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bye-bye-credit-suisse!

Bye Bye Credit Suisse!

Published On: 21. März 2023 0:02

Veröffentlicht am 21. März 2023 von AS.

Et voilà. Am Ende ging wieder alles ganz schnell. Ähnlich wie bei der UBS-Rettung 2008, wie kürzlich befürchtet. Es hatte sich während des Wochenendes abgezeichnet. Um noch vor dem Wochenstart ein Zeichen zu setzen, ging die Pressekonferenz im Bundeshaus noch am Sonntagabend über die Bühne.

Für läppische drei Milliarden Franken wird die CS an die UBS verschachert. Selbst mit dem zuletzt abgestürzten Aktienkurs ist die Bank weit mehr wert. Man denke dar nur an das Sandsteingebäude des Hauptsitzes mit den klassischen Proportionen und den skulpturalen Verzierungen. Und als Supplement wird die Transaktion durch die Nationalbank mit 200 Milliarden Franken Liquidität garniert.

Das Finanz-Tandem des Zürcher Paradeplatzes wird per Notrecht auseinandergerissen, die jahrzehntealte produktive Hassliebe ist aus dem fernen Bern in der kühlen Manier der verwaltungstechnischen Sprache für beendet erklärt worden.

Gründe für das Aus gibt es zahlreiche. Zu nennen wären da etwa die Skandale von Chiasso bis Mosambik, diverse Rechtsfälle und Strafzahlungen, die nachrichtenlosen Vermögen, Geldwäsche, Boni-Exzesse, die Amerikanisierung der Führungs- und Unternehmenskultur, die ambitionierten Pläne mit dem Investment Banking in New York, die Hedgefonds-Fails oder die Aufweichung des Bankgeheimnisses.

Doch abgesehen davon geht es vor allem darum, die Art und Weise, wie das Ende der CS serviert wurde, als das zu benennen, was es ist: eine nationale Schande und ein skandalöses Trauerspiel.

Peter V. Kunz, Professor für Wirtschaftsrecht an der Universität Bern, lässt kein gutes Haar an den Aussagen und dem Auftritt der Protagonisten an der Pressekonferenz und spricht von einer faktischen Enteignung der Aktionäre. Auch hätten sie zentrale Fragen zum weiteren Verlauf nicht beantworten können.

Untergang eines Mythos

Die CS ist nicht vom Schweizer Finanzplatz wegzudenken. Ein Paradeplatz ohne CS ist unvorstellbar. Zu stark ist sie im kollektiven Gedächtnis verankert, zu reichhaltig ist ihre Tradition. Die CS existiert nur in der Symbiose von Bankenplatz und Paradeplatz, als lokale Nachbarin, Branchen-Konkurrentin und nationale Schwester der UBS.

Mit der CS verschwindet mehr als eine Bank. Die CS war symbolisches Kapital. Mit ihr verschwindet ein nationaler Mythos, ein Pfeiler des helvetischen Stolzes.

Die Bank, gegründet 1856 und damit nur acht Jahre jünger als der Schweizer Bundesstaat, ist aufs Engste verflochten mit der Biografie ihres Gründers Alfred Escher, einer Integrationsfigur des Zürcher Freisinns und der Liberalen am Ursprung der staatstragenden Industriepotenz.

Durch die Finanzierung der frühen nationalen Eisenbahnprojekte revolutionierte die CS das Transportwesen, Raum und Zeit wurden verdichtet, die freigesetzte Wirtschaftsleistung ermöglichte Wachstum und Wohlstand.

Damit gelang es der Schweiz, sich aus der grassierenden Armut des 19. Jahrhunderts zu hieven und sich von einem emigrationsgeprägten Bauernstaat zu einer führenden Industrienation zu transformieren. Bei aller berechtigten Kritik muss man diesen Beitrag anerkennen.

Diese Geschichte ging am 19. März 2023 zu Ende. Mit der CS verschwindet ein Teil der DNA der heutigen Schweiz. Die langfristigen Folgen davon sind freilich noch nicht absehbar.

Doch für die Schweiz und ihren Finanzplatz ist es ein Erdbeben sondergleichen, das am politischen Selbstverständnis rüttelt. Ihr Wohlstandsmotor hat empfindlichen Schaden erlitten, und man kann getrost von einer wirtschaftshistorischen Zäsur sprechen.

