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Teil 11: Nach dem Referendum

Published On: 20. Februar 2023 17:01

Ich werde drei Wochen lang an jedem Wochentag einen Teil der Chronologie der Ereignisse des Jahres 2014 veröffentlichen, die den Grundstein für den Krieg in der Ukraine gelegt haben.

Die Ereignisse des Jahres 2014 haben den Grundstein für die Eskalation in der Ukraine gelegt, zu der es vor fast einem Jahr gekommen ist. In meinem Buch über die Ukraine-Krise habe ich die Ereignisse des Jahres 2014 auf über 700 Seiten chronologisch dokumentiert. Da sich diese Ereignisse nun zum neunten Mal jähren, werde ich in den nächsten drei Wochen täglich ein Kapitel aus dem Buch als Leseprobe veröffentlichen.

In dieser 15-teiligen Serie werde ich die Chronologie der Ereignisse vom Beginn des Maidan Ende 2013 bis zum Beginn des Krieges im Donbass im April 2014 behandeln. Diese – heute fast vergessenen – Ereignisse haben den Grundstein für den Krieg in der Ukraine gelegt und sind zum Verständnis dessen, was sich heute ereignet, unverzichtbar.

In diesem elften Teil der 15-teiligen Serie geht es um die Tage nach dem Referendum. Ich verzichte hier auf Quellen, in dem Buch sind alle Quellen angegeben.

Nach dem Referendum

Am 22. April veröffentlichte der Menschenrechtsrat des russischen Präsidenten eine Einschätzung über die Lage auf der Krim. Bevor wir auf die Details eingehen, eines vorweg: Eine Passage daraus wurde von westlichen Medien als Eingeständnis von Wahlfälschungen zitiert. Der Bericht gab die Einschätzung einiger Mitglieder wieder, die sich einige Tage auf der Krim aufgehalten hatten und die entsprechende Passage lautet: „Die Einschätzung von befragten Spezialisten und Bürgern zum Referendum ist: In Sewastopol hat eine Mehrheit für die Vereinigung mit Russland gestimmt (Wahlbeteiligung 50-80%), auf der Krim haben nach verschiedenen Angaben 50-60% für die Vereinigung mit Russland gestimmt, bei einer Wahlbeteiligung von 30-50%.“

Wie man sieht handelte es sich hier entgegen einigen Meldungen der westlichen Presse nicht um ein Eingeständnis von Wahlfälschung sondern um die subjektiven Einschätzungen von einigen „befragten Spezialisten und Bürgern“ auf der Krim, die einigen Mitgliedern des Rates bei Gesprächen auf der Krim kommuniziert wurden.

Dennoch griff die westliche Presse diese Meldung dankbar auf. Die „Neue Züricher Zeitung“ schrieb z.B. am 5. Mai unter dem Titel „Krim-Referendum stark gefälscht“ darüber: „Dass etwas nicht stimmen kann, war nach der Verkündung der offiziellen Resultate sofort klar: Knapp 97 Prozent der Wahlberechtigten auf der Krim sollen am 16. März für den Anschluss an Russland gestimmt haben, bei einer Stimmbeteiligung von 83 Prozent. Diese Zahlen sind kaum zu glauben. Schon deshalb, weil die Krimtataren das Referendum boykottiert hatten – immerhin 13 Prozent der Krim-Bevölkerung. Auch die 25 Prozent ethnische Ukrainer dürften kaum geschlossen für einen Anschluss an Russland gestimmt haben. Diese Zweifel am offiziellen Wahlresultat werden nun auch von unerwarteter Seite bestärkt. Im Auftrag von Wladimir Putins Menschenrechtsrat reiste Mitte April eine kleine Delegation für drei Tage auf die Krim, um einen Bericht über «die Probleme der Krim-Bewohner» anzufertigen. Der Bericht wurde nun auch auf der offiziellen Website des Menschenrechtsrates veröffentlicht. Die heiklen Fakten verstecken sich weit unten, im letzten Abschnitt. Darin heißt es: «Nach unterschiedlichen Angaben haben 50 bis 60 Prozent der Stimmbürger für den Anschluss gestimmt, bei einer Wahlbeteiligung von 30 bis 50 Prozent.»“

