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Wodka: Wunderbares Wässerchen

Published On: 1. August 2022 10:00

©pexels/ahmad syahrir

#3 – Peter Peters Zunge macht ihn zu einem wahren Kenner der Kochkunst und einem Meister des geschliffenen Worts. Für KARENINA schmeckt er der russischen Küche nach.

Goethe trank noch keinen Wodka. James Bond schon. Als Martini, gerührt, nicht geschüttelt. Wie kam es, dass das slawische „Wässerchen“ zu einem Lieblingsgetränk internationaler barflies avancierte?

Zunächst ist Wodka eigentlich nichts anderes als norddeutscher Korn, klassisch aus Roggen destilliert. Ursprungsländer waren Russland und Polen, die genügend Getreideüberschuss produzierten.

Erstmals wird er in einem polnischen Dokument von 1405 erwähnt und in Russland immer wieder zum Staatsmonopol erklärt. Das garantierte der zaristischen Staatskasse Einnahmen und sollte zugleich vor den Vergiftungsgefahren schlampiger Schwarzbrennerei schützen.

Mit sakuski, salzigen Happen, serviert und idealerweise 100-Gramm-weise eingeschenkt (sto gramm) und ohne abzusetzen genossen, wurde er zum Symbol russischer Gastfreundschaft. Eine originelle Persiflage ist die Wodkazecherei zaristischer Offiziere, welche die Hollywood-Verfilmung von Anna Karenina mit Greta Garbo einleitet.

Gorbatschow im Exil

Der internationale Siegeszug des Wodkas setzt erst mit der Oktoberrevolution ein. Die Sowjets verboten auch nach dem Weltkrieg bis 1925 den Verkauf von Alkohol, was viele Wodkabrenner ins Ausland trieb. Im Exil etablierten sich Marken, die später berühmt werden sollten.

Leo Leontowitsch Gorbatschow aus Sankt Petersburg beginnt 1921 in Berlin mit der Destillation von Wodka, den er in einer Zwiebelturmflasche abfüllt, die bis heute abgewandelt produziert wird. Ein georgischer Prinz lässt in Mailand Eristoff brennen. Die 1886 in Moskau gegründete Marke Smirnow wird zunächst in Konstantinopel, dann in Paris fortgeführt, wo man auf die damals modische Schreibweise Smirnoff wechselt.

Die Käufer und Konsumenten dieser Brände waren zunächst fast ausschließlich emigrierte Russen. Der Durchbruch zur internationalen Beliebtheit setzt zögerlich mit dem Verkauf der Marke Smirnoff an einen amerikanischen Spirituosenhändler ein. Doch Wodka lief nur schlecht in den an irischen und Bourbon-Whiskey aus Kentucky gewöhnten USA.

Bis dann 1941, im Jahr des Überfalls Hitlers auf die Sowjetunion, der Moscow Mule kam. Um die Erfindung dieses bei Millennials wieder extrem populären Cocktails rankt sich eine Fülle von Legenden. Die schönste sei hier wiedergegeben:

Cocktail à la Hollywood

Drei Loser saßen im Cock’n Bull Pub in Hollywood zusammen und ertränkten Ihren Kummer. Der Spirituosenmanager John G. Martin blieb auf seinem Smirnoff sitzen, sein Freund Jack Morgan hatte Absatzschwierigkeiten mit seinem Ingwerbier. Die mitzechende Exilrussin Sophie Berezinski hatte eine Kupferfabrik geerbt, mit der sie wenig anzufangen wusste. Doch der spontan zusammengemixte Verzweiflungsdrink aus Wodka, ginger beer und Spritzern von Limettensaft mundete köstlich. Angeheitert erfand das Trio den witzigen Namen Moscow Mule (Moskau Maultier) und beschloss, es in kühlen Kupferbechern zu kredenzen und so unverwechselbar zu machen.

Die Idee zog sofort, vielleicht auch, weil Moskau ja jetzt Bundesgenosse im Weltkrieg war. Und sie überlebte auch den Eisernen Vorhang. James Bond arbeitete schließlich, wenn es hart auf hart ging, immer mit vernünftigen realpolitischen sowjetischen Apparatschiks gegen Fieslinge mit Weltunterwerfungsgelüsten zusammen. Außerdem umwehte das Russland des Warschauer Pakts auch eine abenteuergeladene cineastische Aura von Geheimdiensttreffen in Hotelbars, pelzgekleideten KGB-Spioninnen und romantischen Fremdenführerinnen wie Gilbert Bécauds Nathalie.

Auch nach Deutschland schwappte die Wodkamode, die gut zur slawophilen Schlagerseligkeit, zu Kasatschok, Donkosaken, Säbeltanz oder einfach antikapitalistischem Protesttrinken passte.

Die halbe Welt brennt Wodka

Heute ist die Welt des Wodkas unüberschaubar geworden. Nicht nur die baltischen und skandinavischen Nationen, die sich um die Ostsee gruppieren, produzieren auch Wodka, sondern, da der Begriff nicht geschützt ist, die halbe Welt. Selbst Russian sounding, also Pseudonamen wie Puschkin, der von 1929 an im westfälischen Steinhagen gebrannt wurde, sind nicht mehr nötig. Eine Marke wie Grey Goose präsentiert sich bewusst als französisch.

Wer deutschen Nova-Regio-Wodka mit Botanicals sucht, sollte mal die Homepage www.heidelbeerg.de anklicken. Moderne russische Wodkas mischen bei der Internationalisierung kräftig mit, die führende Premium-Marke Russian Standard druckt ihr Etikett zweisprachig, po-russki und englisch.

Wie nostalgisch bescheiden wirken dagegen die Aufkleber der russischen Volkswodkas aus der klassischen 0,5l-Flasche, etwa „die“ seit 1894 gebrannte Moskovskaya (schließlich ist das Wort wodka im russischen weiblich). Oder der nach wie vor meistverkaufte Hauptstadtwodka Stolichnaya mit dem längst abgerissenen Mega-Hotel Moskwa am Roten Platz.

Längst werden auch diese Marken von internationalen Konzernen vertrieben, die auf modisches flavouring mit Vanille oder Brombeere setzen. Doch ihre traditionellen Liebhaber wissen noch, was die internationale Cocktail-Szene gern verdrängt. Ein harter Drink wie Wodka ist am bekömmlichsten, wenn man ihn pur trinkt.

Lesen Sie weitere Beiträge unseres Gastrosophen Peter Peter in der Rubrik Leben/Kulinarisches.

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