
Rechtspraxis, die gegen die Verfassung verstößt
Hans-Jürgen Papier, der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts von 2002 bis 2010, kritisiert deutlich die Versäumnisse der Justiz in den letzten Jahren in Deutschland. Er betont, dass die theoretischen Grundlagen, um diese Versäumnisse zu erkennen, bereits im juristischen Studium gelegt werden. Leider wird jedoch oft versäumt, auf diese hinzuweisen. Dies führte dazu, dass erst nach fast vier Jahren klar wurde, dass nicht nur die Politik, sondern auch die Justiz für die Aufgabe des liberalen freiheitlichen Rechtsstaats verantwortlich ist. Papier warnt davor, dass der liberale freiheitliche Rechtsstaat nicht einem Staat geopfert werden darf, der die Bürger mit einer Flut von Verboten und Vorschriften überzieht. Dies ist nicht nur eine Frage des Verfassungsrechts und der Verhältnismäßigkeit, sondern auch des praktischen Nutzens. Ein überlasteter Verwaltungsapparat schwächt die Bürokratie und das Vertrauen der Menschen in die Handlungsfähigkeit des demokratischen Rechtsstaats.
Papier erinnert die politisch Verantwortlichen daran, dass es nicht die Aufgabe des Staates ist, den Menschen vorzuschreiben, wie sie zu leben haben. Die Tatsache, dass die Politiker den Menschen vorschreiben, „was sie zu denken haben“, ist eine Anmaßung. In einem demokratischen Rechtsstaat wie der Bundesrepublik Deutschland sollte dies keinen Platz haben. Papier kritisiert, dass die Anforderungen des Rechtsstaats nicht immer ausreichend beachtet und durchgesetzt wurden, insbesondere vom Bundesverfassungsgericht. Es wurde versäumt, eine differenzierte Betrachtung der verschiedenen Eingriffe vorzunehmen, die aufgrund der seit 2020 erlassenen Normen erfolgten. Papier kritisiert auch die fehlende Evaluation und die mangelnde Datengrundlage, auf die das Bundesverfassungsgericht von Anfang an hätte drängen müssen. Die Ergebnisse dieser Evaluation hätten die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der Eingriffe beantworten können. Die Verlagerung grundrechtswesentlicher Entscheidungsbefugnisse auf eine nicht angeleitete Exekutive kann als verfassungswidrig angesehen werden.
Es ist wichtig, dass das Parlament seine Verantwortung für die Gesetzgebung nicht an die Exekutive abgibt und sich selbst entmachtet. Die Ermächtigungsgrundlagen im Infektionsschutzgesetz können als Blankovollmacht bezeichnet werden und bedrohen das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip in existenzieller Weise. Es ist notwendig, dass die Öffentlichkeit diese Verschiebung der Gewaltenteilung wahrnimmt und dagegen vorgeht
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Verfassungswidrige Rechtspraxis
Hans-Jürgen Papier, Präsident des Bundesverfassungsgerichts von 2002 bis 2010, ein Schwergewicht der deutschen Judikatur, mahnt deutlich — und dringend erwartet — die Versäumnisse der Justiz in den Jahren seit 2020 in der Bundesrepublik Deutschland an. Die theoretischen Voraussetzungen, diese Versäumnisse zu erkennen, werden in den ersten Wochen des juristischen Studiums gesetzt. Die Redlichkeit, auf sie hinzuweisen, leider nicht. Dies ist offensichtlich der Grund dafür, dass bald vier Jahre ins Land ziehen mussten, bis in aller Klarheit vonseiten der juristisch-konservativen Seite festgestellt wird, was nicht nur die Politik, sondern eben auch die Justiz zu verantworten hat: nichts weniger als die Preisgabe des liberalen freiheitlichen Rechtsstaats. „Der liberale freiheitliche Rechtsstaat darf nicht einem Staat geopfert werden, der, wenn auch aus hehren Gründen
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