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US-(Ex-)Präsidenten geben sich in Belfast die Klinke in die Hand, um (sich) zu feiern

Published On: 20. April 2023 9:30

Letzte Woche hielt sich US-Präsident Joe Biden zu einem Staatsbesuch in Nordirland auf. Offizieller Grund war der 25. Jahrestag des Karfreitagsabkommens, welches den 30 Jahre währenden Bürgerkrieg in Nordirland beendete. Es hatte jahrelange Verhandlungen und die Einsicht der Kontrahenten gebraucht, bis es zu diesem Ergebnis kam. Ob von den in der Gegenwart für Krieg und Frieden verantwortlichen Personen daraus Rückschlüsse auf heutige Situationen gezogen werden, ist nicht ersichtlich. Ein Kommentar von Moritz Müller.

Die 800-jährige Besetzung und Kolonialisierung Irlands durch England endete 1921 mit dem anglo-irischen Vertrag, welcher einen Großteil der Insel schrittweise unabhängig werden ließ, während sechs vorwiegend protestantisch geprägte Grafschaften im Norden Irlands Teil des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland wurden.

Auch diesem Vertrag war ein jahrelanger und blutiger Unabhängigkeitskrieg vorausgegangen. Weil sich die Iren nicht über die Zustimmung zum Abkommen einigen konnten, folgte direkt noch ein gnadenloser Bürgerkrieg, dem auch einer der Unterzeichner des Abkommens, Michael Collins, zum Opfer fiel. Am Ende siegten allerdings die Befürworter des Abkommens, wahrscheinlich auch, weil viele der Kriege überdrüssig waren. Es gab Iren, die zusätzlich zu diesen beiden Kriegen auch noch im Ersten Weltkrieg gekämpft hatten.

Der steinige Weg zum Karfreitagsabkommen

Leider war die Abtrennung Nordirlands auch nicht das Gelbe vom Ei, denn ein gutes Drittel der dortigen Einwohner waren damals Katholiken, von denen viele auch nicht weiter im britischen Königreich leben wollten. Außerdem gab es zahlreiche wirtschaftliche und soziale Benachteiligungen, die ihnen obendrein noch in jährlichen Triumphmärschen und Paraden unter die Nase gerieben wurden und werden. Andererseits wollten wohl die meisten Protestanten Nordirlands nicht in dem katholischen Gottesstaat leben, der im Süden errichtet wurde und der auch schwere Menschenrechtsverletzungen zu verantworten hat.

Alles in allem eine explosive Situation, die 1968 aus dem Ruder lief und in der Stationierung weiterer britischer Truppen in Nordirland mündete. Zuerst wurden diese Truppen von der katholischen Minderheit noch begrüßt, als Beschützer vor protestantischen Bürgerwehren und Milizen. Spätestens nach dem „Bloody Sunday“ 1972, als britische Fallschirmjäger 13 unbewaffnete Zivilisten erschossen, wurden die britischen Soldaten auch als Gegner gesehen, die es zu besiegen bzw. zu töten galt.

Dieser Konflikt dauerte bis zum Karfreitagsabkommen von 1998 an, und auch jetzt, 25 Jahre später, sind die Gräben noch tief. Es gibt z.B. mal wieder keine Regierung in Nordirland, weil sich die Unionisten und die Republikaner, die dem Karfreitagsabkommen zufolge die gewaltenteilende Exekutive immer zusammen ausüben sollen, einmal mehr nicht einigen können. Diesmal sind es die Unionisten, die Probleme mit der im Zusammenhang mit Brexit ausgehandelten Zollunion mit der Republik Irland haben. Aber es wird zumindest nicht geschossen, gebombt oder sonstwie gemordet, wie es bis 1998 der Fall war.

Dem Karfreitagsabkommen waren mindestens zehn Jahre zäher Verhandlungen vorausgegangen – Verhandlungen zwischen zutiefst verfeindeten Parteien, von denen erst nur kleine Teile überhaupt verhandeln wollten oder konnten. Viele derer, die zuerst die Hand der Versöhnung ausstreckten, wurden von ihren extremeren Parteigängern als Verräter bezeichnet, und es gehörten großer Wille und Mut dazu, dies auszuhalten.

