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Jens Fischer Rodrian: „Wenn wir Assange aufgeben, verabschieden wir uns von einer Grundsäule der Demokratie“

Published On: 15. November 2022 20:15

Ein Interview von Eugen Zentner mit Jens Fischer Rodrian.

Der Lyriker und Musiker Jens Fischer Rodrian gehört zu den wenigen Künstlern, die während der Corona-Krise ihre kritische Stimme nicht verloren haben. Er mischt sich in die öffentliche Debatte ein, weist auf die gesellschaftspolitischen Missstände hin und formuliert in seinen vertonten Poesiestücken teils deutliche Kritik am Establishment, ob es um Themen wie Impfzwang, mediale Manipulation oder den Umgang mit Julian Assange geht. Der australische Investigativjournalist, dem wegen Aufdeckung von Kriegsverbrechen eine lebenslängliche Haftstrafe in den USA droht, ist für den Künstler das Symbol der Pressefreiheit. Rodrian organisiert nicht nur mit anderen Mitstreitern diverse Benefizkonzerte, sondern verarbeitet den Fall Assange auch in seinen Werken. Erst kürzlich ist ein neuer Song erschienen, der den Namen des WikiLeaks-Gründers im Titel trägt und deutliche Kritik an der Passivität der Weltöffentlichkeit übt. Im Interview spricht der Berliner Lyriker und Musiker über die Intention des Stücks, über notwendige Protestformen und das kommende Assange-Konzert am 3. Dezember.

Jens Fischer Rodrian, Sie haben schon zwei Konzerte für Julian Assange mitorganisiert. Nun haben Sie ihm sogar einen Song gewidmet. Was fasziniert Sie an dem Mann?

Es ist weniger die Faszination für den Mann Assange als das Entsetzen darüber, was ihm und seiner Familie angetan wird. Er wird von den Verantwortlichen dieses Unrechts benutzt, um anderen investigativen Journalisten einzuschüchtern – seht, so kann es auch euch ergehen, treibt es nicht zu bunt. Für diejenigen, die sich für ihn einsetzen, ist er zum Symbol für die Pressefreiheit, oder besser: für den Verlust der Pressefreiheit geworden. Der selbsternannte Wertewesten verrät seine Grundprinzipien. Wenn wir Assange aufgeben, verabschieden wir uns von einer Grundsäule der Demokratie.

Wie kam die Idee zum Song? Und warum erscheint er gerade jetzt?

Der Song entstand kurz vor dem Konzert im Juni 2022. Fragen wie Was treibt uns an? Wann stehen wir auf. Wann sagen wir, es reicht? beschäftigen mich seit der Corona-Erzählung mehr denn je. Es mag dauern, bis es bei der Mehrheit der Bürger angekommen ist, aber es ist jetzt schon klar, dass die Menschen massiv belogen worden sind. Corona fungierte als Brennglas, aber angefangen hat das alles viel früher. Deshalb wollte ich die Fragen, die auch auf die Corona-Krise übertragbar sind, auf den Fall Assange richten, weil diese Tragödie seit Jahren fast unbemerkt im Stillen geschieht.

Wo sind jetzt all die großen Leit- bzw. Konzernmedien, die sich an seiner Geschichte sensationslustig aufgegeilt haben, um ihre Auflagen zu erhöhen? Die meisten schweigen. Neue Sensationen müssen her, egal ob sie stimmen oder nicht. Jetzt während des Ukraine-Konflikts wird es wieder überdeutlich. Es wird gelogen was das Zeug hält und ein Großteil der deutschen Journalisten blamiert sich mit Geschichtsvergessenheit und angepasstem Vasallentum. Es ist peinlich wie ungehobelt Medien und Politiker, allen voran die Außenministerin, sich mit harter Hand inszenieren, von Kriegsmüdigkeit sprechen und sich sogar hinreißen lassen, eine Atommacht ruinieren zu wollen. Wenn wir Journalisten, wie Assange verlieren, weil sie eingeschüchtert werden, oder wenn Politikwissenschaftlerinnen wie Ulrike Guérot massiv unter Druck geraten, weil sie sich für Verhandlungen und Frieden einsetzen, stehen wir vor einem riesen Problem.

Der Song «Assange!» so fürchte ich, wird so lange aktuell bleiben, bis man zur Besinnung kommt, er selbst endlich aus der Folterhaft entlassen wird und der Journalismus, zumindest in Teilen, wieder zu seiner Verantwortung zurückfindet.

In dem Song wird heftige Kritik an uns allen geübt. Im Refrain heißt es „Shame on us“. Was haben wir falsch gemacht?

Wir haben uns als Gesellschaft ablenken lassen von den wesentlichen Dingen – durch Konsum, durch Gleichgültigkeit und vieles mehr. Che Guevara hat mal gesagt: „Bewahrt euch die Fähigkeit, Ungerechtigkeit aufs Tiefste zu empfinden.“ Da müssen wir wieder hin.

Erst kürzlich wurde aus Solidarität mit Julian Assange als Zeichen des Protests eine Menschenkette um das britische Parlament gebildet. Reichen solche Aktionen Ihrer Meinung nach aus – oder muss da schon mehr passieren?

