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Es geht um uns, nicht um die Ukraine! | Von Roberto J. de Lapuente

Published On: 28. Juni 2022 11:15

Finanzminister Lindner stimmt auf »Jahre der Knappheit« ein. Wirtschaftsminister Habeck stellt eine harte Zeit in Aussicht. Sie und andere aus der Politik tun so, als sei der drohende Niedergang ein Naturgesetz. Es wird nach nur einem halben Jahr höchste Zeit, diese Leute aus dem Amt zu jagen und endlich den einzig richtigen Schritt zu fordern.

Ein Kommentar von Roberto J. de Lapuente.

Die folgenden Sätze sind nicht geeignet, zarte Gemüter zu beruhigen und Patrioten der Stunde zu besänftigen. Sie sind nicht politisch korrekt – nicht dem Sinne nach, der heute die politische Korrektheit vorgibt. Ich bitte vielmals um Entschuldigung, aber wenn ich nun täglich der Presse entnehmen muss, wie Politiker aus diversen Lagern den künstlich erzeugten, politisch motivierten Mangel als reines Naturgesetz deklarieren, gegen den sie nichts tun können, den wir nun hinzunehmen haben wie ein Gewitter oder eine schwere Erkrankung, dann werde ich wütend. Und das in einem Maße, das mich jede Zurückhaltung zwar nicht vergessen, wohl aber ignorieren lässt.

Jahrelange Gas- und Ölengpässe werden nach dem, was man uns jetzt predigt, schon recht bald eintreten. Vermutlich in einem gravierenderen Maße, als man uns heute vermittelt. Die Inflation nimmt zu, die Lebenshaltungskosten galoppieren. Vielen wird es die letzten Rücklagen auffressen. Von Arbeitslosigkeit sprechen wir heute noch gar nicht – sie wird aber Thema werden. Geschuldet ist diese Entwicklung einem strikten Festhalten an den Sanktionen gegen Russland. Alles nur, weil wir weiterhin fest an der Seite einer Ukraine stehen, die keinen Krieg gewinnen kann – und deren virtueller Sieg nur einer korrupten Elite dienlich wäre.

Das Wohl des deutschen Volkes, nicht des ukrainischen …

Ich möchte es unumwunden auf den Punkt bringen, unsachlich von mir aus, vereinfachend wohl auch: Es ist genug, die Bundesregierung hat umgehend ihre Parteinahme für die Ukraine aufzugeben! Ich will noch nicht mal diskutieren, ob die Ukraine ein Opfer der russischen Politik ist. Wer das so sehen will, bitte, ich bin liberal genug andere Ansichten auszuhalten. Das gehört zum Diskurs dazu. Diese moralische Frage, die dahintersteckt, ist doch jetzt völlig wurscht, es geht nicht mehr um richtig oder falsch, gut oder böse: Es geht um das Wohl des deutschen Volkes, das Kanzler und Minister mit ihrem Amtseid ins Auge fassen.

Sie schwören, ihre »Kraft dem Wohle des deutschen Volkes [zu] widmen, seinen Nutzen [zu] mehren, Schaden von ihm [zu] wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes [zu] wahren und [zu] verteidigen, [ihre] Pflichten gewissenhaft [zu] erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann [zu] üben«. Mir ist klar, dass jener Eid hundertfach gebrochen wurde, wie oft hat sich die politische Kaste selbst bereichert? Wie häufig spielten sie ihrer Klientel Vorteile zu, die dem deutschen Volke zu Schaden gerieten? Überhaupt kein Zweifel. Aber in diesem Fall scheint mir das Maß an Schaden, den man willentlich in Kauf nimmt, wirklich übervoll zu sein. Hier droht die pure Not, ja Massenverelendung. Die »Jahre der Knappheit« könnten Jahre der Gewalt werden, des Zorns – ja, des Zusammenbruchs. Und wir kennen die politische Kaste, wir haben sie in den letzten Jahren nochmal ganz besonders kennengelernt: Wenn aufbegehrt wird, wenn die Wut eine Dynamik annimmt, die das Land zerreißt, wenn ihre Position gefährdet wird, könnten sie Polizeigewalt sprechen lassen. Machen wir uns da doch nichts vor.

Indes erklärt der tatterige Präsident im Weißen Haus, dass sich das alles zu einem »waiting game« entwickeln wird, mal gucken, wer mehr aushält: Russland oder Europa? Die EU unter von der Leyen ist dumm genug, sich einspannen zu lassen und gegen ihre ureigensten Interessen zu agieren. Historiker werden in vielen Jahrzehnten wohl noch immer nicht begreifen, wie es so kommen konnte. War ein Imperium je so dekadent und so erfüllt von Ideologie, dass es den eigenen Niedergang nicht nur nicht sah, sondern geradezu herzlich begrüßte? Die Willkommenskultur vor einigen Jahren, die am Bahnhof Flüchtlinge unter Applaus in Empfang nahm, war ja schon schwer zu ertragen. Aber eine Willkommenskultur, die den Niedergang beklatscht: Das gibt es in noch keiner Dystopie.