Alle Beteiligten im Nordirland-Konflikt stimmten vor 25 Jahren Dingen zu, die sie noch kurz zuvor vehement ablehnten:

  • Die irische Regierung strich den Anspruch auf Nordirland aus der Verfassung.
  • Die paramilitärischen Organisationen gaben nach und nach ihre Waffen auf.
  • Die britische Regierung verringerte ihre Militärpräsenz in Nordirland.

Ich lebte auch damals in Irland und erinnere mich, was damals über die zähen Verhandlungen öffentlich wurde. Es schien mühselig. Manchmal ging es vorwärts, oftmals rückwärts. Was wohl fast alle Seiten einte, war die Einsicht, dass die über 3.000 Toten 3.000 Tote zu viel waren und dass keine Seite einen militärischen Sieg davontragen konnte.

Die Einsichten von damals im aktuellen Kontext

Dies führt meiner Meinung nach direkt in die Gegenwart. Auch in der Ukraine stehen sich Gegner gegenüber, die zutiefst verfeindet und misstrauisch sind. Es wird von einem großen Sieg oder von Rückeroberung von Territorium geträumt. Wie in Nordirland scheint ein militärischer Sieg aber für beide Seiten nicht wirklich erreichbar. Auch Russland ist hinter die Linien zurückgefallen, die es in den ersten Monaten nach der Ausweitung des Krieges erobert hatte. Von 2014 bis Februar 2022 sind im Donbass schätzungsweise 14.000 Menschen bei Kampfhandlungen ums Leben gekommen – und seitdem ein Vielfaches mehr.

Vor allem junge Männer sterben in den Armeen ihrer Länder für die Ideen der Herrschenden, aber auch Zivilisten jedweder Sorte.

Wie kann Joe Biden nach Nordirland reisen und dort ein Verhandlungsergebnis feiern, während er im Ukraine-Konflikt jegliche Verhandlungen ablehnt bzw. utopische Vorbedingungen stellt? Bidens Amtsvorgänger und Parteifreund Bill Clinton landete letzten Freitag auch in Nordirland. Dort nahm er an einer dreitägigen Konferenz teil, welche auch das Karfreitagsabkommen zum Thema hatte. Mit dabei war unter anderem der britische Ex-Premier Tony Blair.

Ein Jahr nach der Unterzeichnung des Friedensabkommens in Nordirland griff die NATO mit Clinton und Blair in Führungsrollen Jugoslawien an und tötete unzählige Menschen. Das wird in Belfast wohl nicht zur Sprache gekommen sein, genauso wenig wie Blairs Rolle beim Angriff auf den Irak 2003. Auch Deutschland unter Schröder und Fischer war mit von der Partie bei der Bombardierung Belgrads, während man im Irak-Krieg scheinbar neutral blieb, die USA aber von deutschen Militärbasen operieren ließ. Das ist unlogisch. Der Blick der meisten Beobachter scheint sehr verengt, und man will nicht auf Dinge schauen, die das Bild trüben könnten.

Washingtons „Kriegsspiele“ in Europa

Nun gießen die USA und die mit ihnen verbündeten bzw. von ihnen unterworfenen Staaten mit Waffenlieferungen und der Anspornung der ukrainischen Regierung noch mehr Öl ins Feuer. Die Waffenfabrikanten und Händler verdienen am Ukraine-Krieg sehr viel Geld. Da scheinen die Menschenleben, die das kostet, untergeordnet zu sein.

Wenn Joe Biden in Nordirland in sich gegangen wäre und den damals beteiligten Unterhändlern etwas genauer zugehört hätte, dann sollte ihm klar werden, dass Verhandlungen der einzige Weg sein werden, um den Krieg in der Ukraine zu beenden. Wie mittlerweile bekannt ist, schien im April letzten Jahres eine Verhandlungslösung zwischen Kiew und Moskau, die auch Zugeständnisse beider Seiten beinhaltete, in greifbarer Nähe, doch dann reiste der britische Premierminister nach Kiew und es kam anders.

