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Wollt Ihr die totale Deindustrialisierung?

Published On: 17. September 2022 19:52

Europa steuert konsequent und immer schneller auf die totale Deindustrialisierung und Verarmung zu. Eine Zusammenfassung der Meldungen der letzten Tage.

Es ist ja nicht so, dass die aktuelle Gas- und Energiekrise überraschend gekommen wäre. Es ist jetzt fast auf den Tag ein Jahr her, dass ich angefangen habe, regelmäßig über die Gaskrise zu berichten. Auch wenn die „Qualitätsmedien“ und die Politiker mehrmals täglich „Putins Angriffskrieg“ für die Misere verantwortlich machen, wird aus dieser Lüge keine Wahrheit. Die Gaspreise sind schon vor einem Jahr explodiert und von etwa 300 bis 500 Dollar pro tausend Kubikmeter auf über 1.000 Dollar geschossen.

Die Explosion der Gaspreise war schon damals eine direkte Folge der Politik der EU-Kommission und ihrer Reform des Gasmarktes. Die Abkehr von langfristigen Lieferverträgen mit Gazprom, weil „der Markt es am besten regulieren“ könne, hin zum Börsenhandel, hat Gas zu einem Spekulationsobjekt gemacht und die Preisexplosion verursacht.

Seit Russlands Intervention in der Ukraine ist die Logik der EU, dass man kein russisches Gas mehr abnehmen will, dass Russland aber trotzdem an der Gasknappheit schuld ist, weil es zu wenig Gas liefert. Auf so etwas muss man erst einmal kommen und es lässt tief blicken, dass die Medien dieses Spiel mitspielen und dass ihre Leser wegen dieses offensichtlichen Unsinns nicht massenhaft ihre Abos kündigen.

Der Zusammenbruch mit Ansage

Der Gaspreis in Europa ist schon Anfang März auf über 2.000 Dollar pro tausend Kubikmeter geschnellt. Das war eine direkte Folge der ersten Sanktionen, die die EU verhängt hatte. Ein Grund für die Preisexplosion war, dass plötzlich nichts mehr berechenbar war, niemand wusste, ob man morgen noch seine Rechnungen bei russischen Banken bezahlen konnte.

Auch wenn westliche Medien und Politiker gebetsmühlenartig Russland die Schuld geben, konnte man Ursache und Wirkung Anfang März genau beobachten: Die Preisexplosion fiel nicht mit der russischen Intervention in der Ukraine zusammen, sondern mit den ersten Sanktionen der EU.

Und auch die Folgen waren absehbar. Ebenfalls Anfang März hat das russische Fernsehen sie bereits aufgezeigt. Es war vollkommen klar, dass Energie in Europa unbezahlbar werden würde. Aber das war natürlich alles russische Propaganda. Leider hatte die „russische Propaganda“ recht, es ist fast alles so gekommen, wie in Russland schon Anfang März prognostiziert wurde.

Anfang April habe ich einen Beitrag des russischen Fernsehens übersetzt, wobei mein Artikel die Überschrift „Wirtschaftskrieg – Das russische Fernsehen über die Folgen der Sanktionen: Europas Wohlstand in Gefahr“ trug. Auch das war natürlich angeblich alles russische Propaganda, denn in Europa haben Politik und Medien zu dem Zeitpunkt noch darüber fantasiert, wie die westlichen Sanktionen Russland, seine Wirtschaft und seine Währung schnell in die Knie zwingen würden. Davon, dass in Wirklichkeit die Wirtschaft der EU zusammenbrechen könnte, war in den „Qualitätsmedien“ nicht die Rede.