Nichts ist überflüssig, aber es muss natürlich viel mehr passieren. Diese Aktion hallt nach, weil sie eine große Symbolkraft hatte. Prominente Unterstützer wie Russel Brand haben daran Teil genommen. Kaum jemand verbindet seriöse Informationen, Aufklärung und Liebe zu dem Menschen so wie er. Aber auch andere Aktionen, Kunstprojekte, Mahnwachen wie die vor der amerikanischen Botschaft in Berlin, Musikvideos, Konzerte und vieles mehr können den Druck auf die englische Regierung erhöhen, so dass Assange nicht ausgeliefert wird. #RAISE THE VOLUME! Ich stimme dem mexikanischen Präsidenten zu. Wenn das geschieht, sollte die Freiheitsstaue in New York entfernt werden.

Was glauben Sie, soll die Verfolgung und Bestrafung Assanges bewirken?

Sie soll Kollegen abhalten, sich einzumischen. Es wird immer dann besonders brenzlig, wenn man den amerikanischen Interessen in den Weg kommt. Kein anderes Land hat seit dem 2. Weltkrieg so viel Schaden angerichtet wie die USA, egal ob Demokraten oder Republikaner im Amt waren. Es wurde so viel Leid verursacht. Manche Länder wurden ins Mittelalter zurückgebombt, zwischen 20 und 30 Million insgesamt. Wer diesbezüglich sein Wissen ein wenig auffrischen will, dem empfehle ich die Bücher «Imperium USA» des Friedensforschers Daniele Ganser und ganz aktuell «Endspiel Europa» von Ulrike Guérot und Hauke Ritz. Die Nato und die USA sind nach meinem Kenntnisstand das Hauptproblem, wenn es um den Weltfrieden geht. Auch darauf hat Assange hingewiesen. Genau deshalb sitzt er jetzt fest, während die Kriegsverbrecher auf freiem Fuß sind. Es ist abscheulich.

Zeigte der Fall Assange bereits Symptome dessen, was uns später in der Corona-Krise erwarten sollte? Oder hat das Eine mit dem Anderen nichts zu tun?

All dies hängt zusammen, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so scheint. Zum Beispiel was den verengten Debattenraum angeht: Hier die guten, solidarischen Bürger, da die ungeimpften Covidioten. Auf der einen Seite die Empörten, die den „Freiheitskämpfer“ Selenskyj folgen, auf der anderen Seite die Putinversteher. Es geht nahtlos von einem Gut-böse-Narrativ in das andere über. Es wird nicht differenziert argumentiert. Man folgt der amerikanischen Doktrin, man bekennt sich blind zu dem transatlantischen „Partner“, anstatt ihn genau so kritisch zu betrachten und sich auf seine eigene europäische Identität zu besinnen. Die Tatsache, dass der Fall Assange bei den meisten Politikern und Journalisten kein anhaltendes internationales Entsetzen auslöst ist bezeichnend. Man will dem „amerikanischen Freund“ nicht brüskieren. Da hilft es auch nicht, Assange für den Sacharow-Preis zu nominieren, wenn ihn dann doch ein korrupter Politiker wie Selenskyj bekommt.

Sie sind nun kein Journalist, sondern ein Künstler. Befürchten sie, dass eine ähnliche Entwicklung in der Kulturbranche stattfindet – dass also Künstler wegen ihrer zu kritischen Werke verfolgt werden?

Das wäre nichts Neues. Künstler und Kulturschaffende waren schon immer unter besonderer Beobachtung, wenn sie den Finger in die Wunde gelegt haben. Das kam nicht nur in den dunkelsten Zeiten des letzten Jahrhunderts vor. Erinnern wir uns an John Lennon und seinen viel zu frühen Tod. Auch hier hat die offizielle Erzählung wahrscheinlich genau so wenig mit der Wahrheit zu tun wie bei der Ermordung John F. Kennedys. Man merkt ja seit zweieinhalb Jahren, was hier mit maßnahmenkritischen Künstlern passiert ist.

Nena wurde von Medien und Kollegen geächtet, nur weil sie sich weigerte, während der unsäglichen 2G-Zeit ausschließlich vor Geimpften zu spielen. Nina Maleika hatte gleich zwei Hausdurchsuchungen zu erleiden. Ich selbst habe 80 Prozent meiner Auftrittsorte verloren. Mir wurde das Crowdfunding für das Album «Protestnoten 2» Stunden vor Veröffentlichung von der Plattform WEMAKEIT gestrichen. Festivals haben mir kurz vor Auftritt abgesagt. Schreiberlinge der Taz haben versucht, mich aus der Bardinale in der UfaFabrik rauszukegeln. Die Liste ließe sich endlos weiterführen, wenn ich noch all die Erfahrungen meiner Kollegen ausführen würde. Natürlich wird der Staat aufmerksam, sobald die Meinung und die Aussagen von einem Künstler, der sich kritisch äußert, an Gewicht gewinnen.

Am 3. Dezember findet das nächste Benefizkonzert für Assange in Berlin statt. Was erwartet die Gäste?

Es wird ein sehr bunter Abend. Es treten unterschiedlichste Künstler und Aktivisten auf, von Pop und Rap mit ÄON und Morgaine über Liedermacher wie Diether Dehm und dem Barden Karsten Troyke bis hin zur 25-köpfigen BasisBandBerlin. Uli Gellermann und ich eröffnen den Abend, Nina Maleika moderiert. Es gibt eine Diskussionsrunde mit Paul Brandenburg und Hannes Hofbauer. Am Ende legt Kult-DJ Captain Future auf. Das eingenommene Geld geht nach Abzug der Kosten an Stella Assange.

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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Bildquelle: Jens Fischer Rodrian

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