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Nord-Stream-Sprengung: Was plötzlich alles nicht mehr geheim ist

Published On: 10. März 2023 7:00

Die in den Medien neu verbreitete Legende über die Nord-Stream-Sprengung durch eine „pro-ukrainische Gruppe“ wird immer absurder. Hier fasse ich die wichtigsten Meldungen zusammen.

Am 8. März habe ich in einem Artikel spekuliert, dass die von der New York Times und deutschen Medien verbreitete Version, die Nord Streams seien von einer „pro-ukrainischen Gruppe“ gesprengt worden, der Anfang vom Ende der Unterstützung für die Ukraine bedeuten könnte. Ich kann das hier nicht alles wiederholen, die Details finden Sie in diesem Artikel.

Die „dramatische Änderung der US-Politik“

Kurz gesagt beruht meine Vermutung auf einer Studie der RAND-Corporation vom Januar 2023, in der RAND der US-Regierung empfohlen hat, sich schnellstmöglich aus dem Ukraine-Abenteuer zurückzuziehen, weil es nicht gelungen ist, Russlands Wirtschaft mit den Sanktionen zu zerstören und Russland international zu isolieren. Die Unterstützung der Ukraine ist jedoch sehr teuer und laut RAND können die USA dabei nichts gewinnen, was den Preis wert ist, denn wie die Grenze zwischen der Ukraine und Russland verläuft, ist für die USA unwichtig. Daher empfahl RAND sogar, die russischen Gebietsgewinne anzuerkennen und die Russland-Sanktionen zu lockern, um ein Ende des teuren Abenteuers zu erreichen.

Laut RAND war die Kernfrage im Grunde, wie die USA es schaffen können, dass die europäische und amerikanische Öffentlichkeit und auch die Politiker im Westen diese „dramatische Änderung der US-Politik“ mitmachen würden, nachdem die USA ein Jahr lang auf die totale Verteufelung Russlands und die bedingungslose Unterstützung Kiews gesetzt haben.

Daher habe ich schon im Januar, als ich über die Studie berichtet habe, erwartet, dass wir in den folgenden drei oder vier Monaten erleben würden, wie die Stimmung geändert werden soll, damit die Unterstützung für Kiew reduziert und Kiew an den Verhandlungstisch mit Russland gezwungen werden kann. Die nun erschienen Medienberichte über die „pro-ukrainische Gruppe“ könnten das entscheidende Ereignis sein, denn wenn sich herausstellen würde, dass Kiew die Pipelines gesprengt hat, hätte man einen Vorwand, die Unterstützung zurückzufahren oder sogar einzustellen.

Natürlich ist die von den Medien präsentierte Räuberpistole über eine Handvoll Ukrainer, die eine halbe Tonne Sprengstoff auf einer Segelyacht transportiert und mit zwei Tauchern ohne die nötige Druckkammer an den Pipelines angebracht haben, und ohne in einem der am besten überwachten Seegebiete der Welt von der NATO entdeckt zu werden, vollkommener Blödsinn. Aber darum geht es nicht, es wäre schließlich bei weitem nicht das erste Mal, dass die Medien der Öffentlichkeit eine blödsinnige Geschichte verkaufen und dass die Mehrheit der Menschen sie trotzdem glaubt. Es geht nicht um die Wahrheit, es geht nur darum, der Öffentlichkeit die „dramatische Änderung der US-Politik“ zu verkaufen.

Wenn dieses Szenario jetzt durchgezogen werden sollte, wäre etwa folgendes zu erwarten: Zuerst wird die Geschichte im Westen so verkauft, dass Kiew damit nichts zu tun hat, während erste Experten das bezweifeln und erste Politiker fordern, die Hilfen für Kiew auf den Prüfstand zu stellen, falls sich Kiews (Mit)Täterschaft bestätigen sollte. Andere Politiker mahnen zur Zurückhaltung und zur weiteren, bedingungslosen Unterstützung Kiews. In der nächsten Zeit werden dann scheibchenweise neue Erkenntnisse veröffentlicht, die immer mehr auf eine Täterschaft des offiziellen Kiews hindeuten, die Stimmung in der öffentlichen Diskussion beginnt zu kippen und am Ende wird Kiew beschuldigt, die Pipelines gesprengt zu haben, und gezwungen, sich mit Russland (faktisch zu russischen Bedingungen, wie RAND recht offen geschrieben hat) auf ein Ende der Kämpfe zu einigen.

