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War der Ukraine-Konflikt wirklich völlig unerwartet?

Published On: 18. März 2023 6:00

Kam die Eskalation in der Ukraine wirklich völlig unerwartet? Die Antwort auf diese Frage aus russischer Sicht gibt ein Artikel von Dozenten der russischen Diplomatischen Akademie.

Mir wird gerne vorgeworfen, ich würde „russische Propaganda“ verbreiten. Ich sehe das anders, denn in einem Konflikt muss man immer beide Seiten anhören, wenn man verstehen will, was warum passiert. Da die russischen Argumente von den deutschen Medien jedoch verschwiegen werden, kann sich in Deutschland kaum jemand ein solches vollständiges Bild machen.

Heute übersetze ich daher einen Artikel, der genau diese russische Sicht aufzeigt. In Russland ist ein Artikel über die Gründe des Ukraine-Konfliktes erschienen, den Dozenten der Diplomatischen Akademie des russischen Außenministeriums geschrieben haben. Der Artikel enthält also quasi die russische Sicht der Dinge in ihrer reinsten Form, denn das, was diese Dozenten schreiben, lernen angehende russische Diplomaten an der Universität.

Beginn der Übersetzung:

Völlig unerwartet?

Die Prorektoren der Diplomatischen Akademie des russischen Außenministeriums Oleg Karpowitsch und Michail Troianski über die verheerenden Folgen der westlichen Unterstützung für die Ukraine

Russische Medien haben aufsehenerregende Informationen veröffentlicht, wonach ukrainische Soldaten bereits 2018 von NATO-Instruktoren ausgebildet worden sind. Dies wurde durch eine Reihe von Fotos bestätigt, die im genannten Zeitraum in westlichen Militäreinrichtungen aufgenommen wurden. Zweifel am Zweck der Ausbildung gibt es keine.

Das bedeutet, dass die Ukraine-Krise schon vor langer Zeit von den Drahtziehern aus Washington konzipiert wurde. Dies wird vor dem Hintergrund der „sensationellen“ Enthüllungen über das Minsker Abkommen besonders deutlich, die von einigen ehemaligen politischen Führer gemacht wurden. Nicht umsonst heißt es, dass alles irgendwann ans Licht kommt.

Versuchen wir, die Ursachen der sich entfaltenden Krise in der Ukraine zu verstehen. Es gibt eine Reihe von Faktoren, die ihr zugrunde liegen. Der wichtigste Faktor war natürlich die fehlende Einigung über die europäische Sicherheitsarchitektur, die in der postbipolaren Ära entstehen sollte.

Die UdSSR und der Warschauer Pakt existierten nicht mehr. Es bestand die Möglichkeit für eine umfassende Zusammenarbeit und Interaktion zwischen den verschiedenen Staaten in Europa, doch stattdessen begann die NATO auf Betreiben der USA, sich aggressiv nach Osten auszudehnen und dabei viele Staaten des Warschauer Pakts und einige der ehemaligen Sowjetrepubliken einzubeziehen.

Das ging so weit, dass die Ukraine und Georgien, die politisch, geopolitisch und historisch von großer Bedeutung für unser Land sind, im Jahr 2008 zu künftigen Mitgliedern des Bündnisses erklärt wurden. Das war eine Quelle der Instabilität in Europa und eine der Hauptursachen für den militärischen Konflikt in der Ukraine.

All diese Probleme werden durch die Tatsache, dass es zu einer schweren Vertrauenskrise zwischen der russischen und der amerikanischen sowie der europäischen Führung gekommen ist, noch erheblich verschärft. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass Russland im Dezember 2021 eine Reihe von ernsthaften Vorschlägen zu Sicherheitsfragen in Europa unterbreitet hat. (Anm. d. Übers.: Die Details dazu finden Sie hier) Leider haben wir keine konkreten Antworten erhalten, was als Ablehnung gewertet werden kann. Wir denken, dass es dafür bestimmte Gründe gab.

Die USA sind seit langem bestrebt, auf ukrainischem Territorium einen russlandfeindlichen Staat zu schaffen, eine Art „Anti-Russland“. Die NATO baute ihre militärische Präsenz aktiv aus und bildete ukrainische Streitkräfte aus. Es scheint jedoch, dass die USA nicht genau wussten und immer noch nicht wissen, was ihr eigentliches Ziel ist.

Es ist bereits deutlich geworden, dass das Selensky-Regime das Thema „Ukrainisierung der Politik“ aktiv ausnutzt und davon gut profitiert. Allein im letzten Jahr beliefen sich die US-Hilfen für Kiew auf über 150 Milliarden Dollar.

