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Medienrummel um in Russland verhafteten Journalisten

Published On: 28. April 2023 1:37

Die Verhaftung des US-Journalisten Evan Gershkovich hat bei westlichen Medien für viel Wirbel gesorgt. Hier führe ich Beispiele für verhaftete Journalisten auf, für die die westlichen Medien sich aus irgendeinem Grund nicht interessieren.

Ende März wurde der US-Journalist Evan Gershkovich, der für das Wall Street Journal aus Russland berichtet hat, wegen des Vorwurfes der Spionage festgenommen. Natürlich folgte ein Aufschrei in den westlichen Medien. Am 19. April haben deutsche Medien sogar einen offenen Brief an den russischen Botschafter in Deutschland veröffentlicht, in dem die sofortige Freilassung von Gershkovich gefordert wurde und in dem unter anderem zu lesen war:

„Die gegen ihn vorgebrachten Spionagevorwürfe sind haltlos und ein Akt reiner politischer Willkür gegen die Freiheit der Presse.“

Wenn wir über haltlose Spionagevorwürfe sprechen, fällt mir zuerst ein anderes Beispiel ein: Julian Assange soll nach jahrelanger Folterhaft aus Großbritannien in die USA ausgeliefert werden. Die Foltervorwürfe gegen Großbritannien hat die UNO erhoben, Assange wurde in der Haft offenbar schwer krank, bekommt aber nur begrenzte medizinische Hilfe. Dabei sind die Vorwürfe gegen ihn nicht nur haltlos, sie sind konstruiert, denn sein „Verbrechen“ bestand darin, Berichte von Whistleblowern zu veröffentlichen, die Kriegsverbrechen der USA aufgedeckt haben. Verhaftet wurden aber nicht die Kriegsverbrecher, sondern die Whistleblower und die USA haben eine Hetzjagd auf Assange ausgerufen, in deren Folge er nun seit Jahren in Folterhaft sitzt.

Aber haben die deutschen Medien, die sich im Fall Gershkovich so aufregen, offene Briefe mit gleichem Inhalt an die Botschafter der USA und Großbritanniens in Deutschland geschickt? Nein.

Schon daran sieht man, dass es den deutschen Medien weder um die Pressefreiheit geht, noch um den Journalisten (oder Spion?) Gershkovich. Es geht ihnen um Politik: Der Fall Gershkovich kann medial gegen Russland instrumentalisiert werden, was auch fleißig getan wird. Kritik an den USA oder Großbritannien wegen Assange ist für die deutschen Medien hingegen Tabu.

Dabei ist Assange bei weitem nicht der einzige solche Fall, sondern nur der bekannteste. Ich will hier ein paar weitere Beispiele aufzeigen.

Tatjana Andrijets

Tatjana Andrijets ist eine 22-jährige, russischstämmige Lettin, die parallel in Riga und im russischen St. Petersburg studiert. Sie setzt sich als Aktivistin gegen Faschismus und Neonazismus, sowie für den Kampf gegen Russophobie in ihrer Heimat ein, wo viele russischstämmige Menschen bis heute keine vollwertigen Staatsbürger sind. Sie ist Mitglied der lettischen Partei „Russische Union Lettlands“.

Am 6. Februar 2023 kam sie für die Ferien aus St. Petersburg nach Hause und wurde in Riga vom lettischen Geheimdienst verhaftet. Ihr wird vorgeworfen, erstens gegen die von den baltischen Staaten gegen Russland verhängten Sanktionen verstoßen zu haben, und das zweite Vergehen lautet „Hilfe für einen ausländischen Staat“. Sie saß zunächst in Untersuchungshaft und wurde dann in ein Frauengefängnis überführt.

Manchmal gelingt es ihr, Briefe aus dem Gefängnis herauszubekommen, die Freunde von ihr auf Telegram veröffentlichen. In den Briefen berichtet sie von Verhören durch den Geheimdienst, wobei sie schreibt, sie wisse nichts, was für den Geheimdienst von Interesse sein könnte.

Ich habe Kontakt zu der Mutter von Tatjana, die in ihrer Verzweiflung in einem offenen Brief um Hilfe bittet. Ich habe den Brief übersetzt, Sie können ihn hier herunterladen.

In dem Brief sind auch die Email-Adressen der Mutter und der zuständigen lettischen Behörden angegeben.

