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Warum Russland den Informationskrieg gegen das „Lügenimperium“ verliert

Published On: 18. Oktober 2022 13:00

Dass Russland den Informationskrieg verliert, ist keine neue Erkenntnis, denn die USA sind in der Kunst der Propaganda unangefochtene Meister. Trotzdem gibt es zu dem Thema sehr interessante Gedanken von russischen Analysten.

Russland verliert den Informationskrieg, was in Russland Thema vieler Konferenzen ist, zu denen auch ich immer wieder eingeladen werde. In meinen Augen bleibt Russland auf dem Gebiet auch chancenlos, denn Propaganda ist eine Spezialität der USA und ihrer Vasallen. Das zeigt sich an einfachen Beispielen: Den Irakkrieg haben die USA mit den Bildern von Außenminister Powell mit dem Reagenzglas im UNO-Sicherheitsrat salonfähig gemacht. Wenn der russische Außenminister Lawrow bei der UNO auftritt, dann hält er hingegen Reden und erklärt anhand von Paragraphen internationaler Verträge, warum die USA das Völkerrecht brechen.

Lawrow hat dabei zweifellos recht, aber die USA und ihre Medien beherrschen die Macht der Bilder. Sie benutzen keine Argumente, sondern wecken Emotionen. So funktioniert Propaganda, man muss das Publikum emotionalisieren, nicht mit Argumenten überzeugen. Und in dieser Disziplin sind die USA nun einmal unschlagbar. Dass sie dabei auch noch ein um ein Vielfaches größeres Budget zur Bezahlung von Medien und andere Instrumente zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung zur Verfügung haben, kommt noch hinzu.

Nun hat ein Analyst der russischen Nachrichtenagentur TASS einen sehr interessanten Artikel darüber verfasst, wie das „Lügenimperium“, wie Putin die USA bei seiner Rede zum Beginn der Militäroperation in der Ukraine bezeichnet hat, seine Propaganda aufgebaut hat. Ich habe den Artikel der TASS, den ich als sehr lesenswert empfinde, übersetzt. Der Begriff „Lügenimperium“ als Bezeichnung für die USA ist in Russland übrigens inzwischen ein geflügeltes Wort geworden.

Beginn der Übersetzung:

Wie man das „Lügenimperium“ besiegen kann: Die Sicht eines Veteranen der Informationskriege

Im Februar 2014, am Vorabend der Olympischen Spiele in Sotschi, wurde ich eingeladen, im US Public Radio in Washington darüber zu sprechen. Das Studio enthüllte ein pikantes Detail: Es ging nicht um die Spiele selbst, sondern um die Korruption, die angeblich mit ihrer Organisation einherging. Die amerikanischen Gäste der Sendung, darunter Susan Glasser, die damalige Chefredakteurin des Magazins Politico und frühere Leiterin des Moskauer Büros der Washington Post, kannten sich mit dem Thema im Rahmen eines mitgebrachten Pamphlets der russischen Opposition aus und erzählten lebhaft davon.

Als ich das Wort erhielt, sagte ich, dass sich jemand all diese Spekulationen über die Verschwendung von „Milliardensummen“ aus den Fingern gesaugt hatte. Selbst wenn das durch Fakten untermauert wäre, wäre es meiner Meinung nach immer noch besser, Straßen, Hotels und Sportanlagen selbst zu einem solchen Preis zu bauen und die Infrastruktur der gesamten Region zu entwickeln, als unvergleichlich größere Summen in den Kriegen in Afghanistan und im Irak zu „verbrennen“, wie es die US-Regierungen – erst George Bush jr. und dann Barack Obama – vor meinen Augen getan haben.

Während der nächsten Werbepause erteilte mir die Gastgeberin der Sendung, die Grande Dame der Washingtoner Journalistenelite Diana Rome, eine Belehrung. „Sprich nicht über unsere Kriege“, sagte sie vorwurfsvoll. „Das hat damit nichts zu tun.“ Wenig später warf mir Glasser in der Sendung vor, ich würde, um der Frage auszuweichen, „typische sowjetische Propagandatechniken“ benutzen.

