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Kein bisschen Frieden | Von Rob Kenius

Published On: 19. März 2022 15:33

Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los.

Ein Standpunkt von Rob Kenius.

Die Ukraine ist nicht Vietnam, Afghanistan oder Irak, sondern das größte und fruchtbarste Agrarland Europas. Das Land könnte eine sichere Zukunft haben, zwischen West und Ost, ohne Rüstung und NATO. Dazu muss erst der Krieg beendet werden und auch der Krieg in den Köpfen. Das ist die Absicht des folgenden Versuchs einer Klarstellung.

Im Westen wenig Neues

Amerikaner wollen mehr Waffen exportieren. Die Deutschen wollen wieder Militärmacht werden. Die gemäßigten Ukrainer wollen sich in den Westen beamen. Die radikalen Ukrainer, auf beiden Seiten der Front, wollen kämpfen.

Der Botschafter der radikalen Ukrainer verkündet in Berlin: Deutschland soll mehr aggressive Waffen liefern und mehr Geld. Die Polen wollen eine Flugverbotszone schaffen, was auf das Abschießen von Flugzeugen und den Kriegseintritt der Nato hinausläuft.

Doch das ist noch längst nicht alles. Medien eskalieren die Kriegswut auf allen Ebenen. Auch Satiriker, die normalerweise die im Lande Herrschenden aufs Korn nehmen und deshalb so beliebt sind, sie hetzen. Gegen wen? Sie hetzen gegen den Teufel Putin. Verteufeln eines Gegners ist Rückfall ins Mittelalter. Religiöser Wahnsinn hat den dreißigjährigen Krieg über dreißig Jahre am Laufen gehalten.

Der Krieg ist Realität, Feindbilder sind keine Realität.

Krieg ist in den Medien ein Gruselmärchen zum Frühstück und zum Abendessen. Am Sonntag, auch mittags, in Diskussionsrunden. Die meisten Rednerinnen und Redner haben den transatlantischen NATO-Sprech drauf: Wir hätten viel mehr und viel früher rüsten sollen und müssen das jetzt nachholen, weil Putin…

Die am häufigsten verkündete Dummheit ist der Satz: Das ist Putins Krieg. Putin denkt, Putin will, Putin irrt, Putin ist… Was ist er? Unberechenbar, aggressiv, durchgeknallt, blutrünstig, antidemokratisch, er ist ein Diktator, zwei Verbrecher, drei Teufel in einer Person. Alle sind jetzt Putinversteher oder Putinverdreher oder Putingedankenleser. Wer die Gedanken des Kremlchefs lesen kann, braucht selber nicht zu denken.

Putin wie Bush – Bush wie Putin?

Wie idiotisch das Gezeter gegen die Person Putin ist, kann man leicht an einem Vergleich mit George W. Bush erkennen. Im Rahmen des Krieges gegen den Terror, den Bush entfacht hat, wurde der Irak überfallen, ohne dass irgendeine Bedrohung von dort ausging, schon gar nicht gegen die USA.

Wo waren die Stimmen der Putinverdreher, die sich jetzt profilieren? Bush der durchgeknallte Verbrecher? Teufel im Weißen Haus? Man hat George W. Bush allenfalls als Dummkopf bezeichnet, was er ohne Zweifel auch ist.

Er war aber außerdem Präsidentensohn aus einer der reichsten Öl-Familien der USA und, was viele vergessen haben, ein irrer Fundamentalchrist. Von der Sorte gibt es in den USA Millionen, harmlose und aggressive, bis hin zu den offenen Rassisten des Ku-Klux-Klan. Es sind religiöse Fanatiker, hervorgegangen aus christlichen Sekten, die in Europa nicht gern geduldet wurden.

Religion ist ein Teil der amerikanischen Freiheit, in Europa war Religion über tausend Jahre ein Teil der Unterdrückung.

Aus der fundamentalistischen Gedankenwelt des George W. Bush kam die absurde Idee eines Krieges gegen den islamischen Terror. Religion, Öl, Krieg und viel Geld in einen Topf zu schmeißen, ist nicht nur Dummheit, sondern eine hoch gefährliche Giftsuppe. Bush der Aggressor, der Mörder von 100.000 Irakern? Wo waren diese Parolen? Nirgendwo im Werte-Westen, der damals schon seine Werte verraten hat.

Das sind die seit Jahrhunderten bewährten, von Religionen praktizierten Methoden des Wahnsinns. Psychologie der Gehirnwäsche. Die Methode ist älter als die Wissenschaft der Psychologie. Die Realität aber ist folgende: Es ist Krieg in der Ukraine und fast alle heizen den Krieg an.

