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Förderten Coronamaßnahmen die Ausbreitung der Syphilis in Japan?

Published On: 2. Februar 2023 16:00

Auf den ersten Blick wird wohl niemand in den Corona-Maßnahmen eine Ursache für die Zunahme der Syphilisfälle erkennen. Auf den zweiten Blick sieht das aber anders aus. 

In Japan stieg die Infektionszahl bei Syphilis auf über 13.000 Fälle im Jahr 2022. Angesichts einer Bevölkerungszahl von 125 Millionen keine erschreckend hohe Zahl, doch das Niveau lag in den letzten Jahrzehnten viel tiefer. Erst in jüngster Zeit wurde ein starker Anstieg verzeichnet, und zwar auf jährlich mehrere tausend Infektionen. Es ist dies ein Trend, der sich ebenso in den USA und anderen westlichen Industriestaaten beobachten lässt. In Japan wurde damit aber ein Höhepunkt erreicht, der die Gesundheitsbehörden alarmiert. So wie überall auf der Welt, schien es auch in Japan seit 2020 außer Corona und Covid-19 keine anderen Krankheiten mehr zu geben. Die Ansteckungszahlen bei Corona sollten um jeden Preis gesenkt werden, die Zunahme anderer Erkrankungen wurde dafür in Kauf genommen.

Syphilis, Japanisch: 梅毒-Baidoku (Deutsch: Pflaumengift), ist seit dem 16. Jahrhundert in Japan bekannt. Nur wenige Jahre nach dem Ausbruch in Europa kam es 1512 auch in Japan zu einer Epidemie, wobei die Lustseuche von chinesischen Händlern eingeschleppt worden sein soll. Darüber, wie weit Syphilis in den Jahrhunderten danach in Japan verbreitet war, gibt es keine verlässlichen Daten, Die Ansteckungszahlen sollen relativ hoch gewesen sein, da die Prostitution im alten Japan sehr verbreitet war. Die Symptome verschiedener venerischer Krankheiten sind jedoch ähnlich, daher lassen sich zum Anteil der Syphilis keine genauen Angaben machen. 

Im heutigen Japan scheint der Krankheitsbefund Baidoku keinen niederschmetternden Klang zu haben, denn mancher Infizierte, dem nach einer Untersuchung die Diagnose mitgeteilt wird, hört im Krankenhaus das Wort zum ersten Mal. Das liegt vielleicht auch daran, dass sich Syphilis heute mit den Mitteln der modernen Medizin einfach kurieren lässt. Die Erkrankung bringt zwar Unannehmlichkeiten mit sich, hat aber ihren Schrecken verloren. Es waren im Japan der Neuzeit einige Mediziner an der Forschung zur Syphilis und der Entwicklung von Heilmethoden beteiligt. Doch erst ab Mitte des 20. Jahrhunderts setzte sich die Behandlung der Geschlechtskrankheit mit Penicillin durch. 

Nach dem Zweiten Weltkrieg im Jahr 1949 waren 180.000 Fälle von Syphiliserkrankungen in Japan registriert worden. Das waren andere Dimensionen als heute, doch danach sanken die Zahlen bis in die 90er Jahre und pendelten sich auf ein niedriges Niveau von rund 500 Fällen pro Jahr ein. Erst ab 2010 stiegen die Infektionszahlen wieder an, und eine Trendwende ist nicht in Sicht. Das japanische Gesundheitssystem scheint damit überfordert zu sein.

Unter dem Radar

Dafür gibt es mehrere Gründe. Ein wesentlicher ist, dass Syphilis quasi mit einem Tabu belegt ist. Über die Krankheit will kein Infizierter sprechen, weil sie allen peinlich ist. So beliebt alle möglichen Krankheiten als Gesprächsthema sind – jeder erzählt freimütig, ob er schon Covid hatte oder nicht – über Geschlechtskrankheiten schweigt man sich dagegen aus. Daher bleibt die Krankheit im öffentlichen Bewusstsein unter dem Radar. 

Ein weiterer Grund ist, dass in nicht wenig Fällen die Betroffenen entweder keine Symptome bemerken, oder sie ihnen so harmlos erscheinen, dass sie nicht darauf reagieren. Völlig sorglos werden die Leute, wenn die ersten Symptome nach einiger Zeit wieder verschwinden. Selbst in Fällen, wo manche einen ganz konkreten Verdacht hegen, sich eine Geschlechtskrankheit zugezogen zu haben, beschwichtigen sie sich selbst und meinen, dass es schon nicht so schlimm sein würde. 

Obwohl Syphilis in der Frühphase mit nur einer Injektion behandelt werden kann, geht nur etwa die Hälfte derer, die eindeutige Symptome an sich feststellen, deswegen zum Arzt. Der Rest googelt sich auf der Suche nach Informationen durchs Internet und besorgt sich in manchen Fällen dubiose Arzneien auf demselben Weg. Im persönlichen Umfeld schweigen sie darüber, entweder aus Scham oder wegen eines schlechten Gewissens. Nur rund 20 Prozent teilen die Befürchtung, sich angesteckt zu haben, ihrem Partner oder ihrer Partnerin mit, was im Umkehrschluss bedeutet, dass 80 Prozent nichts sagen. 