Würde es sich bei diesem Bericht tatsächlich um ein Eingeständnis von Wahlfälschung handeln, welches irrtümlicherweise ins Netz gestellt wurde, hätte die russische Regierung diesen Bericht wohl wieder von ihrer Internetseite entfernt oder zumindest verändert. Er steht aber immer noch in unveränderter Form zur Verfügung und wer des Russischen mächtig ist, kann selbst nachlesen, dass der Bericht nicht über Wahlfälschung schreibt, sondern von der Menschenrechtssituation allgemein und der Einschätzung von Menschen, mit denen die Delegation gesprochen hat. Diese Einschätzungen müssen objektiv nicht immer stimmen, sie sind eben subjektiv. Es geht hierbei ja auch um einen Stimmungsbericht und Stimmungen sind zwar wichtig aber sicher nicht immer objektiv wahr.
Dies nur der Vollständigkeit halber. Nun wollen wir kurz auf die sonstigen Inhalte des Berichtes eingehen. Der Bericht befasste sich mit vielen Themen und machte dem Präsidenten am Ende zehn Vorschläge, wie die drängendsten Probleme zu lösen wären. Der größte Teil betraf die Frage von Staatsbürgerschaft und Arbeitserlaubnissen. Zusammengefasst schlug der Rat vor, allen Bewohnern der Krim (auch Ausländern, die eine ukrainische Aufenthaltsgenehmigung hatten) Aufenthaltsgenehmigungen für Russland auszustellen und den Menschen auf der Krim doppelte Staatsangehörigkeiten zu erlauben, um mögliche spätere Diskriminierungen durch die Ukraine zu verhindern, wenn z.B. Bewohner der Krim ihre Verwandten in der Ukraine besuchen möchten. Es wurden viele Problemfelder genannt, die bei dem Übergang vom ukrainischen zum russischen Recht beachtet werden mussten. Über diese Probleme bei der Umstellung des Rechts berichtete auch die UNHCR in ihren Menschenrechtsberichten, wie wir später noch sehen werden.

Dann warnte der Bericht vor Preiserhöhungen wegen Warenknappheit, weil die Belieferung der Krim aus der Ukraine praktisch eingestellt worden war und forderte den Präsidenten auf, schnellstmöglich die Versorgung der Krim aus Russland zu gewährleisten, um Preissteigerungen zu verhindern. Und als letzten Punkt wurde die sofortige Wiedereröffnung der Fakultät für die krimtatarische Sprache gefordert, die von der Ukraine geschlossen worden war. Auch die Eröffnung eines ukrainischen Gymnasiums in Simferopol wurde gefordert. Der Präsident bzw. die russische Regierung kamen den Forderungen nach.

In dem Bericht gab es einen Hinweis, auf den wir noch kurz eingehen müssen. Unter der Rubrik Religion ging der Bericht auf die islamischen Krimtataren ein: „Laut der Regionalregierung der Krim wandelt sich der Islam von einer Religion zu einer Protest-Ideologie. In den Moscheen und praktisch in jeder islamischen Familie gibt es Bücher der Bewegung Hizb ut-Tahrir. Diese Literatur ist vom Obersten Gericht der Russischen Föderation verboten worden, Hizb ut-Tahrir wurde als extremistische Organisation verboten, allerdings war sie in der Ukraine nicht verboten und ihre Literatur war in Moscheen frei zugänglich.“

Natürlich sind nicht alle Krimtataren Extremisten, allerdings trifft dies auf einige ihrer Führer zu, was die westlichen Medien nur selten thematisierten. Bei dem Verbot von Hizb ut-Tahrir in Russland handelt es sich im Übrigen nicht um eine russische „Unterdrückung Andersdenkender“ oder ähnliches, wie man reflexartig vermuten könnte. Vielmehr ist die Organisation auch in Deutschland seit dem 15. Januar 2003 aus den gleichen Gründen, wie in Russland auch, verboten. Das Verbot in Deutschland wurde am 23. Januar 2006 vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt. Das Bundesverwaltungsgericht begründete das Urteil damit, „dass sich die Tätigkeit des Klägers gegen den Gedanken der Völkerverständigung richte, dass sie Gewaltanwendung als Mittel zur Durchsetzung politischer Belange befürworte und dass sie eine derartige Gewaltanwendung hervorrufen solle. Die Betätigung des Klägers im räumlichen Geltungsbereich des Vereinsgesetzes wurde verboten. Das Vermögen des Klägers wurde beschlagnahmt und zugunsten des Bundes eingezogen.“

