dem EJF zu viel. Ihr Generalsekretär Ricardo Gutiérrez erklärte:

„Uns sind keine Beweise bekannt, die eine Inhaftierung rechtfertigen würden. Wir glauben daher, dass die Inhaftierung willkürlich und ungerechtfertigt ist. Dies bedeutet eine Verletzung von Artikel 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention.“

Einschüchterung von Journalisten

Ganz offenbar will Lettland kritische Journalisten einschüchtern und statuiert ein Exempel an Kassem. Da die anderen baltischen Staaten in der Vergangenheit nachgezogen haben, wenn einer der Staaten die Pressefreiheit eingeschränkt, Medien und Fernsehsender verboten und Journalisten eingeschüchtert hat, dürfte die Einschüchterung auch in Estland und Litauen wirken.

Dass die EU gegen diese Einschüchterung von Journalisten nicht protestiert, ist nicht überraschend. Aber auch die OSZE, eine angeblich neutrale Organisation, die sich unter anderem den Schutz der Pressefreiheit auf die Fahnen geschrieben hat, hat trotz russischer Proteste gegen die willkürliche Verhaftung von Kassem bisher nicht reagiert.

Ob die OSZE auch so schweigsam wäre, wenn der Chef des ARD-Büros Moskau verhaftet worden wäre?


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