Anfang Mai habe ich in einem ausführlichen Artikel mit der Überschrift „Öl- und Gasembargo? – Wie die EU-Kommission die eigene Wirtschaft kaputt macht“ aufgezeigt, mit welchen Entscheidungen die EU-Kommission die Wirtschaft in Europa an die Wand fährt und am Ende des Artikels habe ich festgestellt, dass das russische Gas kurzfristig nicht ersetzbar ist, und geschrieben:

„Man müsste also entweder den Privathaushalten die Heizung abstellen oder ganze Industrien in Europa stilllegen.“

Auch das war damals natürlich böse russische Propaganda. Leider sehen wir jetzt aber genau das, denn inzwischen gibt es täglich Meldungen darüber, dass Stadtwerke gewerblichen Kunden keine Vertragsverlängerungen für Strom- und Wärmeversorgung anbieten, wie hoch die Preise für Strom Heizung für Privathaushalte werden und dass ganze Industrien entweder schließen oder aus Europa abwandern werden.

Ich schreibe das nicht, um zu zeigen, wie schlau ich bin. Ich schreibe das, weil die Entwicklungen, die wir gerade erleben, erstens von europäischen Politikern selbst geschaffen wurden und zweitens absehbar waren. Politik und Medien tun jedoch so, als sei all das wie eine Naturkatastrophe quasi vom Himmel gefallen. Und anstatt endlich den Kurs zu ändern, um zu retten, was noch zu retten ist, macht das politische Personal einfach weiter und vernichtet sehenden Auges die europäische Wirtschaft und den Wohlstand der Menschen.

Unbezahlbare Rechnungen

In Deutschland werden nun allmählich die neuen Rechnungen mit den angepassten Preisen für Strom und Heizung verschickt. Das Ausmaß des Dramas wird nun offenbar, denn sogar „Qualitätsmedien“ berichten jetzt darüber, wie hoch die neuen Rechnungen bei vielen ausfallen und dass das schlich unbezahlbar wird. Sogar der Spiegel hat am 13. September in einem langen Artikel darüber berichtet, dass viele private Haushalte in Deutschland demnächst 500 Euro monatlich mehr für Strom und Heizung bezahlen müssen.

Das ist selbst für Menschen, die sich bisher zur mehr oder weniger wohlhabenden Mittelschicht zählen, kaum bezahlbar. Aber was ist mit den etwa 40 Prozent der Menschen in Deutschland, bei denen am Ende des Geldes noch ein paar Tage des Monats übrig sind? Wie sollen Alleinerziehende das Geld aufbringen? Der mdr hat über ein Rentnerehepaar berichtet, das ab November statt bisher 181 Euro plötzlich 2.266 Euro monatlich bezahlen soll. Solche Steigerungen sind laut mdr keineswegs selten.

Anfang September hat die Bundesregierung „soziale Maßnahmen“ beschlossen und die Medien haben gejubelt, denn es war die Rede von 65 Milliarden Euro zur Abfederung der explodierenden Kosten. Zu jubeln gab es jedoch nichts, denn was nützt es bei steigenden monatlichen Kosten von 500 und mehr Euro, dass Rentner einmalig 300 Euro bekommen? Was nützt es, dass Sonderzahlungen von Arbeitsgebern bis zu 3.000 Euro nun steuerfrei sind, wenn die Arbeitgeber selbst vor dem wirtschaftlichen Kollaps stehen? Was nützt eine Erhöhung des Kindergeldes um 18 Euro, also weniger als zehn Prozent?

Die großspurigen Versprechungen der Regierung, den Menschen helfen zu wollen, sind nichts als heiße Luft, denn die Regierung kann den Menschen keine 500 Euro monatliche Mehrkosten pro Haushalt erstatten. Und in diesen Zahlen sind die Nachzahlungen für 2022 noch nicht einmal enthalten.

Nur um das aufzuzeigen: In Deutschland gibt es etwa 40 Millionen Haushalte. Wenn man´ denen im Schnitt 500 Euro erstatten wollte, würde das 20 Milliarden kosten – pro Monat! Das von der Regierung großspurig angekündigte 65-Milliarden-Hilfspaket, dessen Finanzierung noch nicht einmal gesichert ist, verdampft angesichts dieser Summen wie ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Der wirtschaftliche Kollaps

