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Die wirtschaftlichen Folgen des Friedens in der Ukraine

Published On: 2. Oktober 2022 17:51

Wenn es zu keinem Atomkrieg kommt, so wird auch dieser Konflikt – wie alle anderen auch – auf dem Verhandlungsweg zu Ende gehen. Zeit also, sich um die wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Krieges Gedanken zu machen.

Um Krieg zu führen, bedarf es vor allem Soldaten, Ausrüstung und Geld, wenn auch nicht notwendigerweise in dieser Reihenfolgt. Dem römischen Staatsmann Marcus Tullius Cicero (106-43 v.u.Z.) wird die folgende Redewendung zugeschrieben, die in diesem Zusammenhang in jedem Fall gilt: „pecunia nervus belli“, auf Deutsch in etwa „Geld ist die Triebfeder des Krieges“.

Hypothese: Der Ukraine-Konflikt ist beigelegt

In naher Zukunft wird die Auseinandersetzung zwischen Russland und der Ukraine (zzgl. EU, NATO und den USA) enden. Machen wir uns nichts vor: entgegen der sensationslüsternen Berichterstattung in den westlichen Leit- und Qualitätsmedien über die jüngsten ukrainischen „Erfolge“ auf den Schlachtfeldern des Donbass hat sich die allgemeine Lage nicht geändert. Die von Kiew kontrollierten Kräfte haben keine strategischen Erfolge errungen, und die Gegenseite wird mit jedem Tag stärker. Hinzu kommt, dass die momentanen Wetterverhältnisse – insbesondere die Schlammsaison (russ. Rasputiza, ukrain. Bezdorizhzhia) – größere Durchbruchoperation bis voraussichtlich Ende Oktober verhindern werden.

Es sieht nicht danach aus, als dass jegliche ukrainischen Aktivitäten an diesen Fakten etwas zu ändern vermögen, gleich, was denn in den westlichen Leit- und Qualitätsmedien hierüber berichtet wird.

Ich halte dies nicht aus besonderer Sympathie für Vladimir Putin oder meinen persönlichen Meinungen über Volodymyr Zelensky fest. Vielmehr sprechen die Fakten eine mehr als deutliche Sprache über die allfälligen Folgen der Abstimmungen in den vier Regionen Donetsk, Lugansk, Saporoschje und Cherson.

Diese vier Regionen alleine waren für einen erheblichen Anteil der ukrainischen Vorkriegswirtschaftsleistung verantwortlich. Von Landwirtschaft (Schwarzerde) bis hin zur Industrieproduktion (hier die offiziellen Zahlen zu durchschnittlichen Monatsgehältern), zeichnen diese vier Oblaste alleine für einen erheblichen Anteil der ukrainischen Wirtschaftsleistung verantwortlich.

Ähnlich problematisch sieht es auch hinsichtlich der Inflationsrate aus, die gemäß offiziellen Angaben im August im Vergleich zum Vorjahrswert eine Steigerung um über 101% ausmacht (damit aber kurioserweise kaum aus dem Rahmen der letzten 21 Jahre fällt, wie das ukrainische Finanzministerium ausweist).

Betrachtet man diese Fakten – viele Industriestandorte und ein Gutteil der produktiven Schwarzerde befinden sich in den nun von Russland (teilweise) übernommenen Gebieten – so fällt es schwer, an die fortgesetzte Möglichkeit Kiews zu glauben, den Konflikt über Jahre hinweg am Leben zu erhalten. Jeder Tag der verstreicht verringert die Möglichkeiten der Zelensky-Regierung, die dafür notwendigen Ressourcen zu generieren.

Nebenbei betrachtet: wirft man einen tiefen Blick in das Spätmittelalter zurück, so zeigt sich, dass Steuereinnahmen – von der Republik Venedig über Großbritannien im 18. Jahrhundert bis hin zu der Gegenwart in den USA –, in erster Linie zum Zinsendienst für die aufgenommenen Staatsschulden (die meist aus militärischen Abenteuern und Eskapaden bestehen) eingesetzt werden. Krieg war, wie Cicero bereits festhielt, immer schon extrem teuer und es gibt schlicht keine Möglichkeit, derartige Konflikte durch aktuelle Besteuerung alleine zu finanzieren. Dies ist eine seit dem Mittelalter bekannte Tatsache, die durch die immer weiter um sich greifende Totalisierung der Kriegsführung seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert nur stärker, nicht aber weniger bedeutsam wurde.

Dessen eingedenk seien zudem die mehreren Millionen ukrainischer Flüchtlinge erwähnt, die seit Februar 2022 gen Westen aufbrachen, deren Steuereinnahmen Kiew nun ebenso „abgehen“.

