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LGBT ist der französischen Regierung wichtiger als die sozialen Probleme

Published On: 3. April 2023 7:00

Während in Frankreich Massenproteste wegen der Rentenreform stattfinden, die von der Polizei brutal niedergeknüppelt werden, hat der für die Reform verantwortliche Minister sein Coming-Out verkündet und beschwert sich über angeblich homophobe Kritik.

Die Bilder aus Frankreich werden dem deutschen Publikum von den Medien gnädig vorenthalten, denn die seit den Gelbwesten schon sprichwörtliche Brutalität der französischen Polizei könnte deutsche Zuschauer, die Polizeigewalt nur außerhalb des Westen vermuten, verunsichern. Dabei hat die Brutalität der französischen Polizei einen Grad erreicht, der sie international führend macht.

Die russische Frankreich-Korrespondentin hat für den wöchentlichen Nachrichtenrückblick des russischen Fernsehens wieder direkt von den Demonstrationen berichtet und ich habe ihren Bericht auch diese Woche wieder übersetzt. Da der Bericht zusammen mit den Bildern verständlicher ist, als der Text allein, empfehle ich Ihnen, wenn möglich, auch den russischen Bericht anzuschauen, der zusammen mit meiner Übersetzung auch ohne Russischkenntnisse verständlich sein sollte.

Beginn der Übersetzung:

Homophobie und Beleidigungen beunruhigen die französische Regierung mehr als die Krise im Land

Vadim, der erwachsene Sohn meines langjährigen Freundes aus Paris, hat mir ein lustiges Video geschickt: „Ich höre oft, dass das Leben in Paris teuer, fast luxuriös ist. Die Mieten sind hoch und die Kommunalabgaben auch. Aber wir haben hier auch Dienstleistungen, die man nirgendwo anders findet. Hier ist zum Beispiel eine Neuerung des Pariser Bürgermeisteramtes: Jetzt muss man den Müll nicht mehr raustragen. Und man muss zugeben, dass das genial ist.“ (Anm. d. Übers.: Der Mann im Video wirft seinen Müllsack zu diesen Worten einfach aus dem Fenster auf die Straße, wo er in einem riesigen Müllberg vor dem Haus landet)

Der Fernsehbildschirm vermittelt das nicht, aber meine Freunde haben mir erzählt, dass das Öffnen eines Fensters einer Wohnung zur Straße im Zentrum von Paris eine ganz eigene Herausforderung ist. Der Gestank der nicht abgeholten Müllhaufen ist unvorstellbar. Von welcher Mülltrennung reden die! Die Lebensmittelabfälle in den Tüten sind ein Fest für die Ratten.

Man muss sagen, dass Paris schon immer eine Stadt der Ratten war. Die Literatur und das Kino haben das auf verschiedene Weise aufgegriffen, aber es bleibt eine Tatsache. Jeder kennt den amerikanischen Zeichentrickfilm Ratatouille: Eine niedliche kleine Ratte mit rosa Ohren lebt in Paris. Das ist ein Versuch, sich mit den Ratten zu versöhnen und sie fast zu vermenschlichen.

In unserer Kultur wird mit Ratten jedoch nichts Gutes in Verbindung gebracht. Nehmen wir den bösen Mäusekönig in Tschaikowskis Ballett „Der Nussknacker“. Und natürlich erinnert sich jeder an Flavitskys Bild der Prinzessin Tarakanova, auf dem die Gefangene in den überfluteten Kellern der Peter-und-Paul-Festung vor Angst erstarrt, als die nasse Ratte auf sie zukommt, und sie sie nicht einmal anschauen kann.

Doch zurück nach Paris. Auch dort ist die Realität bei weitem kein Zeichentrickfilm. War Paris früher an Ratten gewöhnt, so leben diese gefährlichen Nager dort heute einfach wie im Paradies. Gefährlich, weil sie beißen können, und mit einem Biss – und auch ohne – sind Ratten Überträger von schweren Krankheiten. Die Leptospirose zum Beispiel ist eine bakterielle Erkrankung von Mensch und Tier. Hunde sind besonders gefährdet. Sie können sich infizieren, wenn sie mit Staub aus Rattennestern in Berührung kommen oder die Ausdünstungen von Rattenurin einatmen. Die Folge sind Nierenschäden, Meningitis, also eine Entzündung der Gehirn- und Rückenmarkshäute, gefolgt von Leberversagen, Atemnot und sogar dem Tod des Tieres.

Wir wollen nicht alle Krankheiten aufzählen, die Ratten übertragen können, sondern nur einige: hämorrhagisches Fieber mit Nierensyndrom, lymphozytäre Choriomeningitis, Salmonellose und eine besondere Diagnose, die wie folgt lautet: Rattenbissfieber. Das bedeutet Fieber, Ausschlag, Erbrechen und Kopfschmerzen. Gar nicht gut.