Die Parallelen zum Swissair-Grounding 2001 und zur UBS-Rettung 2008 sind unübersehbar: Zürcher Verfilzung, Personalkarussell zwischen Business Schools, Verwaltung, Politik, Aufsicht und den Teppichetagen von Grosskonzernen, elitäre Abgehobenheit, grössenwahnsinnige Expansionsgelüste, falsche Risikoeinschätzung, arrogante Managementkultur, mangelnde Kontrolle. Dann wundert man sich, dass man irgendwann das Vertrauen und daraufhin ganz schnell den Boden unter den Füssen verliert.

Nonchalance und Achselzucken

Wie immer, plötzlich und unvorhersehbar. So versuchen es die Verantwortlichen an der Pressekonferenz darzustellen, man spielt die Machtlosen und wähnt sich in der Unschuld. Die CS-Krise sei eine Vertrauenskrise. Mag sein, aber das ist nicht neu. Man kann die Überraschung nicht als Grund anführen, denn bereits die akuten Probleme bei der CS sind seit letztem Herbst bekannt.

Schon damals stand das Finanzsystem unter Beteiligung der CS kurz vor dem Kippen. Schauplatz: London. Man darf annehmen, dass es seither Druck seitens der englischen Behörden auf die CS und die Schweiz gegeben hat (mehr dazu in unserem Newsletter).

Denn anders als die jüngst kollabierten US-Banken SVB und Signature ist die CS für die globale Finanzordnung systemrelevant. Ihre Krisen waren nur noch der zufällige Tropfen, der in einem interdependenten globalisierten System bei der schon taumelnden CS das Fass zum Überlaufen brachte.

An einer Veranstaltung des Schweizerischen Instituts für Auslandforschung an der Universität Zürich sagte der britische Wirtschaftshistoriker und Professor für Zeitgeschichte Adam Tooze im Herbst 2022 auf die Frage, was die Schweiz angesichts der Weltkrisen tun müsse:

«Wir wissen doch alle, was die Schweiz tun kann und sollte. Muss ich das wirklich laut sagen? Credit Suisse können wir uns nicht leisten, Leute, was ist denn los hier? Das ist verrückt.»

Doch die helvetische Elite hat weggeschaut. An der Pressekonferenz herrschte eine Ambiance des Achselzuckens. Mit Nonchalance gibt man sich der Weltöffentlichkeit der Lächerlichkeit preis, outet sich als blinde und taube Repräsentanten einer Bananenrepublik. Es kommt einer Selbst-Demontage gleich. Demütigung live on air.

Man tritt sich im kleinen Alpenland nicht gerne auf die Füsse, geht zusammen in die Oper und kennt sich vom Polo in St. Moriz, will zur Upper Class dazugehören und schielt vielleicht auf den Job des anderen, der noch etwas prestigeträchtiger ist, trifft sich an Happenings der Who-is-Who-Promis und zu Wohltätigkeitsgalas, wo man den Philanthropen mimt und in die Kameras der Hochglanz-Klatschpresse grinst.

Beide CS-Oberbosse, Ulrich Körner und Axel Lehmann, um nur die zwei prominentesten Beispiele dieses Falls zu nennen, sind promovierte Ökonomen der Elitehochschule HSG und bewegen sich seit jeher in diesem Milieu, mutieren zwischen den Glaspalästen der Zürcher Finanzelite am Paradeplatz und Mythenquai, haben denselben Stallgeruch, die gleiche Habitualisierung. Ob man sich da noch kritisch auf die Finger schaut und sich ehrlich die Meinung geigt?

Auch die hiesige Presse, die sich jetzt mit kritischen Fragen profilieren kann, hat das CS-Problem – im Gegensatz zu den angelsächsischen Kollegen – zu wenig wahrgenommen. Eine der Ausnahmen ist der Zürcher Finanzjournalist Lukas Hässig, der regelmässig darüber berichtet hat, auch bereits im Herbst 2022, als die CS-Verluste stiegen und Kundengelder massiv von der Bank abflossen.