Nützliche Lektionen

Zunächst habe ich natürlich vor Wut gekocht, weil sie selbst das Thema gewechselt und mich mundtot gemacht hatten, aber ich merkte schnell, dass ich wertvolle persönliche Erfahrungen gesammelt hatte, die zeigen, wie die Washingtoner Agitprop wirklich arbeitet. Wenn ich jetzt daran zurückdenke, kann ich auch aus heutiger Sicht gleich mehrere nützliche Lektionen erkennen. (Anm. d. Übers.: „Agitprop“ ist eine Abkürzung, die für die Worte „Agitation und Propaganda“ steht)

Erstens ist es klar, dass der Grund oder Vorwand für einen Angriff auf Russland in Wahrheit nicht wichtig ist – irgendwas lässt sich immer finden oder erfinden. Selbst die Olympischen Spiele, ein globales Sportereignis, wurden von den US-Medien so gut es ging angegriffen. Ganz zu schweigen vom „Krim-Frühling“ kurz nach dem Gespräch oder der aktuellen Militäroperation zur Verteidigung des Donbass.

Zweitens: Die Doppelmoral ist offensichtlich. Amerikanische Kriege gehen Außenstehende nichts an und sollten nicht mit irgendetwas verglichen werden, während sich Washington selbst offen in alles und jedes einmischen darf.

Drittens wurde mir anschaulich vor Augen geführt, dass seriös aussehende Damen und Herren nicht davor zurückschrecken, gelegentlich Tatsachen zu verdrehen und, wie der russische Sänger Wladimir Wyssotski einst sang, „Klatsch als Versionen“ zu verwenden. Damals war es die bösartige Broschüre, jetzt sind es zum Beispiel Vorwürfe, wir hätten unsere eigenen Gaspipelines gesprengt.

Schließlich bestätigten diese Damen und Herren in der Praxis, dass die berühmt-berüchtigte „Meinungsfreiheit“ im amerikanischen Rundfunk klar umrissene Grenzen hat und dass man einem Gast notfalls vorschreiben kann, was er sagen darf und was nicht. So ist beispielsweise das Thema „Schuld der USA am Angriff auf Nord Stream“ auf der anderen Seite des Ozeans tabu: Laut der professionellen NGO Fairness and Accuracy in Journalism (FAIR) ist das „eine intellektuelle Flugverbotszone für US-Medien.“

Übrigens gibt es noch eine weitere Lektion: Wasser höhlt den Stein, Wahrheit überwindet jedes Hindernis. Es war nicht das erste und auch nicht das letzte Mal, dass ich als „Prügelknabe“ zu einer Radio- und Fernsehshow in den USA eingeladen wurde, und ich habe stets erlebt, dass die Anrufer in der Regel nicht mit der Linie der dortigen Propaganda übereinstimmten (diejenigen, die das taten, hatten ja keinen Grund, anzurufen). Das war sehr beruhigend. Ich wurde auch von meinen diplomatischen Freunden in unserer Botschaft in Washington ermutigt, jedem öffentlichen Gespräch zuzustimmen, um für meine Wahrheit einzustehen.

Wie die Legende „entlarvt“ wurde

Doch ich wiederhole nochmal, dass unbequeme fremde Wahrheiten in Amerika entschieden unterdrückt werden. Hier noch eine weitere Geschichte aus eigener Erfahrung: Anfang der 1990er Jahre, an der Schwelle zu dem kurzen Gorbatschow-Tauwetter in den amerikanisch-sowjetischen Beziehungen, wurde ich vom russischen Radio New York eingeladen, einen wöchentlichen internationalen Nachrichtenüberblick zu geben und Hörerfragen zu beantworten. Ich nahm das Angebot gerne an und moderierte das Programm zwei oder drei Monate lang, bis ich eines Tages gefragt wurde, was die Ursache für den langjährigen arabisch-israelischen Konflikt sei.