In anderen Worten: die Fähigkeiten der Ukraine, den aktuellen Konflikt mittel- bis langfristig zu finanzieren sind mehr als eingeschränkt. Dies ist auch den führenden Ökonomen in Kiew bewusst, die – wenig überraschend in VoxEU – kürzlich die Forderung erhoben, dass die Zelensky-Regierung 2023 mindestens 50 Mrd. US$ benötigt:

Die Ukraine hat ausreichend Mittel, um den Krieg dieses Jahr zu finanzieren. Doch nächstes Jahr…braucht die Ukraine mehr auswärtige Unterstützung, weil es den Krieg aus eigenen Mitteln nicht finanzieren kann und an den Finanzmärkten keine weiteren Kredite aufnehmen kann.

Warum die Ukraine weiter unterstützen? „Glaubwürdigkeit“, „Konsequenzen“, „Effizienz“ und „Wendepunkte“ (in dem Konflikt) werden ausgeführt, wobei zwei Aspekte hervorstechen: jenseits der ersten beiden Kategorien (die zudem hauptsächlich in die Kategorie „virtue-signalling“ fallen), so sind vor allem die beiden anderen „Argumente“ als rundum „kurios“ zu bezeichnen:

Effizienz: Russland ist die größte militärische Bedrohung europäischer Stabilität, und die ukrainischen Streitkräfte sind effektiv, große Mengen russischen Kriegsmaterials zu einem niedrigen Preis zu zerstören…

Wendepunkt: bisher habe sich Russlands Wirtschaft als widerstandsfähig erwiesen, was den hohen Gewinnen aus dem Verkauf von Öl und Gas geschuldet sei. Nun aber stehe es zu erwarten, dass diese Erträge unter die kritische Marke…von 150 Mrd. US$ pro Jahr fallen.

Von der durchaus als zynisch zu bezeichnenden Argumentation, dass man doch im Westen bitteschön weiterhin bis zum letzten Ukrainer gegen Russland kämpfen solle (wohl auch, da man im Westen die Konsequenzen des Einsatzes eigener Truppen kaum verdauen würde…), sind vor allem die Finanzierungsmechanismen beachtenswert.

Bis Ende 2022 benötige die Ukraine rund 4,5 Mrd. US$ monatlich, eine Unsumme, die auch im kommenden Jahr fällig wäre, wenn der Westen den Kampf gegen Russland fortsetzen möchte. Wie die Autoren zugeben, so sind jegliche Budgetkalkulationen Kiews unrealistisch, aber was sind denn schon 50 Mrd. US$ pro Jahr unter Russland-Feinden?

Die wohl jenseitigste Annahme aber findet sich in dem Abschnitt zu den „Bedingungen“ (Conditionality), denn – „entgegen normalen Umständen“ – fordern die ukrainischen Ökonomen diese Summen ohne jegliche Überlegungen zu Rückzahlung, Verzinsung etc.

Der Beitrag von Becker et al. kann also getrost in das Reich des Wunschdenkens verbannt werden, legt aber immerhin eine Wahrheit über den Konflikt schonungslos offen: bar jeglicher Hinweise über die fortgesetzte Zahlungsfähigkeit der Ukraine, so dämmert es wohl auch dem unkenntnisreichsten Politiker: wer weiterhin Geld in Richtung Kiew schickt, der muss diese Unsummen zweifelsfrei abschreiben.

Wenn die Kreditgeber einigermaßen Glück haben (/Sarkasmus), dann erhält man gegebenenfalls einige Monate lang Zinszahlungen aus Kiew. Danach – oder schon früher – aber ist der Ofen aus. Jeder Politiker, der dies im Rahmen seiner Durchhalteparolen nicht dazu sagt, stiehlt sich aus der Verantwortung.

So weit zur Ukraine – wie steht es Russland bestellt? Klar, Moskau ist ebenso durch den Konflikt betroffen, steht aber in jedem Fall eindeutig besser dar. Im Gegensatz zur Ukraine und dem Westen, verfügt die Russische Föderation weiterhin über eine Volkswirtschaft, die über ausreichend Rohstoffe, Energie und Produktionskapazitäten gebietet.

Von derartigen Grundlagen abgesehen, so steht vor allem zu beachten, dass die russischen Militärausgaben lediglich einen Bruchteil des Westens ausmachen. Gemäß den Angaben des Stockholmer Instituts für Internationale Friedensforschung (SIPRI), beliefen sich diese auf 65 Mrd. US$ (2019), eine Zahl, die heute gewiss höher liegt als vor drei Jahren – die aber dennoch weniger als ein Zehntel des US-Wehretats beträgt. Wenn man dies in den Kontext zu den rund 50 Mrd. US$ stellt, die vonseiten Kiews als Mindestsumme – man denke auch noch an Kriegsmaterial – für 2023 gefordert werden, so erübrigt sich wohl jeglicher Kommentar zu der erwähnten „Effizienz“ dieser Subsidiengelder.