Vor dem Hintergrund der bevorstehenden US-Präsidentschaftswahlen dürften die Republikaner viele Fragen an Joe Biden richten. Wir glauben, dass das nur eine Frage der Zeit ist.

In Washington spielt die Tatsache, dass die Ukraine bei den Kampfhandlungen zerstört wird, keine Rolle. Neben dem Tod einer großen Zahl ihrer Bürger ist ein enormer Strom von Flüchtlingen und Vertriebenen zu beobachten.

Die ukrainische Wirtschaft ist allein im letzten Jahr bereits um mehr als 45 Prozent geschrumpft. Unternehmen stellen ihre Tätigkeit ein und schließen, Schulden und Auslandskredite nehmen zu, und die Wirtschaft ist völlig zusammengebrochen.

Die Ukraine-Krise kann nicht ohne Auswirkungen auf die europäische Wirtschaft bleiben: Gaspipelines sind zerstört, die Versorgung mit Energie, Düngemitteln, Getreide, Lebensmitteln und so weiter ist unterbrochen. All das hat schwerwiegende negative Auswirkungen auf den sozioökonomischen Bereich. Die Proteste nehmen zu und eine große Zahl von Bürgern ist mit der Politik ihrer Regierungen unzufrieden. In der Bevölkerung entsteht die Forderung nach einem Überdenken der Politik der europäischen Staaten gegenüber der Ukraine.

Auch in den USA gibt es negative Tendenzen. Der Bankensektor ist in Aufruhr. Die Preise für Treibstoff, Lebensmittel, Medikamente und Arzneimittel steigen. Dies führt bereits zu einer ernsthaften Schwächung der politischen Unterstützung für das Kiewer Regime. Die Mittel, mit denen Washington bereit ist, Kiew wirtschaftlich und militärisch zu unterstützen, sind nicht unerschöpflich. Es gibt für alles eine Grenze.

Experten sind schon vor langer Zeit zum Schluss gekommen, dass der Westen nicht zu einem direkten militärischen Konflikt mit Russland bereit ist, und dass die wirtschaftliche und technologische Ebenen zu den wichtigsten Plattformen für eine Konfrontation geworden sind. Gleichzeitig zielt der Kurs des Westens gegenüber Moskau darauf ab, eine „strategische Niederlage“ herbeizuführen, eine interne sozioökonomische Krise auszulösen, die Wirtschaft zu zerschlagen und die Position Russlands als technologisch rückständige, zweitrangige Regionalmacht zu festigen.

In der Realität ist es dem Westen trotz des starken wirtschaftlichen Drucks auf Russland nicht gelungen, seine Pläne im Blitzkrieg-Modus umzusetzen. Und die Sanktionspolitik hat nicht nur nicht die erwarteten Ergebnisse gebracht, sondern auch zu schwerwiegenden negativen Folgen für die Volkswirtschaften der westlichen Länder selbst geführt.

Der russische Präsident Wladimir Putin hat bestätigt: Die Politik der Eindämmung und Schwächung unseres Landes ist eine langfristige Strategie des Westens, und die Sanktionen haben der gesamten Weltwirtschaft einen schweren Schlag versetzt.

Ende der Übersetzung

Die Chronologie der Eskalation

Nun zeige ich zur Erinnerung noch einmal die Chronologie der Eskalation in der Ukraine seit Ende 2019 auf.

Anfang Dezember 2019 fand der letzte Normandie-Gipfel in Paris statt. Selensky kam danach zurück nach Kiew und verkündete seinen Leuten hinter verschlossenen Türen, dass er das Abkommen von Minsk nicht umsetzen wird. Allen Beteiligten in der Ukraine war damit klar, dass ein Krieg mit Russland unvermeidbar geworden war und Kiew begann mit konkreten Kriegsvorbereitungen. Das hat der Chef des ukrainischen Sicherheitsrates, Alexej Danilow, im August 2022 in einem Interview offen erzählt und auch Selensky hat das nun in dem Spiegel-Interview bestätigt.

Im Januar 2021 wurde Joe Biden US-Präsident. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Trump, der keine Eskalation in der Ukraine wollte, gab Biden Selensky grünes Licht. Daraufhin begann Selensky im Februar 2021 gegen die Opposition vorzugehen, woraufhin der Chef der größten Oppositionspartei unter Hausarrest gestellt und alle oppositionellen Medien wurden verboten wurden.