Diese Geheimniskrämerei schaukelt in manchen Fällen das Problem noch hoch. Selbst wenn ein Betroffener sich doch in Behandlung begibt und nach einigen Wochen auskuriert ist, kann es sein, dass er, bevor er zum Arzt ging, seine Partnerin infiziert hat. Dies führt zu einem Pingpong-Effekt, denn wenn die Partnerin nichts davon bemerkt hat, steckt sie ihn ihrerseits wieder an. Noch gefährlicher ist es, wenn die infizierte Partnerin schwanger wird. Dann kann es passieren, dass sie die Krankeit während der Schwangerschaft oder bei der Geburt auf ihr Kind überträgt, was schwere Komplikationen und eine aufwändige Behandlung des Neugeborenen nach sich zieht. 

Am schlimmsten sind jedoch die Fälle, wo eine Ansteckung mit Syphilis erst nach mehreren Jahren diagnostiziert wird. Dann kann die Krankheit bereits innere Organe angegriffen haben. Problemverschärfend kommt hinzu, dass in Japan die Verwendung von Kondomen nicht allgemein üblich ist. All dies trägt dazu bei, dass die Ausbreitung von Geschlechtskrankheiten schwer in den Griff zu bekommen ist.

Der Gesundheitsfürsorge wenig dienlich

Vor rund zehn Jahren wurde in Japan vor einer Tripper-Variante gewarnt, die sich als kaum behandelbar erwiesen hat. Damals entdeckte man antibiotikaresistente Gonorrhoe-Bakterien, die Tripper auslösen können, und auch auf Gonokokken wurde man aufmerksam, gegen die Antibiotika weitgehend wirkungslos sind. 

Danach schlief das Thema Geschlechtskrankheiten in den Medien wieder ein und man hörte lange nichts mehr davon. Erst als kürzlich die weltweite Diskussion über Affenpocken aufkam, geriet eine sexuell übertragbare Krankheit wieder in die Schlagzeilen. Es wurde aber auch in Japan ein Geheimnis darum gemacht, dass sich vor allem Homosexuelle damit anstecken. Aus demselben Grund hört man in Japan auch so gut wie nichts mehr über die Gefahren von HIV/Aids. Denn dabei käme man nicht umhin, das riskante Sexualverhalten in schwulen Communities anzusprechen, es soll aber kein Schatten auf das queere Glamour-Image fallen, Die LGBTQ-Fraktion tritt zwar in Japan nicht so laut und penetrant auf wie in den USA und in Westeuropa, aber sie ist im Kommen, und ihr Einfluss wird größer. 

Es war schon immer so, dass bestimmte Krankheitsrisiken mit dem Lebensstil korrelierten und einzelne Gruppen besonders davon betroffen waren. Diese Tatsache nicht zur Kenntnis zu nehmen, ist der Gesundheitsvorsorge wenig dienlich. Auch bei der Syphilis spielen nämlich riskantes Sexualverhalten, Verzicht auf Kondome und häufig wechselnde Geschlechtspartner eine entscheidende Rolle. Bei diesem Thema befürchten die Medien aber, keine politische Unkorrektheit zu begehen, da bezüglich Ansteckung Männer, Frauen und Diverse angeblich in gleicher Weise gefährdet sind. 

Ungleich verteiltes Risiko

Doch auch hier ist das Risiko bei bestimmten Bevölkerungsgruppen ungleich verteilt. Es sind vor allem junge Leute in ihren Zwanzigern oder Dreißigern davon betroffen. Aus Statistiken geht hervor, dass bei knapp 30 Prozent der Männer, aber fast bei 70 Prozent der Frauen die Ansteckung mit Syphilis nicht bei Gelegenheitssex, sondern in einer festen Partnerschaft erfolgte. Die traurige Wahrheit dahinter ist die, dass der vermeintlich treue Partner fremdgegangen ist und sich dabei angesteckt hat. 

70 Prozent der jüngeren Männer haben sich bei One-Night-Stands oder bei anderen sexuellen Abenteuern mit flüchtigen Bekanntschaften infiziert. Ein Drittel bei Frauen, die Arbeits-, Studienkolleginnen und ähnliches waren. Ein weiteres Drittel steckte sich in Sexclubs an und noch ein Drittel bei Internetbekanntschaften, die sie über soziale Medien, zum Beispiel bei Dating-Plattformen gemacht hatten. Bei der älteren Generationen sieht das Bild anders aus, Männer in den Vierzigern und Fünzigern holten sich die Krankheit zum Großteil bei Kontakten in Sexclubs.