In einem weiteren Artikel mit der Überschrift „Droht Deutschland die Deindustrialisierung? – Die Panik der Bosse“ ist der Spiegel auf die Lage der Wirtschaft eingegangen. Das Ergebnis ist, dass auch der Spiegel die Misere nicht mehr schönreden kann, sondern berichtet, dass ganze Wirtschaftszweige entweder schließen oder Deutschland verlassen müssen. Dass Traditionsfirmen wie Hakle oder Görtz bereits faktisch pleite sind, ist da nur eine Randnotiz. Der Spiegel schreibt plötzlich genau das, wovor ich seit Monaten warne:

„Das Schreckensszenario, das da entworfen wird, könnte schlimmer kaum sein: Die Wirtschaft steht darin nicht bloß vor einer Rezession, sondern vor einem strukturellen Bruch, der Deutschland und Europa an den wirtschaftlichen Abgrund führen könnte. Ganze Branchen sind bedroht, womöglich der Kern dessen, was das Land in den vergangenen Jahren zum Gewinner der Globalisierung gemacht hat: seine Industrie.“

Und dann kommt in dem Spiegel-Artikel folgender Absatz:

„Die Fragen, die sich Manager landauf, landab, gerade stellen, sind durchaus existenziell: Wie lange halten wir die hohen Energiekosten durch? Wie können wir sparen? Lohnt sich die Produktion in Deutschland überhaupt noch? Oder ist jetzt die Zeit, das Weite zu suchen, dorthin, wo Energie nicht gar so teuer ist?“

Das Problem wäre über Nacht lösbar

Im Klartext geht es für die deutsche Wirtschaft tatsächlich um alles. Aber der Spiegel stellt die wichtigste Frage nicht: Wie kann man die Energiekosten senken, um die Katastrophe vielleicht noch zu verhindern?

Dass der Spiegel die Frage nicht stellt, hat einen einfachen Grund: Die Antwort lautet, dass man schnellstens wieder langfristige Lieferverträge für Gas mit Gazprom abschließen und die abgeschalteten Pipelines wieder einschalten muss. Der Gaspreis würde morgen wieder bei 300 Dollar pro tausend Kubikmeter liegen und das Problem wäre weitgehend gelöst.

Das aber ist politisch nicht gewollt. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass die Deindustrialisierung Deutschlands und Europas gewollt ist. Dabei muss ich unversehens an das umstrittene Papier denken, das mir zugespielt wurde und angeblich von der RAND-Corporation verfasst wurde, in dem es genau darum geht.

Unabhängig davon, ob das Papier authentisch ist, ist eines unbestreitbar: In dem Papier wird gesagt, dass die Grünen Habeck und Baerbock unprofessionell, dafür aber dogmatisch sind, weshalb sie die deutsche Wirtschaft mit ihren ideologisch begründeten Maßnahmen zerstören werden. Genau das passiert gerade, wobei sie vor allem von EU-Kommissionschefin von der Leyen unterstützt werden.

Und es geht nicht nur um Deutschland. In Italien zum Beispiel hat der Industrieverband Confindustria mit einer Studie Alarm geschlagen und gemeldet, dass die hohen Energiepreise, die – ich muss das noch mal unterstreichen – ein Ergebnis der europäischen Politik sind, im optimistischen Fall 383.000 zusätzliche Arbeitslose bedeuten. In ihrem als realistisch bezeichneten Szenario geht die Studie gar von 582.000 zusätzlichen Arbeitslosen aus. Nur in Italien, versteht sich.

Es freut sich: Die Türkei!

Die Türkei freut sich heimlich über die Katastrophe in Europa, denn erstens hat sich die Türkei den anti-russischen Sanktionen nicht angeschlossen, sie hat also kein Problem mit der Energieversorgung. Und zweitens erwartet die Türkei für den Winter einen Touristenrekord, weil viele Europäer in der Türkei überwintern wollen. Die bisherigen Buchungen zeigen, dass die Türkei im Winter mit drei Millionen zusätzlichen Touristen aus Europa rechnen kann, weil es für viele billiger wird, in der Türkei zu überwintern, als zu Hause die hohen Rechnungen für Strom und Heizung zu bezahlen.

Bleibt die Frage, ob die Europäer, die den Winter in der Türkei verbringen, ihre Heimatländer noch wiedererkennen werden, wenn sie im Frühjahr nach Hause zurückkehren…