Hinzu kommt, dass ein Gutteil der westlichen Hilfsgelder wohl an „einheimische“ (v.a. US-amerikanische) Rüstungsunternehmen gehen wird, von den massiven ökonomischen und sozialen Verwerfungen in Europa, die aus der Abkehr von russischer Energie resultieren, ganz zu schweigen.

Es sieht also so aus, als ob der Konflikt – so oder so – mit einer Form der Verständigung zu Ende gehen wird, wenn auch die territorialen Gelüste der Nachbarstaaten, allen voran Polens, zweifelsfrei einzurechnen sind.

Antithese: Ukraine, ein „failed state“, der zunehmend auf die Hilfe des Westens angewiesen ist

Jeder noch so kurze Blick in die Geschichte zeigt, dass die karitativen Qualitäten der europäischen Staaten nur ausgesprochen gering ausgeprägt sind (man denke nur kurz an den Wiederaufbau von Notre Dame in Paris…)

Klar, man wird sich wohl seitens der offiziellen Stellen bemühen, möglichst publikumswirksam und medienfreundlich riesige Versprechungen zu machen, um den „Wiederaufbau“ voranzutreiben. Wie sonst auch, so wird der Löwenanteil dieser Hilfsgelder allerdings jeweils einheimischen Unternehmen zukommen, die obendrein zu ausgesprochen günstigen Bedingungen, unter klar reduzierten, wenn überhaupt existenten regulatorischen Auflagen und mit all den herkömmlichen (post-) kolonialen Attributen gegenüber den Einheimischen ausgestattet ans Werk gehen werden.

Wer dem Verfasser dieser Zeilen nun blanken Zynismus und Menschenverachtung unterstellen möge, während er/sie/es beim Lesen dieser Aussagen hyperventiliert, dem seien einige Recherchen zu durchaus ähnlichen Unterfangen in z.B. Bosnien-Herzegowina (seit 1995), dem Kosovo (seit 1999), Afghanistan (2001-21), Irak (2003-) oder Libyen (nach 2011) ans Herz gelegt. Und dabei haben wir über die Mutter all dieser Umtriebe – die international „Hilfe“ für die Palästinenser seit 1948 noch gar nicht gesprochen…

Ungeachtet des genauen Vorgehens, so werden die von Russland übernommenen Gebiete immerhin für ein nahezu perfektes „natürliches Experiment“ in Sachen Wiederaufbau sowie Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik sorgen. Man muss also „nur“ über den eigenen Schatten springen und die einzelnen Regionen vergleichen…

Zurück zu der westlichen „Wiederaufbau-Hilfe“, zu der es lediglich eine einzige Frage zu stellen gibt: was könnte denn unter diesen Rahmenbedingungen nur alles schieflaufen?

Präsident Zelensky wünscht sich Medienberichten zufolge, dass die Ukraine „wie Israel wird, aber eben größer“, doch wenn man dieser „Logik“ folgt, so ergibt sich wohl lediglich, dass die EU/NATO/USA die Rolle des dominanten „Partners“ einnimmt – und was auch immer von der Ukraine übrig bleibt, dann die Rolle von „Pälestina“.

Ist dies eine erstrebenswerte Zukunft für die Ukrainerinnen und Ukrainer (zumindest für diejenigen, die sich nicht „nach Westen“ abgesetzt haben)?

Synthese: wer profitiert?

Wie in allen Auseinandersetzungen, so hat auch dieser Konflikt seine Gewinner und Verlierer.

Eindeutig zu den Verlierern zählt die ukrainische Bevölkerung. Dies ist ein traurig stimmender Aspekt der letzten rund 20 Jahre „westlicher“ Politik seit den Vorbereitungen für die Farbrevolution im Jahr 2004. Der als „orange“ bezeichnete Umsturz war in vielerlei Hinsicht ein erster Versuch, die Ukraine eindeutig zu einem Satelliten der USA, NATO und EU zu machen. Wer auch immer nach Kriegsende in der (Rest-) Ukraine leben wird, zählt eindeutig zu den Verlierern dieser Situation.