Die Meldungen der ersten Tage nach der Veröffentlichung der Räuberpistole über den Segeltörn der Ukrainer zu den Nord Streams deuten in meinen Augen darauf hin, dass es sich tatsächlich in diese Richtung entwickeln könnte. Daher will ich hier die wichtigsten Meldungen der letzten beiden Tage zusammenfassen, damit Sie für sich entscheiden können, ob Sie das auch so sehen, oder zu einem andern Schluss kommen.

Geheimhaltung – war da was?

Eigentlich waren die Ermittlungen zur Sprengung der Nord Streams streng geheim. Die Bundesregierung hat die Beantwortung von Kleinen Anfragen zu dem Thema mit dem Hinweis auf „Geheimhaltungsinteressen“ verweigert. Trotzdem haben nun plötzlich deutsche Ermittler den deutschen Medien und amerikanische Geheimdienstler der New York Times zeitgleich angeblich streng geheime Erkenntnisse durchgestochen, über die Medien auf beiden Seiten des Atlantik sogar zeitgleich berichtet haben. Ich gehe daher davon aus, dass hier eine von staatlichen Stellen der USA und der Bundesrepublik koordinierte Medienkampagne gestartet wurde, anders lässt sich das in meinen Augen nicht erklären.

Und plötzlich scheint ein Damm gebrochen zu sein, denn nun sickern überall angeblich streng geheime Erkenntnisse durch. Die dpa will am 8. März von der deutschen Generalstaatsanwaltschaft erfahren haben, dass diese die Yacht schon im Januar durchsucht hat. Ebenfalls am 8. März hat die Times berichtet, dass westliche Geheimdienste schon eine Woche nach der Sprengung von der „ukrainischen Spur“ gewusst hätten.

Der Times zufolge wollte die NATO verhindern, dass diese Informationen an die Öffentlichkeit gelangen, da sie zu einer Verschlechterung der Beziehungen zwischen der Ukraine und Deutschland führen würden. Die Times schrieb auch, dass die europäischen Geheimdienste den Namen des „privaten Sponsors“ der Sabotage kennen. Seine Identität hätten die Geheimdienste nicht genannt, aber es handele sich um einen reichen Ukrainer, der angeblich keine Verbindung zu Präsident Selensky habe.

Weiter schrieb die Times, dass sein Name früher oder später bekannt würde, zumal er seine ungewöhnliche ‚Visitenkarte‘ hinterlassen habe. Für die Beziehungen der Ukraine zu ihren Verbündeten wäre es besser, wenn dieser Mann selbst ein Geständnis ablegen würde, wobei die Zeitung nicht mitteilte, welche Art von Beweisen auf die Identität der „einflussreichen Figur“ hinweisen. Die Times schrieb, dass der „Sponsor“ der Sabotage angeblich für die Miete der von den Saboteuren benutzten Yacht, für die Arbeit der Taucher, die gefälschten Pässe und den Kauf der „Sprengladungen, die in der Öl- und Gasindustrie nur mit Sonderlizenz und für sehr hohe Summen erhältlich sind“, bezahlt habe.

In der britischen Zeitung The Spectator schrieb Mark Galeotti, ein britischer Historiker, Experte für russische Sicherheitspolitik und Leiter des Zentrums für Europäische Sicherheit am Institut für Internationale Beziehungen in Prag, am 8. März bereits, es „ist schwer vorstellbar, dass eine solche Operation gestartet werden konnte, ohne dass irgendjemand im ukrainischen Sicherheitsapparat“ von der bevorstehenden Sabotage wusste und „die Zustimmung von irgendjemandem in der Regierung“ hatte.

