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IWF und Weltbank als Waffen im Wirtschaftskrieg | Von Thomas Röper

Published On: 25. Oktober 2022 14:00

Dass IWF und Weltbank unter der Kontrolle des US-dominierten Westens stehen, ist nicht neu. Hier zeige ich auf, wie diese Waffen von den USA in der Praxis eingesetzt werden.

Ein Standpunkt von Thomas Röper.

IWF und Weltbank sind als Teil des US-dominierten Bretton-Woods-Systems als Machtmittel zur Umsetzung von US-Interessen gegründet worden. Ein Analyst der russischen Nachrichtenagentur TASS hat am Beispiel ihrer letzten Tagungen gezeigt, wie sie im aktuellen Konflikt gegen Russland und andere Länder, die die USA zu Feinden erklärt haben, eingesetzt werden. Ich habe die Analyse der TASS übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

Die Finanzfront der hybriden Kriegsführung: Wie die Jahrestagungen von IWF und Weltbank verlaufen sind

Es ist zu einer gängigen journalistischen Formulierung geworden, dass der kollektive Westen einen hybriden Krieg an allen – von der politischen und militär-technischen bis hin zur wirtschaftlichen und medialen – Fronten gegen Russland führt. Das ist natürlich eine Metapher: Wahrscheinlich können nicht einmal Experten sagen, was beispielsweise die Finanzfront wirklich ist. Aber ich habe die jüngsten Jahrestagungen der Führungsgremien von IWF und Weltbank in Washington gelesen und gehört, und die Berichte kommen mir wie Kriegsberichte vor, nicht im übertragenen Sinne, sondern im wahrsten Sinne des Wortes.

Der Doyen unter Belagerung

Die Sitzungen des Internationalen Währungs- und Finanzausschusses und des Entwicklungsausschusses des IWF und der Weltbank finden auf der Ebene der Finanzminister und Zentralbankgouverneure der Mitgliedsländer der beiden Organisationen statt. Aber dieses Mal, so erzählte mir Alexej Mozhin, der Exekutivdirektor des IWF für Russland und mein alter guter Freund, konnten die wichtigsten Teilnehmer aus Moskau nicht kommen. Die Amerikaner haben keinem der Mitglieder der russischen Delegation ein Einreisevisum erteilt, mit Ausnahme – wie zum Hohn – eines einzigen einfachen Spezialisten.

Infolgedessen konnte der russische Finanzminister Anton Siluanow bei der IWF-Tagung nur virtuell erscheinen und ein anderes wichtiges Treffen – mit seinen Amtskollegen der G-20 der weltweit führenden Volkswirtschaften – musste er gänzlich auslassen. Es war für mitten in der Nacht Moskauer Zeit, von 1:30 bis 5:30 Uhr angesetzt.

In Ermangelung einer Führungspersönlichkeit wurde Mozhin selbst damit beauftragt, Russland beim Arbeitsessen der G20-Minister zu vertreten. In einer mit Moskau abgestimmten Rede betonte er, dass sich der Zustand und die Aussichten der Weltwirtschaft „rapide verschlechtern“, dass das „Risiko einer globalen Rezession“ wachse und sie „eine der Hauptursachen für all die Auswirkungen der einseitigen westlichen Sanktionen gegen Russland“ seien. Er warnte weiter, dass „Versuche, eine Preisobergrenze für russisches Öl und andere Energieträger einzuführen, nur Öl ins Feuer gießen würde. Unsere Position ist ganz klar: Wir werden dem ‚Käuferkartell‘ kein Öl zu diktierten Preisen verkaufen“, betonte der russische Direktor. „Notfalls werden die Erdölexporte reduziert.“

Lassen Sie mich gleich zu Beginn erklären, dass Mozhin eine bekannte und maßgebliche Person in den Bretton-Woods-Institutionen ist. Seit 1996 vertritt er Russland im IWF-Direktorium, seit 2014 ist er dort ein Doyen, also ein Senior nach Dienstalter, eine Art „Erster unter Gleichen.“ Zwar versuchten die „Hauptaktionäre“ des Fonds – die USA und ihre westeuropäischen „Freunde und Partner“ – in der gegenwärtigen Konfrontation mit Moskau, ihm im Frühjahr diesen ehrenvollen und einflussreichen Status zu entziehen, aber sie hatten keinen Erfolg; nicht-westliche Direktoren setzten sich für ihn ein und seine Ausübung der Aufgaben eines Doyen gilt nur als vorübergehend ausgesetzt.