Leider schreiben die deutschen Medien keinen offenen Brief an die lettische Botschaft, in dem es heißt:

„Die gegen sie vorgebrachten Vorwürfe sind haltlos und ein Akt reiner politischer Willkür gegen die Freiheit der Presse.“

Marat Kasem

Am 5. Januar 2023 wurde Marat Kasem ebenfalls in Lettland festgenommen. Kasem war der Chefredakteur von Radio Sputnik in Lettland und auch ihm wurde vorgeworfen, gegen die anti-russischen Sanktionen verstoßen zu haben. Dieser Vorwand für die Verhaftung von Journalisten, Aktivisten und Kritikern der Regierung ist im Baltikum sehr beliebt.

Kasem wurde am 27 April in den Hausarrest entlassen, sein Verfahren läuft noch. Er darf seine Wohnung von 23.00 bis 7.00 nicht verlassen und muss sich zweimal wöchentlich bei der Polizei melden.

Das waren nur zwei Beispiele für den Umgang mit Journalisten, die im Baltikum eine von der Regierungsmeinung abweichende Position einnehmen. Sie werden unter Vorwänden verhaftet, aber die westlichen Medien (oder auch Amnesty International, Reporter ohne Grenzen oder die OSZE) interessieren sich dafür nicht und schreiben keine offenen Briefe zu ihrer Unterstützung, in denen man lesen könnte:

„Die gegen ihn vorgebrachten Vorwürfe sind haltlos und ein Akt reiner politischer Willkür gegen die Freiheit der Presse.“

Pablo González

Pablo González ist ein spanischer Journalist, der Ende Februar 2022 in Polen wegen angeblicher Spionage verhaftet wurde. Darüber hat sogar die spanische Zeitung El Pais vor einigen Monaten ein Mal berichtet und mitgeteilt, er habe in der inzwischen über ein Jahr andauernden Haft 20 Kilo abgenommen.

Über seinen Fall hat auch Maria Sacharowa, die Sprecherin des russischen Außenministeriums, bei ihrer aktuellen Pressekonferenz gesprochen, als sie auf die Reaktionen im Westen auf die Verhaftung von Gershkovich eingegangen ist. Die Fakten, die sie in ihrer Erklärung zu Pablo González genannt hat, entsprechen der Wahrheit und sind im Netz leicht zu finden. Ich habe die Erklärung von Frau Sacharowa übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

Zur Frage, inwieweit diese Heuchelei im Zusammenhang mit dem, was in der Ukraine unter der Ägide des „kollektiven Westens“ geschieht, internationale Ausmaße angenommen hat, werde ich ein paar Worte über einen spanischen Journalisten sagen. Diese Geschichte steht in direktem Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine, den Aktionen des „kollektiven Westens“ und ihrer Ideologie.

Wir sind auf die am 9. April dieses Jahres in der Zeitung Pública, einem der wichtigsten portugiesischen Medien, über den spanischen Reporter González veröffentlicht wurde, aufmerksam geworden.

Der Zeitung zufolge geriet González, der als Journalist für den spanischen Fernsehsender La Sexta in der Ukraine arbeitete, schon vor Beginn der Militäroperation unter den Verdacht der ukrainischen Geheimdienste, und zwar aus einem einzigen Grund: wegen seiner Berichte, die der offiziellen Propaganda des Kiewer Regimes zuwiderliefen.

Trotz dieses Drucks und dieser Drohungen setzte González, der sich um objektive Informationen über die Geschehnisse in der Ukraine bemüht, seine berufliche Tätigkeit fort. Ende Februar 2022 ging er in die polnische Stadt Rzeszow, wo er über die Lage der ukrainischen Flüchtlinge berichten wollte.

Was, glauben Sie, ist mit ihm geschehen? Er wurde von den polnischen Geheimdiensten festgenommen, ohne dass eine formelle Anklage erhoben wurde. Er befindet sich nun schon seit über einem Jahr in Untersuchungshaft, dabei beträgt die in solchen Fällen zulässige Haftdauer drei Monate. Sie wurde mehrmals verlängert. Während seiner Zeit in polnischem Gewahrsam durfte González seine Frau nur einmal persönlich treffen.

Weder die Bemühungen spanischer Diplomaten noch die Erörterung des Falles auf der Ebene des spanischen und des polnischen Ministerpräsidenten hätten zu einer Lösung des Problems geführt, so die Zeitung. In portugiesischen Medien wird die ungeheuerliche Situation als „der erste Fall, in dem ein EU-Mitgliedstaat einen Journalisten aus einem anderen Mitgliedstaat ohne Anklage in Haft hält“ bezeichnet.