Erst fressen, dann Moral – wer es andersrum will, dem geht es zu gut

Während eines Podcasts mit meinen zwei geschätzten Kollegen, sagten mir beide, dass die Bundesregierung die Ukraine doch längst fallengelassen habe. Wenn sie sie je aufgehoben hatten. Die beiden haben natürlich recht, das Land hängt in der Luft. Einerseits. Andererseits ist es doch so, dass man ideologisch weiter so tut, als läge das Land einem am Herzen. Gebt euch doch einen Ruck, fallt ab von der Ukraine. Auch wenn es euch wehtut. So ist das in der Realpolitik. Sie ist dreckig. Ich möchte nicht von einer politischen Kaste regiert werden, die moralistische Gesichtspunkte zur Grundlage ihrer Außenpolitik erhebt. Sie muss sich an Realitäten messen lassen. Und wenn die danach riechen, dass das Land in eine schwere Krise schlittert, die mit einem Bekenntnis aufzuhalten ist: Macht das!

Einen Preis für Anstand und Benehmen bekomme ich für meine Forderung nicht. Will ich auch nicht. Das ist alles gar nicht nötig. Politik zu machen bedeutet nicht, die Welt nach seinen persönlichen Lebenseinstellungen zu verwalten: Es bedeutet das möglich zu machen, möglich zu erhalten, was machbar ist. Ab Herbst nur noch gelegentlich mit Warmwasser beglückt zu werden, frieren, Fahrverbote zu erdulden, ausfallende Busse hinzunehmen: Das ist aufzuhalten – und es kann aufgehalten werden: Indem man die Ukraine fallenlässt! Die Forderung wurde bereits mehrfach leise vorgebracht, der EMMA-Brief ging in dieselbe Richtung und dafür wurde Herausgeberin Alice Schwarzer böse attackiert. Wenn solche Attacken der Preis sind, Menschen wachzurütteln, dann bitte attackiert auch mich.

Erst kommt das fressen, das duschen, das nicht frieren, dann die Moral, die bella figura, der Idealismus. Wer das umdreht, dem geht es zu gut. Ich lebe in Deutschland, die Menschen hier liegen mir weitaus mehr am Herzen, als jene in der Ukraine. Ich weiß, das ist nicht freundlich, solche Sätze liest man heute nicht mehr gerne. Sie wirken nationalistisch. Engstirnig. Kann alles gut sein, leicht so eingeschätzt werden, ändert aber nichts an dem Gefühl, das mich ereilt. Mir geht es auch nicht um Deutschland, sondern darum, dass ich in dieser Gesellschaft halbwegs Frieden garantiert wissen will: Wenn es zur Erlangung dieses Wunsches nötig ist, der Ukraine abzuschwören: Worauf wartet ihr eigentlich noch?

Sagt es: Lasst die Ukraine fallen!

Natürlich bin ich mir der ukrainischen Flüchtlinge bewusst. Und der Not, die vor Ort herrscht. Muss ich das eigentlich dazusagen, damit ich mich nicht gleich endgültig diskreditiere? Kann ich meine These nicht vorbringen, ohne mich mit einigen Sätzen etwas abzufedern? Selbstverständlich spricht nichts gegen Hilfe, gegen Wiederaufbau. Und ja, natürlich sollte man auch Russland dazu auffordern, wenn man denn endlich die Ukraine als Kriegskombattant gegen Russland fallengelassen hat. Die Ukraine aufzugeben bedeutet ja nicht, sie ihrem Schicksal zu überlassen. Ganz im Gegenteil, der militärische Beistand darf gerne gegen State Building ersetzt werden.

Ich bin mir sicher, dass die Zeit, in der die Verknappung spürbar wird, eine Zeit großer, stets anschwellender Wut sein wird. Die Wut richtet sich dann sicherlich gegen die Russen, aber auch gegen die amtierende Politik. Mein Mitleid hielte sich, was letzteres betrifft, ehrlich in Grenzen. Die Forderung, endlich mit den Russen zu verhandeln, der Ukraine »in den Rücken zu fallen« wird dann immer häufiger aufkommen, ja, ich glaube auch, diese Forderung wird massentauglich werden. Heute trauen sich nur wenige, diese Forderung laut auszurufen. Aber wie sieht es im November aus, wie im Dezember, wenn man beim Ausatmen im Wohnzimmer Wölkchen sieht? Klar werden die, die diesen Schritt fordern, zu Querdenkern erklärt, zu rechtsoffenen Spinnern. Provoziert man frierende Menschen, die Angst haben, morgen die Miete nicht mehr bezahlen zu können?

Dem Szenario kann man zuvorkommen, es bedarf nur eines Satzes: Lasst die Ukraine fallen! Noch kann man mit kleinem Schaden aus der Situation stolpern. Wenn aber erstmal der Gasnotfallplan in seiner dunkelroten Phase steckt, wird es ein heißer Tanz. Dann geht es gegen Not, gegen drohenden Existenzverlust – und gegen eine politische Kaste, die dann noch fester am Unglück hängt als jetzt, weil sie nicht mehr unbeschadet aus dieser Episode herausfinden kann. Dieser Text soll daher dazu ermuntern, es jetzt zu fordern. Überall. Im Bekanntenkreis. Unter Kollegen. Freunden. In Netzwerken und wo auch immer. Sagt es: Lasst die Ukraine fallen! Helfen wir ihr beim Wiederaufbau – aber führen wir nicht mit ihr als Marionette einen Krieg, den wir mit dem Ende unseres Restwohlstandes bezahlen müssen.

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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Dieser Beitrag erschien zuerst am 27. Juni 2022 bei neulandrebellen.de

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Bildquelle: Tatohra / shutterstock

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