berlin-genehmigt-die-lieferung-von-leoparden:-die-ereignisse-des-24.-januarBerlin genehmigt die Lieferung von Leoparden: Die Ereignisse des 24. Januar
wie-geht-es-mit-dem-nato-beitritt-von-schweden-und-finnland-weiter?Wie geht es mit dem NATO-Beitritt von Schweden und Finnland weiter?
die-probleme-in-den-deutsch-franzoesischen-beziehungen

Die Probleme in den deutsch-französischen Beziehungen

Published On: 25. Januar 2023 4:00

Die Schwierigkeiten in den Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich werden auch in Russland aufmerksam beobachtet.

Die Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich sind so schwierig, wie seit Jahrzehnten nicht. Die beiden Länder galten früher als „Motor der europäischen Einigung“ und zusammen haben sie jahrzehntelang die EU dominiert. Die Freundschaft zwischen Kanzler Schmidt und dem französischen Präsidenten Giscard d’Estaing war legendär. Berühmt waren auch die Bilder vom Händchenhalten von Kohl und Mitterand. Schröder und Chirac waren Gegner des US-Krieges gegen den Irak und hätten fast eine europäisch-russische Annäherung hinbekommen. Unter Merkel und Sarkozy wurde sogar der Begriff „Merkozy“ geprägt.

Heute hingegen ist das deutsch-französische Verhältnis stark abgekühlt. Darüber hat die russische Nachrichtenagentur TASS eine Analyse veröffentlicht, die ich übersetzt habe, um zu zeigen, wie das Thema in Russland gesehen wird.

Beginn der Übersetzung:

Das Tandem Paris-Berlin: Können die Beziehungen neu gestartet werden?

Dmitry Gorochow, Leiter von TASS Frankreich, über das, was die beiden wichtigsten EU-Länder eint und trennt

Frankreich und Deutschland wählten die Sorbonne in Paris für den Festakt zum 60. Jahrestag des Elysée-Vertrags am Sonntag. Die Feierlichkeiten in Paris dauerten einen ganzen Tag und umfassten neben einem Prolog an der Sorbonne auch Sitzungen des deutsch-französischen Ministerrats und des bilateralen Verteidigungsrats im Elysee-Palast sowie eine gemeinsame parlamentarische Sondersitzung in der Residenz der Nationalversammlung über der Seine.

Bei den Feierlichkeiten geizten die Seiten nicht mit schönen Worten. Bundeskanzler Olaf Scholz sprach von „brüderlichen Beziehungen“, nannte Frankreich Deutschlands „engsten Freund“ und das Tandem Paris-Berlin „die Lokomotive des vereinten Europas“. Der deutsche Gast zitierte auch bereitwillig die Worte des französischen Präsidenten Emmanuel Macron über die „europäische Souveränität“. Der Gastgeber des Treffens hat sich auch für das Projekt eines „vereinten Europas, das sein Schicksal selbst in die Hand nimmt“, ausgesprochen.

Nach dem Festakt in der ältesten Universität der Hauptstadt machte sich der deutsch-französische Ministerrat, der zum 23. Mal seit seiner Gründung tagte, an die schwierigere Aufgabe, die Worte der neuen Verpflichtungen zu übersetzen. In ihrer Bewertung der Ergebnisse des Gipfels, dessen Arbeit hinter verschlossenen Türen stattfand, bezeichnete die Zeitung Le Monde die Annäherung zwischen Paris und Berlin als „eine optische Täuschung“.

Der Experte für die bilateralen Beziehungen Guy Moghi ist der Ansicht, dass die schwierige innenpolitische Lage bei der Bewertung der Aussichten für ein gemeinsames Vorgehen von Paris und Berlin nicht außer Acht gelassen werden darf. In Frankreich muss sich das Kabinett damit abfinden, dass es in der Nationalversammlung, dem Unterhaus des Parlaments, nicht über eine absolute Mehrheit verfügt. In der BRD hingegen erfordert die Tätigkeit der Drei-Parteien-Koalition ständig intensive interne Verhandlungen.

Die Zeitung stellt fest, dass das Treffen des deutsch-französischen Ministerrats, das in den letzten Monaten zweimal verschoben wurde, keine neuen Entscheidungen gebracht hat. Die relative Zurückhaltung von Paris und Berlin in militärischen Fragen und das aktive Engagement der USA an der Seite der Ukraine „verteilen die Karten in der Machtbalance auf dem Kontinent neu“, so der Bericht.