Ich bin kein Experte für den Nahen Osten, aber ich war kurz zuvor in Israel gewesen, und ich habe meinem Kollegen Tassow, der das Thema, wie man sagt, wie seine Westentasche kennt, genau diese Frage gestellt. Ich habe seine Antwort, die, um es milde auszudrücken, nicht sehr pro-israelisch war, in der Sendung ehrlich wiedergegeben. Schon damals wurde mir klar, dass das wohl ein Fehler war. Und schon am nächsten Tag wurde meine Sendung, „vorübergehend ausgesetzt“ – um nie wieder aufgenommen zu werden…

Aber wer bin ich schon? In Washington wurde ich Zeuge, wie eine Legende des amerikanischen Journalismus, Helen Thomas, aus dem Pressepool des Präsidenten ausgeschlossen wurde, weil sie sich genauso über Israel geäußert hatte. Sie hatte von John F. Kennedy bis Barack Obama im Weißen Haus gearbeitet, bei den Briefings in der ersten Reihe gesessen und sie hatte nicht nur das Privileg, die erste Frage zu stellen, sondern auch Hinweise zu geben, wann es Zeit war, das Gespräch zu beenden.

Die starken Einschränkungen der Meinungs- und Pressefreiheit in den USA waren und sind für mich daher nicht überraschend. Nicht nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001, nicht beim jüngsten Aufkommen der „Cancel Culture“ und der Debatte darüber, ob alle Leben einen Wert haben oder nur „black lives matter“ und nicht mit dem aktuellen Ausbruch der anti-russischen Hysterie. Und was die demokratischen Ideale und Werte angeht, würden meine ehemaligen Zuhörer in Brighton Beach sagen: „Guter Witz…“

Kinder im Fadenkreuz

Die erwähnte Hysterie, die Verbote und die Annullierung von allem, was mit Russland zu tun hat, ist ein integraler Bestandteil der totalen hybriden Kriegsführung des Westens gegen Russland, das ein Hindernis für die Erhaltung der globalen Vorherrschaft der USA darstellt. Das ist ja nichts Neues: In der Vergangenheit hat Russland wiederholt barbarische Invasionen westlicher „Zivilisatoren“ zurückgeschlagen und ist nun erneut gezwungen, an allen Fronten zurückzuschlagen, auch an der Informationsfront. Und das hat lange vor der Militäroperation im Donbass begonnen; es ist kein Zufall, dass der stellvertretende russische Verteidigungsminister Andrej Ilnitsky sein Konzept der „mentalen Kriegsführung“ bereits im vergangenen Frühjahr vorgestellt und begründet hat. Im Wesentlichen geht es um den Kampf um die Köpfe und Herzen der Menschen, vor allem der Jugend.

Wer unser Hauptgegner in diesem Kampf ist, steht außer Frage. Auch hier kann ich auf persönliche Erfahrungen zurückgreifen. Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich vor zwei Jahrzehnten in das Newseum („Nachrichtenmuseum“, Anm. d. Übers.), einen eine halbe Milliarde Dollar teuren Komplex am Fuße des Capitol Hill, eingeladen wurde, um mich mit Schulkindern aus der Ukraine und anderen Ländern der ehemaligen Sowjetunion zu treffen. Die Kinder, die im Rahmen eines „Austauschprogramms“ in die USA gekommen waren, saßen vor einer riesigen Leinwand mit einer so genannten „Landkarte der Freiheit“, auf der ihre Heimatländer in einer ekelhaft braunen Farbe bemalt waren. Dazu gab es Kommentare der „Experten“ aus der dortigen Agitprop. Diejenigen, die sich unversehens dagegen wehrten, wurden zum Schweigen gebracht und „mit Autorität niedergehalten“

Als ich an der Reihe war, erklärte ich den Kids deutlich, warum und wie die gut aussehenden amerikanischen Onkel und Tanten ihnen die Gehirnen wuschen, wofür sie gut bezahlt werden. Die versuchten übrigens, mit mir zu streiten, aber das erledigte sich schnell. Dafür hellten sich die Gesichter und die Augen der Kinder auf. Einige kamen danach danach zu mir, um sich zu bedanken.