Dennoch musste der russische Direktor unsere Positionen beim G20-Abendessen unter äußerst schwierigen und bewusst nachteiligen Bedingungen verteidigen. Es genügt zu sagen, dass er einer der Letzten war, die das Wort bekamen, weil er im Vergleich zu den Ministern, die mit am Tisch saßen, einen geringeren Status hatte. Außerdem waren einige von ihnen ihm gegenüber offen feindselig eingestellt. Besonders eifrig war seinen Worten zufolge Chrystia Freeland, Kanadas stellvertretende Premierministerin und Finanzministerin.

„Während des G20-Dinners zeigte sie mit dem Finger auf mich und behauptete, ich sei ein Krimineller, weil ich angeblich einem kriminellen Regime diene“, sagte mein Gesprächspartner. „Abschließend forderte sie den Ausschluss Russlands aus den G20, dem IWF, der Weltbank und dem internationalen Leben überhaupt…“

Insgesamt hinterließ die Atmosphäre des Ministertreffens der Jahrestagung bei unserem Direktor einen gemischten Eindruck. Die westlichen Teilnehmer waren sich in ihrer Verurteilung Russlands insgesamt einig, während die anderen weitgehend schwiegen. Unter den Angriffen gab es einige „sehr bösartige“, erklärte er, aber größtenteils klangen die kritischen Passagen „rituell“ – wie pflichtschuldige Zitate von Karl Marx in der sowjetischen Presse.

Verletzung von Verpflichtungen

Unmittelbar nach der Jahreshauptversammlung legte Mozhin bei der geschäftsführenden Direktorin des IWF, Kristalina Georgieva, Protest gegen die grobe Verletzung der Verpflichtungen der USA als Gastland des Fonds und als Hauptsitz der Weltbank ein. Und nicht nur Russland gegenüber haben die USA gegen diese Verpflichtungen verstoßen.

Seit 2018 vertritt unser Direktor beim IWF auch die Interessen Syriens, darum hatte die Regierung des arabischen Landes Moskau gebeten. In diesem Herbst hatte Damaskus zum ersten Mal seit vielen Jahren geplant, persönlich an der Jahrestagung des Fonds und der Bank teilzunehmen. Da sie nicht damit rechneten, ein Visum zu erhalten, beschlossen sie, den ständigen Vertreter Syriens bei der UNO und einen weiteren Diplomaten aus New York zu schicken. Mozhin arrangierte für sie im Apparat des IWF unter anderem ein Treffen mit dem Leiter der Syrien-Mission des Fonds.

Aber am Ende durften die Syrer nicht einmal von einer amerikanischen Stadt in eine andere fahren. Sie (und übrigens auch unsere Diplomaten) arbeiten immer noch nach demselben System, an das ich mich aus meiner journalistischen Tätigkeit in New York zu Zeiten der Sowjetunion erinnere: Auch wir benötigten eine Sondergenehmigung für jede Ausfahrt außerhalb des 25-Meilen-Radius vom Columbus Circle mitten in Manhattan. Es wurde gesagt, dass der Radius so festgelegt wurde, dass man bis zum Flughafen fahren kann, aber nicht weiter.

Es wurde jedoch davon ausgegangen, dass Routinereisen für legitime Zwecke auch routinemäßig genehmigt werden. Aber das war nur die Theorie, in der Praxis wurden die Syrer abgewiesen. Und Mozhin als ihr offizieller Vertreter beim IWF hat offiziell Protest eingelegt und diesen an alle Mitglieder des Verwaltungsrats und an den General Counsel der Organisation geschickt.

Aber auch das ist noch nicht alles. Aus demselben Grund wie Russland – wegen fehlender Visa – konnte auch der Iran keine Delegation zur Jahrestagung des Fonds und der Bank entsenden. Das heißt, die Amerikaner hindern die Länder, die sich weigern, nach ihrer Pfeife zu tanzen, daran, sich in vollem Umfang an der Arbeit der wichtigsten Finanzinstitutionen der Welt zu beteiligen. Es ist klar, dass das auch für die Weltwirtschaft nicht von Vorteil ist.

