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Gesunde müssen draußen bleiben!

Published On: 9. Oktober 2021 14:00

Schon beim Anstehen werden die Smartphones zur Datenabgabe gezückt, um sich mit dem Barcode zu registrieren, der an Aufstellern bereits ein paar Meter vor den Eingängen errichtet worden ist. Am lang ersehnten Ziel angekommen, den Türstehern und somit dem Eintrittsbereich, folgt die Aufforderung für den digitalen Nachweis, ob eine Impfung oder eine Genesung vorliegt. Viele Clubs haben hier tatsächlich darauf hingewiesen, dass sie lediglich die digitalen Nachweise in Form eines Barcodes beziehungsweise QR-Codes akzeptieren. Der analoge Impfpass verliert hier folglich seine Gültigkeit. Je nachdem, zu welchem Lager man gehört, wird man in „Genesen“ und „Geimpft“ eingeteilt und dementsprechend zwei verschiedenen Schaltern zugeteilt. Dort werden die Nachweise nochmals unter die Lupe genommen werden, um dann als letzten Schritt dieser Prozedur endlich den Fuß über die Schwelle des Clubs setzen zu dürfen.

Um sich das noch mal einmal auf der Zunge zergehen zu lassen: Hierzulande darf ein Mensch mittlerweile einen Club nur dann betreten, wenn er entweder genesen ist und sich nach dem Verstreichen der sechsmonatigen Gültigkeit dieser Genesung impfen oder sich als Nicht-Genesener direkt zweifach impfen lässt.

Pauschale Zutrittsbeschränkungen kannte man früher allenfalls von Faschings- oder Mottopartys. Draußen bleiben musste, wer sich weigerte, den Verkleidungsschabernack mitzutragen oder sich an den Dresscode der Mottoparty zu halten. Nun haben wir eine unendliche Mottoparty mit todernsten Regeln. Es sind die Regeln des Coronakults.

Wer sie nicht befolgt, gehört nicht dazu. Einem Menschen werden der Einlass und gleichzeitig die Teilhabe an diesen sozialen Aktivitäten nur gewährt, wenn er oder sie über seine oder ihre körperliche Unversehrtheit hinwegsieht und das macht, was die Masse macht und für das einzig Richtige hält.

Das Erschreckende an dem ganzen Schauspiel ist die Tatsache, dass dies so unhinterfragt übernommen und sogar mit großer Freude mitgespielt wird. Die neuen Regeln und Normen fügen sich geschmeidig in die (Neu)Ordnung der Dinge. Als so normal präsentiert sich das Abnorme, dass es als solches nicht erkannt wird.

Wie die Motten ums Licht schwirren die Nachtgestalten um die QR-Codes, um sich mit ihrer Luca-App am Standort zu registrieren. Wie selbstverständlich zeigen die Menschen ihren „Gesundheitsstatus“.

Es wird zur vollkommenen Normalität, dass der Mensch im ersten Moment nicht willkommen ist.

Zunächst muss er Big Data mitteilen, wo er sich befindet und anschließend den Beweis erbringen, dass er körperlich rein und kein Schädling ist. Was der Mensch dann im Club selbst mit seinem Körper, im Konkreten mit seiner Leber tut, ist dann einerlei.

Verbunden ist das Ganze mit dem Tod jeder Spontanität. Sich spontan zu entscheiden, in diesen und in jenen Club zu gehen, ist einfach nicht mehr drin. Wer weiß schon, ob das hygienebedingte Kontingent nicht schon voll ist? Was, wenn bei einem aus der Gruppe um 2 Uhr morgens der Handy-Akku leer ist und man seinen „Gesundheitsstatus“ nicht mehr nachweisen kann?

Der feiernde Mensch — und nicht nur dieser — ist nun unübersehbar in ein Abhängigkeitsverhältnis zur Technik geraten. Ohne dein Smartphone bist du mittlerweile nichts! Ohne dein Smartphone bleiben im Nachtleben — und nicht nur dort — die Lichter für dich aus. Ja, du bist in den Clubmeilen und Kneipenstraßen ohne dein Smartphone nur ein wandelnder, virentragender Körper, der 2021 auf Daten reduziert und entsprechend ohne digitalen Ausweis einfach nur nackt ist. Der Körper erlangt seine Reinheit durch digitale Erfassung. Andernfalls wird er als virologisch kontaminierte Biomasse gesehen, die nirgends hineingelangen darf.

Ein bitterer Aperitif für den Transhumanismus, der von der Masse scheinbar ohne ideologischen Würgereflex geschluckt wurde. Anders lässt sich nicht erklären, mit welcher Selbstverständlichkeit die Menschenmasse vor den Clubs sich den neuen Normen beugten. Eine Normalität ohne Maßnahmen scheint schier undenkbar in den Köpfen der Menschen zu sein. Anstelle davon hat nun die neue Normalität, die wiederum ohne Maßnahmen nicht mehr funktionsfähig scheint, den Kurs übernommen und lenkt unsere Gesellschaft in die immer weiter voranschreitende Technokratisierung.