Natürlich wurde ich zu solchen Zusammenkünften nicht mehr eingeladen. Dafür habe ich selbst mehrere Monate lang versucht, von den Bürokraten, einschließlich des damaligen Rechtsberaters des Außenministeriums, zu erfahren, ob das, was ich dort gesehen hatte, mit den Gesetzen der USA selbst in Bezug auf die Beeinflussung fremder Kinder in Konflikt steht. Ich habe erst aufgegeben, als mir klar wurde, dass ich sowieso nichts Verständliches zu hören bekommen würde – außer den üblichen Tiraden über „Meinungsfreiheit“ und Pluralismus.

Der „geheime“ Kunde

Oder ein anderes Beispiel: Anfang 2005 verkündete das in Washington ansässige Unternehmen Rock Creek Creative (RCC) stolz, dass es eine der wichtigsten Websites der ukrainischen Orangenen Revolution, www.ukraineineurope.com, erstellt und gepflegt hatte. Unmittelbar nach der „historischen Amtseinführung von Präsident Viktor Juschtschenko“ beschlossen die Amerikaner, die an seinem Sieg beteiligt waren, die „Stadt und die Welt“ über ihre Rolle zu informieren und verfassten eine Pressemitteilung.

Ohne jede Bescheidenheit erklärten sie, dass ihre Website „als wichtigstes öffentliches Forum diente, das den politischen Dialog in den chaotischen 12 Monaten vor der Wahl ermöglichte“ und sich zu „einem virtuellen Platz der Freiheit für die demokratische Bewegung“ in der Ukraine entwickelt habe. Die Firma war auch an der Vorbereitung der internationalen Konferenz in Kiew beteiligt, an der Juschtschenko, der ehemalige tschechische Präsident Vaclav Havel und die ehemalige US-Außenministerin Madeleine Albright teilnahmen.

Als ich in der RCC-Zentrale anrief und fragte, wer das alles bezahlt hat, konnte ich die leitenden Angestellten des Unternehmens nicht erreichen. Aber die Marketingdirektorin Christine Barry sagte, die Quelle der Gelder sei für das Unternehmen selbst ein Geheimnis: „Der Kunde hat das Geld absichtlich über mehrere zwischengeschaltete Organisationen geschleust, um nicht selbst der unangemessenen Einmischung in einen politischen Prozess verdächtigt zu werden“, sagte sie und erlaubte mir bereitwillig, dass ich das zitieren durfte.

Ich musste nur noch hinzufügen, dass die RCC schon früher an der Förderung merkwürdiger „Markenprodukte“ wie der CIA und der NATO beteiligt war. Als weitere Kunden nannte sie „verschiedene US-Regierungsstellen“ sowie Thales, den größten französischen Militärindustriekonzern.

Über wen lacht Ihr?

In meiner Erinnerung war und ist diese Episode ein Prolog zur politischen Krise in der Ukraine 2014 und damit zu allem, was danach kam. Die Amerikaner arbeiteten und arbeiten daran, die Voraussetzungen für solche Krisen zu schaffen, und zwar gegen alle postsowjetischen Länder. Ich kann Ihnen eine ähnliche Geschichte über Georgien und eine andere Washingtoner Firma, Orion Strategies, erzählen.

Wie diese Arbeit jetzt abläuft, wurde vor einem Monat überraschenderweise und offen von Politico berichtet, demselben Magazin, dessen Leiter Glasser einst war. Der Artikel mit dem Titel „Waging Psychological Warfare Against Russia“ (Psychologische Kriegsführung gegen Russland) wurde von David Shedd, dem ehemaligen Geheimdienstchef des Pentagon, und Ivana Stradner, einer Expertin der Foundation for Defense of Democracies, verfasst.