Aber unter guten Bedingungen, wie jetzt in Paris, vermehren sich die Ratten rasend schnell. Eine Ratte wird mit fünf Wochen geschlechtsreif, dann folgt eine Schwangerschaft und sie wirft ein Dutzend Ratten auf einmal. Die nächste Trächtigkeit kommt, während sie noch säugen. Und so geht es zwölf Mal im Jahr. Multiplizieren Sie 12 mit 12 und Sie bekommen 144. So viele Nagetiere produziert eine weibliche Ratte pro Jahr. Und darin sind die Enkel-, Urenkel- Und-So-Weiter-Generationen noch nicht mitgerechnet. Ratten kennen keine demografische Krise.

Die Müllabfuhr in Paris wurde aufgrund von Streiks und Protesten eingestellt. Der Geruch von französischem Parfüm ist unter diesen Bedingungen nicht wahrnehmbar. Der französische Präsident Emmanuel Macron versucht, das zu ignorieren und schlägt eine andere Tagesordnung vor – am Dienstag reist er nach Peking, um Xi Jinping davon zu überzeugen, seine Haltung gegenüber Russland zu ändern und darum zu bitten, den Westen in der Ukraine zu unterstützen.

Amerika geht unter diesen Umständen mit seiner üblichen diplomatischen „Finesse“ vor. Nach Angaben des Sprechers des Weißen Hauses John Kirby unterstützen die USA friedliche Demonstrationen überall auf der Welt. Also auch in Frankreich. Macron reist also mit einem „starken“ und einem stinkenden „Hinterland“ nach Peking.

Aus Frankreich berichtet unsere Korrespondentin.

Der Präsident hat gehofft, die Franzosen würden des Streiks müde werden und sich beruhigen, aber es wurde nicht ruhiger. Die Polizei schlug auf alles und jeden ein, der sich ihr in den Weg stellte, so dass Menschen nach einem solchen Sturmlauf bewusstlos wurden, und die Polizisten stürzten sich mit Schlagstöcken auf die Demonstranten und schlugen sie, als ob sie ihre Wut an ihnen auslassen wollten. Sie schlugen viel, oft und wahllos zu, ohne darauf zu achten, dass sie dabei gefilmt wurden. Wie in einem Rausch stürmten sie über den Platz, feuerten Gummigeschosse und Rauchbomben ab und warfen Blendgranaten auf die Köpfe der Demonstranten und in die Menge.

Der Aufstand der französischen Jugend wird buchstäblich mit Tränengas übergossen und nach wenigen Sekunden ist es unmöglich, hier ohne Gasmaske zu atmen. Eigentlich sollte sich die Menge so schnell wie möglich auflösen, aber die Menschen gaben nicht auf, selbst als Wasserwerfer gegen sie eingesetzt wurden, und gingen an einigen Stellen in die Offensive. Ein Versuch, die gegen die Rentenreform streikenden Feuerwehrleute zurückzudrängen, führte zu einer Schlägerei und zur Flucht der Ordnungshüter.

Obwohl die Pariser Müllarbeiter ihren Streik am Mittwoch nach fast einem Monat vorübergehend abbrachen, brannten in der Hauptstadt nachts wieder stinkende Müllsäcke. Neue spontane tägliche Demonstrationen haben zu einer unverhältnismäßigen Brutalität der Polizei geführt. Es wurde nicht mehr nur geschlagen, diesem Mann wurden die Kleider vom Leib gerissen.

Die verbotene Praxis des Erstickens mit Gas – die „Gasfallen“ – wurde eingeführt. Die sogenannten Ordnungshüter drängten die Menschen in eine Gasse, fluteten sie mit Tränengas und stellten sich dann, wie aus Rache, als Mauer auf und ließen die erstickenden Menschen nicht heraus.

Nach Menschenrechtsaktivisten hat auch das Weiße Haus diese Praktiken verurteilt. Die Franzosen selbst begannen, den Rücktritt von Innenminister Gérald Darmanin zu fordern, indem sie auf den Plätzen skandierten: „Darmanin ist ein Mörder“.

Die ganze Woche über gab es im Norden Frankreichs einen Aufstand der Fischer, sie blockierten große Häfen, den Verkehr auf Autobahnen und Autobahnkreuzen und verbrannten Reifen. In Caen wurde der Kopf von Präsident Macron verbrannt, dessen Umfragewerte auf ein Rekordtief gefallen sind. Die Behörden reagierten erneut mit Gewalt und leiteten rechtliche Schritte gegen diejenigen ein, die die Aktion geplant hatten.

