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Die letzte Standhafte

Published On: 4. November 2022 17:00

von Tony Cox

Tulsi Gabbards schnelle Transformation vom aufsteigenden Stern der Demokratischen Partei zur dämonisierten Ausgestoßenen — die diese Woche in ihrer Entscheidung gipfelte, die Partei zu verlassen — hat das Eine ins Blickfeld gerückt, über das sich alle Mächtigen in Washington einig sind: Krieg ist gut.

In der Tat ist das eine Sache, der jeder zustimmen muss, der irgendwelche Macht erringen will und eine lange und erfolgreiche Karriere in der US-Politik anstrebt. Diejenigen, die nicht zustimmen, werden bestenfalls zu Randfiguren. Wenn sie ihren Dissens allzu wirksam artikulieren, werden sie als Verräter abgestempelt. Wie der ehemalige Kongressabgeordnete Ron Paul und sein Sohn, Senator Rand Paul, bewiesen haben, werden sie niemals als Präsidentschaftskandidaten ernst genommen und dürfen nicht kandidieren, egal wie viele Debatten sie gewinnen.

Gabbards Fall hat diese Tatsache besser illustriert als jeder andere. Man bedenke, wie viel sie 2013 bei ihrem Kongressdebut mitbringen konnte, wie sie zum kommenden Superstar hochgejubelt wurde und wie wenig anscheinend ausreichte, um sie im Grunde zu exkommunizieren. Ihr Fall in Ungnade vollzog sich erstaunlich schnell und war aufschlussreich.

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Tulsi Gabbard. ©  AP Photo/Charlie Neibergall

Sie war gerade 31 und kam aus einem der sichersten „blauen“ — das heißt, demokratisch wählenden — Staaten, Hawaii, als jüngste Abgeordnete, die jemals diesen Wahlkreis gewonnen hatte. Sie ist keine Weiße. Tatsächlich hatte sie ein paar jener Identitätsmerkmale aufzuweisen, die die Demokraten so gerne hochhalten. So war sie die erste Hindu-Frau und die erste stimmberechtigte Samoa-Amerikanerin im Kongress. Außerdem ist sie Kriegsveteranin. Sie ist sprachgewandt und wirkt wie eine Person, die leidenschaftlich an das glaubt, was sie sagt. Kurz gesagt, sie war wie eine stark verbesserte Version von Kamala Harris.

Stellen Sie sich die heutige Vizepräsidentin jünger, intelligenter, liebenswerter und prinzipientreu vor. Fügen Sie ein paar Punkte für den Militärdienst hinzu und für die Fähigkeit, menschlich zu wirken und nicht in den unpassendsten Momenten unkontrolliert zu lachen. Dann haben Sie Tulsi Gabbard.

Es war nicht schwer für die Führer der Demokratischen Partei, Gabbards Potenzial zu erkennen, nachdem sie 2012 die Vorwahlen (für ihren Wahlkreis in Hawaii) gewonnen hatte. Präsident Obama unterstützte sie, und Nancy Pelosi, damals in der Rolle der Minoritätsführerin im Repräsentantenhaus, lud sie zu einer Rede vor dem Democratic National Committee (DNC) ein. Gleich bei ihrer Kongresseinführung 2013 wurde sie zur Vizevorsitzenden des DNC gemacht.

Wie auf einen Wink begannen CNN und andere große Medien, Gabbard als „nächsten Superstar“ zu hofieren und als „Gesicht, das man sich merken muss“. MSNBC schlug vor, Hollywood solle einen Film über sie drehen, und die CNN-Kommentatorin Ana Navarro witzelte: „Ich weiß nicht, aber wenn ich in einer Schlacht wäre, hätte ich sie gern in meinem Schützengraben.“

Aber dann kam es fast genauso schnell, dass keiner der Talkmaster Gabbard mehr in seinem Schützengraben wollte. Nach Donald Trumps schockierendem Wahlsieg bei den Präsidentschaftswahlen 2016 besaß sie die Kühnheit, sich mit dem „President-elect“ (dem neugewählten Präsidenten vor dessen Amtseinführung) zu treffen.

Das Problem war nicht so sehr, dass sie mit dem bösen orangefarbenen Mann sprach. Unverzeihlich war aber das Thema, das sie gewählt hatte: die US-Kampagne zum Regimewechsel in Syrien. „Ich fand es wichtig, die Gelegenheit zu ergreifen, den President-elect schon jetzt zu treffen, bevor die Kriegstrommeln der Neocons uns in eine Eskalation des Regimewechselkrieges gegen Syrien hineinziehen konnten“, erklärte Gabbard damals. Ein paar Wochen später reiste sie nach Syrien, um sich die schrecklichen Lebensbedingungen dort anzusehen, und traf sich mit Präsident Bashar al-Assad.