Viele in Russland haben diesen Artikel bemerkt und kommentiert, so dass ich nicht näher darauf eingehen möchte. Ich will nur sagen, dass die Autoren darauf drängten, das „Relikt des Kalten Krieges“ in Form des „Versuchs, den ‚amerikanischen Traum‘ auf die Russen zu übertragen“ aufzugeben, und stattdessen empfahlen, den „russischen Nationalismus“ weiter zu betonen und Keile „zwischen nationale Minderheiten in Russland“ zu treiben. Zu diesem Zweck wurden verschiedene Mittel vorgeschlagen, darunter… Witze. Die Amerikaner erinnerten daran, dass Witze schon zu Stalins Zeiten beliebt waren, und betonten, dass „auch in den aktuellen US-Informationsoperationen der Fokus auf den Humor wiederbelebt werden sollte – und man den Russen Futter für ihre eigenen Witzeleien liefern sollte.“

Ich muss zugeben, dass das ein guter Rat ist: Ich selbst mag treffende Witze und ich lese sie und teile sie gerne. Aber die Amerikaner muss ich enttäuschen: Im russischen Internet findet sich jetzt viel mehr Spott über die USA, zumal die Verantwortlichen in Washington, angefangen bei Präsident Joe Biden, regelmäßig viele Gründe liefern. (Anm. d. Übers.: Dass das russische Netz voll von solchen Witzen über die USA und die EU ist und täglich viele neue hinzukommen, die fleißig geteilt werden, kann ich mehr als nur bestätigen)

Ja, und der naive Glaube vieler Amerikaner, dass ihr Land in der Welt nur deshalb unbeliebt ist, weil es ein „Leuchtturm“ des Guten und des Lichts ist (Bush Junior sagte das nach den Anschlägen vom 11. September 2001), ist kaum in der Lage, außer ihnen selbst irgendwen auf den Holzweg zu führen. Die überwältigende Mehrheit der Weltbevölkerung, insbesondere in den postkolonialen Ländern, ist sich sehr wohl bewusst, was die berüchtigte „globale Führung“ der USA kostet. Das ist auch der Grund, warum Versuche, eine Koalition gegen Russland zu schmieden, in der Welt außerhalb des kollektiven Westens wenig Unterstützung finden. Wir haben das neulich bei der Abstimmung über die anti-russische Resolution in der UN-Generalversammlung wieder gesehen. Sogar in den USA selbst wird das von mehr oder weniger vernünftigen Publikationen und politischen Realisten anerkannt. (Anm. d. Übers.: Die westlichen Medien verkaufen das Ergebnis der UNO-Abstimmung als Erfolg, wobei sie allerdings verschweigen, dass es nur durch Druck der USA auf viele Staaten und vor allem durch offene Verstöße gegen die festgelegten Verfahren bei UNO-Abstimmungen zu Stande gekommen ist. Ich wollte darüber schreiben, habe es aber nicht getan, weil das ein recht komplizierter und trockener Artikel geworden wäre, in dem es nur um Verfahrensregeln der UNO, also um Vertragstexte, gegangen wäre.)

„Wie man den Informationskrieg verliert“

Ich bin ständig mit aggressiven Angriffen der amerikanischen Propaganda gegen Russland konfrontiert und versuche mein Bestes, um sie zu kontern, aber ich habe mich nie wirklich mit ihren theoretischen Ursprüngen beschäftigt. Aber ich habe eine Bekannte, Uljana Artamonowa vom Primakow-Institut für internationale Beziehungen der Russischen Akademie der Wissenschaften, die die Auslandspropaganda aus wissenschaftlicher Sicht untersucht. Ich bat sie um einen Kommentar, und sie schickte mir eine ganze Reihe interessanter Materialien.

Sie erinnerte insbesondere daran, wie die US-Regierung im April dieses Jahres versucht hat, im Ministerium für nationale Sicherheit (DHS) das so genannte Disinformation Governance Board (DGB) unter Leitung der 33-jährigen Nina Jankowicz zu schaffen. Die Idee löste nicht nur bei der konservativen Opposition, sondern auch bei liberalen Kritikern der Regierung einen Sturm der Entrüstung aus; viele verglichen die neue Struktur mit Orwells „Wahrheitsministerium“. Drei Wochen später musste der Rat aufgelöst werden. (Anm. d. Übers.: Wenn Sie von der Episode – und vor allem davon, warum die Personalie Jankowicz so brisant war – noch nie gehört haben, empfehle ich Ihnen diesen Artikel dazu)