Im März 2021 setzte Selensky die neue Militärdoktrin der Ukraine in Kraft, in der ein Krieg mit Russland mit dem Ziel festgeschrieben wurde, die Krim gewaltsam zurückzuerobern und den Konflikt im Donbass gewaltsam zu entscheiden.

Mitte April 2021 verkündete die Biden Regierung den Abzug aus Afghanistan bis zum 11. September.

Im April und Mai 2021 stand die Ukraine kurz vor einem Krieg mit Russland, wurde aber von den USA noch einmal zurückgepfiffen. War der Grund, dass die US-Truppen noch in Afghanistan und damit verwundbar waren, oder dass die USA die Ukraine nicht so umfänglich unterstützen konnten, solange sie noch in Afghanistan gebunden waren?

Mitte Juni 2021 fand ein Gipfeltreffen der Präsidenten Putin und Biden statt, bei dem es aber keine Annäherung gab.

Im August 2021 fand die überstürzte Flucht der NATO- und US-Truppen aus Afghanistan statt.

Während Kiew die Situation im Donbass ab Ende 2021 wieder eskaliert hat und die NATO ihre Truppenpräsenz in der Ukraine unter dem Vorwand von Manövern und Ausbildungsmissionen erhöht hat, haben Deutschland und Frankreich das Minsker Abkommen im November 2021 offiziell beerdigt, worüber es in westlichen Medien allerdings keine Berichte gab.

Die Russland-Sanktionen wurden, wie Politico im Oktober 2022 berichtet hat, bereits mindestens ab November 2021 in Gesprächen zwischen Washington und Brüssel vorbereitet. Das war drei Monate vor dem Beginn der russischen Intervention in der Ukraine und just zu dem Zeitpunkt, als Berlin und Paris das Minsker Abkommen beerdigt haben. Dass die Abkehr vom Minsker Abkommen zum Krieg in der Ukraine führen würde, war den Entscheidungsträgern in Washington und Brüssel (und wahrscheinlich auch in Berlin und Paris) offenbar klar, weshalb sie parallel die entsprechenden Sanktionen vorbereitet haben. Afghanistan war Vergangenheit und damit hatten die USA die Hände frei für einen neuen Konflikt.

Im Dezember 2021 forderte Russland von den USA und der NATO ultimativ gegenseitige Sicherheitsgarantien und den Abzug der NATO-Truppen aus der Ukraine und erklärte, dass es im Falle einer Ablehnung gegenseitiger Sicherheitsgarantien gezwungen sei, „militärtechnisch“ zu reagieren. Damit war klar, dass Russland auf weitere Bestrebungen, die Ukraine in die NATO zu ziehen, militärisch reagieren würde. Das war der Moment, in dem allen verantwortlichen Politikern bewusst war, dass eine Ablehnung von Verhandlungen mit Russland zu einem Krieg in der Ukraine führen würde. Der Krieg und all das Elend hätte verhindert werden können, wenn die USA bereit gewesen wären, einen neutralen Status der Ukraine dauerhaft zu akzeptieren und zu garantieren.

Am 8. Januar 2022 wurde Scott Miller zum US-Botschafter in der Schweiz berufen. In einem Interview vom November 2022 erzählte er ganz offen, dass die USA „Geheimdienstinformationen über die Invasion“ gehabt hätten und er diese sofort, also Anfang Januar 2022, der Schweizer Regierung gezeigt hätte. Da die Gespräche zwischen Russland und den USA über die Frage, ob es zu Verhandlungen über die von Russland geforderten Sicherheitsgarantien kommen würde, zu diesem Zeitpunkt noch liefen, belegt die Aussage von Miller, dass die USA bereits beschlossen hatten, nicht in Verhandlungen einzutreten und sich der Folgen, nämlich der russischen Intervention in der Ukraine, in vollem Umfang bewusst waren. Miller bestätigte damit außerdem indirekt den Bericht von Politico darüber, dass die Sanktionen schon Monate vorher ausgearbeitet wurden, was Bundeskanzler Scholz und andere westliche Politiker später auch bestätigt haben, als sie sagten, dass die Russland-Sanktionen „von langer Hand vorbereitet“ waren.