Gabbards Zeit als Liebling der Demokratischen Partei war im Grunde genommen beendet. Und das war schlimmer als der bloße Entzug eines Privilegs. In den Augen der mächtigen Strippenzieher war sie nun eine Verräterin an ihrem Land. Hillary Clinton, die 2016 die Präsidentschaftskandidatin der Partei war, ging so weit zu behaupten, sie werde als Agentin der Russen aufgebaut: „Sie ist die Lieblingskandidatin Russlands.“

Als Gabbard 2020 an den Vorwahlen für die Präsidentschaft teilnahm, betonte sie in den Debatten ihre Antikriegsbotschaft, und es gelang ihr, Harris bei einem Thema der Strafjustiz als Heuchlerin vorzuführen. Nach ihrer ersten Debatte avancierte sie zur im Internet meistgesuchten Kandidatin, aber Google deaktivierte ihr Werbekonto, sodass sie an der Welle von Wählerinteresse nichts verdiente. Sie beschwerte sich, dass das DNC sie von einigen der späteren Schlüsseldebatten ausschloss, was in einem Fall nur durch eine Regeländerung möglich wurde. Bald danach zog sie sich aus dem Rennen zurück.

Während die Medien sie als LGBTQ-feindliche Fanatikerin porträtierten und als „russischen Aktivposten“, kam ihre Karriere als Kongressabgeordnete zu einem schnellen Ende. Sie stellte sich nicht zur Wiederwahl und stimmte als einzige demokratische Kongressabgeordnete nicht für Trumps Amtsenthebung.

Hingegen sprach sie sich weiterhin gegen Kriegstreiberei aus, insbesondere nach dem Beginn der russischen Militäroffensive im Februar 2022, was ihr Zurechtweisungen von beiden Seiten des Hauses einbrachte.

Als sie dann auch noch davor warnte, dass Bidens Politik, einen Stellvertreterkrieg gegen Russland zu führen, Amerika näher an ein nukleares Desaster heranführte, machte sie das erst recht zum politischen Paria. Als sie dann die Vorwürfe aufgriff, Amerika finanziere Biolabore in der Ukraine, klagte Senator Mitt Romney sie an, „verräterische Lügen“ zu verbreiten.

Als Gabbard am Dienstag ihren Austritt aus der Demokratischen Partei bekannt gab, sprach sie von „cowardly wokeness“ (feige Angepasstheit an die neuesten Sprach- und Genderregeln), rassistischer Entzweiung, Feindschaft gegenüber gläubigen Menschen, Missbrauch des Polizeiapparates als Waffe gegen politische Gegner. Aber das eine wirkliche Killerthema, der eine unüberbrückbare Graben war der Krieg.

„Ich kann in der heutigen Demokratischen Partei nicht bleiben, da sie jetzt ganz von einer elitären Clique von Kriegstreibern kontrolliert wird.“

Traurigerweise hätte dieser Vorwurf ebenso auf die Republikanische Partei gepasst. Der Wirtschafts- und Politikwissenschaftler Jeffrey Sachs betonte am Montag in einem Interview (1):

„Dieses Land ist an seiner Spitze eine Kriegsmaschine. Wir sind eine Art Polizeistaat, mit einer geheimen Instanz, die unsere Außen- und Militärpolitik weitgehend kontrolliert.“

Die ganzen Spielereien um Rasse, Geschlecht oder was sonst gerade an sozialen Themen in Mode ist, sind nur politisches Theater.

Was wirklich in Washington zählt, ist der Krieg, und Gabbards effiziente Art zu kommunizieren macht sie zu einer Gefahr für die Kriegsmaschine. Sie spricht klar und deutlich aus, dass die Politik der USA nichts mit echten Sicherheits- und wirtschaftlichen Interessen der amerikanischen Bevölkerung zu tun hat.

„Wir haben in Washington zu viele Leute sitzen, die Kriegstreiber sind, stets zu Diensten des militärindustriellen Komplexes, und die ihre selbstsüchtigen Interessen und die ihrer Geldgeber immer bevorzugt behandeln, ohne Rücksicht auf die Kosten und Folgen, die ihre Entscheidungen für das amerikanische Volk haben,“ sagte sie am Dienstag in einem Interview mit Fox News.

„Genau das erleben wir jetzt mit Präsident Biden und führenden Kongressabgeordneten, deren Entscheidungen uns an den Rand des nuklearen Holocaust bringen. Vielleicht haben sie ihre Bunker, in denen sie sicher sind, aber wir, das amerikanische Volk, haben keinen Unterschlupf und kein Versteck und sind den Konsequenzen ausgeliefert, die die Menschheit mitsamt der Welt, wie wir sie kennen, zerstören könnten.“


Redaktionelle Anmerkung: Dieser Beitrag erschien zuerst unter dem Titel „Tulsi Gabbard dares to challenge Washington’s war machine“ bei RT.


Quellen und Anmerkungen:

(1) Eine deutsche Übersetzung des Interviews mit Jeffrey Sachs finden Sie hier.

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