Dass das Verhältnis der Krimtataren zu Russland problematisch ist, ist nicht zu leugnen. Auch die vollständige Rehabilitierung der Krimtataren durch Präsident Putin und die Förderung der krimtatarischen Sprache durch Russland können die Kluft kurzfristig nicht schließen, wie z.B. ein Artikel in der Welt vom 22. April 2014 mit der Überschrift „Tatarenführer bis 2019 von der Krim verbannt“ zeigte. Dort wurde, was eine seltene Ausnahme in der deutschen Berichterstattung war, in einem Nebensatz auch Hizb ut-Tahrir erwähnt. Die Welt schrieb dort: „Von den rund zwei Millionen Bewohnern der Krim, die mehrheitlich russische Wurzeln haben, gehören schätzungsweise 300.000 dem muslimischen Turkvolk der Tataren an. Unter Diktator Josef Stalin wurden sie als „Nazi-Kollaborateure“ verfolgt und zwangsumgesiedelt. Erst zum Ende der Sowjetunion durften sie in ihre Heimat zurückkehren. Am Montag unterzeichnete Russlands Staatschef Wladimir Putin ein Dekret zur vollständigen Rehabilitierung der Tataren. Die Angliederung der Krim an Russland hatten die Tataren aufgrund ihrer historischen Erfahrung vehement abgelehnt. Das Referendum über die Loslösung der Schwarzmeerhalbinsel von der Ukraine Mitte März boykottierten die meisten Tataren. … Unter den Krimtataren gibt es auch Anhänger der islamistischen Gruppe Hizb ut-Tahrir, die als Sammlungsbewegung für militante dschihadistische Gruppen gilt. Schätzungen zufolge gehören 2000 bis 15.000 Krimtataren zu Hizb ut-Tahrir.“

Im April gab es zwei Umfragen von Instituten, die nicht im Verdacht stehen, russische Propaganda zu verbreiten. Beide Umfragen beschäftigten sich mit Meinungsbild der Menschen in der Ukraine und dem der Bewohner der Krim.

Das Gallup Institut führte vom 21.-29. April eine Umfrage durch, die zu folgendem Ergebnis kam: „Etwa drei Viertel der Krimer Bevölkerung (73,9%) sagen, dass die Vereinigung mit Russland das Leben von ihnen und ihren Familien verbessern wird, nur 5,5% sagen das Gegenteil. In der Krim-Bevölkerung überwiegt die Meinung, dass Russlands Rolle in der Krise eher positiv (71,3%) als negativ (8,8%) war.“

Eine weitere Umfrage wurde auch im April vom US-amerikanischen Pew Research Center durchgeführt und am 8. Mai veröffentlicht. Die Ergebnisse wurden graphisch dargestellt und sind interessant genug, um hier detailliert auf sie einzugehen, denn sie zeigten einerseits die Meinung zu dem Referendum auf der Krim, aber auch die völlig unterschiedlichen Ansichten in der Ost- und Westukraine. Wer sich die Umfrageergebnisse anschaut, stellt fest, wie stark das Land damals gespalten war und auch heute noch ist. Das sieht man an den Umfrage-Ergebnissen, die nach Ost-/West-Ukraine, Krim oder Muttersprache differenzieren. Daher haben Umfragen, die in der Ukraine nicht zwischen Ost- und Westteil des Landes differenzieren, keine Aussagekraft, denn es ist unerheblich, ob es in der einen oder anderen Frage eine knappe Mehrheit für die eine oder andere Seite gab, wenn das Kernproblem die Spaltung des Landes war und ist. Es ist dabei unerheblich, ob gerade der Osten oder der Westen zu einem Thema eine knappe Mehrheit hatte. Lösungen kann es in einer solchen Situation nur durch Kompromisse geben, nicht dadurch, dass sich eine Seite gegen die andere durchsetzt und ihren Willen diktiert.