Je weiter man in einen Konflikt hineingerät, umso schwerer wird der Ausstieg. Wenn man über lange Zeit Präsident Putin und vieles Russische weitgehend dämonisiert hat, dann wird es am Ende schwierig, der eigenen Bevölkerung klarzumachen, warum man auf einmal nachgibt.

In der Republik Irland, die offiziell neutral ist, lobte Biden die Regierung für ihre Treue und für die „nicht tödliche Hilfe“ für die Ukraine.

„Irland hat der Ukraine mehr als 170 Millionen Euro an nicht tödlicher Hilfe zugesagt, darunter lebenswichtige Schutzausrüstung, medizinische Ausrüstung, humanitäre Unterstützung und Hilfe zur Minimierung der Auswirkungen des Krieges auf die Ernährungsunsicherheit und Unterernährung von Kindern.“

Warum, wenn man vorgibt, neutral zu sein, lässt man die gleiche humanitäre Hilfe nicht auch den anderen Konfliktparteien zugutekommen?

Der irische Regierungschef Leo Varadkar revanchierte sich mit dieser Lobeshymne:

„Und Demokratie und Freiheit und die Dinge, an die wir glauben, sind in großen Teilen der Welt auf dem Rückzug. Und ich weiß nicht, in was für einer Welt wir leben würden, wenn es nicht die amerikanische Führung gäbe und wenn Amerika und Europa nicht zusammenarbeiten würden.“

„Wir wissen also Ihre Führungsstärke und Ihre persönliche Führungsstärke wirklich zu schätzen – sowohl, was die Sicherung des Friedens in Irland angeht, als auch bei dem Versuch, Demokratie und Freiheit hier in Europa zu schützen.“

Die englischen Zitate von Biden und Varadkar finden sich hier.

Die Lehren aus US-amerikanischer Interventionspolitik

Wenn es nicht so ernst wäre, dann müsste man lachen. Der Zustand der heutigen Welt hat tatsächlich viel mit dem Einfluss der USA zu tun, aber ich weiß nicht, an welche Dinge Leo Varadkar glaubt. Meint er die Zerstörung Afghanistans, Iraks und Syriens? Die Welt würde tatsächlich anders aussehen, wenn die USA und wir „Verbündeten“ uns nicht an so vielen Orten aus Eigeninteresse einmischen würden. Auch der Konflikt in der Ukraine ist vom Westen provoziert. Seit dem Ende der Sowjetunion ist die NATO unaufhörlich nach Osten, bis an die Grenzen des heutigen Russlands, vorgerückt und hat dort moderne Waffen stationiert.

Wenn man auf der anderen Seite des Atlantiks seine Heimat hat, kann man bequem einen Krieg in Europa mit Waffenlieferungen befeuern. Wenn man in Europa lebt, sollte man sich das – anders, als Frau Baerbock dies tut – schon genauer überlegen.

Präsident Biden und seine Anhänger sind nicht nur geschichtsvergessen, sondern sie merken auch nicht, dass der Rest der Welt die Dinge nicht nur einfach auf Russland als Aggressor reduziert, sondern dass man dort auch die Rolle des Westens als Ausbeuter, Aggressor und Provokateur sieht.

Uns bleibt der Glaube an die Vernunft

Hier schließt sich meiner Meinung nach einmal mehr der Kreis. Der Krieg in der Ukraine wird nicht durch militärische Stärke enden, sondern nur mit Verhandlungen, an welche die verschiedenen Seiten mit Offenheit und Friedenswillen herangehen müssen.

Wahrscheinlich ist daran zu glauben naiv, aber dieser Glaube zusammen mit allem, was die jeweiligen Bevölkerungen ihren Politikern klarmachen können, ist das Einzige, was uns bleibt. Oder man zieht sich zurück in eine innere Emigration, die aber nur mit sehr viel Glück wirklich funktionieren wird. Glück wird wohl auf jeden Fall dazugehören müssen, wenn die Menschheit bzw. unsere „Zivilisation“ auf diesem Planeten überleben sollte.

Titelbild: RORY NUGENT.com/shutterstock.com

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