Flucht aus den Ketten

Oft war nach Jahrhunderten noch nicht klar, wer einen Krieg begonnen hat. In diesem Krieg ist das anders. Putin, der Teufel, macht keinen Hehl daraus, dass er begonnen hat. Er hat als Präsident Russlands entschieden, genau jetzt und an dieser Stelle die Einkreisung seines Landes zu unterbrechen. Die rechten Nationalisten in Russland sagen, es kam zu spät. Die Moralisten sagen, Krieg sollen die anderen machen.

Die Ukraine wäre das größte Glied in einer Kette von NATO-Ländern gewesen, die Russland einschnürt und vielleicht erwürgt, oder aber von den Eingezwängten gesprengt wird. Die Zeit Jelzins ist nicht vergessen. Damals steuerten Neoliberale US-Strategen, Chicago Boys, die Wirtschaft Russlands. Die Folgen für die Bevölkerung waren verheerend. Staatspleite, Inflation, keine Renten mehr, keine Jobs, tiefe Armut bis zu Hunger und frühzeitigem Tod von Millionen. Im Westen war die Ära Jelzin sehr beliebt.

Jelzins beste Handlung war die, dass er Wladimir Putin zum Nachfolger lanciert hat. Putin sagt meistens klar, was er will oder er schweigt. Er ist das Gegenteil von einem Populisten. Er sagt, als Präsident will er das beste für sein Land erreichen, auch wenn es zunächst unpopulär ist. Die große Mehrheit der Russen gibt ihm Recht.

Putin hat den Raub des Volksvermögens gestoppt, hat die Oligarchen erledigt (nicht alle), hat den Verfall des größten Landes der Welt aufgehalten. Er wollte sich danach ökonomisch und friedlich dem Westen annähern, nicht dem Wilden Westen, oder dem Werte-Westen, sondern Deutschland und der EU. Die berühmte Rede 2001 vor dem Bundestag, die den Transatlantikern so gar nicht gefallen hat.

Man stelle sich vor: Russland in der EU! Das wäre eine friedliche Weltmacht geworden. Aber die USA wollen das nicht und sie haben das Sagen, nicht unsere Regierung. Selbst, wenn sie gewollt hätten, hätten sie nicht gedurft.

Nach Eroberung des wilden Westens die Eroberung der Welt

Die USA wollen die ganze Welt beherrschen. Das ist grob gesagt, aber unbestritten. Zwar wollen nicht alle Amerikanerinnen und Amerikaner die Welt beherrschen, wahrscheinlich ist es nur eine kleine Oligarchie, die das will, aber diese Oligarchen haben die Macht in der Finanzwelt und im militärisch-industriellen Komplex und sie setzen ihre Macht mit hoher Intelligenz und großer Brutalität ein, auch in den Medien.

Die USA sind nicht nur die einzige über den ganzen Globus verbreitete Militärmacht, ohne wirkliche Feinde. Sie sind auch die unbestrittenen Meister der psychologischen Kriegsführung. Leider kann man damit keine Kriege gewinnen, aber man kann sie rechtfertigen, vorbereiten, anheizen und viele Milliarden an der Rüstung verdienen. Letzteres gilt besonders dann (das hat Trump herausgefunden) wenn man nicht direkt am Gemetzel beteiligt ist.

Kommando mit sanfter Stimme

Das ist jetzt auch die Taktik von Joe Biden. Die aktuelle Strategie zur Weltherrschaft ist die Verlagerung des US-Militärs in den pazifischen Raum. Deshalb sollen die europäischen NATO-Staaten selber aufrüsten, mit amerikanischen Waffensystemen und sie sollen die US-Truppen in Europa, zur Bedrohung Russlands, ersetzen, allen voran Deutschland.

Genau das hat Olaf Scholz am 27.02.2022 verkündet. Übrigens, wie ein Autokrat. Nicht einmal der grüne Koalitionspartner war eingeweiht und das Parlament hat, wie im autokratisch regierten China, unisono applaudiert. Ein schreckliches Bild: Siebenhundert Clacqueurinnen und Clacqeure mit sprachhemmenden Gesichtsmasken, sehr viele von ihnen jung und unbedarft. Ein Datum das in die Geschichte eingehen wird: 27.02.2022.

Den Amerikanern ist der Krieg in der Ukraine höchst willkommen. Der Nato ist der Krieg ebenso willkommen. Den Medien ist Krieg immer willkommen. Es wird intensiv daran gearbeitet, dass der Krieg möglichst lange dauert, möglichst eskaliert und Russland möglichst viel Schaden zufügt. Die Ukraine ist der Schauplatz, die Bühne, auf der das Schauspiel stattfindet. Und alle sind auf der Seite der Schwachen.