Können Sie sich das vorstellen? Das zum Thema der totalen Heuchelei.

Der amerikanische Journalist Eduard Gershkovich wurde auf frischer Tat ertappt. Das gesamte Material, das zur Untermauerung dieser Anschuldigungen erforderlich ist, wurde zur Verfügung gestellt, auch öffentlich. Wir haben zu diesem Thema Briefe von Redaktionen bekommen, auch von europäischen Publikationen. Zeitungen aus Italien, Spanien, Portugal, Deutschland und anderen Ländern haben die russischen Botschafter aufgefordert, dieser Situation Aufmerksamkeit zu schenken und etwas dagegen zu unternehmen.

Ich habe eine Frage an die Zeitungen aus Europa und der EU. Es geht um einen amerikanischen Journalisten, der in Russland auf frischer Tat ertappt wurde. Aber wann fangen Sie an, kollektive Appelle Ihrer Redaktionen über die Inhaftierung von Journalisten Ihrer Länder in Polen an Ihre Botschafter, zum Beispiel den polnischen Botschafter in Ihren Ländern, zu schicken? Wann fangen Sie an, das Problem bei der UNESCO vorzubringen? Das ist nicht nur ein Thema für die Redakteure der EU, sondern auch für Regierungsvertreter in der EU. Wann wird die Frage des in Polen inhaftierten spanischen Journalisten auf der Weltbühne und in internationalen Organisationen diskutiert? Vielleicht ziehen Sie so etwas wie eine Resolution der Parlamentarischen Versammlung des Europarates in Erwägung? Oder verleihen Sie ihm den Sacharow-Preis? Ist er nicht interessant? Sein Schicksal erregt Sie nicht so sehr? Warum nicht? Er ist doch Ihr Journalist.

Den EU-Ländern ist er wurscht. Sie machen sich Sorgen über das Schicksal eines amerikanischen Journalisten, aber nicht als Journalist, sondern als jemand, der versucht hat, sich illegal geheime Dokumente zu beschaffen. Das Gerede des „kollektiven Westens“ über seine Sorge über Journalismus, Journalisten und Meinungsfreiheit ist keinen Pfifferling wert. Sie können nicht nur ihre eigenen Journalisten nicht aus ihren eigenen Gefängnissen herausholen, ich meine jetzt die „kollektive EU“, sondern sie halten es nicht einmal für nötig, das Thema auf breiter Ebene zur Diskussion zu stellen. Nur eine portugiesische Zeitung schreibt. Wo sind all die anderen?

Diese Geschichte ist ein eklatantes Beispiel für die Doppelmoral, die der Westen anwendet, wenn die Meinung eines Journalisten der offiziellen Linie in Washington widerspricht. Und nicht nur das: Sie ist ein Paradebeispiel dafür, wie ein eigener Journalist ins Gefängnis geworfen und als unnötiger Störfaktor abgeschrieben wird. Niemand fordert, seinem Schicksal Aufmerksamkeit zu schenken.

Während er Russland alle Todsünden vorwirft, darunter auch die Schikanierung von Journalisten, hat der Westen selbst viel Praxis darin, seinen Informationsraum von unabhängigen Medienvertretern „zu säubern“, wenn er den Versuch erkennt, dass jemand einen alternativen Standpunkt zum westlichen Mainstream über die Ereignisse um die Ukraine verbreitet.

Ende der Übersetzung

Und wann schreiben deutsche Zeitungen einen offenen Brief an den polnischen Botschafter in Deutschland, in dem steht:

„Die gegen ihn vorgebrachten Spionagevorwürfe sind haltlos und ein Akt reiner politischer Willkür gegen die Freiheit der Presse.“


In meinem neuen Buch „„Putins Plan – Mit Europa und den USA endet die Welt nicht – Wie das westliche System gerade selbst zerstört ““ gehe ich der der Frage, worum es in dem Endkampf der Systeme – den wir gerade erleben – wirklich geht. Wir erleben nichts weniger als den Kampf zweier Systeme, in dem Vladimir Putin der Welt eine Alternative zum neoliberalen Globalismus anbietet. Wurden die Bürger im Westen gefragt, ob sie all das wollen, ob sie zu Gunsten des neoliberalen Globalismus auf ihren Wohlstand und ihre Freiheiten verzichten wollen?

Das Buch ist aktuell erschienen und ausschließlich hier direkt über den J.K. Fischer Verlag bestellbar.

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