Dass hierbei gleichzeitig eine bestimmte Menschengruppe, die Ungeimpften, aktiv aus dem gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen wird, scheint niemanden wirklich zu kümmern. Sie geraten in Vergessenheit wie die unverbindlichen Nummern auf der Tanzfläche. Man sieht sie einfach nicht mehr. Waren Clubs selten der Ort fester Bindungen, zeigt sich jetzt mehr denn je, wie austauschbar die sogenannten „Freundschaften“ zwischen Tanzfläche, Theke und Raucherpause doch immer schon waren.

An diesem Abend wurde uns beiden so wirklich bewusst, dass wir schlicht nicht mehr dazugehören. Wir sahen die langen Schlangen vor den Clubs und wussten, dass es für uns — selbst wenn wir wollten — keinen Zweck haben würde, uns dort anzustellen. Wir würden nicht reinkommen. Nicht etwa, weil dem Türsteher unsere Nase nicht gefällt, wir nicht alt genug oder nicht passend genug gekleidet wären oder nicht auf der Gästeliste stehen. Nein, wir gehören nicht dazu, weil wir gesund, aber weder „genesen“ noch „geimpft“ sind. Und dieser Weg scheint nun eingeschlagen zu sein, ohne Aussicht auf Abkehr.

Wir leben in keiner offenen Gesellschaft mehr. Sie ist nur noch insofern offen, als dass sie für alles offen ist, also auch für jede die Offenheit einschränkende Maßnahme. Und bekanntermaßen ist jemand oder etwas nicht ganz dicht, wenn er, sie oder es für alles offen ist.

Doch kann oder muss man in dieser Entwicklung zugleich eine riesige Chance sehen. Im ersten Schritt muss der Gedanke zugelassen werden, dass das Gros der Masse verloren ist, Stichwort: „Bratwurst“. Im zweiten Schritt ist festzustellen, dass es paradoxerweise noch nie so einfach und so schwer zugleich ist, Antimainstream und Underground zu sein. So einfach, weil nun die Trennlinie klarer denn je zwischen Establishment und Underdogs erkennbar ist. Früher musste man in den verstecktesten Winkeln Berlins nach alternativen Schuppen Ausschau halten. Heute ist jede Location Teil des Alternativen, des Untergrunds, die diese Impfapartheid nicht mitträgt. Schwer ist es zugleich, weil die Leute erst einmal gefunden werden müssen, die da ebenfalls nicht mitmachen. Auch müssen die Lokalitäten erschlossen werden, in welchen man abseits der normopathischen Masse feiern kann.

Doch langfristig gesehen kann das „Feierngehen“ zu gänzlich neuen Formen kommen, die die alten Konzepte in der Retrospektive in einem sehr unattraktives Licht erscheinen lassen. Wenn die Feiern zukünftig in kleineren, dafür aber umso persönlicheren, herzlicheren Kreisen, in exklusiveren Lokalitäten stattfinden, werden viele der unschönen Merkmale der Massenpartys der Vergangenheit angehören, wie

  • Diskoschlägereien,
  • K.-o.-Tropfen in Drinks,
  • Grapschereien auf der Tanzfläche,
  • Garderobendiebstähle,
  • Verlorengehen auf riesigen, anonymen Tanzflächen und
  • Ausmusterung aufgrund des Kleidungsstils durch den Türsteher.

Wenn die meisten Menschen 3- oder 2G billigen, für Bratwürste ihren Körper hergeben, sich freiwillig von Big Data erfassen lassen, sich dem andauernden Verdacht des Kontaminiertseins aussetzen wollen — ja, bitte! Dann sollen sie doch! Wer sind wir, dass wir ihnen das ausreden? Und warum sollten wir auf Biegen und Brechen darauf hinwirken, dort auch wieder dazuzugehören? Wollen wir wirklich einer Gesellschaft angehören, die andere aufgrund ihrer Impfentscheidung ausschließt? Ganz offensichtlich trennen uns im Hinblick auf unserer Vorstellung von körperlicher Selbstbestimmung, datentechnischer Integrität und Antidiskriminierung ganze Welten. Aber so sei es! Feiern und feiern lassen.

Vielleicht blühen schon bald überall die kleinen aber umso feineren Feierlichkeiten auf: Hauspartys, kleine Volksfeste im Garten, Raves unter Autobahnbrücken oder auf Waldlichtungen. Feierlichkeiten, bei denen es keine Rolle spielt, ob man 3-, 2- oder 1G oder einfach nur gesund ist. Wenn diese neuen Formen des Feierns über die nächsten Jahre florieren, wird vielleicht irgendwann auch die Sehnsucht nach den stickigen, dreckigen Partyschuppen verschwinden.

Vielleicht spricht man bereits 2025 von „früher“, als man zum „Feierngehen“ noch sagte, dass man „weggeht“. Ja vielleicht ist das Feiern 2025 schon etwas, wo man nicht länger „weggeht“, sondern endlich mal „ankommt“.

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