Wann ist der Umzug nach Peking?

Die gleichen Zugangsprobleme treten auch regelmäßig am UN-Hauptsitz auf. Vor einem Monat, nach der hochrangigen Woche der Generalversammlung, sprach ich darüber mit meinen Bekannten im russischen Außenministerium, die mir bestätigten, dass Moskau wegen der systematischen Verletzung der Verpflichtungen Washingtons, UN-Mitarbeiter und Besucher einreisen zu lassen, seit langem sehr ernsthaft nach Alternativen sucht, denn „man muss Alternativen suchen und sich nicht auf New York versteifen.“

Beim IWF könnte sich dieses Problem übrigens theoretisch automatisch lösen. Gemäß der Charta soll der Sitz des Fonds in dem Land liegen, das die größte Quote, also den größten Anteil am genehmigten Kapital, besitzt, und diesen Status beansprucht China immer selbstbewusster. Gemessen an der Kaufkraftparität ist die chinesische Wirtschaftskraft bereits größer als die der USA; in absehbarer Zeit wird die chinesische Wirtschaft auch beim nominalen Bruttoinlandsprodukt unweigerlich an die Spitze rücken, so der Tenor der Experten.

Aber hier gibt es, wie man so schön sagt, ein Detail. Die Quoten der Länder im IWF-Kapital spiegeln nicht direkt die Größe der Wirtschaft wider, wie ich früher naiverweise dachte, sondern werden nach einer komplizierten Formel berechnet, die viele für fehlerhaft halten. Und die Quoten bestimmen alles andere, nicht nur den Sitz der Zentrale, sondern auch die Verteilung der Stimmen in den Führungsgremien.

So beträgt die US-Quote im IWF heute 16,66 Prozent, während Chinas Anteil nur 6,14 Prozent beträgt. Das ist nicht einmal der zweithöchste Wert im Fonds, sondern der dritthöchste, er ist etwas niedriger als der von Japan.

Mozhin erklärte, der Grund dafür sei, dass der IWF nicht in der Lage sei, eine weitere Quotenrevision durchzuführen, bei der sich Chinas Anteil mindestens verdoppeln sollte. Die „Hauptaktionäre“ haben das Verfahren in die Länge gezogen; das letzte Mal fand es 2010 statt, obwohl es nach den Vorschriften alle fünf Jahre wiederholt werden muss. Die derzeitige Überprüfung soll nun bis Ende 2023 abgeschlossen sein, aber in Wirklichkeit, so der Gesprächspartner, „gibt es keine Fortschritte.“

Der Übergang der Vorrangstellung im IWF auf China läuft also wie in dem russischen Sprichwort: Nah wie der Ellenbogen, aber man kann ihn nicht beißen. Übrigens war die chinesische Delegation beim Abschluss der Jahrestagung physisch auch nicht anwesend; aufgrund der strengen Anti-Covid-Restriktionen in China nahmen die Pekinger Vertreter ebenso wie die Moskauer virtuell an den Diskussionen teil. Für sie war es eine bewusste Entscheidung.

Der Sitz-Vorsitzende

Dafür wurde dem ukrainischen Finanzminister Sergej Martschenko in Washington sogar fast der rote Teppich ausgelegt. Auf jeden Fall hatte er keine Visaprobleme und wurde persönlich zu einem Treffen mit seinen Kollegen der G-20 eingeladen, der sein Land nicht angehört. Faktisch wurde er eingeladen, um im anti-russischen Chor des Westens mitzusingen: Freeland, so Mozhin, habe die Rufe des Ukrainers weitgehend aufgegriffen. Und am Ende der Sitzung verkündeten sie ohne unnötige Bescheidenheit, dass Martschenko zum „Vorsitzenden des Gouverneursrats der Weltbank und des IWF für 2023“ gewählt worden sei.

In Wirklichkeit handelt es sich um eine weitere Täuschung. Wie Mozhin erklärte, handelt es sich bei der Position, in die Martschenko gewählt wurde, um einen „absoluten Sitz-Vorsitzenden“, der „vollkommen unwichtig ist“. Er konnte sich nicht einmal daran erinnern, wer den Posten im vergangen Jahr innehatte.