Der Westen der Ukraine würde eine engere Anbindung an Russland zu Lasten der EU-Anbindung nicht akzeptieren und der Osten würde – wie die weiteren Ereignisse zeigten – eine EU-Anbindung zu Lasten der Beziehungen zu Russland nicht akzeptieren

Nun zu den Ergebnissen des Pew Research Centre. Die neue Regierung wurde im Westen zu 60% als gut und zu 28% als schlecht bezeichnet, im Osten war es umgekehrt: 24% fanden sie gut, 67% schlecht. Noch extremer war es bei den russisch-sprachigen Ukrainern: 12% befürworteten die Maidan-Regierung und 82% lehnten sie ab.

Interessant war die Frage, ob die Grenzen der Ukraine verändert werden sollten, also die Frage der Abspaltung der Krim. Auf dem Festland war die Meinung dazu eine völlig andere, als auf der Krim. Im Westen wollten 93% die Grenzen unverändert lassen, im Osten 70% und selbst die russisch-sprachigen Ukrainer wollten die Grenzen zu 58% unverändert belassen. Ganz anders auf der Krim: Da waren es laut Pew Research Centre nur 12%, die die Grenzen nicht verändern wollten.

Sehr interessant war auch die Frage, ob die EU, die USA und Russland einen guten Einfluss auf die Ukraine haben. Einen guten Einfluss der EU sahen nur die Ukrainer im Westen des Landes mit 74%, die anderen sahen es anders: Ostukrainer 24%, russisch-sprachige 17% und Krimbewohner 3%. Bei den USA war das Bild ziemlich identisch, deren Einfluss auf die Ukraine bewerteten die Westukrainer mit gut (68%), während die anderen den Einfluss der USA nicht gut fanden. Bei den Ostukrainern fanden 17% den Einfluss der auf ihr Land gut, bei den russisch-sprachigen waren es 14% und auf der Krim 2%.

Auch bei der Frage, ob im Land Ukrainisch oder Russisch alleinige Amtssprache sein soll oder ob beide Sprachen Amtssprachen sein sollen war die Spaltung des Landes offensichtlich. Für Ukrainisch als alleinige Amtssprache sprachen sich im Westen 66% aus, im Osten 26%, bei den russisch-sprachigen 10% und auf der Krim 0%. Russisch als alleinige Amtssprache hatte im Westen 0% Unterstützung, im Osten und bei den russisch-sprachigen jeweils 1%, auf der Krim aber 21%. Und beide als Sprachen als Amtssprachen zuzulassen befürworteten im Westen 30%, im Osten 73%, bei den russisch-sprachigen 86% und auf der Krim 74%.

Eine enge Bindung an die EU befürworteten im Westen 68%, im Osten nur 21%.

Bei der Frage, ob das Referendum anerkannt werden sollte, war die Spaltung ebenfalls wenig überraschend: Im Westen waren 11% dafür, im Osten 40%, bei den russisch-sprachigen 61% und auf der Krim 88%. Die Zahl für die Krim deckt sich erstaunlich gut mit dem Ergebnis des Referendums, wenn man die Wahlbeteiligung berücksichtigt. Auch in Russland wollten 89%, dass das Referendum international anerkannt wird. Auch die Zufriedenheit der Krim mit ihrer Regionalregierung bestätigt das: 83% waren mit der Arbeit von Gouverneur Aksjonow zufrieden.

Bei aller – zum Teil berechtigten – Kritik an dem Referendum zeigen die im April von nicht-russischen und auch nicht russland-freundlichen Instituten durchgeführten Umfragen, dass es auf der Krim eine sehr einhellige Meinung gab und dass die Bürger der Krim in ihrer großen Mehrheit forderten, dass ihre Entscheidung für die Vereinigung mit Russland anerkannt würde. Die Zahlen der Umfragen bestätigten, dass die Bevölkerung der Krim mehrheitlich für den Beitritt zur Russischen Föderation war.