Beobachter merkten an, dass Macron und Scholz sich ausweichend zu den Aussichten für die von Kiew geforderten Panzerlieferungen geäußert haben. Der französische Präsident erklärte zwar, dass „nichts ausgeschlossen ist“, betonte jedoch, dass Waffenlieferungen „nicht zu einer Eskalation führen dürfen“. Sein deutscher Amtskollege war, wie französische Beobachter feststellten, noch vorsichtiger und parierte die Frage mit dem Satz, dass Deutschland „seit Beginn des Konflikts die militärische Hilfe aufgestockt und alle Entscheidungen mit seinen Verbündeten koordiniert hat.“ (Anm. d. Übers.: Das haben die beiden zwar vor wenigen Tagen gesagt, allerdings ist das inzwischen nicht mehr aktuell, nachdem Scholz die Lieferung von Leopard-2-Panzern an Kiew genehmigt hat)

Seit dem Ausbruch des Ukraine-Konflikts, so Le Figaro in seinem Kommentar, akzeptieren die mittel- und osteuropäischen Länder „die führende Rolle des deutsch-französischen Tandems nicht mehr.“ Der Zeitung zufolge hängt diese Position der Osteuropäer mit „dem Zögern von Paris und Berlin, Kiew zu unterstützen, sowie dem Wunsch des Tandems, den Dialog mit Moskau aufrechtzuerhalten“ zusammen.

Gleichzeitig haben sich die Meinungsverschiedenheiten innerhalb des Tandems selbst vertieft. Seine Mitglieder hatten schon früher Streit, aber jetzt hat die Presse versucht, die gegenseitigen Missstände so weit wie möglich hervorzuheben. „Je t’aime, moi non plus“ („Ich liebe dich, ich liebe dich auch… nicht“) – der Titel des berühmten Liedes des Duos Serge Gainsbourg und Jane Birkin wurde von der französischen Zeitschrift L’Express entlehnt, um die aktuellen Beziehungen im Tandem Paris – Berlin zu beschreiben.


Historischer Hintergrund
Der Elysée-Vertrag wurde am 22. Januar 1963 vom französischen Staatspräsidenten General Charles de Gaulle und Bundeskanzler Konrad Adenauer unterzeichnet, um die deutsch-französische Aussöhnung zu festigen. Er sollte die Grundlage für eine neue Zusammenarbeit in den Bereichen Verteidigung, Außenpolitik, Wirtschaft und Kultur bilden.
Im Frühjahr desselben Jahres griff der Bundestag in den Prozess ein. Wie der französische Historiker François Kersaudy in seinem Buch („Le Monde selon de Gaulle“) über de Gaulle feststellt, fügten die deutschen Gesetzgeber eine Präambel hinzu, die dem Abkommen seinen ursprünglichen Sinn weitgehend nahm. Nach der Vorstellung des Bundestages sollte der Vertrag die Beziehungen Europas zu den USA und die gemeinsame Verteidigung innerhalb der NATO nicht beeinträchtigen.
De Gaulle sah darin eine Folge des amerikanischen Einflusses und bemerkte dem Historiker zufolge im kleinen Kreis, dass „die USA versuchen, den Vertrag seines Inhalts zu berauben und eine leere Hülle zu hinterlassen.“ Er beklagte auch, dass „deutsche Politiker Angst haben, sich nicht genug vor den Angelsachsen zu verbeugen.“ „Sie verdienen es, dass wir den Vertrag aufkündigen und die Allianzen neu gestalten, indem wir uns mit den Russen einigen“, sagte der französische Staatschef laut Kersaudys Aussage zu seinen Mitarbeitern.


In den wirtschaftlichen Beziehungen waren die beiden Seiten erfolgreicher. In der EU sind Frankreich und Deutschland die industriell und technologisch stärksten Staaten. Ihr gegenseitiges Handelsvolumen erreichte im Jahr 2021 165 Milliarden Euro und stieg in den ersten 11 Monaten des Jahres 2022 um weitere 13 Prozent.

Am Ende des gesamten letzten Jahres sollte Frankreich Deutschlands Handelspartner Nummer eins werden. Höhere Preise für Transporte nach dem Höhepunkt der Coronavirus-Pandemie und steigende Energiepreise haben die geografische Nähe von Abnehmern und Lieferanten besonders wichtig gemacht. Die Dynamik der Handelsströme führt jedoch nicht dazu, dass das Ungleichgewicht beseitigt wird.

„Frankreich ist mehr von Deutschland abhängig als umgekehrt“, schrieb der französische Wirtschaftswissenschaftler Charles-Henri Colombier in der Wirtschaftszeitung Les Echos. Nach den französischen Zahlen für die 12 Monate bis November 2022 betrug das Außenhandelsdefizit Frankreichs gegenüber Deutschland 12 Milliarden Euro.

Im wirtschaftlichen Bereich war Frankreich beispielsweise mit dem 200-Milliarden-Euro-Plan Berlins zur Unterstützung deutscher Unternehmen nicht einverstanden. Enttäuscht war man in Frankreich auch darüber, dass die deutschen Partner auf den Kauf von Rüstungsgütern aus den USA und nicht von ihren europäischen Nachbarn setzen.