Es ist ein zeremonieller Vorsitz – nicht im Verwaltungsrat, sondern auf der Hauptversammlung -, der jedes Mal regional rotiert wird. In diesem Jahr hatte Europa das Recht der Wahl und die europäischen Verwaltungsräte des IWF und der Weltbank stimmten trotz der Proteste der Russen für Martschenko. Allerdings ist, wie der Gesprächspartner zu Recht betonte, noch überhaupt nicht klar, „was in einem Jahr in der Ukraine passieren wird, ob es dort einen Finanzminister geben wird und wen genau.“

Ich möchte daran erinnern, dass der Sitz-Vorsitzende in den 1920er Jahren, zur Zeit der Neuen Ökonomischen Politik, eine Figur in fiktiven Büros und Unternehmen war, ein „Vorsitzender zum absitzen.“ Mit anderen Worten: Das waren die, die im Falle eines Scheiterns anstelle der wahren Herren der Firma hinter Gitter gehen würden. Die Parallelen zum aktuellen Ukraine-Projekt der USA scheinen mir offensichtlich.

Russland hält sich zurück

Wie schädlich dieses „ukrainische Projekt“ der USA (die Ukraine als Anti-Russland) für die Weltwirtschaft ist, geht aus dem Prognose- und Analysebericht des IWF hervor, der für die Jahrestagung erstellt wurde. Er nennt die Entwicklungen in der Ukraine zusammen mit der globalen Inflation als einen der wichtigsten Risikofaktoren, der zu einer „Lebenskostenkrise“ (cost-of-living crisis; diese Worte tauchen auch im Titel des Dokuments auf) führt, und zu einer Verlangsamung in China – insbesondere aufgrund der anti-chinesischen Restriktionen.

Ich habe Ihnen die russische Einschätzung der Lage beim G20-Dinner durch Herrn Mozhin bereits gezeigt. Das Einzige, was ich hinzufügen kann, ist, dass er auch sagte, dass

„die westlichen [Führer] bei ihren Versuchen, die russische Wirtschaft zu zerstören, das Wohlergehen und die Stabilität aller Länder, einschließlich ihres eigenen, riskieren. Neue Handels-, Finanz- und andere Schranken wirken sich negativ auf die weltweite Nahrungsmittel- und Energiesicherheit aus.“

Unterdessen hat Russland selbst dem beispiellosen wirtschaftlichen Ansturm des kollektiven Westens widerstanden. „Es ist bereits jedem klar, dass wir die Sanktionen überstanden haben“, sagte mir der Gesprächspartner. Zwar rechnet der IWF für das Jahr mit einem Rückgang des BIP um 3,4 Prozent, doch ist das radikal – um mehr als fünf Prozentpunkte – besser als die Frühjahrsschätzung.

Ich bin selbst kein Wirtschaftswissenschaftler, aber wenn ich solche Prognosen lese, fallen mir die Worte von Alexander Puschkin ein: „Wie der Staat reich wird und wovon er lebt, und warum er kein Gold braucht, wenn er ein einfaches Produkt hat“ (ist das bei uns mit unserem „einfachen Produkt“ wirklich so?). Andererseits verstehe ich nicht wirklich, warum wir uns vor der Vereinfachung, der Primitivisierung unserer Wirtschaft und einem Rückschritt um fast zehn Jahre fürchten, weil uns der Zugang zur westlichen Technologie verwehrt wird. Warum eigentlich sollten wir uns fürchten? Warum kann die Vereinfachung auf der neuen technologischen Ebene nicht zu einer Form der Modernisierung werden, die besser ist als die vorherige, geliehene Komplexität und eher einen Gewinn als einen Verlust in der Entwicklung darstellt? Aber diese Fragen sind noch unbeantwortet.

„Das Schlimmste kommt erst noch“?