Eine Frage ist nun: Gab es in den letzten Jahren Entwicklungen, die darauf Einfluss hatten? Auf den ersten Blick wird niemand in den Corona-Maßnahmen eine Ursache für die Zunahme der Syphilisfälle sehen. Auf den zweiten Blick sieht die Sache aber anders aus. In Japan gab es zwar keine flächendeckenden Lockdowns wie in vielen Ländern Europas, regional wurden jedoch mehrmals Clubs und einschlägige Etablissements in Gegenden, wo die Inzidenzen anstiegen, für Wochen geschlossen. Dies betraf vor allem große Städte wie Tokyo und Osaka, und verblüffenderweise sanken dort zwar die Infektionszahlen mit Corona, die der Syphilis stiegen dagegen an. 

Wer nicht mehr in Bars gehen kann, kommt nicht mehr mit Bardamen zusammen, kann sich daher weder mit Corona noch mit Syphilis anstecken, sollte man meinen. Der Einfluss der Einschränkungen auf eine erhöhte Infektionsrate mit Syphilis könnte aber darin bestanden haben, dass nicht wenige Leute auf andere Gelegenheiten auswichen. 

Kontaktvermeidung zu anderen Menschen?

Seit Anfang 2020 sanken die Chancen, zwanglos mit dem anderen Geschlecht in Berührung zu kommen, auf null. Überall wurde appelliert, zu Hause zu bleiben und persönliche Kontakte zu anderen Menschen zu meiden. Zuerst genügte dazu das Schüren von Ängsten, dann stieg der soziale Druck, und am Ende standen offizielle Verbote. 

Die Kontakte im Arbeitsleben wurden sukzessive eingeschränkt. Wo es möglich war, stellten die Firmen auf Home Office um, der persönliche Umgang mit Kollegen sollte unterbunden werden. Man sah die Anderen nur noch über Video und kommunizierte nur noch über das Internet. Das in Japan oft übliche gemeinsame Ausgehen nach der Arbeit fiel damit für lange Zeit flach. 

Ab dem Sommersemester 2020 fiel auch in Schulen und an den Unis der Präsenzunterricht aus, es gab nur Online-Unterricht. Schüler und Studenten, die sich sonst täglich sahen, fanden sich plötzlich zu Hause eingesperrt. Und sofern sie nicht bei ihren Eltern wohnten, saßen sie in einer Studentenbude auf 20 Quadratmetern fest. Exkursionen und sportliche Aktivitäten fielen ebenso aus wie spontane Treffen nach dem Unterricht, Partys und so weiter. Sämtliche gesellschaftliche Veranstaltungen waren über Monate abgesagt. 

Es wurde ernsthaft erwartet, dass alle, ob jung oder alt, sich dem Angstregime fügen, von nun an nur noch zu Hause sitzen, um die kommenden Coronawellen abzuwarten, bis ihnen irgendwann wieder erlaubt würde, nach draußen zu gehen.

Die große Mehrheit hielt sich tatsächlich daran. Doch auch wenn in Japan ein großer Zwang zur Konformität herrscht, scherte ein gewisser Prozentsatz aus. Begünstigt wurde das dadurch, dass in der Coronazeit die Nutzung sozialer Medien stark anstieg, und das bot jungen Leuten Gelegenheit, abseits ihres bisherigen Freundeskreises neue Kontakte anzuknüpfen. Über das Internet war es ein Leichtes, Gleichgesinnte kennenzulernen, da ja allen die Möglichkeit auszugehen, Lokale, Clubs und so weiter zu besuchen, genommen war. Und auf diesem Weg ergaben sich manche Verabredungen zu heimlichen Stelldicheins. Junge Frauen, die hübsche Fotos von sich in den sozialen Medien posteten, erhielten neben Komplimenten in vielen Fällen auch Aufforderungen zum Sex. 

Lebendige Grauzonen

Da Prostitution in Japan offiziell verboten ist, findet sie nur in Grauzonen statt. Man kann aber wohl davon ausgehen, dass unter denjenigen, die freizügige Fotos von sich posteten und sich dann auf eindeutige Angebote einließen, auch halbseidene Damen waren. So kam es zu dem Paradox, dass die Gelegenheiten zu sexuellen Kontakten in den Coronajahren zwar insgesamt abnahmen, für jene, die Auswege suchten, sich jedoch erhöhten. Die Möglichkeiten ergaben sich über das Internet. 

So ist auch die in Japan reichlich überzogene Corona-Politik ein Paradebeispiel dafür, dass gut gemeint nicht heißt: gut gemacht. Die Politiker und ihre Ratgeber konzentrierten sich in ihrem Missionseifer nur auf ein Ziel und vergaßen, die Nebeneffekte einzukalkulieren. Solange nur der Hauptschauplatz im Scheinwerferlicht lag, konnten sie so tun, als hätten sie ihre Mission erfüllt. Und obwohl auch in Japan hartnäckig am Narrativ festgehalten wird, dass die Coronapolitik erfolgreich war, fällt inzwischen doch auf, dass es Nebenschauplätze gibt, wo manches ins Arge geriet. In Deutschland wird man darauf wohl noch länger warten müssen.

Wolfgang Zoubek lebt seit zwanzig Jahren in Japan und arbeitet an einer Universität. Ihn beschäftigt seit langem der Vergleich zwischen gesellschaftlichen Entwicklungen in Japan und in Deutschland.

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