Das Innenministerium entschuldigte sich und erklärte, dass es vorgehabt habe, die angeblichen Intrigen Russlands, Chinas und des Irans zu bekämpfen. Aber niemand hat dem zugehört. Selbst die regierungsnahe Washington Post schrieb sarkastisch, der Name des Rates „klingt in der Tat ziemlich ominös und lässt vermuten, dass er nicht so sehr zur Bekämpfung von Desinformation als vielmehr zu deren Regulierung gedacht ist.“ Überhaupt sagen Skeptiker, dass der Rat angesichts der Welle negativer Reaktionen in der Presse und in sozialen Netzwerken eine eklatante Hilflosigkeit an den Tag gelegt hat – und das ist eigentlich genau das, wofür er eingerichtet wurde.

Und das, obwohl Jankowicz als kompetente Fachfrau galt: Sie hatte zuvor in demselben Bereich für renommierte Washingtoner Denkfabriken gearbeitet und im Jahr 2020 ein Buch mit dem Titel „How to Lose in the Information War: Russia, Lies and the Future of Conflict“ veröffentlicht. Lassen Sie sich übrigens nicht vom Titel verwirren: Das ist ein Standard-Marketing-Trick, um Käufer anzulocken. Rick Stengel, der die US-Agitprop unter Obama geleitet hat, hat seine Memoiren unter dem Titel „Informationskrieg – Wie wir den globalen Kampf gegen Desinformation verloren haben und was wir dagegen tun sollten“ (Information Wars: How We Lost the Global Battle Against Disinformation and What We Can Do about It) veröffentlicht.

Mit fremden Händen

Am interessantesten fand ich persönlich in den Veröffentlichungen über das DGB und Jankowicz ein Foto der Amerikanerin bei der Arbeit… im Hauptquartier der Wahlkampagne von Wladimir Selensky in der Ukraine im Jahr 2019. Es gibt auch Bilder im Netz, die von ihr selbst aufgenommen und signiert wurden. Offiziell ging sie 2017 mit einem einjährigen Fulbright-Stipendium nach Kiew und galt als Beraterin der ukrainischen Regierung. Soweit ich weiß, hatte Selensky zu diesem Zeitpunkt nichts mit der Regierung zu tun, aber auch er wurde von Beginn an „beraten“.

Nach Artamonowas professioneller Einschätzung lernen die Ukrainer heute die Fertigkeiten der psychologischen Kriegsführung von den Amerikanern, die sich bei der Manipulation des Bewusstseins der Massen einst von Goebbels‘ Erfahrungen mit der Nazi-Propaganda inspirieren ließen. Zur Untermauerung dieser Theorie verweist sie auf das Buch „Psychological Warfare“ von Paul Linebardger, das 1948 in New York veröffentlicht wurde, und erwähnt die früheren Arbeiten von Edward Bernays, dem Begründer der politischen Propaganda und der kommerziellen PR, einem Neffen von Sigmund Freud.

Die Forscherin nennt konkrete Beispiele dafür, wie der Stil und die Arbeitsmethoden aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs heute noch nachwirken. Ihrer Ansicht nach sind die früheren Flugblätter und anderen gedruckten Materialien, die absichtlich so gestaltet waren, dass sie die Aufmerksamkeit von Kindern auf sich zogen (z. B. Bilder von Waffen, Luftschlachten usw.), in der heutigen Welt vergleichbar mit Online-Videos und -Posts, die vor allem von jungen Menschen aktiv gepostet werden. Und bei der „Verbreitung von Panik unter unserer weiblichen Bevölkerung nach der Ankündigung der Teilmobilisierung hatte die Ukraine ihre Finger im Spiel“ (darüber habe ich geschrieben), ist ein Echo der seit langem bestehenden Empfehlungen für die gezielte propagandistische Bearbeitung des weiblichen Publikums.

Wie kann man Verleumdungen widerlegen?