Doch was die Weltwirtschaft betrifft, so gibt es heute auf die tröstliche russische Redensart „Wer hat es jetzt schon leicht?“ eine eindeutige Antwort: niemand! Laut dem erwähnten Bericht und den Erklärungen der führenden Vertreter der Organisation ist der IWF der Ansicht, dass die derzeitige Wirtschaftslage auf dem Planeten wahrscheinlich die schlechteste seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist. Und sie warnen im Voraus, dass die Prognosen möglicherweise nach unten korrigiert werden müssen, dass die düstere Realität die Erwartungen also noch übertreffen könnte. Der Kommentar der New York Times zu diesem Thema trug die Überschrift „Eine Warnung an die Weltwirtschaft: Das Schlimmste kommt erst noch“

In den USA wird Joe Biden bereits ausdrücklich als „Präsident der Stagflation“ bezeichnet. The Washington Free Beacon, eine konservative Online-Publikation, titelte einen Kommentar über das „alptraumhafte wirtschaftliche Vermächtnis“ des Weißen Hauses.

Bidens jüngste Behauptung, die amerikanische Wirtschaft sei „teuflisch stark“ (strong as hell), wird von Fachleuten direkt widerlegt. Vom Wall Street Journal befragte Ökonomen schätzten die Wahrscheinlichkeit einer Rezession in den USA im Jahr 2023 auf 63 Prozent. Die Prognose von Bloomberg ist mit einer hundertprozentigen Wahrscheinlichkeit einer Rezession sogar noch düsterer. Wie groß der Pessimismus der einfachen Amerikaner ist, werden wir bald am Ende der Zwischenwahlen zum Kongress sehen.

In Bezug auf Deutschlands „wirtschaftlichen Wirbelsturm“ schrieb das amerikanisch-jüdische Journal The Tablet kürzlich, dass sich das Land, das „die viertgrößte Wirtschaft der Welt und eine der widerstandsfähigsten und scheinbar gesündesten politischen Gesellschaften“ beherbergt, als „eine Art Schneeballsystem“ (a Ponzi scheme) entpuppt.

„Es zeigte sich, dass das gesamte deutsche System von einer ununterbrochenen Versorgung mit billigem russischem Gas, einer reibungslosen, wie ein Uhrwerk funktionierenden Lieferung [von Waren] aus China und stetig expandierenden Auslandsmärkten abhing“, erklärte es. „Kein Land hat mehr auf das Ende der Geschichte gesetzt und wir alle wissen, wie das ausgegangen ist.“

Das „Ende der Geschichte“ ist eine Anspielung auf das 1992 nach dem Zusammenbruch der UdSSR veröffentlichte Buch des amerikanischen Politikwissenschaftlers Francis Fukuyama, in dem ein vollständiger und endgültiger weltgeschichtlicher Sieg des liberalen Kapitalismus verkündet wurde. Wir sind uns in der Tat bewusst, wie „zutreffend“ sich diese voreilige Schlussfolgerung erwiesen hat.

Zum Schluss noch eine Sichtweise aus Indien, das zum fast wichtigsten Motor des Wirtschaftswachstums in der Welt geworden ist. Der bekannte Analyst und pensionierte Botschafter M.K. Bhadrakumar veröffentlichte kürzlich in der Zeitung The Tribune einen Kommentar mit dem Titel „Der Krieg, den Russland gewinnen wird. Wie die Amerikaner die Europäer geschickt ausgetrickst haben“

„Im Grunde hat die Biden-Administration die selbstgemachte Energiekrise geschaffen, deren wahrer Zweck Kriegsgewinnlerei (war profiteering) ist“, argumentiert der Autor und erklärt, dass „die EU jetzt zu einem gefangenen Markt“ für Flüssiggaslieferungen aus den USA geworden ist. Und er fügt hinzu, dass „Indien dies berücksichtigen“, aber dabei „die Niederlage der USA und der NATO erwarten und damit den Übergang zu einer multipolaren Weltordnung vollziehen sollte.“

Den Hauptaktionär nicht verärgern

Ich habe die in den zitierten Artikeln aufgeworfenen Fragen auch mit Mozhin diskutiert. Er erklärte insbesondere, dass die Stagflation – ein Begriff, der sich aus den Wörtern „Stagnation“ und „Inflation“ zusammensetzt – das Ergebnis der „halbherzigen Politik“ der westlichen Wirtschaftsregierungen sei, die „die Inflation nicht vollständig abtötet und das [Wirtschafts-]Wachstum verlangsamt.“ Seiner Meinung nach wird es daher, grob gesagt, „entweder weniger Inflation, aber mehr Rezession, oder umgekehrt weniger Rezession, aber mehr Inflation“ geben.

