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Wie wird wieder Frieden?

Published On: 21. Februar 2023 7:00

Es stimmt schon: Jeder Trottel kann einen Krieg anfangen. Aber wer kann ihn aufhören, wer kann ihn beenden? Wie wird wieder Frieden? Der Satz vom Trottel stammt von Nikita Chruschtschow, der zur Zeit des Kalten Kriegs zehn Jahre lang der mächtigste Politiker der Sowjetunion war. Chruschtschow war kein Trottel. Aber sein Satz aus der Zeit Kuba-Krise liest sich heute, sechzig Jahr später, wie ein Kommentar zu Putin.

Wie wird wieder Frieden? Kann militärische Gegengewalt ihn bringen? Sie kann gewiss die tödliche Bedrohung durch Putin abwehren. Sie kann dessen Verbrechen Einhalt gebieten. Sie kann die Zerschlagung des Staats Ukraine, sie kann die Tyrannei verhindern.

Aber kann sie Frieden bringen? Und wann ist Frieden? Ist er da, wenn der Angriff Russlands gestoppt ist? Oder dann, wenn die Russen aus dem Donbass und von der Krim vertrieben sind? Oder muss Putin gar auf seinem eigenen Boden niedergerungen und besiegt werden?

Welchen Sieg meint der französische Präsident Macron, wenn er der Ukraine „Unterstützung bis zum Sieg“ verspricht? Er meint damit offensichtlich mehr als der deutsche Kanzler Scholz, der sagt: „Russland darf diesen Krieg nicht gewinnen.“ Soll mit den schweren Waffen aus den Nato-Ländern ein militärisches Patt hergestellt werden zwischen der Ukraine und Russland? Oder sollen die Waffen aus dem Westen viel mehr leisten, sollen sie die Russen an die alten Grenze zurückwerfen? Kommt so noch mehr Krieg oder kommt der Frieden – und wann? Kann man ihn mit Leopard-Panzern gewinnen? Kann man ihn mit Jagdflugzeugen einfangen? Riskiert man damit einen russischen Atomschlag?

Der ernste Ernstfall Krieg

Der Krieg definiert den Frieden, heißt es. Das meint: Wenn nicht mehr geschossen, gebombt, zerstört und getötet wird – dann ist Frieden. Solcher Frieden ist die Abwesenheit von Krieg. Das wäre schon etwas. Ein echter Friede ist das aber nicht. Ein echter, ein ernster Friede ist einer, der befriedet.

Was ist der Ernstfall?, so hat einmal ein Bundespräsident, es war Gustav Heinemann, vor 54 Jahren in seiner Antrittsrede gefragt. Und er gab folgende Antwort: „Nicht der Krieg ist der Ernstfall … wie es meine Generation in der kaiserlichen Zeit auf den Schulbänken lernte, sondern der Frieden ist der Ernstfall, in dem wir alle uns zu bewähren haben. Hinter dem Frieden gibt es keine Existenz mehr.“

Das war eine spektakuläre Rede in der Zeit des Kalten Kriegs; und wenig später bestätigte eine fundamentale wissenschaftliche Studie Carl Friedrich von Weizsäckers mit dem Titel „Kriegsfolgen und Kriegsverhütung“, dass in einem Atomkrieg in Mitteleuropa alles zerstört würde, was hätte verteidigt werden sollen; angesichts solcher Perspektiven sei nur noch eine Politik der Kriegsverhinderung verantwortbar.

Das war richtig – aber: Die Verhinderung ist nicht gelungen. In der Ukraine ist daher jetzt der Krieg der ernste Ernstfall. Und die Frage ist, wie man vom real existierenden Ernstfall wieder zum gewünschten Ernstfall kommt.

Nicht bis zum Untergang

Was ist, wenn es keine Verhandlungsbereitschaft gibt? „Warum Friedenschließen so schwer ist“ heißt ein Tagungsband, der diese Frage am Beispiel des Westfälischen Friedenskongresses erläutert. Der Friede von Münster und Osnabrück beendete vor 375 Jahren einen Krieg, an dessen Beginn 18 Millionen und an dessen Ende nur noch elf Millionen Menschen in Deutschland lebten.