Als sich die neuen CS-Grossaktionäre der Saudi National Bank 10 Prozent der Bank sicherten, als sie frisches Kapital brauchte, schrieb Hässig: «Das Desinteresse ist erschreckend. Wie kann es sein, dass die reiche Schweiz und ihre herrschende Business-Klasse einfach die CS aus der Hand geben?» Das Geld kam fortan aus Saudi-Arabien, das Führungspersonal war bereits ab den späten 1980er Jahren vermehrt amerikanisiert.

Verlust der Glaubwürdigkeit

Lehmann will den Schuldigen für die Vertrauenskrise unter anderem bei einem australischen Twitterer gefunden haben. Diese Selbstkarikatur ist beispielhaft für Realitätsferne und ein ordinärer Fluchtversuch angesichts der Tatsache, dass nach der UBS-Rettung 2008 beteuert wurde, so etwas dürfe sich nicht wiederholen.

An der Pressekonferenz: Keine Reue, keine Entschuldigung, keine Einsicht. Nichts, aber gar nichts. Nicht einmal eine Inszenierung dessen. Nicht mal das hält man mittlerweile mehr für nötig. Stattdessen gibt es direkt die Faust ins Gesicht. Nicht schlecht angesichts der Verantwortungslast für den wirtschaftlichen Supergau mit unabsehbaren Folgen für Helvetia, Finanzplatz, Mitarbeiter, Kunden, Aktionäre, Steuerzahler, Pensionskassen.

Besonders schwer wiegt der Eindruck, dass man aus 2008 wenig bis nichts gelernt hat. Trotz Parlaments-Diskussionen, trotz Strategiepapieren zur Zukunft des Finanzplatzes, trotz der Too-big-to-fail-Regelung. Ein echter Kulturwandel hat nicht stattgefunden. Im Gegenteil: Man lud damals die Brandstifter ein, die zukünftigen Löschpläne zu erstellen. Die nächste Katastrophe war schon zu antizipieren.

Und jetzt, 15 Jahre später, sichert die Nationalbank den Deal mit 200 Milliarden Franken ab, weit mehr als die damaligen 68 bei der UBS, nachdem sie sich selbst im Jahr 2022 einen Rekordverlust von 132 Milliarden geleistet hatte. Und man tut so, als hätte das keine Konsequenzen (zum Vergleich: Die Wirtschaftsleistung der Schweiz betrug 2022 771 Milliarden).

Das kratzt an der Glaubwürdigkeit. Generell wurden aus der Finanzkrise 2008 keine Lehren gezogen, nicht nur in der Schweiz. Die Schulden steigen, ebenso die Inflation, die Zentralbanken drucken weiter Geld, die Bilanzen blähen sich auf, die Krisenintervalle häufen sich.

Es ist auch keine Abkehr davon zu erkennen. Die Wirtschaftstheorie steckt in einer Sackgasse. Sie muss sich wandeln. Die gelpolitischen Massnahmen sind ausgeschöpft, sie taugen zur Lösung heutiger Probleme nicht mehr.

Gegenwärtig verkauft man die Instrumente, die ursächlich sind für die Krisen, als deren Lösung. Dadurch potenzieren sich die Probleme. So als ob die Feuerwehr versucht einen Brand zu löschen, indem sie Benzin draufkippt. Man versucht den Brand mit Mitteln zu löschen, die ihn beschleunigen.

Die nun noch grösser werdende UBS wird zum einzigen Klumpenrisiko. Beide Grossbanken sind für die Grössenverhältnisse der Schweiz überdimensioniert. Die Politik macht sich noch erpressbarer. Bis jetzt hatte man zwei Krokodile, jetzt entsteht ein neuer Super-Godzilla.

Nicht nur für Banken tödlich

Die Schweizer Regierung verfügt nicht über den nötigen Einfluss wie die britische oder amerikanische, um sich bei Bedarf allenfalls gewissen Handelsspielraum zu schaffen. Weder nach innen noch nach aussen. Die Finanzindustrie ist zwar in Grossbritannien und den USA auch enorm einflussreich, ist aber im Vergleich zur gesamten Wirtschaftsleistung weniger bedeutend als in der Schweiz.