Ende Januar 2022 wurde in den USA das Lend-Lease-Gesetz für die Ukraine eingebracht, über das bei seiner Einreichung in den Kongress geschrieben wurde:

„Mit diesem Gesetzentwurf wird vorübergehend auf bestimmte Anforderungen im Zusammenhang mit der Befugnis des Präsidenten, Verteidigungsgüter zu verleihen oder zu leasen, verzichtet, wenn die Verteidigungsgüter für die ukrainische Regierung bestimmt sind und zum Schutz der Zivilbevölkerung in der Ukraine vor der russischen Militärinvasion erforderlich sind“

Das bestätigt ein weiteres Mal, dass die USA sich bereits auf den Krieg vorbereitet haben, während sie offiziell noch immer mit Russland über mögliche Verhandlungen über gegenseitige Sicherheitsgarantien gesprochen haben, denn das Gesetz zur Unterstützung der Ukraine gegen die „russische Militärinvasion“ wurde einen Monat vor der russischen Intervention in den Kongress eingebracht.

Fast gleichzeitig mit der Einreichung des Gesetzes haben die USA und die NATO Ende Januar 2022 die von Russland vorgeschlagenen Verhandlungen über gegenseitige Sicherheitsgarantien abgelehnt.

Am 19. Februar 2022 hat Selensky auf der Münchner Sicherheitskonferenz unter dem Applaus der hochrangigen westlichen Zuhörer die atomare Bewaffnung der Ukraine angedroht. Damit war das russische Eingreifen nicht mehr zu verhindern, denn dass sich die Ukraine, die in ihrer Militärdoktrin offen einen Krieg gegen Russland vorbereitet hat, sich dazu auch noch mit Rückendeckung des Westens nuklear bewaffnen könnte, war für Russland eine inakzeptable Bedrohung der eigenen Sicherheit.

Am 21. Februar 2022 hat Putin die Donbass-Republiken anerkannt und Beistandsabkommen mit ihnen geschlossen. In seiner Rede dazu hat Putin Kiew deutlich vor den Folgen einer weiteren Eskalation gewarnt. Kiew hat den Beschuss auf zivile Ziele im Donbass danach aber noch einmal demonstrativ erhöht.

Am 24. Februar 2022 hat Putin in einer weiteren Rede den Beginn der russischen Militäroperation in der Ukraine verkündet.

Am 29. März 2022 gab es bei Verhandlungen zwischen Kiew und Moskau einen Waffenstillstand. Kiew selbst machte dabei den Vorschlag, die Krim als russisch anzuerkennen und eine Verhandlungslösung für den Donbass zu finden. Darüber hinaus hat Kiew zugesagt, keine ausländischen Truppen mehr in seinem Land zu stationieren und nicht NATO-Mitglied zu werden. Ein EU-Beitritt der Ukraine war hingegen möglich. Außerdem erklärte Russland als Zeichen des guten Willens, seine Truppen aus der Region Kiew abzuziehen, was westliche Medien sofort als militärische Niederlage Russlands umdeklarierten, obwohl der russische Rückzug ohne Kampfhandlungen stattgefunden hat.

Am 3. April 2022 erschienen die Meldungen von angeblichen Massakern der russischen Armee in Butscha, die sich jedoch schnell als False-Flag-Operation herausstellten. Dennoch wurde Butscha als russisches „Verbrechen“ bezeichnet und in den Medien breit behandelt, während die mögliche Verhandlungslösung, die nur Tage zuvor erreicht worden war, kein Thema in den Medien war.

Großbritannien ist ebenfalls nicht auf die erreichte Verhandlungslösung eingegangen, sondern hat der Ukraine stattdessen am 8. April 2022 Militärhilfe in Höhe von 100 Millionen Pfund für die Fortsetzung des Kampfes gegen Russland versprochen.

Einen Tag später, am 9. April 2022reiste der britische Premierminister Johnson nach Kiew und sprach mit Selensky, der das ukrainische Angebot im Anschluss an diese Gespräche zurückzog und stattdessen verkündete, die Entscheidung müsse auf dem Schlachtfeld erfolgen.

Am 30. September 2022 hat der ukrainische Präsident Selensky Verhandlungen mit einem von Putin geführten Russland per Dekret und Strafe gestellt.


In meinem neuen Buch „„Putins Plan – Mit Europa und den USA endet die Welt nicht – Wie das westliche System gerade selbst zerstört ““ gehe ich der der Frage, worum es in dem Endkampf der Systeme – den wir gerade erleben – wirklich geht. Wir erleben nichts weniger als den Kampf zweier Systeme, in dem Vladimir Putin der Welt eine Alternative zum neoliberalen Globalismus anbietet. Wurden die Bürger im Westen gefragt, ob sie all das wollen, ob sie zu Gunsten des neoliberalen Globalismus auf ihren Wohlstand und ihre Freiheiten verzichten wollen?

Das Buch ist aktuell erschienen und ausschließlich hier direkt über den J.K. Fischer Verlag bestellbar.

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