Dieser Krieg war der Krieg der Kriege, er war eine Verheerung Deutschlands; er war aber auch eine Großbaustelle des Friedens. Er war ein als Konfessionskrieg getarnter Staatenbildungskrieg; für die Habsburger in Wien und in Madrid, für die französische Krone in Paris und für König Gustav Adolf in Stockholm ging es um ihre Großmachtprojekte, um eine Vormachtstellung in Europa.

Während der fünfjährigen Friedensverhandlungen gingen die Kämpfe weiter. Es gab lange bei keiner der Kriegsparteien einen Friedenswillen, dafür ungeheuer viel Misstrauen und wenig Gesprächsbereitschaft – selbst die musste erst durch Gespräche hergestellt werden.

Es war dies das Geschick des venezianischen Diplomaten Alvise Contarini, der in seinem Wappen die bezeichnende Devise trug: „Non ad perniciem“ – Nicht bis zum Untergang. Sein Erfolg als Mediator wurde begünstigt durch eine totale Erschöpfung der Ressourcen.

So weit ist der Ukraine-Krieg noch nicht. Aber dafür ist, anders als damals in Münster und Osnabrück, lupenrein klar, wer der Aggressor ist. Vor 375 Jahren verzichtete man auf eine Debatte über die Kriegsschuld schon deswegen, weil sie schwer zu klären war.

Im Fall des Ukrainekriegs kann man deswegen auf sie verzichten, weil die Schuldfrage völlig klar ist. Deswegen kommt auch eine umfassende Amnestie, wie sie zum Friedensschluss von 1648 gehörte, nicht in Betracht.

Regeln für einen langfristigen Frieden

Das heißt nicht, dass aus dem Westfälischen Frieden nichts Überzeitliches zu lernen ist. Zu lernen ist, dass auch aus Aussichtslosigkeit Aussichten werden können. Zu lernen ist, dass Gesprächsbereitschaft wachsen kann. Zu lernen ist, dass Diplomatie sogar bei fortwährendem Krieg einen Frieden herbeiverhandeln kann. Zu lernen ist, dass es Formeln und Regeln gibt, die einen Frieden langfristig stabilisieren können.

Im Westfälischen Frieden war das die „Normaljahrregel“: Das ist die Bezeichnung für ein Jahr, das als normierender Referenzpunkt für bestimmte Besitzstände gilt. In Münster und Osnabrück wurde der 1. Januar 1624 als Stichtag festgelegt – und einer Konfession der Besitz endgültig zugesprochen, den sie am 1. Januar 1624 innegehabt hatte.

Wie schwer es ist, sich einig zu werden, wenn es um Krieg und Frieden geht, zeigt sich schon im ganz Kleinen: Nicht einmal die Oberbürgermeister der Friedensstädte Münster und Osnabrück sind sich einig, wie sie mit einer Friedenskette umgehen sollen, die sich am 24. Februar, dem Tag des Überfalls auf die Ukraine, von Rathaustür zur Rathaustür spannen soll. Sie wird organisiert vom Friedensforum Münster und der Osnabrücker Friedensinitiative: 50 Kilometer sind zu überbrücken, 50 000 Leute sollen das machen.

Die Osnabrücker Oberbürgermeisterin Katharina Pötter (CDU) reiht sich ein, ist das erste Glied der Kette; Markus Lewe (gleichfalls CDU), der Oberbürgermeister von Münster, hat anderes zu tun. In ihren Erklärungen eiern die Parteien in Münster herum, wohl aus Angst davor, dass schon das Wort Friede als Distanzierung von der Ukraine verstanden werden könnte. Das Wort Frieden und der Aufruf zu Verhandlungen ist aber keine Distanzierung von der Ukraine, sondern eine Distanzierung vom Krieg.

Heribert Prantl ist Autor und Kolumnist der Süddeutschen Zeitung. Dieser Beitrag ist ursprünglich erschienen in: Süddeutsche Zeitung, 9.1.2022 / Alle Rechte vorbehalten: Süddeutsche Zeitung GmbH, München

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