Besonders bei den Banken ist Vertrauen das grösste Kapital. Ist es beschädigt, ist es kaum zu reparieren. Kunden ziehen Einlagen ab, die Liquidität schwindet, die Bank blutet aus. Da nützen Überbrückungsspritzen der Nationalbank nichts. Vielleicht gewinnt man ein paar Tage Zeit, indem man so durch das Ventil am Dampfkessel etwas Druck ablässt, aber die Explosion bleibt unvermeidlich.

Marktteilnehmer agieren in solchen Situationen fast nie rational. Das ist ein ehernes Gesetz der Börse. Solche Signale sind allenfalls für Spekulanten interessant, die erwartbare kurzfristige Kursgewinne- oder Verluste bei der Aktie des betroffenen Unternehmens ausnutzen können. Das hat man auch vergangene Woche bei der CS wieder gesehen.

Wenn die Verantwortlichen jetzt erneut versuchen, das Fiasko als Bagatelle und gute Lösung zu verkaufen, ohne die Probleme ernsthaft anzugehen, dann hat auch immer mehr die Politik selbst ein Problem, eines, das nicht nur auf dem Finanzmarkt tödlich ist, sondern irgendwann den Kitt der Gesellschaft zerstört: der Verlust an Integrität, Vertrauen und Glaubwürdigkeit.

Die Politik ist im Krisenfall immer häufiger nur noch mit Notrecht handlungsfähig, oder auf Druck aus dem Ausland, vor allem aus Washington, London, Brüssel, jedenfalls ist sie so nicht mehr autark. Die Souveränität bröckelt, der Rechtsstaat wird unterminiert.

«Nationale Interessen»

Was die «nationalen Interessen» der Schweiz betrifft, die Finanzdirektorin und Bundesrätin Karin Keller-Sutter im Zuge des CS-Untergangs beschwört, so ist es um die Handlungsautonomie der Politik, von Parlament und Regierung, mehr als fragwürdig bestellt, rechtsstaatlich wie symbolisch.

Dies trifft nicht nur auf die CS-Rettung zu, sondern auch auf die jüngsten Krisen. So wurden Covid-Regelungen rechtlich diffus durch einen Ausnahmezustand begründet, der sich an der supranationalen WHO orientierte. Bis heute fehlt eine kritische Aufarbeitung dazu.

Direkt anschliessend wurde die aussenpolitische Neutralität durch die Übernahme der Russland-Sanktionen aufgeweicht. Auch wegen äusseren Drucks. Dies sind Entwicklungslinien einer politischen Kursveränderung gegenüber Bereichen, die untrennbar mit der Geschichte und dem Erfolg der modernen Schweiz verknüpft sind.

Man verscherbelt eine Grossbank per Notrecht an diejenige, die 2008 ebenfalls mit Notrecht gerettet wurde, womit am Pfeiler der Finanzindustrie gesägt wird, und gibt mit der Neutralität den Pfeiler auf, der seit dem Wiener Kongress 1815 die Aussenpolitik bestimmt.

Keller-Sutter hatte nach der UBS-Rettung, damals noch als Ständerätin, gegen ein Trennbankensystem gestimmt, das Risiken im Bankgeschäft wahrscheinlich effektiver reduziert hätte als die schliessliche Too-big-to-fail-Regelung, die Peter V. Kunz als ungenügend kritisierte. Auch Körner, damals noch bei der UBS, beriet die Behörden in diesem Zusammenhang.

Was jetzt Licht ins Dunkel bringen könnte, wäre eine unabhängige parlamentarische Untersuchungskommission (PUK). Sie könnte die Ereignisse rund um den CS-Niedergang ausleuchten. Die Politik könnte ihre Versäumnisse rund um die UBS-Rettung 2008 nachträglich aufholen (der Nationalrat hatte 2010 eine PUK aufgegleist, doch der Ständerat stimmte dagegen).

Auf diese Weise könnte die Politik im Gegensatz zu damals beweisen, dass sie es ernst meint, oder ob sie es sich bequem macht nach dieser peinlichen Ausreden-Show der Extraklasse, ganz nach den Worten von UBS-CEO Ralph Hamers: «Zusammen können wir eine noch schönere Bank bauen».

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