Im Hinblick auf die transatlantischen Beziehungen wandte sich Paris aktiv gegen den protektionistischen „Inflation Reduction Act“, der im Sommer in den USA verabschiedet wurde, und schlug vor, dass in der EU eine „Made in Europe“-Strategie entwickelt werden sollte, um ein Gegengewicht zu dieser Gesetzgebung zu schaffen. Frankreich möchte ein europäisches Gesetz erreichen, dass die Regeln für staatliche Beihilfen vereinfacht und europäische Mittel für industrielle Investitionen in Zukunftsbranchen mobilisiert. Doch dafür braucht Paris die Unterstützung Berlins. Deutschland hingegen scheint im Gegensatz zu Frankreich nicht bereit zu sein, die Schaffung neuer Fonds zur Finanzierung der Industriepolitik zu unterstützen. Über das Projekt, das bei den EU-Verhandlungen am 9. und 10. Februar (beim geplanten EU-Gipfel) auf dem Tisch liegen sollte, herrscht immer noch Uneinigkeit.

Verschobene Starts

Im Bereich der Sicherheit ist man in Paris, wie ich bereits erwähnt habe, enttäuscht, dass Berlins militärische Ausrüstung eher von den USA als von Frankreich kauft. Nach Ansicht von Paris entspricht das in keiner Weise den Zielen der „strategischen Autonomie für Europa“, die in den Beschlüssen der EU verankert ist.

In der Raumfahrtindustrie sind die Partner besorgt über Probleme beim Start der Ariane-Rakete, dem Lieblingsprojekt des deutsch-französischen Paares. Im vergangenen Herbst wurde der erste Start der Ariane 6 erneut verschoben und wird voraussichtlich nicht vor Ende dieses Jahres stattfinden. Inzwischen arbeiten die französische Ariane-Gruppe und die Europäische Weltraumorganisation seit etwa einem Jahrzehnt an dem Projekt.

Auch im Energiesektor gehen die Länder unterschiedliche Wege. Frankreich setzt auf Kernenergie, während Deutschland sich seit langem für erneuerbare Energien einsetzt und bereits erklärt hat, dass es schrittweise aus dem Betrieb von Kernkraftwerken aussteigen wird. Darüber hinaus verdächtigt Frankreich seine rheinischen Kollegen, den Industriekonzern Electricite de France (EDF, 46 Mrd. Euro Kapital) zerschlagen zu wollen, wie man hinter vorgehaltener Hand hört. In Deutschland wird das französische Unternehmen als ein zu mächtiges Instrument im Wettbewerb angesehen.

Lost in Translation

Auch auf sprachlicher Ebene gibt es Probleme mit dem gegenseitigen Verständnis. An deutschen Schulen entscheiden sich nach offiziellen Angaben nur noch 15,3 Prozent der Schüler für Französisch als Fremdsprache. Das ist das niedrigste Ergebnis seit mehr als einem Vierteljahrhundert. Die Sprache von Moliere steht jedoch im deutschen Bildungswesen nach Englisch (82 Prozent) an zweiter Stelle, noch vor Latein und Spanisch. Französisch ist in den an Frankreich angrenzenden Bundesländern am beliebtesten.

An französischen Schulen ist ein ähnlicher Rückgang des Interesses an der deutschen Sprache zu beobachten. Die Zahl der Deutsch lernenden Schüler ist in Frankreich seit Mitte der 1990er Jahre von 600.000 auf 147.000 gesunken.

Wird die von Präsident Macron bei den Feierlichkeiten geäußerte Initiative dazu beitragen, das gegenseitige Interesse und die Kommunikation zwischen jungen Menschen zu fördern? Er versprach ein spezielles kostenloses Bahnticket für junge Menschen aus beiden Ländern. Es soll in diesem Sommer anlässlich des 60. Jahrestages des Staatsvertrages verteilt werden.

Ende der Übersetzung


In meinem neuen Buch „„Putins Plan – Mit Europa und den USA endet die Welt nicht – Wie das westliche System gerade selbst zerstört ““ gehe ich der der Frage, worum es in dem Endkampf der Systeme – den wir gerade erleben – wirklich geht. Wir erleben nichts weniger als den Kampf zweier Systeme, in dem Vladimir Putin der Welt eine Alternative zum neoliberalen Globalismus anbietet. Wurden die Bürger im Westen gefragt, ob sie all das wollen, ob sie zu Gunsten des neoliberalen Globalismus auf ihren Wohlstand und ihre Freiheiten verzichten wollen?

Das Buch ist aktuell erschienen und ausschließlich hier direkt über den J.K. Fischer Verlag bestellbar.

Hier geht es zum neuen Buch

berlin-genehmigt-die-lieferung-von-leoparden:-die-ereignisse-des-24.-januarBerlin genehmigt die Lieferung von Leoparden: Die Ereignisse des 24. Januar
wie-geht-es-mit-dem-nato-beitritt-von-schweden-und-finnland-weiter?Wie geht es mit dem NATO-Beitritt von Schweden und Finnland weiter?