Das Schlachtfeld ist kein Spielfeld, aber gutes Ackerland

Wie ein Pokalspiel, bei dem der Drittligist gegen Borussia antritt. Alle halten mit den Blau-Gelben, feuern sie an, treiben sie nach vorne. Das Fatale daran ist, es gibt keinen Schiedsrichter, der das Spiel abpfeift. Krieg wird durchgezogen, bis einer aufgibt,

Es geht jetzt an erster Stelle darum, den Krieg und das Sterben zu beenden, besser heute als morgen. Das Ende ist, meiner ungefragten Meinung nach, wichtiger als der Sieg und zehn mal wichtiger als der Schaden, den man dem Gegner vor dem Ende noch zufügen kann.

Die Lage in der Ukraine ist zum Glück nicht sehr komplex. Mal abgesehen von den faschistoiden Mitkämpfern, gibt es bisher nur zwei Parteien: Ukraine und Russland. Der Hass zwischen Russen und Ukrainern hält sich in Grenzen, sie sind seit Jahrhunderten verwandt, verschwägert und vermischt. Russland will die NATO-Erweiterungen stoppen. Ukraine ist nie eine Militärmacht gewesen. Wer ihnen das eingeflüstert hat, muss verrückt sein.

Als neutrales Land, das größte und fruchtbarste Agrarland Europas, könnte die Ukraine und ihre ländlichen Bevölkerung eine verlockende Zukunft anpeilen, ohne Rüstung und viel Waffen, auf der Basis von Verträgen, an die sich alle halten. Das ist eine reale Möglichkeit für die Zukunft. Es gibt nur eine Schwierigkeit: Man muss die hinterhältigen und zahlreichen Nationalisten kalt stellen.

Waffenstillstand, wie kommt er zustande?

Zurück in die Gegenwart. Da tobt ein sehr ungleicher Kampf. Ungleich ist vor allem die Größe der Gegner. Die Größe Russlands haben Hitler und Napoleon schon erfahren, die sich beide für die größten Feldherren ihrer Zeit hielten.

Alles Getöse in den Medien kann nichts daran ändern, dass die Wahrscheinlichkeit eines Sieges der Ukraine, verschwindend gering ist. Warum es also auf die Spitze treiben?

Die beste Möglichkeit, Frieden zu schaffen, wäre ohne Waffen, also sofortiger Waffenstillstand. Und, auch das ist Realität, das Angebot eines Waffenstillstands muss von den Schwächeren ausgehen. Es ist unlogisch, mit den Russen zu reden oder zu telefonieren und von ihnen zu verlangen, dass sie als erste das Feuer einstellen, ehe man verhandelt.

Nein, es ist umgekehrt, meine Damen und Herren Vermittler: Erst muss die Ukraine sagen, wir strecken die Waffen und wollen verhandeln, dann werden die Russen, wenn das Angebot glaubhaft rüber kommt, auch einlenken. Dazu eine flankierende Maßnahme, die Ukraine braucht mächtige Garanten: Die USA scheiden aus, sie wollen den Frieden nicht. Wer kommt sonst in Frage?

Die beiden mächtigen europäischen Länder, die in der Vergangenheit Russland vom Westen aus überfallen haben, Frankreich und Deutschland, sie sind die besten Bürgen für den Friedensprozess. Macron scheint bereit zu sein, aber Scholz will ein Joker bleiben und kein Ass.

Realität ist kein Schauspiel

Leider ist die Ukraine ein schlecht regiertes Land. Daran kann auch der sympathische, völlig unerfahrene Schauspieler als Präsident mit seinem Hin und Her nichts ändern. Vielleicht ist er so intelligent, die Lage zu erkennen, dass USA zwar psychologisch hilft und auch Waffen in Überfluss liefert, aber nicht einen Atomkrieg riskiert, um Ukraine in die Nato zu holen. Das wäre absurd.

Russland als Partner ist für die Ukraine wesentlich besser als Russland als Feind. Ukraine ist nicht in den Westen zu beamen, auch wenn viele Spinner hier und dort das glauben.

Also, Herr Selensky, seien sie Realist, machen Sie Russland ein Angebot. Pfeifen sie auf das Getöse der Medien und auf die idiotischen Anfeuerungsrufe. Kommen sie mit Macron und Scholz aus der Deckung und zeigen sie die blau-gelbe Flagge mit der Friedenstaube.

Die Bundesrepublik Deutschland ist noch nicht Militärmacht, sie ist nur auf dem Weg dahin und könnte Vernunft annehmen. Wenn nicht, steht Deutschland vor den gleichen Problemen wie schon zweimal im vorigen Jahrhundert: Die ich rief die Geister, werd ich nun nicht los.

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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Dieser Beitrag erschien zuerst am 16. März 2022 auf dem Blog von Rob Kenius.

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Bildquelle: Yanosh Nemesh / shutterstock

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