Ähnlich wie die ukrainische Bevölkerung, so zählen auch die Einwohner Europas zu den klaren Verlierern des Konflikts: explodierende Energie-, Lebensmittel- und Treibstoffkosten kommen zu den gesellschaftlichen Verwerfungen der letzten knapp drei Jahre („Pandemie“) hinzu. Daraus resultiert ein nahezu „perfektes Setup“, um ein bedingungsloses Grundeinkommen – das ja in den westlichen Wohlfahrtsstaaten durch die Fülle an Sozialmaßnahmen bereits de facto Realität ist – einzuführen. Vielleicht erhält die Bevölkerung ja ein derartiges Grundeinkommen zusätzlich zu Nahrungsmittel- und Energierationen.

Zweifelsfrei würde so ein Grundeinkommen wohl durch digitales Zentralbankgeld (Central Bank Digital Currency, CDBC) überwiesen werden. Ähnlich wie mit allen bisherigen Modellrechnungen zum Grundeinkommen, so wird auch dieses wohl „zu wenig zum Leben / zu viel zum Sterben“ sein. Zu der bereits eingesetzten Deindustrialisierung kommen die ökonomisch wenig sinnvollen wie kaum geeigneten Aufrüstungsmaßnahmen, die gegen „Sauron“ (Vladimir Putin) gerichtet sind, aber wenig mehr als einen massiven Wohlstandsabfluss in Richtung der v.a. US-amerikanischen Rüstungsindustrie bezeichnen.

Wer hierbei das Wort „Tribut“ nicht in den Mund nimmt, dem ist wohl aufgrund des Vasallenstatus‘ Europas nicht mehr weiter zu helfen. Dies trifft – machen wir uns nichts vor –– v.a. die „grünen“ Parteien, denen aufgrund der vielfachen Möglichkeiten, die jeweils eigene moralisierende Überlegenheit bei jeder Gelegenheit zu betonen, just wohl das Wasser im Munde zusammenläuft: man spricht gegen die Kriegswirtschaft und Verarmung? Putin-Versteher! Man duscht länger als erlaubt? Asozialer Mensch, dem das „bedingungslose“ Grundeinkommen gekürzt gehört! Demonstrieren für Grund- und Bürgerrechte? Man wird als „Kollaborateur“ (Alexander van der Bellen) denunziert.

Für die Maskottchen der US-Regierung, die uns hier in Europa „regieren“, ist dies alles eine Win-Win-Situation. Für die europäischen Völker hingegen bietet diese Situation wenig mehr als einen tagtäglichen Kampf ums Dasein – bis man, ähnlich wie in Starship Troopers mobilisiert und an die Front geschickt wird (wiewohl Dino Buzzattis 1940 erschienene Novelle Il Deserto dei Tartari, dt. Die Tartarenwüste, m.E. die wohl passendere Analogie wäre).

Die westlichen Großunternehmen (die vermutlich auch zu den wenigen Abnehmern zunehmend wertloser westlicher Währungen wie US$, € oder Pfund zählen), die bei jeglichem digitalen Zentralbankgeld gewiss auch mit von der Partie sind, gehören wohl schon eher zu den „Gewinnern“. Als Resultat steht demnach wohl lediglich zu Buche, dass die ohnehin bereits ehrenrührigen Verflechtungen von „Staat“ und „Unternehmenswelt“ – unter der PR-Masche „öffentlich-private Partnerschaft“ – noch viel stärker als bisher unser Leben dominieren werden. Dies betrifft wohl in erster Linie das im Aufbau befindliche soziale Kreditsystem, das zwar an das Modell der Volksrepublik China angelehnt ist, aber in unserem „westlichen“ Falle wohl zweifelsfrei zumindest teilweise privat sein wird. Ein Schelm, wer hierbei nicht an Max Horkheimers Diktum denken mag: „Wer aber vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen.“ (Zeitschrift für Sozialforschung, Nr. 8, 1939-1940, S. 115.)

Angemerkt sei lediglich, dass die oft gescholtenen Chinesen sich immerhin ihrer zivilisatorischen Errungenschaften – allen Widerwärtigkeiten und Schrecklichkeiten zum Trotz – bewusst sind, wohingegen der „woke“ Westen eifrig damit beschäftigt ist, seine eigenen Qualitäten auf den sprichwörtlichen „Scheiterhaufen der Geschichte“ zu werfen. Die Zukunft des Westens wirkt also eher wie die „Borg“ aus Gene Roddenberrys Star Trek-Universum denn die Fortsetzung dessen, was unsere Kultur(en) bisher ausgemacht haben.

Die westlichen Finanz- und Rüstungseliten hingegen – die von Adam Smith als „Herren der Menschheit“ (orig. masters of mankind, The Wealth of Nations, Boston, Mass., 2003, S. 525) bezeichnet wurden – werden wohl die zunehmend infernalische Gemeinwesen dominieren, die unsere vormals europäischen Nationalstaaten waren.