Auch wenn die Ereignisse auf der Krim im Großen und Ganzen ruhig verlaufen sind, also ohne Schießereien und Blutvergießen, gab es einen Zwischenfall, für den das nicht galt. Am 18. März schoss ein Heckenschütze in Simferopol auf Menschen. Er traf einen Major der ukrainischen Armee und ein Mitglied der „Selbstverteidigungskräfte“ tödlich. Kiew nahm dies zum Anlass, seinen Soldaten den Gebrauch von Waffen zu erlauben. Der deutsche Sender „N-tv“ schrieb dazu: „Auf der Halbinsel im Schwarzen Meer sind nach Polizeiangaben ein ukrainischer Soldat und ein Mitglied der prorussischen sogenannten Selbstverteidigungskräfte erschossen worden. Ein Heckenschütze habe bei einer ukrainischen Militärbasis in der Hauptstadt Simferopol in verschiedene Richtungen gefeuert. Zwei weitere Soldaten seien verletzt worden. „Das könnte eine geplante Provokation sein, um die Lage am Tag der Unterzeichnung des Krim-Vertrags zu destabilisieren“, hieß es auf der Homepage der Krim-Polizei. … “Russische Soldaten haben damit begonnen, auf ukrainische Armeeangehörige zu schießen, und das ist ein Kriegsverbrechen“ sagte Jazenjuk.“

Das russische Zeitung „Moskovski Komsomolets“ beschrieb die Vorfälle so: „Gemäß der Pressestelle des Innenministeriums der Krim hat am Dienstagabend ein Scharfschütze das Feuer auf die Selbstverteidigungskräfte der Krim eröffnet. Als einer der Kämpfer (Alexander) verwundet wurde, kam ihm ein weiterer zur Hilfe: Ruslan Kasakov, er wurde von einer Kugel aus einem Scharfschützengewehr getötet. Außerdem wurde ein Soldat der Ukraine getötet.“

Beitritt zur Russischen Föderation

Am 18. März trat Präsident Putin vor beiden Kammern des russischen Parlaments auf und hielt eine Rede, von der erwartet wurde, dass er die russische Position erklären würde.

Ich werde Putin in diesem Buch mehrmals sehr ausführlich zitieren. Der Grund dafür ist, dass es dem Leser in Deutschland, der des Russischen nicht mächtig ist, kaum möglich ist, die Aussagen Putins im Original zu hören, um sich selbst ein Bild zu machen. Leider werden Aussagen von russischen Politikern in Deutschland praktisch nie vollständig übersetzt, sondern meist nur in komprimierter und kommentierter Form veröffentlicht oder völlig aus dem Zusammenhang gerissen. Meiner Ansicht nach ist es jedoch unerlässlich, die Original Äußerungen von Politikern zu hören, um sich ein eigenes Bild zu machen. Zu welchem Schluss man dabei kommt, ist jedem selbst überlassen.