Der Experte betonte, dass das Problem einen Aspekt hat, der sowohl von den Urhebern der Wirtschaftspolitik der westlichen Länder als auch von internationalen Organisationen, einschließlich des IWF, „völlig verschwiegen“ wird. “Die Inflation führt zu einer Abwertung der Schulden, einschließlich der öffentlichen Schulden“, erklärte Mozhin.

„Und wir können sehen, wie der Schlüsselindikator – das Verhältnis der Staatsverschuldung zum BIP – in den entwickelten Ländern, angefangen mit Amerika, sinkt. Er geht deutlich zurück, und zwar ausschließlich aufgrund der Inflation, die das nominale BIP „aufbläht“. Das ist ein weiteres Motiv für sie – abgesehen von der Angst vor einer Rezession -, es mit der Senkung der Inflation nicht eilig zu haben.“

In der globalen Finanzwelt gelten die Schuldverpflichtungen von Uncle Sam allgemein als eine der sichersten Möglichkeiten, Devisenreserven anzulegen. Aber die Inflation, so bestätigte Mozhin, „führt zur Abwertung aller Staatsschulden, einschließlich des Teils, der von allen Ländern der Welt als Staatsreserven angehäuft wird.“ Das bedeutet, dass die USA und andere Industrieländer von der Abwertung der Einlagen anderer Menschen profitieren, während die Anleger im Gegenteil ärmer werden. Auf die Frage, ob sich diese Tendenzen in den IWF-Dokumenten widerspiegeln, zuckte der Gesprächspartner nur mit den Schultern: Wer, wird schon den Hauptaktionär verärgern…

Die bittere Pille versüßt

Schließlich muss man auch einen Euphemismus erwähnen. In den Dokumenten des IWF und den Reden auf der Jahrestagung wurde viel über die Gefahr einer „Fragmentierung“ der Weltwirtschaft, die Ablehnung der globalen Zusammenarbeit und den Übergang zu verschiedenen Blockformaten gesprochen.

Dabei spricht natürlich niemand an, wer der wirkliche Auslöser dieser Fragmentierung war, wer die ganze Welt – natürlich nach eigenem Gutdünken – in „Demokratien und Nicht-Demokratien“ eingeteilt hat. Erinnern Sie sich an die jüngste Aussage von Josep Borrell, dem EU-Chefdiplomaten, dass Europa ein Garten und fast der ganze Rest der Welt ein Dschungel sei? Ganz zu schweigen von den Sanktionen gegen Russland, den Handelsbeschränkungen gegen China und so weiter.

Mozhin habe dies auf einer Sitzung des Verwaltungsrats des Fonds im Anschluss an die letzte Sitzung zur Sprache gebracht und erklärt: „Man kann es Fragmentierung nennen. Man kann es Deglobalisierung nennen. Und man kann es auch den Übergang zu einer multipolaren Welt nennen. Die Bezeichnungen sind unterschiedlich, aber das Wesen des Prozesses ist dasselbe.“

Die westlichen Mitglieder des Rates, so unser Direktor, hörten seinen Worten mit trauriger Miene zu. Er fügte hinzu, dass seiner Meinung nach „die Rolle des Fonds im weiteren Verlauf des Prozesses zunehmen wird.“

„Trotz all seiner Schwächen, insbesondere bei der Verteilung der Quoten und Stimmen im Verwaltungsrat, ist der Fonds die einzige globale Institution, die neue Spielregeln für die Weltwirtschaft festlegen und neue Mechanismen zur Gewährleistung der internationalen wirtschaftlichen und finanziellen Zusammenarbeit und der Koordinierung der Wirtschaftspolitik vorschlagen muss“, erklärte der russische Duane.

Insgesamt hat er, wie man so sagt, seinen Kollegen die bittere Pille versüßt…

Ende der Übersetzung

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Dieser Beitrag erschien zuerst am 25. Oktober 2022 bei anti-spiegel.ru

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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Bildquelle: SERSOLL/ shutterstock

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