Die britische Zeitung The Daily Telegraph berichtete am Mittwoch unter Berufung auf Quellen, dass die westlichen Länder den Namen des ukrainischen Sponsors wahrscheinlich nicht veröffentlichen würden, um die Einigkeit des Westens in der Frage der militärischen Unterstützung der Ukraine zu wahren. Demnach sei der Geschäftsmann, dessen Name der Zeitung bekannt sei, aufgrund der besonderen Art der Sabotage unter Verdacht geraten. Die Quelle der Zeitung bei den europäischen Sicherheitsbehörden bestätigte, dass der Geschäftsmann ins Blickfeld der Behörden geraten ist, wollte aber nicht sagen, ob er offiziell ein Verdächtiger in diesem Fall ist.

Ebenfalls am 8. März berichtete das Wall Street Journal unter Berufung auf ungenannte Regierungsbeamte, dass die deutschen Ermittler die ursprüngliche Version, dass Russland in die Sabotage der Nord Streams verwickelt war, so gut wie ausgeschlossen haben, dass und auch die USA nicht glauben, dass Russland dafür verantwortlich ist. Und die Zeitung berichtete, dass die CIA bereits im Sommer 2022, also vor dem Anschlag, über Informationen verfügte, wonach drei ukrainische Staatsangehörige einen Anschlag auf die Nord Streams vorbereiten könnten. Die CIA übergab die Informationen laut der Zeitung im Juni/Juli 2022 an den deutschen Bundesnachrichtendienst.

Zur Erinnerung: Am 7. März erschienen die Berichte deutscher Medien und der New York Times über die angebliche „pro-ukrainische Gruppe“, die die Nord Streams gesprengt haben soll. Und schon einen Tag später singen die Geheimdienste aller möglichen Länder wie die Vögelchen und alle möglichen Zeitungen bekommen Informationen, die noch zwei Tage zuvor so streng geheim waren, dass die Bundesregierung nicht einmal Kleine Anfragen im Bundestag zu dem Thema beantworten wollte. Habe nur ich das Gefühl, dass die westlichen Geheimdienste diese Informationen bewusst durchstechen, damit sie an die Öffentlichkeit kommen?

Kiew kann einem fast leid tun

Mindestens eine Zeitung behauptet, sie kenne den Namen des angeblichen „Sponsors“ bereits. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis der Name öffentlich wird. Ich persönlich vermute, dass die meisten ukrainischen Oligarchen derzeit sehr schlecht schlafen, weil einem von ihnen demnächst die von den USA verübte Nord-Stream-Sprengung in die Schuhe geschoben werden soll.

Bekanntlich halten sich meine Sympathien für die Kiewer Nazi-Regierung in sehr engen Grenzen, aber jetzt könnte man fast Mitleid mit denen haben. Sie haben sich von den USA in den nicht gewinnbaren Krieg treiben lassen und auf Unterstützung von NATO-Truppen gehofft, fanden sich dann aber alleine gegen das übermächtige Russland wieder. Und nun werden sie wahrscheinlich bald gezwungen, sich zur Nord-Stream-Sprengung zu bekennen, wenn sie nicht vollends wie eine heiße Kartoffel fallengelassen werden wollen. Die Kiewer US-Marionetten haben keine Lehren aus der Vergangenheit gezogen, denn dass die USA ihre Marionetten fallen lassen, wenn sie nicht mehr nützlich sind, passiert bei weitem nicht zum ersten Mal.