Formell informierte Präsident Putin die Kammern des Parlaments über das Beitrittsgesuch der Krim zur Russischen Föderation. Unter anderem sagte er dort: „Die Krim ist ein einzigartiger Schmelztiegel der Kulturen und der Traditionen verschiedener Völker. Darin ist sie dem großen Russland so ähnlich, wo im Laufe der Jahrhunderte keine einzige Ethnie verschwand oder sich auflöste. Russen und Ukrainer, Krimtataren und Vertreter anderer Völker lebten und arbeiteten auf der Krim unter Beibehaltung ihrer Identität, Traditionen, Sprache und Glaubens. … Ja, es gab eine Periode, als den Krimtataren, wie auch manchen anderen Völkern der UdSSR eine brutale Ungerechtigkeit widerfahren ist. Ich sage nur eins: die Repressionen trafen Millionen Menschen unterschiedlichster Ethnien und vor allem, natürlich, die Russen. Die Krimtataren sind in ihre Heimat zurückgekehrt. Ich denke, dass alle denkbaren politischen und gesetzgeberischen Entscheidungen getroffen werden müssen, die den Prozess der Rehabilitierung des krimtatarischen Volkes zu Ende bringen und alle ihre Rechte und ihren guten Namen im vollen Maße wiederherstellen. Wir respektieren die Vertreter aller Nationalitäten, die auf der Krim leben. Das ist ihr gemeinsames Haus, ihre kleine Heimat, und es wird richtig sein – und ich weiß, dass die Krimbewohner das unterstützen -, wenn es drei gleichberechtigte Sprachen geben wird: Russisch, Ukrainisch und Krimtatarisch. … Nach der Revolution haben die Bolschewiken aus unterschiedlichsten Überlegungen – möge Gott ihr Richter sein -, viele bedeutende Gebiete des historischen Südens Russlands in die Ukrainische Sowjetrepublik aufgenommen. Das wurde ohne Berücksichtigung der ethnischen Zusammensetzung gemacht und heute ist das der Südosten der Ukraine. 1954 folgte die Entscheidung zur Übergabe der Krim an die Ukraine, zusammen mit der Stadt Sewastopol, die der Union direkt unterstand. Der Initiator war der Sekretär des Kommunistischen Partei persönlich, Nikita Chruschtschow. Was ihn damals bewog, ob die Sicherung der Unterstützung der ukrainischen Nomenklatur oder die eigene eine Schuldtilgung für die Organisation von Massenrepressionen in der Ukraine in den 1930er Jahren, darüber sollten die Historiker urteilen. Für uns ist etwas anderes wichtig: diese Entscheidung wurde mit offensichtlichen Verletzungen der damals geltenden Verfassungsnormen getroffen. Die Frage wurde intransparent und willkürlich entschieden. Natürlich hat in einem totalitären Staat niemand die Bewohner der Krim und Sewastopols gefragt, sie wurden vor vollendete Tatsachen gestellt. Sicherlich fragten sich damals Menschen, warum die Krim plötzlich Bestandteil der Ukraine wurde. Doch im Großen und Ganzen – das muss direkt gesagt werden, wir verstehen das alle – wurde diese Entscheidung als eine Formalität wahrgenommen, denn die Gebiete wurden im Rahmen eines einheitlichen großen Landes übergeben. Damals konnte man sich unmöglich vorstellen, dass die Ukraine und Russland getrennt sein könnten, unterschiedliche Staaten werden. Doch das ist passiert. Was damals unglaublich schien, wurde leider zur Realität, die UdSSR zerfiel. … Ich verstehe, warum die Menschen in der Ukraine Veränderungen wollten. In den Jahren der Unabhängigkeit hängt ihnen die Staatsmacht schlichtweg zum Hals raus. Es kamen und gingen Präsidenten, Premierminister, Abgeordnete, doch ihr Verhalten gegenüber dem eigenen Volk änderte sich nie. Sie haben die Ukraine „gemolken“, kämpften untereinander um Befugnisse, Assets und Finanzströme. Die Mächtigen haben sich kaum dafür interessiert, wie und durch was einfache Menschen leben, warum Millionen ukrainische Bürger keine Perspektiven in der Heimat sehen und als Gastarbeiter im Ausland arbeiten müssen. Allein in Russland arbeiteten im vergangenen Jahr 3 Millionen Ukrainer als Tagelöhner. Nach diversen Einschätzungen betrug ihr Verdienst 2013 in Russland über 20 Milliarden US-Dollar, das sind ca. 12% des ukrainischen BIP. Nochmals, ich verstehe diejenigen gut, die als friedliche Demonstranten auf den Maidan gingen, um gegen Korruption, ineffiziente Verwaltung und Armut zu protestieren.“