Die Geschichte mit dem DGB und Jankowicz erinnerte mich unter anderem daran, wie das US-Außenministerium 2005 ebenfalls versuchte, den „Kampf gegen Desinformation“ zu rationalisieren, aber ebenfalls völlig gescheitert ist. Und gleichzeitig führte es mich wieder zu dem Thema, das mich schon lange interessiert: Wie kann man beweisen, dass etwas nicht passiert ist oder gar nicht existiert? Im Englischen heißt es how to prove a negative; die Aufgabe wird als praktisch unlösbar angesehen.

Der Sinn dieses theoretischen Rätsels ist meines Erachtens klar. Im Zuge des Informationskriegs gegen Russland türmt das westliche „Lügenimperium“ Berge von Behauptungen auf. Der russische Außenminister Sergej Lawrow zählte neulich die abscheulichsten Beispiele auf, von den Explosionen der Nord Streams bis zum Unglück der malaysischen Boeing, von der Vergiftung der Skripals bis zur „dunkelsten Geschichte“ über Alexej Nawalny. Dazu gehören auch die unheilvollen ukrainischen Provokationen und „Blutbäder“ von Butscha und Melitopol bis Kupjansk.

Ich habe viele Leute gefragt – von Politikern, einschließlich Lawrow, über professionelle Pressesprecher und Rechtswissenschaftler bis hin zu Philosophen – wie man beweisen kann, dass man etwas nicht getan hat. Niemand gibt eine konkrete und klare Antwort, auch nicht in der Theorie. Allerdings haben theoretische Physiker in letzter Zeit daran erinnert, dass es kein Perpetuum mobile gibt, und das ist auf der Grundlage der Gesetze der Thermodynamik beweisbar. Aber auch dort nur unter bestimmten Bedingungen.

Die einzig richtige Antwort

Igor Istomin, ein internationaler Politologe an der Staatlichen Universität Moskau, sagte mir neulich zum selben Thema, dass es im Rahmen des Informationskriegs „unmöglich ist, die Unschuld zu beweisen, aber es ist auch unnötig.“ Als ich über seine Worte nachdachte, wurde mir plötzlich klar, dass ich an der falschen Stelle gesucht hatte. Ich stellte Fragen an Leute aus der Wissenschaft, aber hätte die Fabeln des alten Ivan Krylow lesen sollen.

Für die Starken sind immer die Schwachen schuld. Beweisen zu wollen, dass man etwas nicht getan hat – dass man in Butscha keine Grausamkeiten angerichtet hat, dass man die Boeing nicht abgeschossen hat, dass man die Skripals nicht vergiftet hat – ist die Position eines Lamms, dessen Schuld es ist, dass der Wolf es fressen will.

Niemand hat je auf Rechtfertigungen gehört, niemand tut es und niemand wird es je tun. Die richtige Antwort an Raubtiere ist auch von Krylow bekannt. Erinnern Sie sich, in einer anderen Fabel sagt der Tierfänger: „Deine wölfische Natur habe ich lange gekannt, und daher meine Gewohnheit: mit Wölfen kann man auf der Welt nur eines tun, ihnen das Fell abziehen. Ich werde also nicht mehr leiden; die Thema ist abgeschlossen.“

Wer zuletzt lacht

Das Gleiche gilt für Informationskriege. Neulich sprach ein amerikanischer Bekannter, ein ethnischer Bulgare, mit Besorgnis und Bedauern mit mir darüber, dass wir an dieser Front verlieren…

Das erinnerte mich an einen bekannten Witz. Zwei russische Panzerfahrer waschen ihre Stiefel in der Seine (oder auch im Potomac) und der eine sagt zum anderen: „Alles ist gut, Bruder, und die Stadt ist schön, aber eines bedaure ich: Wie kommt es, dass wir den Informationskrieg verloren haben?“

Lasst uns lächeln, aber wir sollten nicht vergessen, dass derjenige, der zuletzt lacht, am besten lacht. Die unwiderlegbaren „Fakten vor Ort“ müssen wir noch schaffen.

Ende der Übersetzung