Der Journalist Adam Taylor von der Washington Post schrieb, wenn sich herausstelle, dass die Explosionen an den Nord Streams von einer „pro-ukrainischen Gruppe“ verübt wurden, müsse Kiew schwierige Fragen der westlichen Verbündeten beantworten, denn das könnte es für die Ukraine erschweren, die Kämpfe weiterzuführen. Die Berichte darüber, dass „pro-ukrainische Saboteure“ für die Bombenanschläge verantwortlich sein könnten, würden „potenziell riskante Komplikationen für Kiew nach sich ziehen“, so Taylor:

„Wenn sich herausstellt, dass eine pro-ukrainische Gruppe diese Aktion in der Ostsee durchgeführt hat, die die Energiesicherheit eines Verbündeten gefährdet und zu einer großen Umweltkatastrophe geführt hat, wird Kiew mit viel ernsteren Fragen über die verdeckte Operation konfrontiert: ‚Wie konnte es das zulassen?‘ Oder noch schlimmer: ‚Wie konnte es nichts davon wissen?’“

Es werden also schon die ersten Stimmen laut, die andeuten, dass eine Nord-Stream-Sprengung durch die „pro-ukrainische Gruppe“ zu einem Problem für Kiew werden kann, weil Kiew davon nichts wusste. Kiew, so scheint es, soll auf jeden Fall beschuldigt werden, was – wie recht offen gesagt wird – eine Verringerung der westlichen Unterstützung bedeuten würde. Das könnte schon der Beginn des Drucks sein, der Kiew an den Verhandlungstisch zwingen soll, wo es dann – laut RAND – im Grunde nur die Wahl hat, fast allen russischen Forderungen zuzustimmen, oder unterzugehen, weil es Russland ohne die massive Unterstützung aus dem Westen nichts entgegenzusetzen hat.

Polen ist „freundlich“ wie immer

Die polnische Regierung sieht das natürlich anders und würde jedem, der die Nord Streams gesprengt hat, am liebsten einen dicken Kuss geben. Die polnische Regierung sieht sowohl Deutschland als auch Russland als Feinde an, weshalb sie die Nord-Stream-Sprengung, die vor allem Russland und Deutschland geschadet hat, feiert.

Es dürfte daher schwierig werden, auch die Polen dazu zu bekommen, pflichtschuldig böse auf Kiew zu sein, weil es – laut westlichen Medienberichten – die Verantwortung für die Nord-Stream-Sprengungen trägt. Wie schwierig es wird, der polnischen Regierung das neue Wording zu erklären, zeigte eine Erklärung des polnischen Präsident Duda:

„Ich weiß nicht, ob man sagen kann, dass es eine pro-ukrainische Sabotage war. Aber ich sage, dass, wenn Nord Stream aufhört zu existieren und kein Gas nach Europa liefern kann, das für Europa von Vorteil sein wird, es wird nützlich sein.“

Es bleibt spannend und natürlich ist nicht garantiert, dass ich mit meiner Spekulation darüber, dass das Nord-Stream-Märchen mit der „pro-ukrainischen Gruppe“ tatsächlich dazu benutzt werden soll, den USA einen Rückzug aus dem Ukraine-Abenteuer zu ermöglichen, richtig liege. Aber zumindest in den ersten beiden Tagen nach den ersten Meldungen über diese Räuberpistole passiert exakt das, was man als erste Schritte erwarten würde, wenn die Geschichte benutzt werden soll, die westliche Öffentlichkeit auf die „dramatische Änderung der US-Politik“ einzuschwören.


In meinem neuen Buch „„Putins Plan – Mit Europa und den USA endet die Welt nicht – Wie das westliche System gerade selbst zerstört ““ gehe ich der der Frage, worum es in dem Endkampf der Systeme – den wir gerade erleben – wirklich geht. Wir erleben nichts weniger als den Kampf zweier Systeme, in dem Vladimir Putin der Welt eine Alternative zum neoliberalen Globalismus anbietet. Wurden die Bürger im Westen gefragt, ob sie all das wollen, ob sie zu Gunsten des neoliberalen Globalismus auf ihren Wohlstand und ihre Freiheiten verzichten wollen?

Das Buch ist aktuell erschienen und ausschließlich hier direkt über den J.K. Fischer Verlag bestellbar.

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