Dann ging er auf die völkerrechtlichen Aspekte ein: „Ich mag keine Zitate, doch ich kann es mir wieder nicht verkneifen. Noch ein Auszug aus einem Dokument, diesmal das schriftliche US-Memorandum vom 17. April 2009, gerichtet an den Internationalen Gerichtshof im Zusammenhang mit dem Kosovo-Fall: „Unabhängigkeitserklärungen können, und oft geschieht es so, die nationale Gesetzgebung verletzen. Dies bedeutet nicht, dass Völkerrecht verletzt wird“. Ende des Zitats. Sie haben es selbst geschrieben, es selbst in die ganze Welt hinausposaunt, es allen oktroyiert und jetzt empören sie sich. Über was? Die Handlungen der Krim folgen genau dieser Instruktion. Warum dürfen das – bei allem Respekt – die Kosovo-Albaner, und die Russen, die Ukrainer und die Krimtataren dürfen das nicht. Nochmals: warum? Von den USA und Europa hören wir, dass Kosovo angeblich ein exklusiver Fall war. Doch worin besteht nach ihrer Meinung diese Exklusivität? Wie sich herausstellt, darin dass es im Laufe des Kosovo-Konfliktes zu vielen Opfern kam. Ist das ein juristisches, rechtliches Argument? Bei der Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs findet sich darüber kein Wort. … Es gab auch eine Kette gelenkter „Farbrevolutionen“. Klar, die Menschen in den Staaten, wo diese Ereignisse stattfanden, waren müde von Tyrannei, Armut und Perspektivlosigkeit, doch diese Gefühle wurden zynisch missbraucht. Diesen Staaten wurden Standards aufgezwungen, die keineswegs ihrem Lebensstil, Traditionen und Kultur entsprachen. Statt Demokratie und Freiheit kamen im Endergebnis Chaos, Gewaltausbrüche, eine Reihe von Umstürzen. Der Arabische Frühling wurde vom Arabischen Winter abgelöst.“

Dann wandte sich Putin an verschiedene Völker: „Heute möchte ich mich auch an das Volk der Vereinigten Staaten vom Amerika wenden, an die Menschen, die seit der Gründung dieses Landes und seit ihrer Unabhängigkeitserklärung stolz darauf sind, dass die Freiheit ihnen über alles gilt. Ist etwa das Streben der Krimbewohner zur freien Wahl ihres Schicksals nicht ein ähnlicher Wert? Verstehen Sie uns. Ich glaube auch daran, dass mich die Europäer verstehen, vor allem die Deutschen. Ich möchte daran erinnern, dass im Laufe der politischen Konsultationen zur Wiedervereinigung der BRD und der DDR bei weitem nicht alle hohen Vertreter ihrer Verbündeten die Idee der Wiedervereinigung unterstützten. Dagegen hat unser Land das aufrichtige Streben der Deutschen nach der nationalen Einheit unterstützt. Ich bin sicher, dass Sie das nicht vergessen haben und hoffe darauf, dass die Bürger Deutschlands ebenso das Streben der russischen Welt, des historischen Russlands, nach Wiederherstellung der Einheit unterstützen.“

Im Anschluss an Putins Rede erfolgte überraschend die sofortige Unterzeichnung des Beitrittsvertrages. Das russische Verfassungsgericht stellte am 19. März die Übereinstimmung des Abkommens mit der russischen Verfassung fest. Am 20. März stimmte die russische Duma mit 433 Ja- und einer Neinstimme für die Aufnahme der Krim und der Stadt Sewastopol in die Russische Föderation. Am Folgetag wurde der Vertrag auch vom Föderationsrat ratifiziert“

Die Überschriften der deutschen Zeitungen wurden indessen immer schärfer. So titelte der „Focus“ z.B. am 20. März: „Russlands Territorial-Hunger: Welche Staaten stehen noch auf Putins Speise-Speise-Karte?“


In meinem neuen Buch „„Putins Plan – Mit Europa und den USA endet die Welt nicht – Wie das westliche System gerade selbst zerstört ““ gehe ich der der Frage, worum es in dem Endkampf der Systeme – den wir gerade erleben – wirklich geht. Wir erleben nichts weniger als den Kampf zweier Systeme, in dem Vladimir Putin der Welt eine Alternative zum neoliberalen Globalismus anbietet. Wurden die Bürger im Westen gefragt, ob sie all das wollen, ob sie zu Gunsten des neoliberalen Globalismus auf ihren Wohlstand und ihre Freiheiten verzichten wollen?

Das Buch ist aktuell erschienen und ausschließlich hier direkt über den J.K. Fischer Verlag bestellbar.

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