Einer Frau, die Macron auf ihrer Social-Media-Seite als „Müll“ bezeichnet hatte, droht ein Jahr Gefängnis und eine Geldstrafe von 15 000 Euro. Polizeibeamte kamen zu ihr nach Hause, um sie wegen Respektlosigkeit gegenüber der Person, die die Staatsgewalt innehat, in Gewahrsam zu nehmen. Auf Twitter verbreitete sich ein Hashtag zur Unterstützung der Frau.

Macron selbst beschloss, zum ersten Mal seit zwei Monaten wieder in die Öffentlichkeit zu gehen. Er fuhr nach New Aquitaine, im Osten des Landes. Die Menschen warteten bereits im Regen auf ihn und wollten seine Autokolonne nicht einfahren lassen. Sie wurden mit Schlagstöcken gejagt und Polizisten schlugen auf den Kopf eines 70-jährigen Rentners ein.

Der Präsident war so klug, nicht mit dem Auto zu fahren, und hat, um an den Ufern des Sees über Umweltschutz zu sprechen, ein Flugzeug und dann einen Hubschrauber genommen. Die wichtigste Botschaft ist, dass die Franzosen wieder sparen und mehr bezahlen müssen, jetzt auch für Wasser.

„Wir müssen einen progressiven Wassertarif einführen. Der erste Kubikmeter wird wenig Geld kosten, etwa den Selbstkostenpreis. Für alle. Das gilt für Wasser, das wir alle zum Trinken, zum Waschen und für den täglichen Gebrauch benötigen. Ab einem bestimmten Niveau wird der Preis pro Kubikmeter höher, und das ist normal, um die Einsparungen, die wir alle brauchen, zu fördern“, sagte der französische Regierungschef.

Die Franzosen müssen schon jetzt viel sparen, weil die Preise steigen. So sehr sind zum Beispiel die Preise im Laufe des Jahres gestiegen, wie die Zeitung Parisien berichtet: Gefrierfleisch um 31,6 Prozent, Papierservietten um 30,4 Prozent, Toilettenpapier um 27,4 Prozent, Zucker um 26,7 Prozent, Milch, ebenso wie Butter, um fast ein Viertel. Auch Benzin ist teuer und man muss es erst noch finden: Wegen der Blockade der Raffinerien ist ein Teil der Tankstellen leer.

Die Energie- und Gasarbeiter verbrennen ihre Helme und fordern einen Stopp der Anhebung des Rentenalters und der Streichung der Sozialleistungen. Die Regierung hat allerdings andere Sorgen. Der Verfasser der Reform, Arbeitsminister Olivier Dussopte, bekennt sich öffentlich zu seiner Homosexualität und ist empört über die homophoben Beleidigungen, die ihm von Mitgliedern der Nationalversammlung entgegengebracht werden. Präsident Macron veröffentlicht ein Interview in einem Comic-Magazin für Kinder und die Staatssekretärin für Gleichstellungsfragen, Marlene Chiappa, erscheint auf der Titelseite des Männermagazins Playboy, wo sie sich als freie Ministerin bezeichnet und über LGBT-Themen spricht.

Das ist zwar nicht ihre Aufgabe, aber wenn der Präsident der Republik inmitten der sozialen und politischen Krise ein Interview in der Zeitschrift Pif Gadget gibt, dann können seine Minister tun und lassen, was sie wollen.

Ministerpräsidentin Elisabeth Borne muss sich verteidigen: das Erscheinen der Ministerin auf dem Titelblatt sei mit ihr nicht abgesprochen gewesen und der Zeitpunkt sei nicht richtig gewählt. Sie versucht nun, Zeit zu gewinnen. Sie hat alle politischen Parteien an den Verhandlungstisch eingeladen und ist bereit, sich mit den Gewerkschaften zu treffen, aber sie will die Rentenreform nicht aufgeben, zumal es nur noch ein Schritt bis zu ihrer Verabschiedung ist. Die Entscheidung muss der Verfassungsrat des Landes treffen. Diese Frist läuft am 14. April ab.

Ende der Übersetzung


In meinem neuen Buch „„Putins Plan – Mit Europa und den USA endet die Welt nicht – Wie das westliche System gerade selbst zerstört ““ gehe ich der der Frage, worum es in dem Endkampf der Systeme – den wir gerade erleben – wirklich geht. Wir erleben nichts weniger als den Kampf zweier Systeme, in dem Vladimir Putin der Welt eine Alternative zum neoliberalen Globalismus anbietet. Wurden die Bürger im Westen gefragt, ob sie all das wollen, ob sie zu Gunsten des neoliberalen Globalismus auf ihren Wohlstand und ihre Freiheiten verzichten wollen?

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