In aller Kürze: Volkswirtschaften wie die des „fortgeschrittenen Westens“ werden zweifelsfrei zu den Verlierenden zählen, nicht zuletzt aufgrund der fortgesetzten – und immer offener zu Tage tretenden – Ausplünderung der Alten Welt durch die USA.

Andersrum betrachtet wird der Ukraine-Konflikt auch Gewinner haben; es bedarf übrigens keineswegs eines Abschlusses in Volkswirtschaftslehre oder gar Politikwissenschaft, um diese zu benennen: diejenigen Nationen, die weiterhin auf Industrieproduktion setzen – allen voran China und Russland sowie diejenigen Staaten, in deren eurasischer Gemeinschaft.

Rund drei Viertel aller Waren, die wir im Westen konsumieren, werden importiert. Der bevorstehenden Schock rapider Digitalisierung und die zunehmenden makroökonomischen Verwerfungen, die uns in Europa (und den USA) ins Haus stehen, werden dies keineswegs verändern.

Hinzu kommt der direkte Vergleich zu den Neubauten außerhalb des Westens, deren technologischen Errungenschaften und der Verfügbarkeit billiger Energie. Wer hierbei Zweifel äußert, der möge sich die Episoden um den Neubau des Berliner Flughafens vor Augen halten (und diesen z.B. im Bezug zu den chinesischen Hochgeschwindigkeitszügen oder dem Moskauer Flughafen setzen). Alle diese Infrastrukturprojekte zeitigen wirtschaftlichen Multiplikatoreneffekte – die vor allem zeigen, wie versteinert unsere Gemeinwesen mittlerweile sind.

Die Folgen des Endes des Ukraine-Konflikts

Produktive Volkswirtschaften profitieren, Konsumgesellschaften, die auf Pump leben, werden negative Folgen tragen. Es erscheint kaum plausibel, dass zunehmend unter Druck kommende Währungen wie der US$ oder der € weiterhin ohne Wenn und Aber für all die Waren akzeptiert werden, die in Ostasien produziert werden.

Während auf Industrieproduktion setzende Länder ein Interesse daran haben, den allgemeinen Wohlstand zu vermehren (da man ja Absatzmärkte für die eigenen Produkte braucht), so werden übermäßig stark auf Finanzdienstleistungen basierende Länder zu den Verlierern zählen. Wie dem auch sei, man braucht ja in der letztgenannten Kategorie kaum einen breiten Wohlstand, da eine kleine subalterne Schicht speichelleckender Befehlsempfänger zweifelsohne ausreicht, um mit den Plünderungen fortzufahren.

Nebenbei: historisch befanden sich die USA 1945 in einer ähnlichen, wenn auch ungleich dominanteren Lage als Russland, Indien, China und ihre Weggefährten heute. Zu Ende des 2. Weltkriegs waren rund 50% der weltweiten Industrieproduktion in den USA konzentriert, daher rührte auch die geplante und nicht uneigennützige Wiederaufbauhilfe („Marshall-Plan“), die es den ausgebombten Westeuropäern ermöglichte, die amerikanischen Überschüsse zu erwerben. Weder Russland noch China verfahren heute fundamental anders…

Angesichts dieser Lage besteht kaum Hoffnung auf Besserung für die gebeutelten Nationen Europas. Wiewohl immer mehr Stimmen auftreten, die die hier skizzierten Probleme beim Namen nennen – zuletzt etwa (erneut) der „Altlinke“ Albrecht Müller in den Nachdenkseitenso sei immerhin darauf verwiesen, dass mehr und mehr Menschen für derartige Botschaften empfänglich sind.

Es gibt keinen „kollektiven Westen“ mehr, auch wenn Vladimir Putin dies weiterhin behauptet.

Was noch existiert ist ein zunehmend erratisches US-Imperium, das immer häufiger in alle Richtungen ausschlägt, bevorzugt aber seine vorgeblichen „Verbündeten und Partner“ ausnimmt wie die Weihnachtsgans. Vermutlich, weil Washingtons immer wieder angeführten Rivalen (Iran, Russland und China) weitaus gefährlichere Gegner sind.

Unterm Strich steht uns – wenn die nukleare Eskalation (hoffentlich) vermieden wird – jedenfalls ein geopolitischer Paradigmenwechsel bevor.

Bild: unbekannter Forograf, Odessa French intervention 1919, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons

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Categories: Peter F. MayerTags: , , Daily Views: 1Total Views: 22
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