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Putin im O-Ton über Erdogan: „Zuverlässigkeit ist das Wichtigste“

Published On: 29. Oktober 2022 9:00

Die Beziehungen zwischen Russland und der Türkei sind oft schwierig. Dass die beiden Länder trotzdem bei vielem Lösungen finden, hat mit dem gegenseitigen Vertrauen der Präsidenten zu tun, zu dem Putin sich nun geäußert hat.

Das Verhältnis zwischen der Türkei und Russland ist bei vielen Themen schwierig (aserbaidschanisch-armenischer Konflikt, Syrien, Ukraine, etc.), bei anderen aber auch sehr gut (Energie, Lieferung der S-400, Bau des Atomkraftwerkes, etc.). Das ist besonders bemerkenswert, wenn man sich in Erinnerung ruft, was für eine Eiszeit vor einigen Jahren zwischen den Ländern geherrscht hat und wie sie beendet wurde, Details dazu finden Sie hier.

Präsident Putin hat vor einigen Jahren auf dem Valdai-Forum darüber gesprochen, was er an Erdogan schätzt, nämlich dessen Eigenschaft, ein gegebenes Wort zu halten und geschlossene Verträge und Absprachen einzuhalten. Nun wurde Putin auf der Podiumsdiskussion des Valdai-Forums vom Moderator gefragt, ob sich an dieser Einschätzung inzwischen etwas geändert hat. Ich habe die Frage und Putins Antwort übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

Lukjanow: Vor zwei Jahren haben Sie Präsident Erdogan in unserem Gespräch sehr gelobt und gesagt, er wedle nicht mit dem Schwanz und sei ein echter Mann. In diesen zwei Jahren ist viel passiert. Bleibt Ihre Einschätzung die gleiche?

Putin: Ja, er ist ein starker Staatsführer, der sich in erster Linie, oder vielleicht ausschließlich, von den Interessen der Türkei, des türkischen Volkes und der türkischen Wirtschaft leiten lässt. Das erklärt zum großen Teil auch seine Haltung in Energiefragen, etwa zum Bau von Turkish Stream.

Wir haben nun vorgeschlagen, auf türkischem Territorium einen Gashub für die Verbraucher in Europa zu schaffen. Die türkische Seite hat zugestimmt – natürlich auch in erster Linie aufgrund ihrer eigenen Interessen. Es gibt viele Interessen im Tourismus, viele Interessen im Bausektor, in der Landwirtschaft. Wir haben viele sich überschneidende Vektoren gemeinsamer Interessen.

Präsident Erdogan lässt sich nie von den Interessen von Drittstaaten leiten. Aber natürlich verteidigt er – auch im Dialog mit uns – zuerst seine eigenen Interessen. In diesem Sinne sind die Türkei im Allgemeinen und Präsident Erdogan im Besonderen keine einfachen Partner: Viele Entscheidungen sind das Ergebnis langer und schwieriger Streitigkeiten und Verhandlungen.

Aber beide Seiten sind bestrebt, diese Vereinbarungen zu treffen, und in der Regel kommen wir auch zu diesen Vereinbarungen. In diesem Sinne ist Erdogan natürlich ein beständiger und zuverlässiger Partner. Das ist wahrscheinlich die wichtigste Eigenschaft: Er ist ein zuverlässiger Partner.

Lukjanow: Versucht er nicht, jemanden auszunutzen? Sie zum Beispiel?

Putin: Wissen Sie, ich habe gesagt, dass der türkische Präsident kein einfacher Partner ist, er verteidigt immer seine Interessen – nicht die persönlichen Interessen, sondern die Interessen des Landes -, aber ich würde nicht sagen, dass er versucht, jemanden auszunutzen.

Er kämpft einfach für die Lösung, die seine Regierung, seine Berater, für die beste halten. Wir kämpfen für die Lösungen, die für uns optimal sind. In der Regel, ich wiederhole es, finden wir diese Entscheidungen auch bei sehr heiklen Themen: in Syrien zum Beispiel, bei der Sicherheit, in der Wirtschaft, einschließlich der Infrastruktur. Bisher ist uns das immer gelungen.

Ich wiederhole es noch einmal, das ist sehr wichtig: Wir verstehen, auch wenn wir einen langen Weg zurückgelegt haben und es schwierig war, eine Einigung zu erzielen, aber wenn wir uns auf etwas geeinigt haben, dann können wir sicher sein, dass es auch umgesetzt wird. Das ist das Wichtigste – Zuverlässigkeit und Stabilität in den Beziehungen.

Ende der Übersetzung

Das ist der Unterschied zwischen der Politik Putins und der Politik des Westens: Putin konzentriert sich auf das, was man gemeinsam erreichen kann, und nimmt Differenzen nicht als Feindschaft wahr. Wir müssen dabei bedenken, dass die Türkei die Krim nicht als russisch anerkennt und der Ukraine sogar Drohnen liefert. Trotzdem versteht Putin die türkischen Interessen.

Im Westen hingegen wird jeder Staat und jeder Politiker, der sich dem Westen nicht unterordnet, verteufelt und mit Sanktionen belegt.

Das ist der Unterschied: Putin setzt bis zuletzt auf Gespräche, Kompromisse und Problemlösungen, der Westen setzt sofort auf Konfrontation.